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Beth Ann Fennelly / Tom Franklin – Das Meer von Missisippi

Überschwemmungen in einigen Teil Deutschlands wie aktuell in Teilen Frankens und Nordrhein-Westfalens lassen aufhorchen. Immer wieder sind es Starkregen oder Wetterlagen wie die in Stuttgart, die Teile des Landes unter Wasser setzen. Solche Ereignisse lassen Erinnerungen hochkommen an Naturkatastrophen, die zu Landmarken der deutschen Geschichte wurden, etwa die Sturmflut in Hamburg oder das Elb-Hochwasser im Jahr 2002.

Während wir uns in Deutschland an diese Ereignisse immer wieder erinnern, ist es in Amerika eine deutlich größere Flutkatastrophe, die nahezu dem Vergessen anheimgefallen ist, wie es das Autorenpaar Beth Ann Fennelly und Tom Franklin im Vorwort zu Das Meer von Mississippi schildert. 1927 kam es in großen Teilen der Mississippi-Region nach starken Regenfällen zu einer Überflutung der Region, die zahlreiche Menschenleben forderte.

Doch weder den amtierenden Präsidenten Coolidge noch sonstige ranghohe Repräsentanten schien die Katastrophe zu kümmern. Während bei uns schnell Regierungsvertreter zu den Schauplätzen solcher Katastrophen eilen und sich als Krisenmanager*innen inszenieren, glänzte die Obrigkeit in Mississippi mit Abwesenheit und Desinteresse. Aber nachdem der Landstrich von überwiegend armer und damit nicht wahlentscheidender Bevölkerung besiedelt war, hielt sich das Engagement der Regierung eher in Grenzen (was sich ja nicht nur beim Hurrikan Katrina wiederholen sollte). Auch das Erinnern an die Katastrophe wurde nicht wirklich aktiv betrieben, der Blick ging schnell nach vorne. Und so haben es sich Fennelly und Franklin zum Ziel gesetzt, die Erinnerung an die damaligen Geschehnisse noch einmal wachzurufen und die Leserinnen und Leser mitzunehmen in ein von Regen getränktes Mississippi-Delta im Jahr 1927.

Ein Paar voller Gegensätze

Dazu setzen sie ein äußerst gegensätzliches Paar Protagonisten in den Mittelpunkt des Buchs. Da ist der Bluesliebhaber und Prohibitionsagent Ted Ingersoll, der mit seinem Partner Johnson einen Spezialauftrag von Herbert Hoover erhält. Im Süden der USA sind zwei andere Agenten verschwunden, die mit dem Aufspüren von Schwarzbrennern beauftragt waren. Nachdem die Männer wie vom Erdboden verschluckt sind, sollen Ingersoll und Johnson nun Licht in die Angelegenheit bringen. Bei ihrer Suche im Dauerregen von Mississippi stoßen die beiden bei ihrer Suche auf ein herrenloses Baby, dessen sich Ingersoll annimmt.

Beth An Fennelly / Tom Franklin - Das Meer von Mississippi (Cover)

Um sich auf ihre Suche konzentrieren zu können, gibt Ingersoll das Baby in die Obhut von Dixie Clay Holliver, der zweiten Hauptfigur des Romans. Dabei ahnt Ingersoll allerdings nicht, dass es just Dixies Mann war, in dessen Gegenwart man die zwei verschwundenen Agenten zuletzt gesehen hat. Denn Dixies Mann ist ein Alkoholschmuggler, der die strengen Prohibitionsgesetze geschickt zu umgehen weiß. Die eigentliche Kraft hinter seinen Umtrieben ist allerdings Dixie selbst, eine hochtalentierte Schwarzbrennerin, die auf ihrer Farm in der Nähe des kleinen Dörfchens Hobnob den besten Moonshine im Süden brennt.

Aus der Spannung zwischen diesen eigentlich diametral entgegengesetzten Figuren zieht Das Meer von Mississippi seinen Reiz. Während der Regen unerbittlich vom Himmel fällt und einen immer größeren Druck auf die Flüsse und Deiche ausübt, kommen sich Ingersoll und Dixie näher. Beth Ann Fennelly und Tom Franklin inszenieren das mit wuchtigen Bildern und viel Gespür für Timing und Tempo. Wie sich die beiden immer weiter annähern, wie zugleich die Pegelstände steigen und sich die Handlung um die beiden gegensätzlichen Figuren herum immer schneller beschleunigt und schließlich in nicht nur einem metaphorischen Dammbruch endet, das ist ausnehmend gut gemacht. Immer wieder gelingen den beiden eindrucksvolle Szenen und farbig geschilderte Momentaufnahmen aus einer Welt, die sich zunehmend im Chaos verliert (übersetzt von Eva Bonné).

Fazit

Das Buch kann überzeugen und ist eine wirkliche Lesefreude, wenngleich der Publikationsort im Verlag Heyne Hardcore etwas in die Irre führt. Schreibt Tom Franklin sonst Thriller ganz anderen Kalibers, handelt es sich hier doch zuvorderst um einen Roman, der Elemente aus Krimi, Schmonzette und historischem Schmugglerepos á la Dennis Lehane miteinander formidabel verzahnt. Hardcore ist hier nichts, dafür aber durchaus eindrücklich. Und somit ist das Anliegen des Autoren- und Ehepaars durchaus gelungen, an diese vergessene Katastrophe zu erinnern und ihr ein literarisches Denkmal zu setzen! Ein Buch, das nicht nur in diesen regnerischen Tagen wärmstens empfohlen sei!


