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Mackenzi Lee – Kick-Ass-Women

Eine gute Absicht macht noch kein gutes Buch – diese Erkenntnis bestätigte sich für mich nach der Lektüre von Mackenzi Lees Biographie-Konvolut Kick-Ass-Women einmal mehr.

Dabei ist die Intention wirklich lobenswert. In den gängigen Kanons sind Frauen zumeist unterrepräsentiert. Ihre Errungenschaften fallen schnell einmal unter den Tisch, auch wenn sich diese Marginalisierung von Frauen in letzter Zeit gotteseidank etwas ändert (hier sei nur beispielhaft auf den von Sybille Berg initiierten Die Kanon hingewiesen).

Auch der Suhrkamp-Verlag hat den Zeitgeist erkannt und die die Sektion Feminismus/Empowerment im Bestandsprofil ausgebaut. Früchte dieser Arbeit sind beispielsweise der Graphic Novel Rebellische Frauen über 150 Jahre Kampf für Frauenrechte oder die Kinderbuchreihe Little People – Big Dreams. In dieser werden kindgerecht wichtige weibliche Persönlichkeiten aus den Bereichen Forschung, Kultur oder Geschichte vorgestellt.

An etwas erwachseneres Publikum richtet sich das bei Suhrkamp Nova erschienene Buch Kick-Ass-Women von Mackenzi Lee. Sie stellt in ihrem Buch in Kurzbiographien 52 wahre Heldinnen vor, so der Untertitel des Buchs (übersetzt von Jenny Merling, Bilder von Petra Eriksson). Die Intention des Ganzen wird vom Verlag selbst so beworben:

Dieses Buch versammelt 52 sagenhafte Heldinnen und ihre wahren Geschichten – actionreich, informativ und ein schillernder Appell an alle Frauen, nie an der eigenen Großartigkeit zu zweifeln.

Nun gut. Diese Versprechen löst das Buch dann nur zu einem Teil ein, was wirklich schade ist. Denn zum Einen ist schon einmal die Frage des Publikums schwierig. Ich sehe dieses eher im jugendlichen Bereich, denn für ein erwachsenes Publikum ist mir die Sprache und die Herangehensweise an das Thema eindeutig zu flappsig.

Flappsige Sprache, magerer Informationsgehalt

Man muss sich zuallererst die Genese dieses Buchs in Erinnerung rufen. So nutzte Mackenzi Lee den Kurznachrichtendienst Twitter, um jede Woche eine besondere Frau vorzustellen. Aus diesen 280-Zeichen-Botschaften entstand nun dieses Buch. So ist auch jede Vita ihrer 52 Heldinnen nur eine wirkliche Kurzvita. Kaum eine Heldin bekommt mehr als 2 Seiten zugestanden, die zwar doppelspaltig gehalten sind, dennoch aber nicht wirklich den Leistungen der Frauen gerecht werden. Dazu ist das Buch viel zu oberflächlich.

Oberflächlich beziehungsweise mir eindeutig zu flappsig (weswegen ich mir auch nicht vorstellen kann, dass das Buch für den interessierten erwachsenen Leser von Belang ist) ist auch der ganze Tonfall des Buchs. Beispiele gefällig?

Man darf ja wohl noch träumen, oder? Nur hatte Thi Sách leider die Angewohnheit, offen rumzuerzählen, wie unzufrieden er mit der chinesischen Tyrannei war und wie super er es fände, wenn jemand den Chinesen mal zeigen würde, wo der Frosch die Locken hat.

Lee, Mackenzi: Kick-Ass-Women, S. 17

So ist Mackenzi Lee reichlich frei in ihrer Nacherzählung der historischen Umstände und scheint ein Faible für Comicsprache zu besitzen. Da liest man schon mal mitten im Text – BÄM!- oder auch gerne Floskeln wie „Scheiße, nein!“. Auch legt sie ihren Heldinnen gerne reichlich infantile und läppische Dialoge oder Aussagen in den Mund, die sinngemäß zeigen sollen, was die Frauen ausdrücken wollten oder worum es ihnen ging.

