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Robert Crais – Straße des Todes

Shootdown in Kalifornien

Hätten Cormac McCarthy und Don Winslow zusammen ein Buch verfasst, dann wäre wahrscheinlich so etwas wie „Straße des Todes“ herausgekommen. Angesiedelt im Nirgendwo zwischen mexikanischer und amerikanischer Grenze erzählt Robert Crais absolut filmreif von einem Vorkommnis, das sich für alle Beteiligten schon bald zu einem einzigen Chaos auswächst.
Jack Berman und seine Freundin Krista wollen in der kalifornischen Wüste eigentlich nur einen lauschigen Abend verbringen, stolpern dann aber in eine Gruppe von Menschenschmugglern, die illegal Menschen über die Grenze nach Amerika bringen wollen. Die beiden werden entdeckt und verschwinden von der Erdfläche.
Die Angehörigen sind über das Ausbleiben des jungen Paares höchst besorgt und beauftragen den Privatermittler Elvis Cole mit der Suche nach den beiden. Dieser muss schon bald erkennen, dass nicht nur Jack und Krista verschwunden sind, sondern dass auch ein Krieg zwischen verschiedenen lokalen Kartellen herrscht und dieser allen Beteiligten über den Kopf zu wachsen droht.

Es ist nichts weltbewegend Neues, das Robert Crais in seinem neuen Werk kredenzt. Wer Don Winslows epochalen Roman „Tage der Toten“ gelesen hat oder sich ein wenig für die Grenzkonflikte im Grenzgebiet zwischen Mexiko und Amerika interessiert, dürfte das Szenario, das Crais entfaltet, so oder so ähnlich kennen. Dass das Buch dennoch nicht langweilig oder vorhersehbar ist, ist dem schriftstellerischen Talent Crais‘ geschuldet.
Die Schreibe des amerikanischen Autoren ist wirklich filmreif – nicht umsonst wurde Crais‘ Roman „Hostage“ mit Bruce Willis verfilmt. Er operiert mit mehreren Erzählsträngen, wechselt die Perspektive und durchbricht munter die Zeitkontinuität. Er gebraucht Rückblenden, lässt Cliffhanger entstehen und setzt auf Tempo. Das macht das Buch trotz seiner stilistischen Durchschnittlichkeit zum spannenden Roman, bei dem der Leser förmlich durch die Seiten hetzt um zu erfahren, wie es mit Elvis Cole, den Entführten und all den anderen beteiligten Charakteren weitergeht.

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Anna Grue – Die guten Frauen von Christianssund

Der kahlköpfige Detektiv

Der dänische Krimi scheint in diesem Herbst Hochkonjunktur zu haben: Das neue Werk von Jussi Adler-Olsen erschien, Jesper Stein startete mit seinem Ermittler eine neue Krimireihe und auch Anna Grue lässt einen Ermittler auf das kleine Land los (übersetzt von Ulrich Sonnenberg).

In der von ihr ersonnenen Stadt Christianssund lebt und arbeitet der kahlköpfige Kreative Dan in einer Werbefirma. In eine depressiven Phase, die er gerade durchlebt, platzt die Info eines Leichenfundes just in Dans Firma. Als Insider hilft er seinem guten Freund, dem Kommissar Flemming Torp, bei den Ermittlungen und wird so zum Detektiv wider Willen.

Obwohl die Erzählung von Anna Grue nicht mit unangenehmen Details geizt, gelingt es der Autorin, das Flair einer hellen und typisch skandinavischen IKEA/Midsommmer-Atmosphäre über ihren Roman zu legen. In Die guten Frauen von Christianssund erzählt sie in der Tradition der skandinavischen Krimiliteratur nicht nur vom Verbrechen, sondern verknüpft das Ganze mit einer großen Prise Sozialkritik.

