Tag Archives: Südafrika

Trevor Noah – Farbenblind

Trevor Noah ist einer der größten Comedystars auf dem amerikanischen Kontinent. 2015 beerbte er Jon Stewart und wurde der Nachfolger von dessen Daily Show. Mit seinen Bühnenprogrammen sorgt er für ausverkaufte Säle weltweit. Dabei ist Trevor Noah nicht einmal Amerikaner, sondern wurde in Südafrika während der Zeit der Apartheid geboren. Von seiner Kindheit erzählt sein erstes Buch mit dem Titel Farbenblind, das in der deutschen Übersetzung von Heike Schlatterer im Blessing-Verlag erschien.

Der Originaltitel seines Buch lautet Born a crime und fasst den Titel von Noahs Leben und Geschichten schon sehr gut zusammen. Denn der junge Südafrikaner wuchs in den Townships in Soweto auf und bekam die unmittelbaren Auswirkungen der Apartheid am eigenen Leib zu spüren. In den 18 Geschichten wirft er einen Blick zurück auf die seltsamen Regeln und Auswüchse der praktizierten Rassentrennung, berichtet vom täglichen Leben auf den Straßen der Townships und erzählt, wie es ist, als Verbrechen geboren zu sein. Denn Noah ist mit einer afrikanischen Mutter und einem Schweizer Vater ein Wandler zwischen den Welten. Weder Weiß noch Schwarz gehörte er keiner Ethnie wirklich an und saß von Kindesbeinen an zwischen den Stühlen.

Davon und noch mehr erzählen seine Episoden. Er schildert Erlebnisse aus seiner Kindheit, die von skurril bis hochdramatisch alle Facetten abdecken. Vor allem das Schlusskapitel, in dem er von den Misshandlungen seines Stiefvaters berichtet, ist sehr eindringlich und alles andere als witzig. Denn Noahs Stiefvater war ein schwerer Alkoholiker und misshandelte die ganze Familie, was dann darin gipfelte, dass er auf Trevor Noahs Mutter schoß und diese lebensgefährliche verletzte. Andere Episoden hingegen bringen den Leser auch zum Lachen, etwa wenn er davon berichtet, wie er als kleines Kind seine Notdurft in der Küche verrichtete, nichtsahnend dass seine blinde Großmutter wenige Meter von ihm entfernt am Kamin saß. Humorvoll auch die Geschichte rund um Noahs Dancecrew mit dem unangefochtenen Star Hitler – dessen Name aufgrund der mangelnden Schulbildung seines Umfelds entstand.

Wohltuenderweise verzichtet Noah in seinem Buch auf platte Gags, Schenkelklopfer und Pointen beziehungsweise dosiert diese sehr gut. Farbenblind wird so zu einer lesenswerten Autobiographie über ein Südafrika, das erst ganz langsam seinen Weg aus der Apartheid findet und in dem es trotz Nelson Mandelas Bemühungen auch heute noch an vielem krankt.

Aufgrund der Popularität des Stars ist zu hoffen, dass auch (junge) Menschen, die mit den Auswüchsen der Apartheid in Südafrika nicht in Berührung gekommen sind, durch dieses Buch etwas über dieses Kapitel afrikanische Zeitgeschichte lernen. Aber auch als humorvolle Autobiographie funktioniert dieses Buch – deshalb Empfehlung!

https://www.youtube.com/watch?v=Z3XCxV_pSBA

 

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Mike Nicol – Power Play

Wer oder was sind Seeohren? Diese potentielle 125.000 €-Frage kann der Leser von Mike Nicols neuem Roman nach der Lektüre spielend leicht beantworten. Denn diese unter Wasser lebenden Schnecken sind eine Art Muscheln, die vor der Küste Südafrikas leben und als Delikatesse gelten. Der Schmuggel mit ihnen blüht – und so wollen verschiedene Parteien aus dem Geschäft mit den Seeohren ihren Profit schlagen.

Power Play von Mike Nicol

Power Play von Mike Nicol

Eine unübersichtliche Gemengelage durchzieht den neuen Roman des südafrikanischen Krimiautors Mike Nicol, der neben Schreibern wie Deon Meyer, Paul Mendelson oder Malla Nunn zu den Vertretern einer boomenden Kimiregion zählt. Die babylonische Verwirrung, die am Anfang des Buchs herrscht, dauert auch einige dutzend Seiten an, ehe man zunächst die groben Zusammenhänge und Abhängigkeiten überblickt (da hilft es auch wenig, wenn sich der Klappentext in lobpreisenden Stimmen über den Autor ergeht. Wirklich schlauer wird man daraus nicht, deshalb hier nun ein paar wenige Worte zum Geschehen) Continue reading

