Monthly Archives: März 2017

Carlos Ruiz Zafón – Das Labyrinth der Lichter

Im Labyrinth des Dichters

Nun liegt mit Das Labyrinth der Lichter der vierte und abschließende Teil der Reihe um den Friedhof der vergessenen Bücher vor. Der Autor Carlos Ruiz Zafón kehrt hierzu wieder in das gotische Barcelona zurück, das Leser schon aus den drei vorherigen Teilen Der Schatten des Windes, Das Spiel des Engels und Der Gefangene des Himmels kennen. Der Roman fungiert als Schlussstein, führt die Figuren aus den Vorgängern noch einmal zusammen und ist mit 960 Seiten ein sehr ausladendes Finale geworden. Doch auch Neulinge dürften sich gleich im Universum von Ruiz Zafón zurechtfinden.

Carlos Ruiz Zafon - Das Labyrinth der Lichter (Cover)

Erzählt wird die Geschichte von Alicia Gris, die ein Spezialauftrag zurück nach Barcelona führt: der Bildungsminister Mauricio Valls ist verschwunden. Dieser ist ein wichtiges Zugpferd der Franco-Diktatur 1957 und soll nun von Alicia wiedergefunden werden. Zusammen mit einem Kollegen geht sie den dünnen Spuren nach, um das Verschwinden regimetreuen Funktionärs zu beleuchten. Feinde, die hinter dem Verschwinden stehen könnten, gäbe es zur Genüge. Der Minister hat in seiner Regierungszeit die Hälfte der spanischen Schriftstellerzunft verfolgen und verhaften lassen. Hat einer dieser Schriftsteller eine mit Valls Rechung offen?

Die Spuren des Verschwundenen führen Alicia von Madrid wieder zurück nach Barcelona – eine Stadt, der sie für immer entkommen zu sein glaubte. Doch Ereignisse aus Alicias Kindheit lassen sie auch bei ihrem aktuellen Auftrag nicht los und so wird die Suche schließlich immer mehr zu Alicias Obsession und führt sie zurück an die Stätte, an der alles seinen Anfang nahm – den Friedhof der vergessenen Bücher.

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By, Bye, Leipziger Buchmesse

So, das war es dieses Jahr für mich. Die letzte (Buch)Messe ist gelesen und ich befinde mich wieder auf der Rückreise in die südlicheren Gefilde. Zwei anstrengende aber auch bereichernde Tage liegen hinter mir. Nach der Anreise am Freitag ging es dann gleich gut los mit einem Bloggertreffen bei Diogenes. Der gemietete Raum platzte aus allen Nähten – aber neben vielen netten Bloggern beehrte auch Bestsellerautor Martin Suter das Treffen mit einer kurzen Stippvisite. Nach der Vorschau auf neu geplante Projekte und dem Kennenlernen besuchte dann auch der Filmemacher und jetzt Diogenes-Autor Chris Kraus die Runde (die Filme Vier Minuten und Poll stammen von ihm. Näheres zu seinem 1000-Seiter Das kalte Blut auch bald hier auf dem Blog).

Schön war es, einmal die Menschen hinter den Blogs kennenzulernen und dazu noch die Bekanntschaft mit anderen Bloggern zu machen, die man so nach gar nicht auf dem Radar hatte. So konnte ich endlich mal Gérard vom famosen Sounds&Books und Tina Herrlich von SuperLeseHelden kennenlernen. Meine Augsburger Bloggerkollegin Birgit Böllinger von Sätze&Schätze hatte genauso nach Leipzig gefunden wie Jochen, mit dem ich kurz schnackte. Überhaupt – viele neue BloggerInnen gerieten in meinen Fokus (Feiner Buchstoff, Bingereading & More und viele mehr). Immer schön zu sehen, wie vielfältig die Blogosphäre ist und sich immer weiter ausdifferenziert. Diese Veränderungen in der Szene sind mehr als spannend …

Die meisten Blogger traf man dann auch bei weiteren Veranstaltungen, so gab es ebenfalls am Freitag dann noch ein Bloggertreffen bei Kiepenheuer&Witsch, bei dem Susann Pásztor ihren neuen Roman Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster vorstellte. Ein Buch, das nicht unbedingt in mein Beuteschema gefallen wäre, hätte es Pásztor nicht sehr charmant präsentiert und neugierig gemacht.

