Zusammenkunft unter dem Kirschbaum. In ihrem neuen Roman erzählt erzählt Ann Patchett von einer Farmerfamilie in Nord-Michigan, einem berühmten Filmstar und den Erinnerungen an eine Sommerromanze. Der Sommer zu Hause feiert das Freilufttheater, die Liebe, familiären Zusammenhalt und gerät dabei manchmal fast ein wenig zu nahe ans Klischee.
Sommer, das ist Theater unter freiem Himmel. Immer wieder zieht es größere und kleiner Bühnen nach draußen, versammeln sich Schaupieler*innen und Zuschauende unter freiem Himmel, um auf Freiluftbühnen Musicals, Oper oder Dramenklassiker von Molière bis Shakespeare zu bestaunen.
Auch Ann Patchetts Roman feiert diese Form des Theaters. Der Sommer zu Hause ist eine große Hommage an die Kunst, aber auch die Arbeit, die Schauspiel (nicht nur im Sommer) bedeuten kann.
Auslösendes Moment ist in Patchetts Roman wieder einmal Corona. So spielt Der zu Sommer zu Hause im Jahr 2020. Die Covid-Pandemie hatte mit ihren verheerenden Auswirkungen die Welt im Winter fast in den Stillstand gezwungen und für viele Menschen Isolation bedeutet. Um dieser zu entfliehen, kehren die drei Töchter von Joe und Lara auf die familieneigene Kirschfarm in Nord-Michigan heim. Während die jungen Frauen ihre Eltern bei der Vorbereitung der Kirschernte unterstützen, begeben sie sich zusammen mit ihrer Mutter in die Welt der Erinnerungen.
Erzählungen im Kirschgarten
Denn als Lara Anfang zwanzig war, also ziemlich genau in dem Alter, in dem sich ihre drei Töchter nun befinden, war sie kurzzeitig mit Peter Duke liiert. Diesem begegnete sie bei einem Engagement für das Freilufttheater von Tom Lake, wo sich die beiden jungen Menschen ineinander verliebten. Doch während Peter Dukes Karriere nach diesem Sommer rasant an Fahrt aufnahm und ihn zu einem gefeierten Star machte, war die Liebe zwischen ihrer Mutter und dem Schauspieler kein solch großer Erfolg beschieden.
Während die Familie die Ernte der Süßkirschen vorbereiten, taucht Lara zusammen mit ihren Töchtern tief in die Erinnerung an jenen Sommer ein. Die Proben für die Aufführung von Thornton Wilders Unsere kleine Stadt, die sich entspinnende Romanze zwischen Lara als Darstellerin der Emily und Peter Duke als George, die Magie des Theaterspiels, aber auch die Gefahren des Alkoholismus, von der nicht alle Mitglieder des Schauspiel-Ensembles gefeit waren, das alles betrachtet Lara mit ihren drei Töchter in der Rückschau.
Ihre Anfänge als Schauspielerin und das daraus folgende Engagement im kleinen Dorf Tom Lake, das um die Theateraufführungen im Sommer herum gebaut ist, sie erstehe in den Erinnerungen noch einmal auf. Sommertage voller Theaterproben für Thornton Wilders Theaterklassiker Unsere kleine Stadt, Schwimmen im See und Amouren sind es, die in den Erzählstunden im heimischen Kirschgarten noch einmal ans Tageslicht treten.
Erinnerungen ans Sommertheater und eine Romanze
Während das Eintauchen in die Welt des Sommertheaters dabei durchaus nuanciert ist, stellt sich diese Welt in Bezug auf die familiäre Rahmenhandlung nicht ganz so detailscharf dar. So gleichen die drei Schwestern im ihrem fast noch kindlichen Gieren nach der sommerlichen Romanze mit dem Star schon einer fast am Klischee entlangschrammenden amerikanischen Familienidylle in zarten Pastelltönen.
Die drei Schwestern, die hingebungsvoll der Scheherazade ihrer Mutter lauschen, die Romanze einer Tochter mit dem benachbarten Farmerjungen: es sind solche Momente, in denen Ann Patchetts Roman eher in Unsere kleine Farm denn Unsere kleine Stadt kippt.
Alles gleicht einer in Pastell getauchten Welt, die in einigen Passagen so zuckrig ist, wie es die Süßkirschen von der Lovell’schen Farm sind. Trotz des unbestrittenen Talents von Ann Patchett für Figuren würde das Figurenensemble zumindest in meinen Augen noch etwas mehr Tiefe und Schärfe verdienen. Peter Duke als späterer Star bleibt eher eine Behauptung, denn eine wirklich greifbare Figur. Der Fokus von Patchetts Erzählen liegt auf den Schilderung der sommerlichen Farm, dem familiären Verbund und den Geschehnissen einst in Tom Lake.
Als Sommerlektüre eignet sich dieser Roman vorzüglich. Allzusehr in die Tiefe dringt Ann Patchett hier nicht vor und der perfekte Sommerroman, wie ihn The Atlantic auf der Rückseite des Buchs verheißt, ist Der Sommer zu Hause in meinen Augen nicht ganz. Dazu fehlen trotz des süßen nostalgischen Wehmuts und der kleinen Brüche die unvergesslichen und plastischen Figuren.
Fazit
Als Hommage ans Theater, an die Erinnerungen, den Sommer der eigenen Jugend funktioniert Der Sommer zu Hause allerdings vorzüglich. Auch wenn die im Roman zitierten Stücke, etwa Sam Shepards Fool of love oder Thornton Wilders Unsere kleine Stadt hierzulande eher selten auf den Spielplänen stehen, gelingt es Ann Patchett doch wunderbar, von der Herausforderung der Stücke und generell der Kunst des Schauspiels zu erzählen. Hätte dieser facettenreiche Zugriff auf die Erinnerungen auch die Rahmenhandlung des Romans etwas mehr bestimmt, dann wäre Ann Patchetts Roman dem perfekten Sommerroman noch etwas nähergekommen. So oder so ist diese Erzählung aus dem (Tschechow’schen) Kirschgarten aber ein gelungenese Buch, den man literarische ebenso gut schnabulieren kann wie die Sommerkirschen aus dem Garten.
Mehr Meinungen zu Ann Patchetts Roman gibt es Schreiblust, Leselust, und beim WDR Auch zu einem gelungenen Schaufenster führte der Roman, das ich im vergangenen Urlaub in England bestaunen durfte.
- Ann Patchett – Der Sommer zu Hause
- Aus dem Englischen von Ulrike Thiesmeyer
- ISBN 978-3-8270-1503-7 (Berlin-Verlag)
- 400 Seiten. 26,00 €