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Paul Mendelson – Die Unschuld stirbt, das Böse lebt

Die toten Jungen von Kapstadt

Der Tatort, zu dem Vaughn de Vries nahe Kapstadt gerufen wird, ist ein bedrückender Schauplatz eines Verbrechens:  In einem Abfallcontainer wurden die Leichen zweier Jungen entsorgt. Die anämischen Körper zeigen, dass die Jungen lange kein Licht mehr gesehen haben. Zudem ergibt die gerichtsmedizinische Auswertung, dass die beiden Opfer vor ihrem Tod missbraucht wurden. All das katapultiert den Ermittler de Vries in Erinnerungen sieben Jahre zurück. Damals verschwanden drei Jungen in Südafrika und blieben verschwunden. Zwei der Toten sind nun tatsächlich die Entführungsopfer aus dem Jahr 2007 – und de Vries wird mit seinem damaligen Versagen konfrontiert.

978-3-499-27072-7Umso verbissener macht er sich deshalb natürlich an die aktuellen Ermittlungen, um damit auch den Entführern der Jungen sieben Jahre zuvor auf die Spur zu kommen. Wo wurden die Jungen so lange gefangen gehalten und wer hat bei diesem Verbrechen seine Finger im Spiel? Erschwert wird seine Suche nach der Wahrheit dabei von einem Polizeiapparat, der de Vries zahlreiche Knüppel zwischen die Beine wirft, um ihn scheitern zu sehen. Interne Ermittler haben es genauso auf de Vries abgesehen wie die Leitung der Polizeibehörde – und so muss dieser an zwei Fronten kämpfen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.

 

 

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Anthony Doerr – Memory Wall

Erinnerungen

Mit seinem Roman Alles Licht, das wir nicht sehen gelang es Anthony Doerr im letzten Jahr, mich tief zu bewegen und lang über seine Geschichte nachzusinnieren lassen. Umso größer meine Freude, als ich in der Vorschau des C. H. Beck-Verlags die Ankündigung zu einem neuen Roman bzw. einer neuen Novelle des Amerikaners entdeckte. Seit letzter Woche ist nun seine 132 Seiten starke Erzählung Memory Wall im Handel erhältlich, ins Deutsche übertragen wurde sie abermals von Werner Löcher-Lawrence.

Der Inhalt dieser Novelle lässt sich nur unzureichend beschreiben und soll an dieser Stelle auch nicht allzu vertieft ausgeführt werden. Die Grundfrage, die Doerr umtreibt, ist die Frage der Erinnerung. Woran erinnern wir uns und was machen wir mit unseren Erinnerungen? Bereits Karl-Ove-Knausgard vermerkte in seinem Roman Spielen: „Das Gedächtnis ist keine verlässliche Größe im Leben, aus dem einfachen Grund, dass für das Gedächtnis nicht die Wahrheit wichtig ist.“ Doerr treibt diesen Gedanken weiter und geht mit ihm in die Zukunft. Dort ist es Forschern gelungen – ähnlich wie beim Denkarium von Albus Dumbledore in den Harry-Potter-Bänden – die Erinnerungen von Menschen zu konservieren. Sie können die Erinnerungen abzapfen und diese in Kassetten abspeichern. Eine Kundin dieser neuartigen Technologie ist die greise Alma, die sukzessive der Krankheit Vergessen anheimfällt. Sie wohnt in Kapstadt in ihrem Haus, hat ihren Mann verloren und wird nur von einem Haushälter aus den Townships betreut. Sie flüchtet sich in ihre eigenen Erinnerungen, auf die es aber auch Kriminelle aus bestimmten Motiven abgesehen haben.

Alles Licht, das wir nicht sehen - Anthony Doerr

Anthony Doerr hat mit Memory Wall eine sauber gearbeitete und brillant ausgeführte Novelle vorgelegt, die ebenso fraktal wie unsere Erinnerungen ist. Aus mehreren Strängen setzt er seine kurze Geschichte zusammen, die verschiedene Stränge und Rückblenden zu einem Gesamtporträt verbindet, in das man sich schon nach kurzer Dauer einfindet. Die unerhörte Begebenheit, die eine Novelle gemäß der Goethe’schen Literaturtheorie besitzen sollte, ist Doerrs Fiktion von Erinnerungsspeichern und Erinnerungszapfen. Was sich hier nach einer Prise Philip K. Dick anhört, liest sich im Buch sehr einfühlsam, schön, und enthält viele Impulse, wie es beispielsweise hier deutlich wird:

