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Rebecca F. Kuang – Yellowface

Was, wenn der größte schriftstellerische Erfolg der Laufbahn gar nicht aus der eigenen Feder stammt? Rebecca F. Kuang lässt in ihrem neuen Roman Yellowface eine junge Autorin am Literaturbetrieb verzweifeln, ehe sie in den Besitz eines Manuskripts gelangt, das ihr den großen Durchbruch beschert. Doch wie lange kann das gutgehen, sich mit fremden literarischen Federn zu schmücken?


Romane und Kinofilme über Schriftsteller, die sich fremde Werke aneignen, gibt es in rauer Menge. Im Kino konnte man im Jahr 2012 beispielsweise Bradley Cooper in Der Dieb der Worte dabei beobachten, wie er ein zufällig gefundenes Manuskript als das seine ausgab und damit großen Erfolg erzielte.

Martin Suter ließ in seinem Roman Lila, Lila ebenfalls einen erfolglosen Schriftsteller über ein verheißungsvolles Manuskript stolpern, das dieser in der Schublade eines alten Nachttischs fand. In der Folge des (mit Daniel Brühl in der Hauptrolle ebenfalls fürs Kino adaptierten) Romans verhedderte sich der junge Schriftsteller zusehends in seiner eigenen Geschichte.

Der erzählerische Stoff des Materialdiebstahls und der Aneignung eines fremden Werks ist also kein ganz neues Material, das sich Rebecca F. Kuang für ihren Roman Yellowface ausgesucht und verarbeitet hat. Dadurch, dass sie den ethischen Fall eines Manuskriptdiebstahls allerdings um eine ethnische Komponente erweitert, gelingt ihr ein sehr gegenwärtiger Roman, der von aktuellen Diskursen ebenso wie vom elitären Literaturbetrieb erzählt.

Eine erfolglose Schriftstellerin erzählt

Vorgebracht wird das alles in einem sehr umgangssprachlichen, von Jasmin Humburg treffend aus dem Englischen übersetzten Tonfall. Hier erzählt eine junge Frau namens June Hayward, der man gleich abnimmt, dass es mit ihren Romanen bislang noch nicht so wirklich hat klappen mögen. Denn der Tonfall der Ich-Erzählerin, er gleicht weniger dem einer ambitionierten und literarisch versierten Autorin mit breitem Sprachrepertoire denn einer Umgangssprache, die man im informellen Gespräch unter Freunden pflegt.

Rebecca F. Kuang - Yellowface (Cover)

Eine solche Freundin oder besser Bekannte gibt es auch tatsächlich in Junes Leben. Ihr Name: Athena Liu.

Seit Studientagen in Yale halten die beiden jungen Frauen Kontakt und tauschen sich regelmäßig aus. Im Gegensatz zu June ist die asiatischstämmige Athena aber eine erfolgreiche Autorin, die vom kreativen Schreiben gut leben kann. Jeder Roman aus ihrer Feder wird erfolgreicher als der vorhergehende – und so ein Deal mit Netflix für Athena auch nur ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter, die für sie im Gegensatz zu June nur eine Richtung kennt, nämlich nach oben.

Plötzlich aber bietet sich für junge Autorin DIE Gelegenheit, selbst nach den literarischen Sternen zu greifen. Der Anlass dazu ist allerdings ein tödlicher. Denn bei der abendlichen Feier des Netflix-Vertrags erstickt Athena an einem Pancake – und June nutzt die Gunst der Stunde, um sich eines noch nicht fertigen Romanmanuskripts Athenas zu bemächtigen, ehe der Rettungsdienst eintrifft.

Per Yellowface zum literarischen Durchbruch?

Diese gestohlene Geschichte über das chinesische Arbeiterkorps, das im Ersten Weltkrieg von den Alliierten ausgehoben und verheizt wurde, ist ein Meisterwerk, wie June schnell erkennt. Nach einigen Umarbeitungen und gestalterischen Akzentuierungen bietet June das Manuskript über ihren Agenten an und erfährt plötzlich das, was ihr zuvor das ganze schriftstellerische Leben bislang versagt war, nämlich ein durchschlagender Erfolg.

Kritiker, Blogger, der Buchhandel – alle reißen sich um June Buch, die für das Buch über das Arbeiterkorps der besseren Marktgängigkeit wegen ihren Namen in Juniper Song abgeändert hat.

