Monthly Archives: Mai 2013

Sara Gran: Das Ende der Welt

Abseits vom Krimi-Mainstream

Sie suchen einen spannenden Krimi, bei dem ein Mörder gesucht wird und eine Ermittlerin unbeirrt zur Wahrheit durchkämpft? Dann lassen Sie Ihre Finger bloß von diesem Buch!
Selten wurde in einem Buch ein verquerer Plot gelöst, so viel gekokst und so wenig zielführend ermittelt. Wie im mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichneten Vorgängerbuch „Die Stadt der Toten“ ermittelt auch im zweiten Band wieder Claire DeWitt, die beste Detektivin der Welt. Und dies tut die charismatische Ermittlerin erneut auf die wohl unorthodoxeste Art und Weise, die momentan in einem Roman zu bestaunen ist.
Wie in einem Stream of Consciousnesslässt sie sich diesmal durch die verschiedenen Viertel San Franciscos treiben und versucht, dem Tod ihres Ex-Freunds Paul auf die Spur zu kommen. Dieser, ein halbwegs bekannter Gitarrist, wurde in seinem Haus erschossen und nicht nur fünf verschwundene Gitarren lassen Fragen aufkommen.
Claire DeWitt versucht nun dank ihrer eigenwilligen Ermittlungsmethoden, den Mörder Pauls dingfest zu machen. Zudem ermittelt sie im Fall verstorbener Minipferde und muss sich mit weiteren Nebenkriegsschauplätzen auseinander setzen.
Zudem konfrontiert Sara Gran den Leser erneut, wie in „Die Stadt der Toten“, in Rückblenden mit einem Fall aus Claires Jugendjahren. Das ist insgesamt alles andere als übersichtlich, trägt aber auch zur Faszination des Buches bei.
In der momentanen Krimilandschaft dürfte es kaum eine Person geben, die in ihrer Spleenigkeit und ihrer Radikalität an Claire DeWitt heranreicht. Wer, wie eingangs erwähnt, konventionelle Krimis sucht, die im täglichen Leben geerdet sind, der sollte einen möglichst großen Bogen um die Claire-DeWitt-Reihe machen. Alle anderen, die innovative, bunte und überbordende Romane lieben und auch den Gerichtsmediziner Doktor Siri aus der Feder von Colin Cotterill schätzen könnten ruhig einmal in dieses Buch hineinschnuppern. Krimikost abseits des Mainstreams – mir gefällt’s!
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Martin Suter: Der Teufel von Mailand

Schweizer Synästhesie

Martin Suter zählt zu den wohl bekanntesten Schweizer Bestsellerautoren. Der Teufel von Mailand ist hierbei wohl nicht das kreativste seiner Werke, allerdings auch kein wirklich schlechtes Buch. Alles beginnt mit einem LSD-Trip, der die gerade frisch von ihrem Mann getrennte Sonia völlig aus der Bahn wirft. Synästhesie lautet die Diagnose – fehlgekoppelte Sinneseindrücke.

Sonia schmeckt plötzlich Farben, hört Geschmacksrichtungen und ist wie vor den Kopf gestoßen. Sie beschließt, eine berufliche Chance wahrzunehmen und in einem Hotel in den Schweizer Bergen als Physiotherapeutin einen Neuanfang zu wagen.

Doch die Idylle in dem mysteriösen Hotel und dem dazugehörigen Dorf währt nicht lange. Schon bald nimmt eine Kette von gefährlichen Vorgängen ihren Lauf, die mit dem geheimnisumwitterten Teufel von Mailand in Verbindung zu stehen scheint.

Es wabert die Gefahr

Stets wabert über dem ganzen Plot in Suters Buch die Gefahr wie der omnipräsente Nebel in den Schweizer Bergen. Das mysteriöse Hotel mit seinen Gästen und den nicht minder geheimnisvollen Dorfbewohnern, von denen letztere für mein Empfinden im Buch etwas zu viel Raum einnahmen, erinnert etwas an den Film „Shining“. Da geraten die Ereignisse im Hotel, so unscheinbar sie auch daherkommen mögen, unversehen zu einem echten Psychothriller für die Nerven.

Martin Suter - Der Teufel von Mailand (Cover)

Für seine elegante Prosa und Begriffe wie rauchfarbene Perlerinen kann man diesen Autor nur schätzen. Stets wohlformulierend kleidet Suter seine Erzählung in ein Gewand, das nicht zu leicht oder zu schwer daherkommt. Der Plot changiert gekonnt zwischen Alpenroman, Volkssage, Psychothriller und Dorfchronik.

