Monthly Archives: Juli 2016

Kurz und Knackig – 2 Krimikurzbesprechungen

Kurz und knackig hier zwei Kurzrezensionen von Kriminalromanen, die ich diesen Juli gelesen habe

Joakim Zander – Der Bruder

ZanderDer Schwedenthriller zur Stunde. Nach Der Schwimmer kommt die Diplomatin Klara Walldéen hier zu ihrem zweiten Einsatz. Sie arbeitet für die EU an einem Strategiepapier zur Frage, ob polizeiliche Dienstleistungen auch an private Unternehmen outgesourct werden können. Doch irgendjemand hat es auf ihre Forschung abgesehen und verschont auch ihre Kollegen nicht mit dem Leben. Währenddessen bricht in New York die junge Yasmine zurück in ihre schwedische Heimat auf, da dort ihr Bruder gesichtet wurde. Dabei gilt er eigentlich als tot, schloss er sich doch dem IS an und galt in Syrien als gefallen. Behutsam führt Joakim Zander die Stränge zusammen und überzeugt durch Perspektivwechsel und viel Aktualität. DER Thriller zur aktuellen Weltlage!

 

 

Reginald Hill – Welch langen Weg die Toten gehen

HillDieser Krimi des Britischen Urgesteins Reginald Hill (leider schon 2012 verstorben) ist nur noch antiquarisch bzw. als E-Book erhältlich. In bester Landhaus-Krimi-Manier erzählt der Autor darin von einem höchst suspekten Suizid in einem Herrenhaus. Denn bereits vor zehn Jahren richtete sich dort der Vater des jetzt Verstorbenen auf die gleiche Art und Weise. Der dicke Andy Dalziel und sein Untergebener Peter Pascoe ermitteln in bester Sherlock-Holmes-Manier und versuchen Licht ins Dunkel zu bringen. Doch die Spuren und die Verdächtigen sprechen alle höchst unterschiedliche Sprachen. War am Ende der Selbstmord gar kein Selbstmord? Brillant geschrieben, auf allerhöchstem literarischen Niveau, ein Buch das Hills‘ Meisterwerk und Abschiedsgeschenk Rache verjährt nicht beinahe gleichkommt.

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Vorfreude – neue Krimis im Herbst 2016

Schon länger sind die Verlagsvorschauen draußen, die die neuen Bücher des Bücherherbstes 2016 bis hinein in den März 2017 präsentieren. Aus all den Vorschauen und Ankündigungen habe ich exemplarisch fünf Titel aus den verschiedensten europäischen Ländern gewählt, auf die ich mich besonders freue. Das ein oder andere dieser Bücher dürfte auch hier auf diesem Blog demnächst besprochen werden.

 

Arne Dahl – Sieben minus eins

siebenDas sagt der Verlag: Als er die Blutspuren in dem labyrinthischen Kellerverlies findet, ist sich Kriminalkommissar Sam Berger sicher: Das unerklärliche Verschwinden der jungen Frau steht mit früheren Fällen in Verbindung, es muss weitere Opfer desselben Täters geben. Nur fehlt von denen jede Spur. Mit seiner waghalsigen Theorie von einem Serientäter steht Sam Berger alleine da und gerät bald von mehreren Seiten unter Beschuss. Allan, sein Chef, hat wenig Verständnis für Bergers riskante Einzelgänge und droht, ihn zu feuern. Dann entdeckt Sam Berger Spuren. Spuren, die nur er verstehen kann, gelegt von einem Menschen, der ihn allzu gut zu kennen scheint. Sie führen ihn zu einem verlassenen alten Bootshaus und von dort zu einer längst verloren geglaubten Erinnerung. Tief verborgen in Bergers Vergangenheit gibt es etwas, das ihn mit den brutalen Verbrechen verbindet. Etwas, das lange Zeit keine Bedeutung zu haben schien, und das der Täter jetzt mit gutem Grund ans Licht holt.

Das sage ich: nach seinem A-Team und der OPCOP-Gruppe startet Arne Dahl hier eine neue Reihe rund um den Kommissar Sam Berger. Der Klappentext klingt schon einmal vielverprechend und Arne Dahl vertraue ich in Punkto Stil und Plot eh! Erscheint im September 2016.