Doch diese Erfolgsgeschichte steht auf höchst tönernen Füßen und schon bald mehren sich kritische Stimmen aus der Verlagsbranche, der Kritik und den sozialen Medien, die den plötzlichen literarischen Erfolg von June in Zweifel ziehen. Wie kommt eine junge amerikanische, offensichtlich überhaupt nicht chinesischstämmig Frau dazu, sich so mit der Geschichte des Chinesischen Arbeiterkorps zu beschäftigen, noch dazu wenn sie nicht einmal ein Wort chinesisch spricht? Hat hier eine weiße amerikanische Frau kulturelle Aneignung betrieben und sich diesmal statt Blackfacing per Yellowface einen Erfolg erschlichen? Oder ist es noch schlimmer und das Buch stammt in Wahrheit gar nicht von ihr, wie es erste Stimmen im Internet insinuieren? Die Zweifel an June wachsen.

Literaturbetriebsroman und Hochstapler-Satire

Rebecca F. Kuangs Roman betrachtet und hinterfragt die Mechanismen des Literaturbetriebs auf spannende Art und Weise und erzeugt bei der Lektüre viele Fragen. Wo fängt überhaupt eine eigene schöpferische und kreative Leistung an? Wie weit darf man in seinem Streben nach literarischer Anerkennung gehen und welche Ausschlusskriterien des Buchmarkts machen es Schriftsteller*innen schwer? Und wer darf denn überhaupt worüber erzählen, wo beginnt kulturelle Aneignung und was darf Kunst?

Yellowface beschreibt sehr gegenwärtige Diskurse und Debatten, die auch hierzulande in Ansätzen geführt werden. Eindrücklich zeigt Rebecca F. Kuang, wie sich der Misserfolg auf dem Buchmarkt anfühlt und wie schwierig es sein kann, dort Fuß zu fassen, wenn einen Verlag, Kritik und der Buchmarkt nahezu ignorieren. Dass Juniper eine larmoyante, selbstgerechte und bisweilen recht anstrengende Erzählerin ist, gehört da genauso zum Konzept wie die „einfache“ Sprache, die den Spagat zwischen der mediokren Autorin und Ich-Erzählerin und der gar nicht mediokren Autorin Rebecca F. Kuang gelungen schafft.

Ich werde immer die Schriftstellerin sein, die Athena Lia um ihr Vermächtnis brachte. Die verrückte, neidische, rassistische weiße Frau, die das Werk einer Asiatin stahl.

Rebecca F. Kuang – Yellowface, S. 377

Das trägt Züge einer nachtschwarzen Satire, eines Literaturbetriebsromans und natürlich auch einer Hochstaplererzählung á la Patricia Highsmith in sich. Diese Mischung kam in den USA bereits sehr gut an, wo das Buch auf TikTok als auch bei den großen Verlagshäusern sehr präsent war und im Vereinigten Königreich gar den neu initiierten Preis des Amazon Best Book of the Year gewann.

Und auch für Deutschland ist ein ähnlicher Erfolg nicht ausgeschlossen, bietet das Buch doch abgesehen von den Komponenten, die in visuellen Medien wie TikTok oder Instagram Erfolg verheißen (markantes Coverdesign, trendiger Farbschnitt inklusive, passendes Merchandising) auch inhaltlich viel Anschlussfähigkeit.

Diese stilistisch vermeintlich einfache und höchst unterhaltsame Geschichte wirft über ihr plaudriges und manchmal larmoyantes Parlando hinaus durch ihre ethnische Komponente auch viel ethische Fragen auf. Der kritische Blick auf den Buchmarkt in seiner ganzen Undurchlässigkeit ist mit kleinen Einschränkungen ebenso auf die Verhältnisse hierzulande übertragbar und in Sachen Debattenton nähern wir uns ja auch inzwischen das ein ums andere Mal den im Buch karikierten Auseinandersetzungen an. Insofern dürfte Rebecca F. Kuang auch hierzulande ein großer Erfolg beschieden sein.