Mit Dan Sommerdahl steht ein Ermittler im Mittelpunkt, der trotz seiner Depression eigentlich durch das Raster des typischen skandinavischen Ermittlers rasselt: intaktes Sozialleben, attraktives Aussehen und eine Portion Humor – eher ungewöhnlich in einer Welt voller geschiedener und alkoholabhängiger Ermittler. Und so ist Die guten Frauen von Christianssund der Auftakt einer mehrbändigen Reihe (der zweite Band Der Judaskuss erscheint schon bald), der auch für Leser von Donna Leon oder Martin Walker geeignet sein dürfte!

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Jo Nesbo – Koma

Er ist wieder da

Immer noch ein bisschen sprachlos sitze ich hier – hinter mir liegt ein Lesemarathon. Innerhalb von zwei Tagen habe ich das neue Buch „Koma“ von Jo Nesbo ausgelesen und bin noch etwas geplättet.
Wohl auf kein Buch habe ich mich dieses Jahr so gefreut wie auf dieses – nachdem ich in der Vorschau las, dass es mit Harry Hole weitergehen würde (was ja – ohne hier zu viel verraten zu wollen – am Ende von „Die Larve“, dem Vorgängerbuch, durchaus fraglich war).
Es ist schwierig, über dieses Buch zu schreiben und dabei Spoiler zu vermeiden. Die Handlung schlägt Volten, geschickt spielt Nesbo mit den Erwartungen des Lesers, führt ihn in Sackgassen und legt falsche Fährten.
In Oslo sterben an Schauplätzen ungelöster Verbrechen Polizisten, die damals mit der Aufklärung der Morde beauftragt waren. An den Tatorten gibt es keinerlei Hinweise und die Polizei tappt im Dunkeln.
Der Mann, der helfen könnte wäre der legendäre Harry Hole, der einzige norwegische Kommissar mit der Erfahrung bei der Ermittlung von Serientätern. Doch dieser ist nach den Ereignissen aus „Die Larve“ von der Bildfläche verschwunden.
Währenddessen liegt im Krankenhaus in Oslo auf der Intensivstation bewacht und abgeschottet ein Mann, der mit seinem Wissen den Mächtigen belasten könnte.
Man muss nicht zwingend die Vorgängerbücher aus der Feder Jo Nesbos gelesen haben, allerdings potenziert sich das Lesevergnügen, wenn man wenigstens „Die Larve“ vorher gelesen hat. Zahlreiche Fäden aus diesem Buch werden in „Koma“ wieder aufgegriffen, verknüpft und weiterentwickelt.
Das Buch ist ein großes Knäuel an Spuren und Personen, die dem Polizistenmörder auf die Spur kommen wollen. Sinnvoll ist deshalb auch das angehängte Personenverzeichnis, das einen Überblick über die wichtigsten Protagonisten aus dem Harry-Hole-Kosmos gibt.
Meisterlich, wie Nesbo an mehreren Stellen dem Leser im Dunkeln tappen lässt, die Spekulationen des Lesers zerschlägt und unerbittlich an der Spannungsschraube dreht.
Für schwache Mägen ist „Koma“ allerdings auch nichts: Nesbo geizt nicht mit expliziten Szenen und verlangt dem Leser stellenweise einiges ab. Dennoch ein derart fesselndes Buch, das man darüber gerne hinwegschauen mag!
Nach „Koma“ habe ich nur einen Wunsch: Bitte zeitig mehr davon!
Hier zur besseren Übersicht noch einmal alle Fälle Harry Holes in chronologischer Reihenfolge:
  1. Der Fledermausmann
  2. Kakerlaken
  3. Rotkehlchen
  4. Die Fährte
  5. Das fünfte Zeichen
  6. Der Erlöser
  7. Der Schneemann
  8. Der Leopard
  9. Die Larve
  10. Koma

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William Shaw – Abbey Road Murder Song