 

 

Ben Aaronovitch – Der Galgen von Tyburn

aaronovitchDas sagt der Verlag: In seinem sechsten Fall muss der fabelhafte Peter Grant

– ein verschollenes altes Buch wiederfinden einen verdächtigen Todesfall auf einer Party der Reichen und Schönen Londons aufklären
– versuchen, es sich dabei nicht völlig mit Lady Ty zu verderben
– vermeiden, vom Gesichtslosen ins Jenseits befördert zu werden
– sich mit einem ganzen Haufen rauflustiger Amerikaner herumschlagen, die definitiv zu viel ›24‹ gesehen haben.

Kurz: Peter bekommt die einzigartige Gelegenheit, es sich mit alten Freunden zu verderben und sich dabei jede Menge neue Feinde zu machen. Mal vorausgesetzt, er überlebt die kommende Woche.

Das sage ich: Die Peter-Grant-Reihe von Ben Aaronovitch ist wohl das beste und lustigste, was die englische Literatur in letzter Zeit hervorgebracht hat. Er kombiniert Reginal Hill, Joanne K. Rowling und Arthur Conan Doyle zu einer wilden Melange, die noch lange in dieser Intensität köcheln soll. Im Februar 2017 kommt der inzwischen schon sechste Band der Reihe.

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Anthony Doerr – Winklers Traum vom Wasser

Kann man seinem Schicksal entfliehen?

Um diese Frage kreist der Roman Winklers Traum vom Wasser von Anthony Doerr und findet für die Beantwortung sehr poetische Bilder. Ausgangslage ist die Fähigkeit David Winklers zu sehr ausufernden Träumen, die sich eigentlich immer bewahrheiten. Er träumt von Todesfällen genauso wie von seiner sprichwörtlichen Traumfrau, die er im Supermarkt kennen lernen wird. Alles trifft so ein, wie es sich Winkler erträumte und er wird glücklich und Vater. Doch dann lässt ihn ein Traum seine Frau und sein Kind Grace verlassen. Er sah nämlich in einem Traum sein Haus überflutet und seine Tochter tot in seinen Armen. Als sich die Vorzeichen für diese Katastrophe mehren, doch nicht einmal seine Frau Winkler glauben schenkt, flieht er Hals über Kopf.

Winkler

Fünfundzwanzig Jahre in der Ferne wird Winkler verbringen, während ihn die Unklarheit über das Schicksal seiner Frau und Tochter umtreiben. Auf der Antilleninsel St. Vincent beginnt er ein neues Leben, verdingt sich als Hausmeister eines Hotels und sucht auch hier nach Erkenntnis und Linderung. Doch nach 25 Jahren beschließt er, auf die Suche nach Grace Winkler in den USA zu gehen. Hat seine Tochter die Flut überlebt? Lebt seine Frau noch? Was ist aus ihnen geworden? Ruhelos beginnt Winkler seine Suche und wird dabei die ganzen USA durchqueren. Und die Frage, die über allem kreist, stellt sich ihm immer wieder: kann man vor seinem Schicksal davonlaufen, alles hinter sich lassen und noch einmal den Reset-Knopf drücken?

Eine gelungene Neuauflage

Winklers Traum vom Wasser ist ein poetisches und unglaublich gut geschriebenes Buch. Bereits einmal lag das Buch von Anthony Doerr auf Deutsch vor, nun hat es der C.H. Beck-Verlag über zehn Jahre später in einer Sonderauflage ein weiteres Mal aufgelegt. Dies ist auch gut so, damit das Buch möglichst großen Absatz findet. Denn nach dem grandiosen Alles Licht, das wir nicht sehen und der tollen Novelle  Memory Wall beweist Doerr seine literarische Meisterschaft hierin zum dritten Male. Welche Formulierungen Doerr für Wolkenformationen, Landschaften und Leben findet, das muss man lesen. An dieser Stelle sollte auch die Übersetzerin Judith Schwaab gewürdigt werden, die die richtigen Worte und den richtigen Rhythmus für die Übertragung ins Deutsche gefunden hat. So ist und bleibt Winklers Traum vom Wasser ein Lesegenuss und rührt mit seinem Helden David Winkler und seiner Flucht vor dem Schicksal stark an.