Fazit

Mit Yellowface stellt Rebecca F. Kuang einmal mehr ihre stilistische und thematische Wandelbarkeit unter Beweis und erzählt die Geschichte einer kulturellen Aneignung im Milieu des Buchmarkts. Ihr gelingt eine nachtschwarze Satire, die von den Mechanismen des Buchmarkts ebenso erzählt wie von der Skrupellosigkeit ihrer Erzählerin, die uns hier in diese (hoffentlich nicht geklaute) Geschichte hineinlockt. Ein großer und leicht zugänglicher Lesespaß, der seine ganze ethische Dimension langsam entfaltet.


  • Rebecca F. Kuang – Yellowface
  • Aus dem Englischen von Jasmin Humburg
  • ISBN 978-3-8479-0162-4 (Eichborn)
  • 383 Seiten. Preis: 24,00 €
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I did it Norway – mein Messerückblick

Nun ist sie schon wieder vorbei, die Frankfurter Buchmesse 2019. Grund genug, etwas zurückzuschauen und meine drei Tage in den Messehallen Revue passieren zu lassen. Los gehts!

Donnerstag

Eine sehr entspannte Anreise mit der Deutschen Bahn, keine Zugausfälle, herbstliche Blättercollagen, die auf dem Weg nach Frankfurt an mir vorbeizogen. Da habe ich schon deutlich schwierigere Anreisen erlebt. Fix das AirBnB bezogen und schon war ich bereit für das Messegetümmel.

Termine standen am Donnerstag bei Schöffling und bei Suhrkamp an. Beim dortigen Bloggerempfang gab es neben persönlichen Buchempfehlungen auch das bald erscheinende Buch 2029. Darin machen sich renommierte deutschsprachige Autor*innen Gedanken über das Morgen, darunter Olga Grjasnowa, Vea Kaiser oder Dirk Kurbjuweit. Ein spannendes Buch, bei dem jedes Cover zudem ein Unikat ist.

Verlagsempfang (Symbolbild)

Nachher lud noch der Hanser-Verlag zum Bloggerempfang. Es bleibt wohl das Geheimnis des Verlags, warum zur Cocktail-Happyhour geladen wurde, wenn dann doch Sekt kredenzt wurde. Aber man möchte ja nicht undankbar sein – vor allem da in diesem Jahr auf eine irritierende Buchauswahl verzichtet wurde (man erinnere sich noch an das letztjährige Geschenk Schreiben für ewige Anfänger). Von daher – Merci für das schöne Alle Zeit der Welt von Thomas Girst.

Danach noch der Empfang der unabhängigen Verlage, bei dem in mir ein nostalgisches Gefühl aufkam. Magnum-Flaschen Sekt, Verleger, die in Zigarettenrauchschwanden verschwanden, müde Gestalten in Cordsakkos. So muss das auch früher gewesen sein. Noch ein kurzer Abstecher, zum beglückten Kampa-Stand (Chapeau für den Tokarczuk-Coup!) und dann erst einmal essen. Während die meisten anderen Blogger*innen dann auf den Hanser-Empfang weiterwanderten, kam ich leider nicht in den Genuss einer Einladung (->Wink mit dem Zaunpfahl, Herr Lendle!), weshalb ich schon etwas früher den Weg ins Gallusviertel antrat. War aber auch nicht schlimm, der nächste Tage hatte es schließlich auch in sich.

Freitag

Jan Valk und Dana von Suffrin bei der Buchvorstellung

Kann ein Tag besser starten als mit einem Bloggerfrühstück? Ich meine nein! Gut dass der Kiepenheuer&Witsch-Verlag ein solches Frühstück eingerichtet hatte. Die Münchner Debütantin Dana von Suffrin stellte in Begleitung ihres Lektors Jan Valk ihren Roman Otto vor. Ein Titel, der mich neugierig gemacht hat, beleuchtet er doch das schwierige Gefüge namens Familie. Etwas schade nur, dass ich aufgrund des nächstens Termins schon wieder vor der Lesungspassage den Weg richtung Messehallen antreten musste. Das ist aber auch jedes Mal ein Stress. Sorry Dana!

Ein ungewöhnlicher Anblick stellte sich dann beim Stand von Eichborn ein. Zusammen mit Fräulein Julia besuchte ich den Stand der Kölner, an dem uns Uwe alias Kaffeehaussitzer willkommen hieß. Ein Blogger auf der anderen Seite des Tischs – ungewohnt, aber Uwe füllt seine neue Rolle sehr gut aus. Besonders auf den Erstling Marianengraben von Jasmin Schreiber alias @LaVieVagabonde bin ich persönlich jetzt gespannt!