Twist and Shoot

Mit „Abbey Road Murder Song“ macht William Shaw eigentlich alles richtig: Der Roman atmet den Esprit des Jahres 68 und ist zudem einfach ein richtig guter Krimi.
Angesiedelt im Herzen des Mutterlandes des Pop, genauer gesagt in der Abbey Road, nimmt William Shaw den Leser mit auf einen Trip in das Jahr 68, als die Koteletten noch wucherten, die Beatles von den Mädchen vergöttert wurden und als der latente Rassismus in der englischen Gesellschaft noch offen zutage trat.
Bei einem Spaziergang mit ihrem Schutzbefohlenen stolpert eine Nanny über die Leiche eines jungen Mädchens. Der Fundort der Leiche gibt schon bald die Ermittlungsrichtung vor, schließlich liegt das legendäre Abbey-Road-Studio, in dem die Beatles aufnehmen und das von Frauen belagert wird, nur einen Steinwurf entfernt. Mit den Ermittlungen wird der junge Paddy Breene betraut, der zudem in seiner Polizeiarbeit kein hohes Ansehen genießt, weil er einen Kollegen bei einem Einsatz im Stich ließ. Zudem bekommt er an seine Seite die junge Kollegin Tozer gestellt, die noch grün hinter den Ohren aber dafür sehr forsch ist. Dieses Team muss sich zusammenraufen um den Tathergang des Mordes zu klären und wandelt dabei auf den Spuren der berühmten Fab Four.
„Abbey Road Murder Songs“ ist ein Buch, das den Sound der vergangen Tage transportiert, mit einer spannenden Krimihandlung aufwartet und insgesamt einfach ein stimmiges Gesamtkunstwerk ergibt. Vielleicht ist es auch der bunten Vita des Autoren geschuldet, dass der Roman so viele unterschiedliche Facetten aufweist und dennoch richtig kombiniert ist. Verschiedene, schon fast klassische Versatzstücke kombiniert Shaw zu einem tollen Trip in ein vergangenes Jahrzehnt. Verfolgungsjagden, die Betrachtung verschiedener Milieus und ein Showdown sind in diesem Buch einfach gut komponiert.
Shaw erfindet mit seinem Roman zwar das Rad nicht neu, dafür passt einfach alles! Ein tolles Krimi-Kleinod, das auf weitere Fälle des Doppels Breene/Tozer hoffen lässt!

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Ian McEwan – Honig

Die Spionin mit der Lizenz zum Lesen

Honig (im Englischen Original als Sweet Tooth erschienen, übersetzt von Werner Schmitz) ist der neue Roman des gefeierten englischen Romanciers Ian McEwan, der mit Abbitte einen modernen Klassiker vorgelegt hat. Honig schafft es leider nicht, die Qualität von Abbitte zu erreichen, bietet aber genauso gute Unterhaltung und geschliffene Sprache.

Nachdem er in Solar einen Unsympathen in das Zentrum seiner Erzählung stellte, lässt McEwan nun in Honig wieder eine Frau die Hauptrolle spielen. Serena Frome heißt seine neue Heldin, 22 Jahre jung und Agentin im Dienste des MI5. Man muss die junge Frau nicht zur Gänze sympathisch finden oder mit ihr mitfühlen – denn dazu ist McEwan zu schlau.

Er lässt den Leser Position beziehen, während er die Erzählung durch Serenas Augen schildert. Er berichtet von ihrer Karriere im Geheimdienst, der im Gegensatz zu Film und Fernsehen deutlich weniger glamourös verläuft. Als passionierte Leserin wird sie für eine höchst subtile Mission angeworben und findet sich schon bald in jede Menge amouröse Fallstricke verstrickt.

Man betrachtet Serena, während sie von einem unbedarften Mädchen zu einer kühl kalkulierenden Frau reift und bekommt darüber hinaus noch einen Einblick in die Welt der 70er Jahre. Ian McEwan reichert seinen Honig mit einigen kürzeren Erzählungen seiner Akteure an, die ins Buch hineingeschnitten werden und vermengt das Ganze so zu einer Geschichte, die viel Raum für Interpretationen und Auslegungen lässt.

Die Klasse und kompositorische Finesse von Abbitte hat dieses Buch zu keinem Zeitpunkt, dennoch ein toller literarischer Roman im besten Sinne für den Herbst!

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