Weiter ging es dann bei Rowohlt mit einem kleinen Bloggertreffen, ehe ich mich dann auf den Weg ins etwas abseits gelegene Hotel begab. Von dort machte ich abends Leipzig noch unsicher, ehe ich dann geschafft wieder ins Hotel zurückkehrte, um für den Samstag fit zu sein.

Jonas Lüscher am FAZ-Stand

Und der Tag hatte es dann abermals in sich. In der Früh durfte ich gleich dem Gespräch von Sandra Kegel mit Jonas Lüscher lauschen, der für mich mit Kraft den bislang besten Roman dieses Bücherfrühlings geschrieben hat. Im Gespräch zeigte er sich gutgelaunt und gab Einblick in den Entstehungsprozess seiner Bücher, die zum Originellsten und Eindrücklichsten gehören, was ich in letzter Zeit gelesen habe. Natürlich ließ ich mir seine Bücher gleich einmal signieren.

Weiter ging es dann mit einem Rundgang durch die Halle, einem Besuch am Lovelybooks-Stand, einem Gespräch von Christoph Bungartz mit der Historikerin Andrea Wulf, die über Alexander von Humboldt eine Biographie verfasst hat, einem Besuch der Buchvorstellungen in der wuseligen Glashalle, und so weiter, und so fort.

Insgesamt waren es wieder zwei Tage mit viel Inspiration, schönen Gesprächen und fast wundgelaufenen Füßen. Für alle Daheimgebliebenen habe ich mir hier noch erlaubt, eine kleine Galerie mit Schnappschüssen einzufügen.

 

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Oliver Harris – London Stalker

Belsey Nr. 3 ist da. Die haarsträubenden Abenteuer, die der Londoner Cop in seinen beiden ersten Ermittlungen erlebt hat, haben ihn nicht geläutert- im Gegenteil. Er bewohnt ein verlassenes Polizeirevier in Hampstead, da er sich dort vor seinen Kollegen versteckt. Diese suchen ihn und wollen ihn vorladen, um disziplinarische Maßnahmen gegen den Cop einzuleiten. Er hat sich einfach zu viel zuschulden kommen lassen bei seinen letzten Fällen.

Doch diese Liste wird nun noch einmal länger, da er in einen Fall gezogen wird, der schnell unüberschaubar wird. Eine alte Dame konsultiert Belsey in seinem verlassenen Polizeirevier. Ihr Enkel ist nämlich verschwunden – und Belsey soll ihn finden. Dieser stößt im Zimmer des jungen Mannes auf zahllose Devotionalien aus dem Haus des Starlets Amber Knight. Hat der Verschwundene eine Obsession für den Star entwickelt und ist zum Stalker geworden? Oder führen die Spuren eventuell in eine ganz andere Richtung?

Belsey macht sich auf die Suche und gerät dabei in den Dunstkreis von Amber Knight. Doch seine Spurensuche bleibt nicht folgenlos. Bald kommt es zu einem Mord an einer Bekannten von Amber. Steckt der verschwundene Stalker hinter der Sache? Oder geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes? Continue reading

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Kurz und Gut

Bücher, bei denen keine Zeit für lange Rezensionen war, die aber dennoch gewürdigt werden sollen – diese fallen in die Kurz&Knackig-Kategorie und werden in loser Reihenfolge immer mal wieder präsentiert. So auch nun mit drei weiteren kleinen Funden:

John Boyne – Das Lied der Einsamkeit

John Boynes Buch war wieder einer meiner Remittenden-Glücksgriffe. Einfach auf dem Tisch inmitten der Büchervielfalt entdeckt, mitgenommen und dann genossen. Eine tolle Entdeckung und ein sehr intensiver Roman über die Lebensgeschichte eines irischen Priesters. Boyne springt durch das Leben des klerikalen Ich-Erzählers und berichtet von dessen aufwachsen in einem erzkatholisch-geprägten Irland bis in die Gegenwart, in der die katholische Kirche von Missbrauchsfällen erschüttert wird. Dabei überzeugen sowohl die Konstruktion, die immer wieder neues aus dem Leben erzählt, als auch die innere Logik des Romans. Ein Roman, der nachdenklich stimmt und der auch brisanten Themen nicht aus dem Weg geht. Hier finden Unterhaltung und Anspruch gut zusammen.