Viel Verschnaufzeit blieb für ihn allerdings nicht, denn um 12 Uhr stand die Verleihung des BublaAwards, also des Buchbloggerawards an. Die besten deutschsprachigen Blogs von Verlagen, von Bookstagrammern, von Blogger*innen und Co wurden von einer Jury gekürt und bekanntgegeben. In der Kategorie des Buchblog des Jahres konnte sich Nicole vom Blog Nacht&Tag durchsetzen – eine gute Wahl, die ich auch auf meinem Zettel hatte (große Empfehlung übrigens, wer die Seite noch nicht kennt!).

Gemeinsam für die Branche – Blogger*innenpower!

Danach ging es dann von der Agora direkt weiter zum Stand des Boersenvereins. Dort versammelten sich fast alle diesjährigen Buchpreisblogger*innen, die Titel von der Longlist des Deutschen Buchpreises besprochen hatten. Sogar Hotdogs und Getränke ließ der Boersenverein für unser Engagement springen. Da sage noch einer, Buchbloggen würde sich nicht rentieren.

Riechen, lesen, Kaffeslabberas

Nach einem weiteren Abstecher zur Suhrkamp ging es dann für mich weiter in den Norwegen-Pavillon. Das diesjährige Gastland hatte sich für den Auftritt etwas einfallen lassen. Sehr reduziert wurde der verspiegelte Pavillon von diversen Tischen dominiert. Auf diesen befanden sich so manches Mal Bücher zu bestimmten Themen, z.B. samischer Literatur, Krimis oder Kinderbücher. Aber auch die Interaktion wurde bedacht. So gab es unter anderem einen Tisch, auf dem sich 22 Dosen mit Gerüchen befanden. Man konnte diese dann den ausliegenden Bezeichnungen zuordnen.

So gab es unter anderem natürlich passend den Geruch eines Buches, aber auch den eines Altersheims mit geöffnetem Fenster, der ersten Liebe, eines Midsommars oder den Tod der eigenen Großmutter. Wer diesen Duft beim olfaktorischen Blind-Date erwischt hatte, bekam ihn wohl nicht so schnell mehr aus der Nase. Willkommener war mir da schon der Geruch des Kaffeslaberas, zu dem wir Blogger im Pavillon abseits vom sonstigen Trubel geladen waren.

Auf einen Kaffee mit norwegischen Autor*innen

Simon Stranger bei der Buchpräsentation

Sechs norwegische Autor*innen stellten sich und ihre Werke vor, darunter unter anderem Asne Seierstad, Alva Gehrmann (von deren Buch ich auch die Überschrift dieses Artikels entlehnt habe) und Simon Stranger. Letzterer holte die Veranstaltung etwas aus dem Nachmittagstief, indem er mit uns auf den Balkon des norwegischen Pavillons umzog. Dort erzählte er von seinem Buch Vergesst unsere Namen nicht, das so gar nicht zum sympatischen Sunnyboy-Auftritt des Norwegers passen wollte.

Danach noch ein Empfang bei Klett-Cotta (bei dem auch das obige Verlagsparty-Symbolbild entstand) und dann erst einmal Essen und Trinken. Vielen Dank an dieser Stelle an Isabella, die uns die Ebbelwoi- und Handkäse-Kulinarik Frankfurts nahebrachte. Dass die Eintracht an jenem Abend auch noch 3:0 gewann, führte in der Frankfurter Kneipe zu Gefühlsausbrüchen und Szenen, zu denen ich die Hessen davor gar nicht in der Lage glaubte.

Die Party der unabhängigen Verlage im Literaturhaus Frankfurt besuchte unsere Gruppe um Tobias, Isabella, Julia, Frank und Co dann auch noch, ehe ich gegen eins den Gang nach Gallus wagte.

Samstag

Der dritte und letzte Messetag begann abermals mit einem Frühstück. Diesmal allerdings außerhalb der Messe. Der Piper-Verlag hatte geladen. Jørn Lier Horst stellte seine Wisting-Reihe vor, was allerdings immer wieder durch das etwas undiplomatisch agierende Servicepersonal des Cafés sabotiert wurde. Schade drum, denn sowohl Autor als auch Bücher klangen sehr sympathisch.

