Die Berge als Sehnsuchtsort – davon erzählt Paolo Cognettis Roman Acht Berge. Manch einer mag dieses Phänomen kennen – man steht am Fuße eines Berges, schaut hinauf und irgendetwas in einem zieht einen dort hinauf. Das Leben am Berg erscheint einfacher, entschleunigt und löst große Sehnsucht aus. Der Bergsteiger Heinrich Harrer fasste das einmal in die Worte: „Wenn ich die Zivilisation hinter mir lasse, fühle ich mich sicherer“.
Paolo Cognetti füllt diese Worte mit Leben, indem er von zwei ganz unterschiedlichen Menschen erzählt, deren beider Lebensentwürfe von Bergen dominiert werden. Es ist die Lebensgeschichte des Ich-Erzählers Pietro und seines besten Freundes Bruno. Die beiden freunden sich als kleine Kinder im Bergdorf Grana an, in das Pietro mit seinen Eltern jeden Sommer zurückkehrt. Pietros Vater weckt in ihm die Leidenschaft, die Berge zu bezwingen und sämtliche Gipfel der Dolomiten und darüber hinaus zu erklimmen. Bruno ist ein einfacher Bauernsohn im Dorf, der stets die Vision eines Lebens als Bergbauer in sich trägt.
Cognetti beobachtet nun im Lauf des lediglich rund 240 dicken Büchleins die Leben dieser beiden Männer, die sich immer mal wieder voneinander entfernen, um dann wieder am Berg zueinanderzufinden. Mehr soll vom Inhalt an dieser Stelle gar nicht verraten werden, um die Freude der Lektüre nicht zu schmälern.
Eine zutiefst berührende Lektüre
Acht Berge ist eine der bislang größten Entdeckungen dieses Bücherherbstes für mich. Obwohl das Buch nun wahrlich nicht umfangreich ist, stecken so viele Themen in diesem Buch, sodass es zu den inspirierendsten und nachdenklichsten Bücher zählt, denen ich in meinem Bücherschrank Obdach gewähren darf. Allein schon die zarte Schilderung des Verhältnisses von Pietro zu seinem Vater ist wunderbar gelungen. Auch sitzen alle anderen Wörter und Sätze an den Stellen, an denen sie es tun sollen und funktionieren aufs Beste (die Übersetzung verdankt man Christiane Burkhardt). Man könnte das Ganze auch als pathetisch, Kitsch oder sentimental schelten, für mich haben in Acht Berge allerdings Inhalt und Sprache wunderbar und sehr stimmig zueinander gefunden.
Paolo Cognettis Buch ist von einem berührenden Ton durchzogen, der mich oftmals innehalten und Passagen auch noch einmal lesen ließ. Wie unauffällig es dem Italiener gelingt, alle wichtigen Fragen des Lebens auf diesen wenigen Seiten zu verhandeln eben ohne in jenen Coelho-haften Kitsch oder Pathos abzugleiten, das nötigt mir Respekt ab. Dem Buch sind unzählige Leser zu wünschen, da Cognettis Themen universell sind und alle LeserInnen betreffen, egal ob Väter, Söhne, Bergliebhaber, Sinnsucher, Alpinisten oder alle, die besondere Bücher zu schätzen wissen. Ein wirkliches Kleinod mit einer nachdrücklichen Leseempfehlung!