Tag Archives: Südstaaten

Kurz und Gut – schnelle Leseempfehlungen

Nachdem es schon länger keine Kurzrezensionen mehr an dieser Stelle zu lesen gab, sei dies hier mit drei frischen, sommerlichen Empfehlungen nachgeholt

Malla Nunn – Zeit der Finsternis

Der vierte Fall des südafrikanischen Ermittlers Emmanuel Cooper hat es abermals in sich. Malla Nunn schickt ihren Ermittler in den 50er Jahren nach Johannesburg, während die Apartheid das Land im Griff hält. Während Cooper unter einem gefährlichen Vorgesetzten den Fall zweier ermordeter Weißer aufklären soll, muss er um jeden Preis sein Privatleben schützen. Denn Cooper hat ein Kind mit seiner farbigen Frau. Ein schweres Verbrechen, das der Ermittler vertuschen muss. Nicht leichter wird alles, als sich herausstellt, dass der Hauptverdächtige des Doppelmordes der Sohn seines Zulu-Kollegen Shabalala ist.

Ein sauber gearbeiteter, sehr spannender Krimi, der seinen Reiz aus dem Setting und der Zeit zieht, in der er spielt. Nunn fängt das Apartheid-Südafrika hervorragend ein und beschert uns Figuren, die wir so schnell nicht wieder vergessen.

 

Ann Patchett – Die Taufe

Ein heißer Sommertag ist es, der zwei Familien in Ann Patchetts Die Taufe zusammenschmiedet. Denn an diesem heißen Sommertag findet die Taufe statt, die alles verändern soll. Der Staatsanwalt Bert Cousins taucht auf dieser Feier uneingeladen auf, um sich seiner familiären Pflichten und Probleme für einen Nachmittag zu entziehen. Dadurch wird ein Band zwischen seiner Familie und der von Fix Keating, des Vaters des Täuflings, geknüpft.

In schnörkellosem Ton erzählt Ann Pachett in Die Taufe, wie sich in den folgenden Jahren die Geschichte der beiden Familien immer wieder einmal miteinander verflicht. In Schlaglichtern zeigt die Autorin, wie aus dieser einen folgenschweren Begegnung Schicksal erwächst. Ein klassischer amerikanischer Familien- und Gesellschaftsroman mit einer besonderen Konstruktion.

 

Larry Brown – Fay

Eine junge Frau reißt von Zuhause aus und schlägt sich durch – das ist im Grunde der Plot, der hinter Larry Browns im Original bereits 2000 erschienenem Buch steckt. Doch die Kunst dieses Buchs ist das Drumherum, das Brown langsam in Fay entfaltet. Er zeigt einfache Menschen, die mit Fay in Kontakt kommen – manche von ihnen gut, andere schlechte, der Charakter von anderen Figuren zeigt sich erst im Verlauf der Handlung. Diese Plastizität macht den Reiz von Fay aus. Eine tolle Südstaatenstudie, flirrend und packend.

Der leider schon verstorbene Larry Fay fügt sich nahtlos in das Portfolio des Heyne Verlags ein und ist eine Entdeckung, der man schon früher ihren Durchbruch gewünscht hätte. Südstaatenliteratur, wie sie sein sollte. Hart, rau aber stets auch mit Herz und Emotionen. Diese Fay schließt man in sein Herz!

 

 

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Eudora Welty – Der Räuberbräutigam

Ein Südstaaten-Märchen

Eine Sensation: Die Gebrüder Grimm sind gar nicht gestorben, sondern sind aus Kassel nach New Orleans emigriert und haben unter dem Pseudonym Eudora Welty einen Roman verfasst. Das könnte man zumindest annehmen, wenn man Der Räuberbräutigam liest.

Dieser Roman erschien im Original bereits 1942 und wurde nun über siebzig Jahre später von Hans J. Schütz ins Deutsche übertragen. Tatsächlich herrscht im ganzen 155-Seiten-dünnen Roman ein solcher Tonfall und eine solche Magie, dass man hier nur von einem Märchen, und zwar einem Südstaaten-Märchen sprechen kann.

