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Die Zeit der dicken Bücher

Seit ein paar Monaten machen sie sich immer breiter in meinem Buchregal – dabei fing es doch eigentlich ganz harmlos an. Erst war es Donna Tartts Distelfink, der sich in den Buchregalen niederließ – dann fand noch Eleanor Catton mit ihren Gestirnen den Weg in mein Buchregal – und nun werden es immer mehr und mehr. Die Rede ist von dicken Büchern – die momentan auf uns einprasseln. Hiermit rufe ich die Zeit der dicken Bücher aus!

Passenderweise stellte Tobias Nazemi vom Buchrevier zuletzt eine Liste mit empfehlenswerten 1000-Seitern vor. Meinem Empfinden nach werfen die Verlage seit dem letzten Herbstprogramm und besonders in diesem Frühjahr die dicken Bücher auf den Markt, als gäbe es kein Halten mehr. Gab es in den Programmen früher hin und wieder solche Monolithen (ich denke da nur an Haruki Murakamis 1Q84), stolpere ich nun jede Woche über neue Bücher, die nicht nur an die tausend Seiten aufweisen, sondern auch ordentliches Gewicht auf die Waage bringen.

Das dicke Buch als Distinktionsmerkmal hat ausgedient, nun wagt offensichtlich nur noch derjenige oder diejenige etwas, die sich limitiert und mit wenigen Seiten zurande kommt. Bestes Beispiel ist meine aktuelle Lektüre – Chris Kraus Opus Magnum Das kalte Blut, das von zwei Brüdern, dem Dritten Reich und der Gründung des BND berichtet. Meister Kraus hat seine Geschichte auf über 1200 Seiten niedergeschrieben, muss sich aber damit in diesem Frühjahr nur mit  dem Silbertreppchen der Vielschreiber begnügen. In Führung gegangen ist Paul Auster mit 4, 3, 2, 1, dass es auf eine Seitenzahl von sage und schreibe 1264 Seiten bringt, auf denen Auster viermal das Leben von Archibald Ferguson durchdekliniert. Man mag einwenden, was sind im Schnitt 300 Seiten für ein Leben, wie es Auster beschreibt? Sehnsuchtsvoll denke ich da an Robert Seethaler zurück, der für ein ganzes Leben in Buchform nur 150 Seiten benötigt.

Viele AutorInnen strengen sich an, um beim Rennen der dicken Bücher auch noch auf das Treppchen der dicken Schinken zu gelangen – heiße KandidatInnen wäre da noch Nathan Hill mit Geister (864 Seiten), Hanya Yanagihara mit Ein wenig Leben (960 Seiten), Carlos Ruiz Zafón (Das Labyrinth der Lichter, 944 Seiten) oder die Altmeisterin Annie Proulx mit Aus hartem Holz (896 Seiten). Auch das mit dem Booker-Prize ausgezeichnete Epos Eine kurze Geschichte von sieben Morden von Marlon James bringt es da auf 864 Seiten. Ein Blick in die Verlagsvorschauen verheißt da auch nichts Gutes, als Beispiel sei nur der kommende und letzte Band der Min-Kamp-Hexalogie von Karl Ove Knausgård genannt, mit dessen Band er das Rennen um das dickste Buch des Jahres machen dürfte. Kämpfen wird es laut Verlag auf 1280 (!!!) Seiten bringen – ob wirklich jede dieser aberwitzig vielen Seiten für Knausgårds Selbstbespiegelung essentiell ist, das sei einmal dahingestellt.

