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Eric Puchner – Weißes Licht

Eine Love triangle steht im Mittelpunkt des Romans Weißes Licht von Eric Puchner. Darin erzählt er von den unerwarteten Volten des Lebens im Hinterland von Montana und zeigt dabei Erzählhandwerk, das dem anderen junger amerikanischer Erzähltalente wie Nathan Hill nahekommt.


Montana ist vielleicht nicht der erste Ort, der Menschen einfällt, um dort zu heiraten, insbesondere wenn sie eigentlich in Los Angeles leben. Für Cece und ihren Bald-Mann Charlie steht die Entscheidung aber schnell fest. Im Sommer wollen sie dort im Norden der USA sein, um sich im Kreis ihrer Liebsten auf dem familieneigenen Grundstück von Charlies Eltern das Jawort zu geben.

Sie liebte diesen Ort genauso sehr wie Charlie. Beide liebten ihn dermaßen, dass sie beschlossen hatten, hier zu heiraten, mehr als tausend Meilen von zu Hause entfernt. Einige ihrer Freunde regten sich darüber auf- es war teuer, per Flugzeug von einer der beiden Küsten anzureisen und auch nicht ganz einfach -, aber das war Cece egal. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, irgendwo anders zu heiraten.

Eric Puchner – Weißes Licht, S. 14

Bevor es soweit ist, reist Cece schon einmal alleine nach Montana. Sie will die Vorbereitungen überwachen, eine Linedance-Band engagieren und sicherstellen, dass alles nach Plan läuft. Charlie, der als Kardioanästhesist in Los Angeles arbeitet, hält dort derweil noch die Stellung. Als Ansprechpartner vor Ort hat er seinen besten Freund Garrett ausersehen, der die Betreuung von Cece übernehmen soll.

Dass Garrett nach Charlies Bekunden sein bester Freund ist, kann Cece nach den ersten Kontakten allerdings noch nicht nachvollziehen, im Gegenteil. Sie fremdelt mit dem Hinterwäldler, der am lokalen Flughafen das Gepäck abfertigt, auf einer gemeinsamen Wanderung in der Wildnis von Montana die Nerven Ceces gehörig strapaziert und zu allem Überfluss von Charlie auch noch als Zelebrant ihres gemeinsamen Jaworts der beiden vorgesehen ist.

Eine Hochzeit mit Hindernissen

Eric Puchner - Weißes Licht (Cover)

Doch nicht nur ein Norovirus wirbelt die Hochzeitsfeierlichkeiten durcheinander, auch in der Beziehung von Cece, Charlie und Garrett tut sich im Zuge der Hochzeit Entscheidendes, wovon Eric Puchner nach dem ersten großen Sprung des Jahres über einige Jahre hinweg erzählt. Immer wieder bedient sich der Dozent für Kreatives Schreiben im Folgenden dieser Sprünge, mithilfe derer er sich durch das ganze Leben von Garrett, Cece und Charlie bewegt.

Ihr gemeinsamer Lebensweg, Trennendes wie Verbindendes steht im Mittelpunkt des Romans, der aus dem Miteinander der drei Figuren seine emotionale Spannung zieht. Freundschaft, aber auch plötzliche wie langsame Tode sind Themen in diesem Roman, der auf die letzten Meter dann sogar noch in eine Art Climate Fiction kippt, wenn Puchner die Schönheit Montanas mit der Zerstörung der Idylle durch den Klimawandel kontrastiert – was auf der Schauplatzebene das Motiv der Zerstörung von Idyllen fortführt, das auch im Beziehungsdreieck seiner Figuren eine große Rolle spielt.

In der Tradition von Callan Wink vermisst Eric Puchner die Schönheit der Natur Montanas, zeigt Garretts Naturverbundenheit und das Gefühl von Heimat und Bindung, das mit dem Seegrundstück von Charlies Familie für Puchners Figuren verbunden ist, ebenso wie er ein feines Gespür für die Brüche und Unwägbarkeiten des Lebens beweist.