Eudora Welty  Der Räuberbräutigam (Cover)

Das Buch dreht sich um den Räuber Jamie Lockhart, der im finsteren Tann des Missisippi-Deltas sein Unwesen treibt, und der jungen und unschuldigen Rosamond, die von ihrer fiesen Stiefmutter Salome geknechtet wird. Eines Tages https://www.klett-cotta.de/buch/Weitere_Autoren/Der_Raeuberbraeutigam/61792entführt ein Räuber diese, als sie gerade Kräuter sammeln ist. Doch Rosamonds Vater fällt eine Lösung für dieses Problem ein, schließlich hat er die Bekanntschaft mit Jamie Lockhart gemacht – der quasi zugleich Entführer und Retter seiner Tochter werden wird. Doch damit beginnt die Volten-schlagende Handlung eigentlich erst so richtig. Es treten auf: fiese Stiefmütter, dunkle Wälder, Räuberbanden, kluge und gewitzte Charaktere sowie nicht so helle Gestalten – willkommen in einem Südstaaten-Amerika, das man so noch nicht gelesen hat.

Der Räuberbräutigam ist wahrlich aus der Zeit gefallen. Hätten Joe R. Lansdale, die Gebrüder Grimm, William Faulkner und E. T. A. Hoffmann zusammengesessen, dieses Stück Literatur wäre wohl so ähnlich herausgekommen.

Das Buch ist ein Fest der Magie, der Sprache und des schon längst vergangen geglaubten Gefühls, das Märchen in einem Menschen auslösen können. Stark erinnert das Märchen auch an dadaistische Erzählungen – Lewis Carrolls Alice im Wunderland könnte für diese Erzählung auch Pate gestanden haben. Genau das richtige für Leser, für die die Geschichten auch mal etwas fantastischer und abgedrehter sein dürfen!

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Joe R. Lansdale – Das Dickicht

Im Dickicht

Joe R. Landale - Das Dickicht

Joe R. Landale – Das Dickicht

Schon der Titel von Joe R. Lansdales neuem, bei Tropen erschienenen Roman macht deutlich, dass es finster wird in dem Buch. Wie in den meisten seiner Bücher wird auch diese neue Geschichte aus den Augen eines Kindes erzählt, das im Laufe des Buches Bewährungsproben bestehen muss und heranreift. Der Erzähler von „Das Dickicht“ ist der junge Jack Parker, dem im Laufe des Buches fast alles genommen wird. Verliert er zunächst infolge einer Pocken-Epidemie seine Eltern, muss er dann auch noch mitansehen, wie bei einer Flussüberquerung sein Großvater erschossen und seine liebreizende Schwester Luna von Halunken entführt wird.
Doch Jack wäre kein Lansdale-Charakter, wenn er sein Schicksal nicht in die eigenen Hände nehmen würde. Kurzerhand klemmt er sich hinter die Spur der Entführer und bekommt im Lauf seiner Reise immer mehr (meist skurrile) Unterstützung – dazu zählen ein ausgewachsener Eber, ein farbiger Kopfgeldjäger und ein Lilliputaner.

Was sich auf dem Papier nach einer allzu hanebüchenen Mischung anhören mag, funktioniert bei Joe R. Lansdale wieder ausgezeichnet – auf 330 Seiten erzählt er eine spannende und sehr düstere Geschichte, die insgesamt zu den heftigeren Erzählungen aus Lansdales Feder zählt. Stellenweise liest sich „Im Dickicht“, als hätten sich Quentin Tarantino und Mark Twain zusammengetan, gerade wenn die Kopfgeldjäger wieder auf Opfer der Entführer von Jacks Schwester stoßen, geizt der texanische Autor nicht mit Details. Wer sich an diesen Einsprengseln nicht stört, bekommt wieder eine ganz typische Lansdale-Erzählung mit Spannung, Humor und tollen Szenen aus einem vergangenen Texas sowie einen Entwicklungsroman der etwas anderen Art.

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