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Wo die Flusskrebse singen

Delia Owens – Der Gesang der Flusskrebse

Gerne ist in Rezensionen (meinen eingeschlossen) von atmosphärischen Schilderungen die Rede. Doch was bedeutet das eigentlich? In Delia Owens Debüt Der Gesang der Flusskrebse lässt sich das nahezu in Perfektion beobachten.

Die Hütte lag etwas entfernt von den Palmettopalmen, die sich über Sandwatt bis zu einer Perlenschnur von grünen Lagunen erstreckten, und dahinter, in der Ferne, kam die weite Marsch. Meilenweit widerstandsfähiges Riedgras, das sogar in Salzwasser wuchs, nur unterbrochen von Bäumen, die der Wind nach seinem Belieben gekrümmt hatte. Eichenwald umringte die Hätte auf der anderen Seite und schützte die nächstgelegene Lagune, deren Oberfläche vor Leben schäumte. Salzluft und Möwengeschrei drangen vom Meer durch die Bäume herüber.

Owens, Delia, Der Gesang der Möwen, S. 15

Man meint, förmlich selbst mit durch die Marschlandschaft zu wandern, wenn sie Delia Owens (toll von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann übersetzt) so in Szene setzt. Die Atmosphäre überträgt sich in diesem Buch durch die präzise geschilderten Landschaftsbeschreibungen, die unter anderem den Reiz dieser Erzählung ausmachen. Zusammen mit der jungen Kya durchfährt man Kanäle, beobachtet Flora und Fauna und ist mit ihr weit draußen in der Natur, dort wo die Flusskrebse singen. So hat es ihr zumindest ihre Mutter erzählt, denn erst wenn man sich alleine und ungestört in die Natur begeben hat, dann hört man ihn vielleicht, den Gesang der Flusskrebse, draußen in den Marschen North Carolinas.

In den Marschen North Carolinas

Doch von ihrer Mutter bleibt Kya außer dieser Weisheit wenig. Schon zu Beginn der Geschichte verlässt sie die Familie. Der Exodus der Familienmitglieder setzt sich immer weiter fort, und so bleibt dann nur Kya zusammen mit ihrem jähzornigen Alkoholikervater in jener ärmlichen Hütte zurück, die Delia Owens im Eingangszitat beschreibt. Kyas Kindheit und das Aufwachsen in den Sümpfen erfahren wir in chronologischen Rückblenden, die die Handlung in der erzählten Gegenwart von 1969/70 ergänzen.

Delia Owens - Der Gesang der Flusskrebse (Cover)

Denn in zu dieser Zeit ist die lokale Polizei um die Aufklärung eines eventuellen Mordes bemüht. Chase Andrews, vielversprechendes Sporttalent und Womanizer, liegt tot am Fuße eines Turms in der Marsch. Zwar gibt es keine eindeutigen Beweise, aber die Polizei geht von Mord aus. Und die Verdächtige steht auch schnell fest: die junge Kya, von allen das Marschmädchen genannt. Und so ist man als Leser*in Zeuge, wie der Krimi seinen Ausgang nimmt, der später im Gerichtssaal enden wird.

Es sind also die verschiedensten Zutaten, die Delia Owens in ihrem Debüt verquickt. Ein Krimi, ein Justizdrama, ein Coming-of-Age-Roman, ein Naturbuch. Das dieses Gemisch nicht in seine Einzelteile zerfällt, das ist der Autorin hoch anzurechnen. Mit ihrem Sinn für Atmosphäre kreiert sie einen ganz eigenen Kosmos, der ähnlich dem ist, den William Kent Krueger in Für eine kurze Zeit waren wir glücklich präsentierte.

Eine Überraschung zum Schluss

Für ihre jugendliche Protagonistin findet sie eine stimmige Erzählweise und die Rückblenden belegen die Formung des Charakters von Kya glaubhaft. Die Balance aus Krimihandlung in der Gegenwart und Rückblenden ins Leben des Marschmädchens ist gut austariert. Wenngleich eine der beiden im Buch geschilderten Liebesgeschichten etwas erwartbar bleibt, so fällt das auch dadurch kaum ins Gewicht, da Der Gesang der Flusskrebse dann mit einer Schlusspointe aufwartet, die man so nicht erwartet hätte (zumindest ich tat das nicht). Sie lässt die vorherige Handlung dann noch einmal in einem neuen Licht erscheinen, mehr sei dazu aber nicht verraten.