Berührend, aber kein Kitsch

Weißes Licht ist ein berührender Roman, der aber nicht in Kitsch abgleitet und der immer wieder auch ein tolles Gespür für Humor zeigt, wie ihn auch andere Schriftsteller von Puchners Generation an den Tag legen, etwa Nathan Hill, der ähnlich gekonnt Tiefe, Witz, Menschenbeobachtungen und lange Zeitläufe im Leben seiner Figuren zu faszinierenden Romanen schmiedet.

Beschreibungen von den Auswirkungen von Suchterkrankungen stehen hier neben großartig komischen Szenen, etwa der, als Großartig etwa die Szene, in der Cece inzwischen eine Buchhandlung im verschlafenen Nest Salish eröffnet hat und als idealistische Buchhändlerin eine renommierte Schriftstellerin in die Einöde Montanas gelockt hat, wo diese nun vor leeren Stühlen liest. Cece hat sich in ihrer Aufregung derweil statt aufputschender Substanzen versehentlich ein Schlafmittel einverleibt und so gleitet der Abend sehenden Auges ins Desaster ab…

Fazit

Die Mischung von Ernst und Leichtigkeit, großer Tragik und Unbeschwertheit macht das Lesegefühl von Weißes Licht aus, das so wieder mal ein echter Schmöker mit Tiefgang aus der amerikanischen Romanschule geworden ist. Sauber übersetzt von pocaio und Roberto de Hollanda wohnt man hier einem literarischen Debüt bei, das auf weitere tolle Taten dieses Kalibers hoffen lässt!


  • Eric Puchner – Weißes Licht
  • Aus dem Englischen von pocaio und Roberto de Hollanda
  • ISBN 978-3-446-28454-8 (Hanser Blau)
  • 528 Seiten. Preis: 25,00 €

Callan Wink – Big Sky Country

Football, Burger, Farmleben und die unendlichen Weiten Montanas. Callan Wink erzählt in seinem ersten Roman von der Mannwerdung eines Jungen in der amerikanischen Provinz. Und liefert dabei wenig Erhellendes.

Gäbe es einen Bausatz für einen Coming of Age-Roman, die Zutaten Sommer, Liebe, Unsicherheit, eine bevorstehende richtungsweisende Entscheidung und nächtliche Partys gehörten sicher zu den unverzichtbaren Ingredienzen eines solchen Bausatzes. Und auch der Amerikaner Callan Wink bedient sich dieser Elemente in seinem ersten Roman Big Sky Country ausgiebig. In jenen im Volksmund so betitelten amerikanischen Bundestaat zieht der junge Protagonist August mit seiner Mutter.

Callan Wink - Big Sky Country (Cover)

Nachdem sie sich mit ihrem Mann auseinandergelebt hat, beschließt Augusts Mutter, sich in Montana eine neue Arbeitsstelle in einer Bibliothek zu suchen. Ihren Mann, der eine Milchwirtschaft in Michigan betreibt, lässt sie dort mit seiner Geliebten allein. Nach der Kindheit im Mittleren Westen findet sich August so in einem ihm unvertrauten Landstrich wieder, der von Weite, Farmen und wenigen Menschen geprägt ist.

Anschluss findet er dort zunächst kaum. Er ist Teil des örtlichen Football-Teams und schließt erst allmählich Kontakt zu anderen Jugendlichen. Während sich Schulkameraden zum Krieg im Irak verpflichten – das Buch spielt um das Jahr 2001 herum – weiß August nicht so wirklich etwas mit sich anzufangen. Er angelt, feiert ein Sommerfest zu Ehren eines gefallenen Mitschülers, lässt sich treiben und besucht in losen Abständen seinen Vater auf der heimischen Farm. So richtig weiß August nicht, wie sein weiterer Lebensweg aussehen soll. Studium am College, Übernahme des väterlichen Hofs oder etwas völlig anderes? Seine Eltern und Freunde sind ihm bei diesen Fragen auch keine wirkliche Hilfe.