Wie am Tag zuvor konnte ich allerdings nicht der ganzen Veranstaltung beiwohnen, denn auch mit dem S.Fischer-Verlag hatte ich einen Termin ausgemacht. So besuchte ich dann in den völlig überfüllten Messehallen Janina. Sie vermittelte mir Ausblicke auf das kommende Programm sowie ein Exemplar von Katerina Poladjans Hier sind Löwen. Merci auch dafür!

Menschenmassen auf der Agora

Generell war es am Samstag kein Spaß mehr, sich durch die Messehallen zu bewegen. Menschenmassen drängten an allen Ecken und Enden durch die Gänge. Einerseits natürlich schade, da es mir den Spaß am Stöbern und Schlendern nahm, andererseits natürlich auch wunderbar, dass die Messe solch einen Reiz auf Besucher*innen ausübt. Um das Ende des Buchs musste man sich zumindest in diesem Jahr Frankfurt keine größeren Sorgen machen.

Dann noch ein Besuch am dtv-Stand bei Thomas Zirnbauer, den ich wenig später in meinem Zug gen München wiedertreffen sollte. Und aus guter alter Verbundenheit durfte natürlich auch ein Besuch bei Susann bei Ullstein nicht fehlen. Nach diesen Meetings stand nur noch ein einziger Punkt auf meinem Zettel, nämlich ein Besuch bei Kein&Aber.

Kein & Aber ohne Wenn & Aber

Jener Stand überzeugte auch in diesem Jahr wieder durch Originalität. Ein großer Kubus wurde mit verschiedenen Animationen von verlagseigenen Büchern bespielt. Ein echter Hingucker, ohne Wenn und Aber.

Teatime mit Eli Shafak

Gestoppt wurden diese Animationen dann allerdings für eine Stunde, als Eli Shafak bzw. ihr Verlag zur Teatime lud. Die Autorin stellte ihr Buch Unerhörte Stimmen und sich selbst sehr unprätentiös dar. Mit gerade einmal sieben weiteren Blogger*innen stellte sich gleich ein sehr angenehmes Miteinander ein. Für mich ein besonderes Erlebnis, da ich ansonsten wohl kaum zu einem Buch dieser türkischen Schriftstellerin gegriffen hätte. Doch diese Vorstellung führte dazu, dass auch bald hier in der Buch-Haltung eine Besprechunge ihres neuen Romans online gehen wird. Denn was Eli Shafak zu sagen hatte, das klang wahr und richtig.

Nach diesem letzten Termin hieß es für mich dann allerdings auch schon wieder: ab zum Bahnhof. Nach einem klassischen Zugausfall wurde ich umgebucht und durfte dann zusammen mit Thomas und weiteren Buchmenschen die Reise gen Süden antreten. Gottseidank war ich ja gut mit Lesematerial ausgerüstet, sodass auch die 5,5 Stunden Reisedauer irgendwie erträglich wurden. Das ist ja das Schöne an der Buchmesse: an Lesestoff gebricht es nie!

So meine Eindrücke von drei unglaublich vollen, bereichernden, witzigen, literarischen und niemals langweiligen Tagen. So kann die nächste Messe sicher kommen. Danke an alle, denen ich begegnen durfte und die so für Literatur brennen!

Und hier noch ein paar weitere Schnappschüsse vom Messegeschehen:

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Die Zeit der dicken Bücher

Seit ein paar Monaten machen sie sich immer breiter in meinem Buchregal – dabei fing es doch eigentlich ganz harmlos an. Erst war es Donna Tartts Distelfink, der sich in den Buchregalen niederließ – dann fand noch Eleanor Catton mit ihren Gestirnen den Weg in mein Buchregal – und nun werden es immer mehr und mehr. Die Rede ist von dicken Büchern – die momentan auf uns einprasseln. Hiermit rufe ich die Zeit der dicken Bücher aus!