Obwohl ich nach der Lektüre des Klappentextes noch dachte, dass Der Teufel von Mailand eine glatte Kopie des großartigen Suter-Romans Die dunkle Seite des Mondes sein könnte, bewies das Buch dann schnell seine Eigenständigkeit.

Natürlich sind Themen wie Identität und Sinnkrise immer wiederkehrende Motive in Suters Schaffen, doch Der Teufel von Mailand ist ein höchst lesenswertes und spannendes Buch. Zwar ist die Auflösung des Ganzen dann etwas unspektakulär, passt sich aber gut in das Gesamtkonzept des Romans ein und rundet den Roman ab.

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Will Wiles: Die nachhaltige Pflege von Holzböden

Pedanterie versus Chaos

Was Loriot in seinem unsterblichen Sketch „Das Bild hängt schief“ ein Wohnzimmer war, das ist für den namenlosen Erzähler in Will Wiles „Die nachhaltige Pflege von Holzböden“ gleich eine ganze Wohnung. Das Buch, das im Übrigen auch einen Preis für den skurrilsten Buchtitel verdient hätte, berichtet vom unabänderlichen Chaos, das mit dem Ich-Erzähler in der Wohnung seines Freundes Oskar Einzug hält.
Dieser möchte seine Scheidung in die Wege leiten und muss hierzu in die USA fliegen. Da das Wort „Pedant“ für ihn geschaffen wurde, beauftragt er seinen Freund, den Erzähler des Buches, in der Zeit seiner Abwesenheit die Wohnung zu hüten und diese in dem Zustand zu halten, in dem Oskar sie verlassen hat. Wie das Cover bereits sehr schön suggeriert, kann damit dann das Chaos erst beginnen. Sehr subtil bricht das sich das Chaos in der Anwesenheit des Erzähler Bahn.
Angefangen von einem kleinen Weinrand auf einem Tisch stellt sich ein infernalisches Crescendo der Verwüstung ein, an dessen Ende die Wohnung nicht mehr das sein wird, was sie einmal war.
Die Geschichte, die Will Wiles in seinem Debüt erzählt, ist dabei sehr vorhersehbar und weist die ein oder andere Länge auf. Den Humor, den der Klappentext vollmundig verspricht, muss man allerdings auch mit der Lupe suchen (und ich halte mir vor, alle möglichen Spielarten der Heiterkeit zu erkennen). Zwar ringt Wiles seinem Text die ein oder andere Pointe ab, doch gerade was Loriot im Eingangs erwähnten Sketch gelingt, schafft Wiles nicht. „Die nachhaltige Pflege von Holzböden“ ist stellenweise zäh und hätte trotz der nur knapp 300 Seiten einiges an Kürzungen vertragen. Die Idee, die hinter dem Roman steht, ist zwar sehr nett, allerdings trägt sie die Erzählung nicht und der Spannungsbogen reißt schon etwa in der Mitte des Buchs.
Ein Geschenk für jeden befreundeten Innenarchitekten, wer allerdings temporeichen Humor und eine flott erzählte Geschichte sucht, der wird in „Die nachhaltige Pflege von Holzböden“ nur teilweise fündig!          

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Mechtild Borrmann: Der Geiger