Wohin mit mir im Leben?

Diese Frage umkreist Callan Wink in seinem Buch. Etwas antriebslos lässt er August über die endlosen Straßen Montanas radeln und einsam an Ufern fischen, während er sich zunehmend von seinen Eltern entfremdet. Das alles schildert Callan Wink in einer ruhigen Prosa, die auch die nicht so schönen Seiten in Augusts Leben in den Blick rückt. Nicht alles ist so sommerhell, wie es uns das Feld auf dem Buchcover glauben machen will. Die düster dräuenden Wolken, es gibt sie auch im Text selbst.

So schildert Wink mit großer Genauigkeit, wie August von seinem Vater beauftragt wird, die sich wild vermehrenden Katzen auf dem Hof zu töten. Die Sommerparty der Jugendlichen kippt dann in eine Gruppenvergewaltigung, in der Einöde Montanas sind auch neurechte Spinner und Verschwörungstheoretiker zuhause. Das alles lässt Wink in seinen Roman einfließen und erschafft so Tiefe im Buch. Dennoch macht die manchmal an John WilliamsStoner erinnernde Sprache und die Genauigkeit des Blicks allein noch kein gutes Buch aus.

Denn thematisch weiß das Buch nichts Neues zu erzählen. Machte man sich die Mühe, und fertigte für Big Sky Country einen thematischen Thesaurus an, dann sähe dieser ungefähr so aus: Mittlerer Westen, Montana, Farmen, College, Umzug, Football, Rodeo, Burger, Bier, Freundschaften, rechte Hillibillys, Pick-Up, Feldarbeit.

Wenig Überraschendes

Dass ein Buch über einen Jungen in der amerikanischen Provinz von diesen Themen erzählt, das ist wenig überraschend. Und genau das war, was mich an Callan Winks Buch auch störte. Er weiß der ganzen Fülle an thematisch ähnlich gelagerten Büchern nicht Neues hinzuzufügen. Big Sky Country liest sich, wie ein dutzendfach gesehener Film oder ein ebenso oft gelesenes Buch über einen Jungen in der amerikanischen Provinz. Natürlich spielt August Football, cruist mit seinem Auto ziellos durch die Gegend, trinkt Bier, futtert Burger oder sucht beim Tanz den Kontakt mit Mädchen (und zimmert dem Nebenbuhler dann natürlich an der Bar die Faust ins Gesicht). Das ist solide erzählt, aber es reicht nicht, um etwas Besonderes aus dem Buch zu machen.

August bleibt ein blasser Held, dessen Erlebnissen und Aventüren es an Außergewöhnlichem, Besonderem oder Unerhörtem gebricht. Alles ist so, wie man es sich von einem Teenager in der amerikanischen Provinz vorstellt. Die erzählerischen Figuren bleiben so blass und oberflächlich wie die Telefonate, die August mit seinem Vater führt. Und das genügt mir dann leider nicht, um als gutes Buch durchzugehen.

Nach der Lektüre von Big Sky Country bleibt für mich die Erkenntnis, dass Callan Winks Form doch vielleicht eher die der Kurzgeschichte ist. Sein Erzählungsband Der letzte beste Ort hat die Qualitäten, die ich in seinem Roman vermisste. So gibt es von mir die Empfehlung, sich eher an diese Storys zu halten, wenn man einen tollen amerikanischen Erzähler entdecken will. Big Sky Country bietet nicht viel Neues unter dem weiten Himmel Montanas.

Weitere Stimmen zum Buch gibt es hier: Meike Feßmann in der SZ und Jana vom Blog Wissenstagebuch.


  • Callan Wink – Big Sky Country
  • Aus dem amerikanischen Englisch von Hannes Meyer
  • ISBN 978-3-518-42983-9 (Suhrkamp)
  • 378 Seiten. Preis: 23,00 €