Tag Archives: Kindheit

Karl-Ove Knausgård – Spielen

Eine norwegische Kindheit

 „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Friedrich Schiller :  Über die ästhetische Erziehung des Menschen.

Friedrich Schiller fasste schon Ende des 18. Jahrhunderts zusammen, was der norwegische Bestseller-Autor Karl-Ove Knausgård im dritten Teil seines Min-Kamp-Zyklus‘ mit der deutschen Übersetzung Spielen bestätigt.

 

Um dieses ehrliche, unbändige Spielen zu betrachten, begibt sich Knausgård tief hinein in seine Erinnerungen an seine Kindheit. Spielen im Park, Herumstrolchen, erste Erfahrungen des eigenen Körpers – all das packt er wieder hinein in dieses wilde literarische Kaleidoskop , wie er es zuvor schon mit den Themen Sterben und Lieben getan hat.

In einem wilden Erinnerungsstrom gedenkt er seiner ruhigen Kindheit in Norwegen, dem Aufwachsen in einem strengen und disziplinierten Haushalt und die Freundschaften und Streifzüge, die er im Laufe seiner Schulzeit unternahm.

Erkundungen einer Müllkippe, Beschreibungen der Urlaube auf dem Bauernhof der Großeltern oder Schikanen seines disziplinversessenen Vater, unter denen Karl-Ove ständig leiden musste.

Neben alltäglichen Betrachtungen stehen auch hier wieder existenzialistische Einsichten, Überlegungen und Gedanken, die den Leser in Knausgårds Welt einladen und unwiderstehlich in eigene Erinnerungen überführen. Für mich bietet das autobiographische Romanprojekt Knausgård stets viele Reflektionsvorlagen und schleuderte mich durch die Beschreibung  alltäglichen Ereignisse direkt wieder zurück in die eigene Kindheit und jene Tage, in denen die Tage scheinbar endlos waren und an jeder Ecke Überraschungen und spannende Streifzüge lauerten.

Dieses ehrliche, ungefilterte und echte Spielen – Knausgård holt es wieder hervor und versetzt den Leser damit selbst wieder in seine Kindheit. Erneut eine superbe literarische Reflektionsvorlage für die eigene Biographie!

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Joe R. Lansdale – Ein feiner dunkler Riss

Ein typischer Lansdale

Wann ist ein Autor ein Großer? Wenn seine Schreibe unverkennbar ist, wenn man schon auf den ersten Seiten den Eindruck hat, heimzukehren und wenn der Autorenname nicht auf dem Cover stehen müsste, um ihm das Buch zuordnen zu können.

Joe R. Lansdale zähle ich definitiv zu den großen Krimiautoren unserer Tage – und sein Roman Ein feiner, dunkler Riss stammt definitiv aus der Feder des Romanciers. Ursprünglich schon 2002 erschienen hat es das Buch nun beim Suhrkamp-Verlag ins Taschenbuch-Format geschafft (Übersetzung Heide Frank)

Der Roman wird vom Ich-Erzähler Stanley als Kindheitserinnerung erzählt (auch so ein typischer Lansdale-Kniff) und enthält alle Zutaten, die die Bücher Lansdales kennzeichnen: ein unschuldiges Kind in Texas wird im Laufe des Buchs zum Erwachsenen, ein Verbrechen aus der Vergangenheit wird aufgeklärt, das Kind tritt dem Rassismus entgegen. Im vorliegenden Fall entdeckt Stanley eine Kiste mit alten Liebesbriefen und stößt auf ein verlassenes Haus, das nur der Auftakt zu größeren Abenteuern ist. Zusammen mit seinen Freunden und dem alten farbigen Filmvorführer Buster, der er sich als ehemaliger Polizist entpuppt, ermittelt er um den Geheimnissen seines Städtchens auf die Spur zu kommen.

Ein solides Buch aus der Feder Lansdales, aber kein Meisterwerk

Mit Ein feiner, dunkler Riss ist Lansdale erneut eine spannende und wehmütige Hommage an ein lang vergangenes Texas gelungen. Zwar kommt Ein feiner, dunkler Riss nicht an Lansdales Meisterwerke Die dunklen Wälder am Fluss und Der Teufelskeiler heran, dennoch wieder ein grandioser Roman übers Erwachsenenwerden und die Erinnerungen an die Kindheit.

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Cathi Unsworth: Opfer

Eher Jugendroman als Krimi

Sie sind zweifelsohne das Jahrzehnt mit der absonderlichsten Mode und dem bizarrsten Geschmack gewesen – die Rede ist von den 80ern. In diesem Jahrzehnt ist auch der eine der beiden Stränge von Opfer von Cathi Unsworth angesiedelt.

Damals wurde im kleinen englischen Städtchen Ernemouth Corinne Woodrow festgenommen, da sie im Verdacht stand, einen Jungen ermordet zu haben. Der zweite Strang, der zwanzig Jahre später im Jahr 2003 spielt, präsentiert nun Sean Ward, einen versehrten Privatermittler, der sich mit dem damaligen Mord beschäftigt.

Neue Spuren haben ergeben, dass Corinne Woodrow unter Umständen für eine Tat zur Rechenschaft gezogen wurde, die sie vielleicht gar nicht begangen hat. Dies ist ein schon fast klassischer Plot – ein einsamer Ermittler, der einen alten Fall neu aufrollt und dabei Überraschendes zutage fördert.

Doch leider vermag Cathi Unsworth in Opfer diesem altbekannten Muster keine neue Facetten abzugewinnen. Sie beschreibt detailliert die Dynamiken innerhalb der Jugendclique um Corinne Woodrow 1983 und lässt auch Sean Ward ausführlich herumschnüffeln. Leider geht ob der ausführlichen Beschreibung ihrer beiden Hauptcharaktere die Spannung über die ganze Länge des Buches ab. Als Kriminalroman würde ich deshalb Opfer mitnichten bezeichnen. 

Es ist ein ruhiger Roman über das Erwachsenwerden und den Sinn, der darin liegt. Cathi Unsworth vermag gekonnt von den Sehnsüchten und Taten der jungen Engländer in den 80ern zu erzählen – ein spannendes Buch wird daraus trotzdem nicht. Wer einen Coming-Of-Age-Roman sucht, der könnte mit Opfer sein Buch in Händen halten, allen anderen, denen die Spannung wichtig ist, sollten diesem Buch nicht unbedingt den Vorzug geben!    

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