Wer nun aber meint, all das träfe ja nur auf diese elegisch bis manischen Vielschreiber im Belletristikbereich zu – weit gefehlt. Auch im Sachbuchbereich grassiert die Dicke-Bücher-Manie. Ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse wurde die Biographie von Kaiserin Maria Theresia von Barbara Stollberg-Rilinger (1083 Seiten). Des Weiteren wurde auf der Messe die Übersetzerin Eva Lüdi Kong ausgezeichnet, die Die Reise in den Westen vom Chinesischen ins Deutsche übertrug (1320 Seiten). Ähnlich voluminös auch die anderen Titel, die auf der Nominierungsliste in Leipzig standen – hier sei am Ende noch Leonhard Horowskis Europa der Könige ins Feld geführt – 1120 Seiten. Dies mag natürlich auch alles den Sujets geschuldet sein, die die AutorInnen behandelt – aber wer hat in dieser Zeit voller Anforderungen wirklich noch die Zeit, sich in solche Bücher hineinzuarbeiten und mit Muße zu lesen?

Haben die Autoren das Maß verloren und schaffen es nicht mehr, sich zu beschränken und konzise ihre Themen zu behandeln? Oder haben wir in dieser auf Informationshappen limitierten Zeit einfach verlernt, uns mal wieder auf etwas einzulassen?

 

Wie steht ihr zu dicken Büchern? Absolutes Muss oder eher Qual? Welches dicke Buch möchtet ihr nicht missen? Oder lasst ihr von Bücher ab einer bestimmten Dicke eh die Finger? Eure Meinung interessiert mich!

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Carlos Ruiz Zafón – Das Labyrinth der Lichter

Im Labyrinth des Dichters

Nun liegt mit Das Labyrinth der Lichter der vierte und abschließende Teil der Reihe um den Friedhof der vergessenen Bücher vor. Der Autor Carlos Ruiz Zafón kehrt hierzu wieder in das gotische Barcelona zurück, das Leser schon aus den drei vorherigen Teilen Der Schatten des Windes, Das Spiel des Engels und Der Gefangene des Himmels kennen. Der Roman fungiert als Schlussstein, führt die Figuren aus den Vorgängern noch einmal zusammen und ist mit 960 Seiten ein sehr ausladendes Finale geworden. Doch auch Neulinge dürften sich gleich im Universum von Ruiz Zafón zurechtfinden.

Carlos Ruiz Zafon - Das Labyrinth der Lichter (Cover)

Erzählt wird die Geschichte von Alicia Gris, die ein Spezialauftrag zurück nach Barcelona führt: der Bildungsminister Mauricio Valls ist verschwunden. Dieser ist ein wichtiges Zugpferd der Franco-Diktatur 1957 und soll nun von Alicia wiedergefunden werden. Zusammen mit einem Kollegen geht sie den dünnen Spuren nach, um das Verschwinden regimetreuen Funktionärs zu beleuchten. Feinde, die hinter dem Verschwinden stehen könnten, gäbe es zur Genüge. Der Minister hat in seiner Regierungszeit die Hälfte der spanischen Schriftstellerzunft verfolgen und verhaften lassen. Hat einer dieser Schriftsteller eine mit Valls Rechung offen?

Die Spuren des Verschwundenen führen Alicia von Madrid wieder zurück nach Barcelona – eine Stadt, der sie für immer entkommen zu sein glaubte. Doch Ereignisse aus Alicias Kindheit lassen sie auch bei ihrem aktuellen Auftrag nicht los und so wird die Suche schließlich immer mehr zu Alicias Obsession und führt sie zurück an die Stätte, an der alles seinen Anfang nahm – den Friedhof der vergessenen Bücher.

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Zehn Fragen – neun Bücher

Zehn Fragen zu Büchern

Meine Augsburger Blogger-Kollegin Birgit Böllinger hat auf ihrem Blog Sätze und Schätze einen älteren Fragebogen noch einmal gepostet, über dessen Beantwortung ich gegrübelt habe. Nun sind die Antworten gefunden!

  1. Das erste Buch, das du bewusst gelesen hast?

Das war Rainer M. Schröders Roman Das Vermächtnis des alten Pilgers. Ein farbiger Abenteuerroman aus der Zeit der Kreuzzüge, der mich im Alter von zehn oder elf Jahren zum ersten Mal eine ganz Nacht lang durchlesen lies. Und fortan war ich dem Autor verfallen und habe heute noch das Oeuvre des Autors in meinen Regalen stehen.