Auch das spricht ja für das schriftstellerische Vermögen von Delia Owens. Dieses Talent zu fesseln, zu überraschen, den Kopfkino-Projektor bei den Leser*innen anzuwerfen.

Insgesamt ist Der Gesang der Flusskrebse so ein Buch, das packende Lesestunden beschert, das berührt und das mitnimmt in die Marschlandschaften in North Carolina. Mehr kann man von einem Buch wahrlich nicht erwarten. Einer meiner großen Sommerurlaub-Lektüretipps!


Weitere Besprechungen dieses Titels finden sich bei Wortgelüste, Günther Keil und Nicolettantoinetta

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Candice Fox – Crimson Lake

Welch ein Output: binnen Kurzem erschienen im Hause Suhrkamp die drei Titel der Archer-Bennett-Trilogie (Hades, Eden, Fall), des Weiteren publiziert Candice Fox noch Thriller mit James Patterson und nun also sechs Monate nach der Veröffentlichung von Fall Crimson Lake. Dieses Buch stellt erneut das Faible von Candice Fox für unorthodoxe Ermittlungspaare unter Beweis. Übersetzt wurde das Buch von Andrea O’Brien aus dem australischen Englisch

Im vorliegenden Fall sind das zwei von der Gesellschaft geächtete Gestalten, die sich als Ermittlungsduo wider Willen zusammenfinden. Da ist zum Einen der Ex-Cop Ted Conkaffey, der des Kindesmissbrauchs angeklagt wurde, dem aber nie Schuld nachgewiesen werden konnte. Nach einer öffentlichen Hexenjagd zog er sich nach Crimson Lake im Norden Australiens zurück, um dort den ständigen Nachstellungen zu entkommen. Dort trifft er auf seine künftige Partnerin, die Ermittlerin Amanda Pharrell, die ebenfalls bereits vor Gericht stand. Sie ist des Mordes an ihrer Freundin verdächtig, doch auch hier bestehen von Anfang an starke Zweifel an der Schuld. Die Logik dieser Grundkonstellation bedingt nun natürlich die Aufklärung der tatsächlichen Sachverhalte der beiden Fälle im Lauf des Buches. Hinter dem Rücken des jeweils anderen versuchen Conkaffey und Pharrell die beiden Fälle zu lösen.

Diesen Plot verquickt Candice Fox mit einem aktuellen Fall, den die beiden Schnüffler nach dem Desinteresse bzw. Versagen der lokalen Polizeibehörden lösen müssen (und sich dabei natürlich auch besser kennenlernen): ein bekannter Schriftsteller ist verschwunden, sein Ehering wurde im Verdauungstrakt eines Krokodils entdeckt. Die Ehefrau des Verschwundenen setzt Conkaffey und Pharrell auf die Spur – und die beiden liefern schon bald. Sie wirbeln ganz Crimson Lake durcheinander und stoßen dabei auf einen verwinkelten Fall, der es mehr als in sich hat …

Vergleicht man nun Crimson Lake (Übersetzung aus dem australischen Englisch von Andrea O’Brien) mit der Archer-Bennett-Trilogie komme ich zu einem eindeutigen Ergebnis – Crimson Lake ist das klar bessere Buch. Zwar malt Candice Fox immer noch mit sehr grobem Pinsel und hat auch vor abgegriffenen Bildern keine Scheu, dennoch funktioniert ihr Konzept hier wirklich sehr gut. Gekonnt fängt sie die Atmosphäre im sumpfigen Norden Australiens ein und schafft es, durch die Subplots die Spannung hoch zu halten und diese auch konsequent zu Ende zu führen. Die Verbindung von ungelösten Altfällen und dem aktuellen Auftrag geht hier wirklich auf und sorgt durch Perspektivwechsel und Sprünge für permanentes Tempo.

Ärgerlich sind nur die Schludrigkeiten im Buch, die ins Auge fallen. So halte ich es auch als Nicht-Biologe für ausgeschlossen, dass in Australien ein 200 Meter langes Krokodil die Sümpfe unsicher macht. Hier scheint mir entweder Candice Fox‘ Fantasie etwas mit ihr durchgegangen zu sein oder ihr Verlag hat bei der Korrektur geschludert. Auch die sehr nahe an amerikanischen Thrillern orientierte Optik ist nicht ganz mein Fall, wirkt sie doch etwas billig und effekthascherisch.

Ansonsten gibt es wenig zu meckern – wenn es so weitergeht freue ich mich sehr auf den neuen Fall von Ted Conkaffey und Amanda Pharrell!

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