Ein Abend mit Freunden in der Altbauwohnung, eine Quiche und ein leichter Salat, dazu Crémant und gute Gespräche. Was sich nach einem makellosen Vorhaben anhört wird dann aber zu einem Abend, bei dem nicht nur der dänische Designtisch Macken davonträgt. Denn für die Protagonistin in Teresa Präauers neuem Roman fühlt sich hier alles nach Kochen im falschen Jahrhundert an.
Herzlich willkommen in Österreich, dem Land, wo das Essen ein wenig andere Namen als hierzulande trägt, man von Karfiol, Erdäpfeln, Fisolen und Schlagobers spricht. Hier planen die namenlose Gastgeberin und ihr Freund einen Abend mit Niveau. Zwar stehen die Bananenkisten vom Umzug in die Altbauwohnung im hippen Stadtviertel noch zur Hälfte unausgepackt daheim herum, der dänische Designtisch verheißt aber schon Gemeinschaft und Gemütlichkeit. Und so soll es ein Abend mit Freunden und gutem Essen werden.
Die Gastgeberin und ihr Freund laden dazu zwei befreundete Paare ein. Doch schon im Vorfeld zeigen sich Abweichungen vom Abend, der eigentlich perfekt werden sollte. Da ist zum Einen der Schweizer, der aufgrund terminlicher Unpässlichkeiten seiner Freundin alleine vor der Tür der Altbauwohnung steht. Und dann ist da auch noch das Ehepaar, dessen Nachwuchs für eine Verzögerung im Abendablauf sorgt. Denn während der Schweizer und die Gastgeber sich über die Knabbereien und die gut gekühlten Flaschen Crémant hermachen, lassen die verheirateten Partner*innen auf sich warten.
Ein Abendessen mit Stil
Während die Berieselung durch die Jazz-Playlist im Hintergrund gesichert ist, heißt es warten, debattieren und auf dem Balkon rauchen, ehe nach dem Eintreffen der Gäste dann der Genuss beginnen kann.
Der Quicheteig war knusprig geraten, fast bröselig, buttrig und gut gesalzen, die Füllung war mild, weich und mollig und hatte eine schöne gelbliche Farbe von Dotter. Der Speck war kross und würzig, die Zwiebeln beinah süß, der Lauch auch. Der Salat passte dazu, er schmeckte, das waren die richtigen Wörter, tatsächlich sommerlich und leicht, der Senf in der Vinaigrette verlieh ihm eine subtile Säure und Schärfe. Der Partner der Gastgeberin hatte die Quiche vorsorglich in schmale Stücke geteilt, und alle nahmen sich reihum noch etwas davon, und noch einmal, bis sie ganz aufgegessen war. Der Schweizer stecke den Finger in die Salatschüssel und leckte die restliche Vinaigrette davon ab. Wie damals als Kind zuhause! Die anderen lachten bei seinem Anblick und sagten zustimmend, ja, so müsse es sein. Man gratulierte der Gastgeberin zu einem gelungenen Abend, dem hervorragenden Essen. Man lobte ihr offenes Haus und ihren einladenden Tisch. Abermals entschuldigte man sich für das Zuspätkommen, aber nein, winkte die Gastgeberin ab, alles kein Problem.
Teresa Präauer – Kochen im falschen Jahrhundert. S. 132 f.
Man entstammt dem expeditiven Sinus-Milieu, ist aufgeklärt, problembewusst, diskutiert (oder besser parliert) gekonnt über Kulturelle Aneignung oder die günstig erstandenen und selbst aufgearbeiteten Möbel im Mid-Century-Stil. Rooftop-Bars in Abu Dhabi, Kenia, Japan- man war schon überall und hat sich doch bequem eingerichtet in den jeweiligen Leben.
Brüche in der Hochglanzfassade
Doch mit einer reinen Klischeetapete des bürgerlichen Lebens zwischen Spießertum und Hipstertum begnügt sich Teresa Präauer nicht – könnte man ansonsten doch auch einfach zu einem Manufactum-Katalog greifen, um der hier beschriebenen Lebenswelt nachzuspüren. Vielmehr arbeitet Präauer mit genauem Blick und verschiedenen inhaltlichen und stilistischen Mitteln die Brüche in der Hochglanzfassade des Abends zwischen Ottolenghi-Kochbuch und Gruppenselfie heraus.
Sinnbildlich ist der Wasserfleck, den der neue und bis dahin makellose dänische Designtisch aufgrund der Unachtsamkeit der Gäste davonträgt. Alles ist auf den ersten Blick perfekt und ohne Makel, aber doch weicht am Abend alles in unterschiedlichen Nuancen vom vermeintlichen Ideal ab, sei es im Kleinen am Tisch oder auch im Großen im Leben. Gäste kommen zu spät, die Nachbarin beschwert sich, uneingeladene Gäste und sogar die Polizei steht im Lauf des Abends vor der Tür, der sich immer weiter vom eigentlich geplanten Ideal entfernt. Insgesamt fühlt sich das Unternehmen der Abendgesellschaft für die Gastgeberin doch eher am, als würde sie im falschen Jahrhundert kochen, wie schon auch der Buchtitel auf die Bruchlinie hinweist.
Und auch Präauers Erzählansatz ist alles andere als glattgebügelt und zeichnet die Brüche nach. Sie wechselt sie die Perspektiven der Paare, manchmal scheinen die aneinandergereihten Szenen einen Schnittfehler zu enthalten und auch die Erzählhaltung selbst wechselt vom personalen Erzählen an zwei Stellen in eine Du-Anrede ihrer Figuren. Diese Brüche verbunden mit einigen Manierismen wie der Aufzählung jedes einzelnen Jazzstandards, immer wieder eingeflochtenen Betrachtungen über Austriazismen und eine konsequent durchgestaltete indirekte Rede kennzeichnen den Text Teresa Präauers, der seine ganze Raffinesse im Laufe des Abends beziehungsweise Buchs entfaltet.
Die feinen Unterschiede
So ganz bruchlos ist sie eben doch nicht, die eigene Existenz, um immer wieder treten im Lauf des Abends die feinen Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit zutage – dass die polnische Nachbarin auf dem Balkon unter der Wohnung der Gastgeberin dabei auch noch Pierre Bourdieus berühmtes Werk liest, darf hier als programmatisch und schon fast überdeutlicher Wink auf eine mögliche Lesart von Kochen im falschen Jahrhundert gedeutet werden.
So wird die Abendgesellschaft hier zum Untersuchungsgegenstand, den Präauer mit scharfem Blick seziert und in ihren von Zutatenlisten unterbrochenen Kapiteln mithilfe verschiedener literarischer Mittel genau ausleuchtet. Ein Roman in der Tradition von Yasmina Reza und Vincenzo Latronico, der zwischen Klischees und Verwerfungslinien balanciert – und dabei gut unterhält, ohne zu gefällig zu sein. Das kann man sich schmecken lassen!
- Teresa Präauer – Kochen im falschen Jahrhundert
- ISBN 978-3-8353-5429-6 (Wallstein)
- 198 Seiten. Preis: 22,00 €