2. Das Buch, das Deine Jugend begleitete?

Das war Ralf Isaus Das Museum der Erinnerungen. Ausgehend vom Pergamon-Altar erzählt der Autor eine phantastische Geschichte von Erinnerungen und Phantasie. Das Buch hat mich damals sogar dazu gebracht, in der Schule ein Referat über Isaus Erzählung zu halten.

3. Das Buch, das Dich zur Leserin/zum Leser machte?

Ein Leser war ich davor schon immer, doch im Alter von 12 Jahren griff ich das erste Mal in der lokalen Stadtbücherei zu einem Buch von Robert Ludlum, was meinen Lesegeschmack für die nächsten Jahre stark prägen sollte. Krimis und Thriller waren fortan die Bücher, die ich am häufigsten aus der Bücherei heimschleppte. Auch wenn Der Prometheus-Verrat – so hieß das Buch –  an meinen heutigen Standards gemessen eine Räuberpistole und schlecht geschrieben war, so weckte es doch in mir den Wunsch nach mehr Bücher, die mich fesselten.

4. Das Buch, das Du am häufigsten gelesen hast?

EIN Buch gibt es da nicht, einige Titel habe ich doppelt gelesen, aber ein Dauerlesebrenner ist Der Name des Windes von Carlos Ruiz Zafon genauso wie Richard Flanagans Goulds Buch der Fische. Lektüren, in denen sich immer wieder etwas Neues entdecken lässt.

5. Das Buch, das Dir am wichtigsten ist?

Angesichts der vielen hundert Bücher, die noch auf mich warten, wäre es etwas verfrüht, bereits jetzt ein Buch festlegen zu wollen, welches ich als DAS wichtigste Buch erachte. Eines, das aber auf alle Fälle Potential für diese Kategorie hat ist Anthony Marras Die niedrigen Himmel.

6. Das Buch, vor dem Du einen riesigen Respekt bzw. Bammel hast?

Also bei mir ist das die Odyssee von Homer, die bei mir in meinen Bücherstapeln auf mich lauert. Kann mich ein solch betagtes Werk noch begeistern oder sagt mir das Opus Magnum Homers heute nichts mehr? Vor diesem anspruchsvollen Buch habe ich auf alle Fälle Respekt und werde ich etwas einarbeiten müssen

7. Das Buch, das Deiner Meinung nach am meisten überschätzt wird?

Vieles von den Bestsellerlisten und generell alles von Sebastian Fitzek. Stilistisch mangelhaft, unausgegorene und abstruse Plots, Metzelorgien ohne Sinn und Verstand – Fitzeks Output ist eine Zumutung, aber jedes Mal auf Platz eins der Bestsellerlisten. Ein Rätsel.

8. Das Buch, das Du unbedingt noch lesen willst – wenn da einmal Zeit wäre?

Ein Buch? Wirklich ein Buch? Die Zahl der Wunsch-Lektüre ist eher dreistellig, doch wenn ich mich auf ein Buch beschränken müsste, es wäre wohl Lew Tolstois Krieg und Frieden.

9. Das Buch, das Dir am meisten Angst macht

Das ist Marisha Pessls Die amerikanische Nacht. Gekonnt verwebt die Autorin darin die Realität mit der Fiktion über einen mysteriösen Filmemacher und collagiert das Ganze zu virtuos, dass man zunehmend an seiner Wahrnehmung zweifelt.

10. Das Buch, das Du gern selbst geschrieben hättest?

Auf diese Frage fällt mir wirklich keine Antwort ein, da ich eh ein lausiger Autor wäre und keinem Autor seinen verdienten Ruhm streitig machen möchte. Gut dass sich die Autoren und Autorinnen solche tolle Welten erdacht haben, für mich reklamieren möchte ich keine.

 

 

Wie sehen eure Antworten aus? Was sind die Bücher, die euch beeinflusst haben? Auf andere Listen bin ich sehr gespannt!

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