Passenderweise stellte Tobias Nazemi vom Buchrevier zuletzt eine Liste mit empfehlenswerten 1000-Seitern vor. Meinem Empfinden nach werfen die Verlage seit dem letzten Herbstprogramm und besonders in diesem Frühjahr die dicken Bücher auf den Markt, als gäbe es kein Halten mehr. Gab es in den Programmen früher hin und wieder solche Monolithen (ich denke da nur an Haruki Murakamis 1Q84), stolpere ich nun jede Woche über neue Bücher, die nicht nur an die tausend Seiten aufweisen, sondern auch ordentliches Gewicht auf die Waage bringen.

Das dicke Buch als Distinktionsmerkmal hat ausgedient, nun wagt offensichtlich nur noch derjenige oder diejenige etwas, die sich limitiert und mit wenigen Seiten zurande kommt. Bestes Beispiel ist meine aktuelle Lektüre – Chris Kraus Opus Magnum Das kalte Blut, das von zwei Brüdern, dem Dritten Reich und der Gründung des BND berichtet. Meister Kraus hat seine Geschichte auf über 1200 Seiten niedergeschrieben, muss sich aber damit in diesem Frühjahr nur mit  dem Silbertreppchen der Vielschreiber begnügen. In Führung gegangen ist Paul Auster mit 4, 3, 2, 1, dass es auf eine Seitenzahl von sage und schreibe 1264 Seiten bringt, auf denen Auster viermal das Leben von Archibald Ferguson durchdekliniert. Man mag einwenden, was sind im Schnitt 300 Seiten für ein Leben, wie es Auster beschreibt? Sehnsuchtsvoll denke ich da an Robert Seethaler zurück, der für ein ganzes Leben in Buchform nur 150 Seiten benötigt.

Viele AutorInnen strengen sich an, um beim Rennen der dicken Bücher auch noch auf das Treppchen der dicken Schinken zu gelangen – heiße KandidatInnen wäre da noch Nathan Hill mit Geister (864 Seiten), Hanya Yanagihara mit Ein wenig Leben (960 Seiten), Carlos Ruiz Zafón (Das Labyrinth der Lichter, 944 Seiten) oder die Altmeisterin Annie Proulx mit Aus hartem Holz (896 Seiten). Auch das mit dem Booker-Prize ausgezeichnete Epos Eine kurze Geschichte von sieben Morden von Marlon James bringt es da auf 864 Seiten. Ein Blick in die Verlagsvorschauen verheißt da auch nichts Gutes, als Beispiel sei nur der kommende und letzte Band der Min-Kamp-Hexalogie von Karl Ove Knausgård genannt, mit dessen Band er das Rennen um das dickste Buch des Jahres machen dürfte. Kämpfen wird es laut Verlag auf 1280 (!!!) Seiten bringen – ob wirklich jede dieser aberwitzig vielen Seiten für Knausgårds Selbstbespiegelung essentiell ist, das sei einmal dahingestellt.

Wer nun aber meint, all das träfe ja nur auf diese elegisch bis manischen Vielschreiber im Belletristikbereich zu – weit gefehlt. Auch im Sachbuchbereich grassiert die Dicke-Bücher-Manie. Ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse wurde die Biographie von Kaiserin Maria Theresia von Barbara Stollberg-Rilinger (1083 Seiten). Des Weiteren wurde auf der Messe die Übersetzerin Eva Lüdi Kong ausgezeichnet, die Die Reise in den Westen vom Chinesischen ins Deutsche übertrug (1320 Seiten). Ähnlich voluminös auch die anderen Titel, die auf der Nominierungsliste in Leipzig standen – hier sei am Ende noch Leonhard Horowskis Europa der Könige ins Feld geführt – 1120 Seiten. Dies mag natürlich auch alles den Sujets geschuldet sein, die die AutorInnen behandelt – aber wer hat in dieser Zeit voller Anforderungen wirklich noch die Zeit, sich in solche Bücher hineinzuarbeiten und mit Muße zu lesen?

Haben die Autoren das Maß verloren und schaffen es nicht mehr, sich zu beschränken und konzise ihre Themen zu behandeln? Oder haben wir in dieser auf Informationshappen limitierten Zeit einfach verlernt, uns mal wieder auf etwas einzulassen?

 

Wie steht ihr zu dicken Büchern? Absolutes Muss oder eher Qual? Welches dicke Buch möchtet ihr nicht missen? Oder lasst ihr von Bücher ab einer bestimmten Dicke eh die Finger? Eure Meinung interessiert mich!

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