Dr. Amnestys Kassetten, das South African Museum, Harolds Fossilien, Chefe Carpenters Sammlung, Almas Gedächtniswand – waren das nicht alles Versuche, der Vernichtung zu trotzen? Was sind Erinnerungen überhaupt? Wie können sie so zerbrechlich und vergänglich sein? (…) Die Erinnerung baut sich ohne klare, objektive Logik auf: Ein Punkt hier, einer dort, und dazwischen liegen viele dunkle Räume. Unser Wissen entwickelt sich ständig und unterteilt sich. Wenn Sie sich oft genug an etwas erinnern, können Sie eine neue Erinnerung schaffen: Die Erinnerung an das Sicherinnern.“ (Doerr, Anthony: Memory Wall, S.114 f.)

Den Inhalt von Memory Wall zusammenzufassen, gleicht einem Versuch, den Vorgang des Erinnerns in Worte zu fassen. Es ist kaum möglich, da auch jeder Leser etwas eigenes aus diesem Buch mitnehmen wird. Ein Buch über das Vergessen, über Fossilien, über Wunder im Leben und vieles mehr. Am besten einfach selber lesen und genießen!

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Deon Meyer – Icarus

Wer hoch fliegt …

Bennie Griessel ist abgestürzt. Sein fünfter Einsatz wird zu seinem persönlichen Prüfstein, als der trockene Alkoholiker den Dämonen des Alkohols nicht länger entsagen kann. Der Tod eines Kollegen weckt im südafrikanischen Cop nämlich tiefe Verzweiflung, der er mit einem Rückfall in alte Gewohnheiten begegnet. Dabei bedürften die Kollegen gerade jetzt eines hellwachen Bennie, denn ein schwieriger Fall ist kurz vor Weihnachten aufgetaucht:

Per Zufall wird die Leiche von Ernst Richter entdeckt. Dieser Internet-Unternehmer hatte mit einem Start-Up Furore gemacht, mithilfe dessen er all denen ein perfektes Alibi versprach, die fremdgehen wollten.

Wer hat den schillernden Star der New-Economy-Szene auf dem Gewissen? Welche Geheimnisse aus Richters Leben kosteten ihn selbiges? Bennies Kollegen beginnen zu ermitteln, während dieser eher damit beschäftigt ist, auf den nächsten Schluck Alkohol hinzuarbeiten. Kann sich Griessel aus diesem Sumpf befreien und den Mörder Richters dingfest machen?

Im nunmehr fünften Fall für Bennie Griessel wagt der südafrikanische Starautor die radikale Kehrtwende – war doch Meyers Spezialität immer das Tempo und der Druck, unter den er seine Ermittler setzte. Mal hatte Bennie Griessel nur Sieben Tage, um einen Killer aufzuhalten, mal hetzte er sein Personal ganze 13 Stunden durch ganz Kapstadt auf der Suche nach einer jungen Frau. Nach den turbulenten Geschehnissen im Vorgänger Cobra tritt Meyer nun völlig auf die Bremse und nimmt das Tempo aus dem Thriller.

Wie von Meyer nicht anders gewohnt setzt er seinen Roman aus mehreren Strängen zusammen – diesmal lässt er einen Winzer seine Lebensgeschichte erzählen. Dies tut der Winzer allerdings ganz nach dem Motto Von  hinten durch die Brust ins Auge und schlägt mit seinen etwas faden Erzählungen Volten. Doch selbst dem unbedarftesten Leser dämmert schon bald, wohin grob die Story führen wird, vor allem da schon recht früh im Roman Querverbindungen auftauchen.

Nur Bennie mag seinen Spürsinn für die Spuren nicht so richtig aufbringen und spielt in Meyers Gesamtensemble eher die zweite Geige. Während die Kollegen zwischen Apps, Tinder und außerehelichem Begehren herumirren, lässt Griessel den Spürsinn und sein Gefühl für Fälle sehr vermissen. Es dauert über dreihundert Seiten, ehe Bennie und die Ermittlungen in Schwung kommen, doch nach 430 Seiten ist schon wieder Schluss. Somit stellte sich diesmal dieser typische Meyer-Sog, der den Leser ins dunkle Kapstadt hineinsaugt und erst nach einem Parforce-Ritt wieder freigibt, nicht ein.

Hoffentlich drückt Meyer im Folgeband wieder mehr aufs Gas und lässt Bennie zu alter Stärke zurückfinden – es wäre ihm und der Reihe sehr zu wünschen. So ist Icarus leider nicht der stärkste Band der Reihe. Hoffentlich bekommt Bennie sein Leben wieder auf die Reihe und Meyer wieder das Tempo in seine großartigen Romane!

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