 

Anna Kim – Die große Heimkehr

Anna Kim erzählt in ihrem Roman die Geschichte der Teilung Koreas und tut dies mithilfe dreier Freunde, deren Schicksal eng mit dem der beiden koreanischen Staaten verwoben ist. Yunho, sein Freund Johnny und Eve sind drei Teenager, die sich von Südkorea aus gen Japan absetzen, nachdem die Verhältnisse in Seoul chaotisch geworden sind. Während im Süden der autokratische Präsident Rhee die Wahl gewonnen hat, gründet im Norden Kim-Il-Sung den Bruderstaat Nordkorea. Inmitten der Wirren müssen die drei jungen Menschen bestehen und sehen sich mit Verrat, Tod und der Frage nach der eigenen Identität konfrontiert.

Die große Heimkehr ist ein vielschichtiges Buch, das einen aufmerksamen Leser verlangt. Die vielen Handlungsorte und fremden Namen sowie Sprünge in der Handlung muss man erst einmal einordnen, ehe man sich ganz auf Kims Geschichte einlassen kann. Immer wieder durchzieht sie ihre Erzählung mit sachbuchähnlichen Exkursen – man wird gefordert, lernt aber auch viel über die Geschichte Koreas und damit auch Asiens. Der ausgesucht gestaltete Roman der in Wien lebenden Autorin erschien im Suhrkamp-Verlag.

 

James Rayburn – Sie werden dich finden

Literarische Eleganz kann man wohl nicht von einem Buch erwarten, dessen Klappentext verkündet „Früher tötete sie für ihr Land. Heute tötet sie für ihre Tochter“. Wenn man dann noch liest, dass James Rayburn das Pseudonym vom Roger Smith ist, sollte jedem Thrillerfan klar sein, wie der Hase läuft. Denn Smiths Bücher müssten eigentlich ein FSK18-Logo auf ihren Umschlägen pappen haben, so düster und brutal sind seine geschilderten Welten. Im vorliegenden Fall spielt das Buch ausnahmsweise einmal nicht in Südafrika, sondern hauptsächlich in Thailand. Dorthin flieht Kate Swift zusammen mit ihrer Tochter und versucht so ihren Häschern zu entkommen. Denn diese haben die Jagd auf sie eröffnet, seitdem sie eine im Dunstkreis von CIA und Regierung operierende Geheimeinheit verraten hat. Roger Smith hat keine Angst vor Klischees, Charakteren vom Reißbrett und Brutalität. All das stellt er in Sie werden dich finden eindrucksvoll unter Beweis. Für alle, die es etwas brutaler mögen.

 

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Takis Würger – Der Club

Eines der bemerkenswertesten Debüts dieses Frühjahrs kommt vom 1985 geborenen Takis Würger. Dieser berichtet für den Spiegel aus verschiedensten Ländern und hat nun mit Der Club sein erstes eigenes Buch geschrieben. Die Feuilletons und Kritiker sind voll des Lobes, der Hype sorgte sogar schon dafür, dass das Buch kurzfristig nicht lieferbar war und nun innerhalb eines Monats bereits in seine zweiten Auflage geht.