  • Benn Ann Fennelly / Tom Franklin – Das Meer von Mississippi
  • Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné
  • ISBN: 978-3-453-27285-9 (Heyne Hardcore)
  • 384 Seiten. Preis: 22,00 Euro
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Roman Ehrlich – Malé

Hier ist er: der erste Roman des Friday-for-Future-Zeitalters, ein Klimaroman, der vom Ende der Welt erzählt, wie wir sie kannten. Roman Ehrlich, 1983 in Aichach geboren, hat diesen Roman geschrieben. Er trägt den Titel Malé, ist im S. Fischer-Verlag erschienen und wurde für den deutschen Buchpreis nominiert. Ein Buch, das in eine Stadt entführt, die der Klimawandelt nahezu unbewohnbar gemacht hat.


In Malé steht den Bewohnern das Wasser nicht bis zum Hals, aber mindestens bis zu den Knöcheln. Der Klimawandel hat zu einer Überflutung der Insel geführt, sodass große Teile der maledivischen Inselhauptstadt nicht mehr bewohnbar sind. Zwar tagte 2009 unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit die Regierung der Malediven erstmals unter Wasser, um so auf die Bedrohung durch den steigenden Meeresspiegel hinzuweisen. Gebracht hat es alles nichts. Inselns wie Hulhumalé oder Malé sind Opfer des Klimawandels geworden.

Die wenigen Orte, die noch bewohnbar sind, wurden von einer ganz eigenen Mischung von Menschen in Beschlag genommen. Aussteiger, Überlebenskünstler, Menschen, die aus guten Gründen etwas zu verbergen haben. Einige von ihnen lässt uns Roman Ehrlich im Lauf des Buchs kennenlernen.

Gestrandet auf Malé

Da ist zum Beispiel der Vater der verstorbenen Mona Bauch, der die letzten Lebenstage und den Tod seiner Tochter auf Malé rekonstruieren will. Oder die amerikanische Forscherin Frances Ford, die auf den Spuren eines deutschen Lyrikers nach Malé gelangt ist. Beide, Schauspielerin und Lyriker, verband eine Liasion, der Vater und Forscherin nun von zwei Enden her nachspüren.

Daneben gibt es einen Inselarzt namens Dr. Origineh Sophila (auch genannt Drosophila), einen Professor, der im Hintergrund die Fäden in der Hand hält, oder den Hühnersultan, einen Hähnchengrill, in dem sich ein Stammtisch von Aussteigern trifft. Dort erzählt man sich seine Lebensgeschichten und ergeht sich in Spekulationen. Andere versuchen sich an einem Landgewinnungsprojekt.

Eben so bunt durcheinandergewüfelt wie das Personal in diesem Roman ist auch die Themenpalette. Drogenschmuggel, Aussteigerfantasien, Klimawandel, Lyrik. In Malé treffen all diese Themen aufeinander und ergeben so einen wirklich poylphonen Roman, der manchmal unter sprachlichen Manierismen leidet.

Sprachliche Manierismen

So wird Elmar Bauch fast durchgängig als „der Vater der verstorbenen Mona Bauch“ oder als „der Vater der verschwundenen Mona Bauch“ charakterisiert. Viele Figuren bekommen eine Zuschreibung zugeordnet, die bei nahezu jeder Erwähnung der Figur apostrophiert wird. Mit der Dauer des Buchs nerven solche erzählerischen Marotten, auch da das Buch an anderen Stellen sprachlich sehr unpräzise gearbeitet ist. Auch hat Ehrlich große Freude daran, komplizierteste Namen von autochthonen Gottheiten oder König*innen zeilenlang im Buch auszuführen, was mit Fortschreiten des Roman zu einer zähen Angelegenheit wird.

Als Klimaroman, als dystopischer Blick in eine mögliche Zukunft, auf die wir gerade zusteuern, überzeugt der Roman. Als literarisch-polyphone Erzählung des Inselkollektivs auf Malé hingegen weist Ehrlichs Roman Schwächen auf und benötigt Leser*innen, die es den Inselbewohnern nachtun und sich auf eigene Verantwortung in das überflutete Insellabyrinth wagen. Denn vieles wird angerissen und angedeutet. Eine ausgestaltete Erzählung mit einer klar erkennbaren Schlagrichtung wird daraus allerdings nicht.

Ein eigenwilliges Buch, das Leser*innen erfordert, die sich auf das Wagnis Malé einlassen. Schön, dass dieses besondere und aktuelle Stück Literatur durch die Nominierung für den Deutschen Buchpreis Aufmerksamkeit erhält. Auf der Shortlist des Preises sehe ich den Roman Roman Ehrlichs um ehrlich zu sein jedoch nicht.


  • Roman Ehrlich – Malé
  • ISBN: 978-3-10-397221-4 (S.Fischer)
  • 288 Seiten. Preis: 22,00 €

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