Verbrechen der Vergangenheit

Es ist eine der wohl düstersten Epochen der jüngeren Vergangenheit, in die Mechthild Borrmann die Leser ihres neuen Romans Der Geiger entführt. Im Mittelpunkt des Buches steht nämlich die unmenschliche Diktatur der Sowjetunion unter Stalin in den Jahren ab 1948.
Generell hat Mechthild Borrmann offensichtlich ein Faible für die düsteren Kapitel der Geschichtsschreibung, behandelte nicht zuletzt Wer das Schweigen bricht die Zeit der Naziherrschaft in Deutschland. Für diesen Roman heimste sie den Deutschen Krimipreis in der Kategorie National ein und durfte folglich nun ihr neues Buch auch als gebundenes Hardcover bei Droemer veröffentlichen.
Auf genau 300 Seiten erzählt Borrmann aus drei Perspektiven die Geschehnisse, die im Mai 1948 dazu führten, dass der begnadete und bejubelte Geiger Ilja Grenko seine kostbare Stradivari, seine Familie und seine Freiheit verlor. Sein Enkel Sascha wird im Köln des Jahres 2008 plötzlich mit den damaligen Geschehnissen konfrontiert, als er auf brisante Dokumente stößt, die das Verschwinden seines Großvaters erklären.
„Der Geiger“ verlangt dem Leser einiges an Aufmerksamkeit ab: 300 Seiten, 36 Kapitel, drei verschiedene Protagonisten und jede Menge russischer Namen und Ausdrücke. Dankenswerterweise ist am Ende des Buches ein Personenverzeichnis und ein Glossar der im Roman gebrauchten Begriffe angefügt, damit man sich schnell noch einmal einen Überblick verschaffen kann. Borrmann springt nämlich munter in den Zeiten und Perspektiven umher und ich hatte an manchen Stellen Mühe, die Beziehungen und Geschehnisse miteinander zu verknüpfen.
Dass die Autorin schreiben kann, steht außer Frage. Allerdings muss ich bemerken, dass mich der in der Gegenwart spielende Handlungsstrang von den drei Perspektiven am wenigsten überzeugen konnte.
Dagegen gelingt es der Krimipreisträgerin in den Episoden, die in der Sowjetunion spielen, hervorragend, den Leser mitleiden- und bangen zu lassen. Ähnlich wie in den Romanen von Tom Rob Smith zeigt sie plastisch die Terrorherrschaft des Stalinregimes auf, bei dem sich jeder Unschuldige von einem Tag auf den anderen in Gefangenschaft oder Verbannung wiederfinden konnte.
Mit kleinen Abstrichen eine wirklich fesselnde Lektüre und eine spannende Familiensaga, der es auf wenigen Seiten gelingt, wofür andere Autoren deutlich mehr Seiten benötigen: In ein fernes Land entführen, Atmosphäre und Spannung zu erzeugen und den Leser nachdenklich zu stimmen!

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F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby

Die Roaring Twenties

„Was wir nicht können ist irgendetwas wiederholen, kein Augenblick, kein Augenblick kann sich je wiederholen. Was wir nicht können, ist irgendetwas wiederholen – wir können nicht zurück – und warum sollten wir auch?“ (Bosse: Schönste Zeit)

Dies würde Jay Gatsby aus Der Große Gatsby naturgemäß etwas anders sehen. Doch warum das so ist und welches Geheimnis den schillernden Protagonisten aus dem wohl bekanntesten Roman F. Scott Fitzgerald umgibt, das erfährt der Leser erst später im Buch.
Das aus dem Jahr 1925 stammende Buch gilt bis heute als das beste und bekannteste Buch Fitzgeralds und entführt den Leser in die Roaring Twenties in Amerika.
Durch einen erzählerisch hervorragend gemachten Kniff betrachtet der Leser Jay Gatsby, sein Leben und sein Haus durch die Augen seines Nachbars Nick Carraway.
Dieser führt den Leser ins Leben auf Long Island ein und bringt den Leser in Kontakt mit dem Figurenensemble rund um den ebenso schillernden wie geheimnisvollen Jay Gatsby.
Man ist bei den rauschenden Festen im Hause Gatsby ebenso dabei wie man langsam hinter das Geheimnis der Strahlemannes kommt. Warum ist der reiche Hausbesitzer vom Gedanken besessen, Vergangenes zu wiederholen?
Das ist erzähltechnisch grandios gelöst, da die Erzählungen Carraways über Jay Gatsby immer den Anschein von Objektivität erwecken, doch im Grunde entlarven die Schilderungen den Nachbarn Gatsby in dem Maße, in dem man Neues über den Hausherren erfährt.
Ansonsten bietet das Buch in meinen Augen allerdings keine herausragende Komponente, die das Werk auch heute noch zur Pflichtlektüre machen würde. In sich stimmig ist der Roman leider auch bieder und bietet keinen richtigen Spannungsbogen, der den Leser durch die Zeilen ziehen würde.
Als selbst schon historisch gewordener Roman über die Roaring Twenties und die Lebenslust, die damals herrschte, ist das Buch wirklich gut zu lesen. Allerdings muss man auch erkennen, dass der Zahn der Zeit auch in nicht unerheblichem Maße an „Der große Gatsby“ genagt hat. Zu einer Neubeschäftigung mit dem Roman dürfte auch sicher die im Mai 2013 startende Neuverfilmung des Romans durch Baz Luhrman (Moulin Rouge, Australia) führen, allerdings würde ich diesen Roman mitnichten als heutige Pflichtlektüre deklarieren. Was die Filmausgabe, die im Diogenesverlag erschien, besonders macht, dürfte das profunde und interessante Nachwort von Paul Ingendaay sein, der noch einmal wichtige Punkte der Lektüre vertieft und über das Leben und Wirken Scott F. Fitzgeralds Auskunft gibt.

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