Lobende Stimmen von Elke Heidenreich über Benjamin von Stuckrad-Barre bis hin zu Thomas Glavinic prangen auf der Banderole, die den Klappentext dieses wunderbar gestalteten Buches bildet. Auf den knapp 240 Seiten seines Romans erzählt Würger die Geschichte von Hans Stichler, der als Waise aufwächst und nur im Boxsport einen Ausweg findet. Seine Halbtante holt ihn zu sich nach Cambridge, wo sie ihn mit einer besonderen Mission betraut. Er soll Mitglied im elitären Pitt-Club werden, um dort für sie ein Verbrechen aufzuklären. Über die genauen Hintergründe und den Zweck seiner Mission schweigt sie sich allerdings aus. Und so wird Hans zu einer Art Undercover-Agent mit der Lizenz zum Boxen, der in die feinen Kreise von Cambridge vorstoßen soll.

Verschiedene Ich-Erzähler – ähnlicher Duktus

Um seine Geschichte zu erzählen, wählt Takis Würger eine nicht alltägliche Konstruktion. Er erzählt aus der Sicht von verschiedenen Charakteren, allerdings immer in der Ich-Perspektive. So sieht man immer wieder aus anderen Augen das Geschehen, jeder Ich-Erzähler bringt neue Aspekte in die Handlung ein. Dabei verpasst es Würger leider, den Charakteren eine unverkennbare und originäre Sprache mit auf den Weg zu geben. Alle Protagonisten klingen ähnlich, wenngleich natürlich kleine Nuancen im Sound erkennbar sind. So braucht es tatsächlich die Titelüberschriften mit den jeweiligen Namensnennungen, ansonsten könnte man die Charaktere aufgrund ihrer Sprache nicht immer unterscheiden.

Neben der relativ gleichklingenden (wenngleich auch sehr poetischen und prägnanten) Sprache ist ein weiterer Kritikpunkt die Tatsache, dass Takis Würger in Der Club zahlreiche Klischees und Plattitüden bemüht, um seine Handlung zu erzählen. Dass in der testosterongeschwängerten Atmosphäre des Pitt-Clubs die männlichen Studenten allesamt überheblich, frauenverachtend und wohlstandsverwahrlost sind – geschenkt. Aber dass dann der zielstrebigste und gerissenste aller Studenten der Chinese ist, der sich noch dazu als Fanboy von General von Clausewitz geriert, das störte zumindest mich dann schon. Und weil sein chinesischer Name zu kompliziert ist, wird der Chinese einfach Peter Wong genannt. Wenn das keine Klischees sind, dann weiß ich auch nicht.

Nicht frei von Klischees und Allgemeinplätzen

Dass hinter den Kulissen von Elite-Studentenclubs nicht alles immer mit rechten Dingen zugeht, hat ja bereits Donna Tartt in Die Geheime Geschichte 1992 eindrucksvoll gezeigt. Andere wie Chuck Palahniuk (Fight Club) haben sich ebenfalls den Riten und selbstzerstörerischen Auswüchsen von hermetisch abgeschlossenen Logen auch schon ausführlich gewidmet. Und natürlich darf das Takis Würger ebenfalls tun – nur konnte mich das nun nicht mehr groß überraschen oder verblüffen. Dass zwischen Sein und Schein studentischer Clubs und Verbindungen Abgründe klaffen und die Aufnahmerituale ekelerregend sind, das ist ja schon beinahe ein Allgemeinplatz (wie nicht auch zuletzt die Sun-Enthüllungen um den ehemaligen britischen Premier und dessen #piggate zeigen). Hier überrascht wenig, unterhalten wird man dennoch.

Auch wenn ich nun mit meinen Worten Wasser in den Wein gieße: Der Club ist kein wirklich schlechtes Buch. Es ist nicht sonderlich originell, ergeht sich in vielen Klischees, verfügt eben aber auch über viel Poesie und schöne Formulierungen. Gerade das Heranwachsen von Hans ist zart geschildert und auch die Boxszenen haben einen großen Reiz. Und nicht zuletzt ist einem kleinen Verlag wie Kein & Aber ja auch der Erfolg mehr als zu gönnen. Vielleicht löst Takis Würger mit seinem zweiten Roman dann die Versprechen ein, die er nun mit seinem ersten Buch noch nicht erfüllte?

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