Es ist wünschenswert, dass diese Neuauflage reißenden Absatz findet, denn die Geschichte, die der amerikanische Schriftsteller in seinem Buch erzählt, ist es mehr als wert, bekannter zu werden und sollte den Ruhm Anthony Doerrs mehren!

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Mike Nicol – Power Play

Wer oder was sind Seeohren? Diese potentielle 125.000 €-Frage kann der Leser von Mike Nicols neuem Roman nach der Lektüre spielend leicht beantworten. Denn diese unter Wasser lebenden Schnecken sind eine Art Muscheln, die vor der Küste Südafrikas leben und als Delikatesse gelten. Der Schmuggel mit ihnen blüht – und so wollen verschiedene Parteien aus dem Geschäft mit den Seeohren ihren Profit schlagen.

Power Play von Mike Nicol

Power Play von Mike Nicol

Eine unübersichtliche Gemengelage durchzieht den neuen Roman des südafrikanischen Krimiautors Mike Nicol, der neben Schreibern wie Deon Meyer, Paul Mendelson oder Malla Nunn zu den Vertretern einer boomenden Kimiregion zählt. Die babylonische Verwirrung, die am Anfang des Buchs herrscht, dauert auch einige dutzend Seiten an, ehe man zunächst die groben Zusammenhänge und Abhängigkeiten überblickt (da hilft es auch wenig, wenn sich der Klappentext in lobpreisenden Stimmen über den Autor ergeht. Wirklich schlauer wird man daraus nicht, deshalb hier nun ein paar wenige Worte zum Geschehen) Continue reading

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Don Winslow – Palm Desert

Nach all seinen halsbrecherischen und meist im Chaos endenden Aufträgen wird Neal Carey jetzt nun von seinem Mentor und Ziehvater Joe Graham für einen letzten, eigentlich harmlosen Auftrag losgeschickt. Ein 86 Jahre alter jüdischer Stand-up-Komiker muss von einem Hotel in Las Vegas zurück zu seiner Unterkunft in Palm Desert gebracht werden. Eigentlich ein Kinderspiel, muss Neal den alternden Comedian doch nur aus seinem Hotelzimmer in ein Flugzeug verfrachten und dann in seinem Zuhause wieder abliefern. Doch wie das bei den Aufträgen so ist, die Neal für Die Bank erledigen muss, so droht sich auch hier schon recht bald die Unternehmung in ein ziemliches Schlamassel auszuwachsen.

Nicht nur dass der Seniorenkomiker überaus renitent ist, mit unwitzigen Witzen und seitenlangen Monologen die Geduld Neal Careys strapaziert und einen gewissen Fluchtreflex an den Tag legt – dem alten Herr ist auch ein kriminelles Doppel auf den Fersen. Denn da gibt es etwas, das er gesehen hat, was nicht für seine Augen bestimmt war. Und so muss Neal den widerspenstigen Rentner einmal quer durch die Wüste von Nevada bringen und sich dabei den schlechten Witzen und kriminellen Absichten erwehren. Nicht einfacher wird das Ganze dadurch, dass Neals Verlobte Karen unbedingt jetzt ein Baby von ihm möchte.

Palm Desert ist wohl der humorigste Teil der Reihe. Don Winslow scheut nicht vor Situations- und Dialogkomik zurück und entwickelt vor allem ab der Hälfte des Buchs einen Krimi, der eher einer Screwball-Komödie ähnelt. Vieles von dem, was im vorletzten Band der Reihe nicht funktionieren wollte, klappt hier nun vorzüglich. Das Figurenensemble ist gut austariert, trotz der zahlreichen Stränge und der munteren Collage von Schriftwechseln, Tagebüchern und wechselnden Perspektiven funktioniert der Aufbau. Auf lediglich 200 Seiten schafft es Don Winslow hier, alles beisammen zu halten und eine witzige Geschichte zu erzählen. Das Buch ist schnell, kurz und knackig und stellt einen guten Abschluss der Reihe dar.

 

Hier zur Übersicht noch einmal die Reihenfolge der fünf Bände:

 

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