Unterkomplexität als Programm

Dieses Buch unterfordert mit dieser Art der Erzählung leider pausenlos und wird in meinen Augen den Heldinnen nicht wirklich gerecht. Dabei gäbe es so tolle Frauen in diesem Buch zu entdecken, und das über den ganzen Erdball verteilt. Von der ersten ägyptischen Pharaonin Hatschepsut über die erste Sci-Fi-Autorin der Welt, Margaret Cavendish, bis hin zur phillipinischen Rebellin Kumander Liwayway. Doch der Tonfall und der etwas magere Informationsgehalt der Kurzbiographie enttäuschen. Darüber hilft auch nicht die tolle Gestaltung des Bandes mit seinen wunderbar poppigen Porträts hinweg. Leider kein Kick-Ass für die Leser*innen.

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Unda Hörner – 1919

Das Jahr der Frauen

Um es schon einmal mit der Weisheit eines großen Versandbuchhändlers vorwegzunehmen: Leser*innen, denen 1913 von Florian Illies gefiel, dürfte auch 1919 von Unda Hörner gefallen.

Nicht nur, dass sich die Titel gleichen, auch in der Struktur lehnt sich Unda Hörner stark an den Bestseller von Illies an. So beleuchtet die Berliner Autorin chronologisch die 12 Monate des Jahres, in denen sich so viel Außergewöhnliches ereignete, das für die nachfolgende Epoche richtungsweisend war. Ihr Fokus liegt dabei, wie es der Untertitel schon klarmacht, auf den Errungenschaften, die Frauen erkämpften.

So durften 1919 das erste Mal Frauen zur Wahl antreten. Politikerinnen und Aktivistinnen wie Marie-Elisabeth Lüders oder Marie Juchaz nutzten diese neue Freiheiten, ließen sich für Parteien ins Parlament wählen oder setzten sich anderweitig für die Frauenfrage ein. Doch nicht nur auf dem Feld der Politik tat sich entscheidendes.

Musik, Mode, Kunst, Wissenschaft, Architektur – überall forderten die Frauen einen ebenbürtigen Platz ein. Auch wenn sie diesen in den seltensten Fällen zunächst bekamen – ein Anfang war gemacht. So verfolgt man durch das Jahr hinweg etwa Coco Chanel, die zur Mode-Ikone aufsteigt. Trotz privater Schicksalsschläge verfolgt sie ihre Karriere beharrlich und wird in jenem Jahr dann ihr legendäres Parfüm Chanel No. 5 auf den Markt bringen.

Frauen in Kunst, Kultur, Wissenschaft und Politik

In Polen darf die junge Maria Salomea Skłodowska nicht studieren. In Frankreich ist es Frauen hingegen durchaus erlaubt, Universitäten und wissenschaftliche Vorlesungen zu besuchen. Und so stillt die junge Frau als Marie Curie ihren Bildungshunger und beginnt selbst über Röntgenstrahlen, Polonium und Radium zu forschen. Später einmal wird ihr als erster Frau der Nobelpreis in zwei Kategorien zugesprochen werden.

Und auch auf anderen Feldern leisten Frauen Erstaunliches. Unda Hörner erzählt von Künstlerinnen wie Käthe Kollwitz und dem Bauhaus, in dem sich auch Frauen (theoretisch) künsterlisch verwirklichen durften. Sie schildert, wie Sylvia Beach in Paris die Buchhandlung Shakespeare und Company gründet. Anita Augspurg, Rosa Luxemburg, Else Lasker-Schüler – sie alle und noch viel mehr Frauen werden in 1919 wieder lebendig.

Dass die Figuren dabei nicht sonderlich tief ausgestaltet werden, das ist auch dem gewählten Erzählformat geschuldet. Kaleidoskopartig erweckt Unda Hörner immer wieder kleine biographische Splitter aus dem Jahr zum Leben. Für eine vertiefende Beschäftigung mit den Frauen empfiehlt sich 1919 freilich nur als Einführung, für alles andere bedarf es einer ausführlicheren Lektüre.

Ihr Ziel, das Jahr der Frauen in seiner ganzen Fülle zu erzählen, das gelingt Unda Hörner aber auf alle Fälle. Anschaulich geschrieben wird einem bei der Lektüre des Buchs klar, was sich da eigentlich alles vor genau 100 Jahren auf den Straßen Berlins, Paris, Englands und Co. abgespielt haben muss. Eben das Jahr der Frauen!

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