Category Archives: Kriminalroman

Angelika Felenda – Der eiserne Sommer

Münchner Morde

sperMünchen, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Das Pulverfass in Serbien brodelt – und auch in München dreht sich der Mahlstrom der Zeit unerbittlich. Unruhige Zeiten, in die eigentlich ein Mord gar nicht passen will. Dennoch geschieht genau das – ein zwielichtiger Münchner wird ermordet an der Isar aufgefunden. Die Hintergründe der Tat sind äußert nebulös und so darf sich der junge Münchner Kommisär Sebastian Reithmeyer um die Angelegenheit kümmern. Darüber hinaus ist er noch in Ermittlungen gegen einen Hochstapler eingespannt und wird dauernd von seinen Vorgesetzten mit neuen Aufgaben betraut.

Bei seinen Ermittlungen im aufgeheizten München stößt er schon bald mit dem omnipräsenten Militär zusammen. Es hat nämlich den Anschein, als seien hochrangige Militärs in den Tod des Mannes an der Isar verwickelt. Doch bei seinen Ermittlungen sind Reitmeyer die Hände gebunden, darf er doch nicht gegen das Militär als Kommisär ermitteln.
Aus dieser Zwickmühle zieht der Krimi „Der eiserne Sommer“ von Angelika Felenda auch seinen besonderen Reiz. Gekonnt schafft es die Autorin, die unterschiedlichen Milieus und Stimmungen im Vorkriegs-München einzufangen. Man bekommt ein Gefühl für die damaligen Zustände und fühlt sich während der Lektüre glatt um einhundert Jahre zurückversetzt.

Der Fall, den Felenda immer weiter aufblättert, hat es wirklich in sich. Kommisär Reithmeyer muss sich mit allen Schichten der Landeshautptstadt auseinandersetzen und bekommt andauernd Knüppel zwischen die Beine geworfen. Dies erfordert vom Leser doch an der ein oder anderen Stelle etwas Übersicht und die Fähigkeit zum Merken des Plots, dafür wird man aber mit einer tollen Geschichte belohnt. Wenn die Charaktere mit dem Fortschreiten der Serie noch etwas Tiefgang und Profil gewinnen, kann hier eine großartige historische Krimi-Serie entstehen.

Wer an den Krimis von Robert Hültner oder Volker Kutscher seine Freude hatte, der dürfte auch hier fündig werden!

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David Gordon – Mystery Girl

Pulpiger geht’s nicht

Der Roman Mystery Girl von David Gordon gehört sich eigentlich auf Pulp-Papier gedruckt und stilecht für einen Pfennig-Betrag verramscht – und das will ich keineswegs negativ verstanden wissen. Vielmehr würde dies dem Charakter des Romans gerecht, der ein Pulp-Krimi reinsten Wassers ist.

Gordon erzählt in seinem Roman vom glücklosen Tagedieb Sam Kornberg, der sich von seiner Frau schon vollkommen entfremdet hat. Beruflich läuft es auch keinesfalls rund und so bietet ihm der Job beim Privatdetektiv Solar Lonsky den einzigen Ausweg. Dieser ist unglaublich adipös, weswegen Sam ihm Augen und Ohren sein soll und das titelgebende Mystery Girl für ihn beschatten soll. Doch dieser Auftrag verläuft für den Detektiv-Novizen alles andere als glücklich und so vermasselt er die Beschattung gründlich.

Nach Sams Missgeschick wird es nun aber richtig durchgedreht und schon bald stellt sich Sam (und auch dem Leser) die Frage, was er nun glauben kann und was seiner Fantasie entsprungen ist.

Mit Mystery Girl legt David Gordon eine durchgeknallte Mixtur aus Detektivroman, Filmgeschichte, Porno und Groschenheft vor. Es finden sich genau Reminiszenzen an Rex Stout sowie Anklänge an die gesamte Literaturgeschichte. David Gordon schreckt auch vor seitenlange derben Exzessen und Ausflügen ins Pornomilieu nicht zurück. Dies ist manchmal hart an der Grenze des guten Geschmacks, manchmal auch sehr darüber. Eben genauso wie ein Pulp-Roman manchmal ist. Insofern gelingt Gordon diese Hommage an den Groschenheft-Krimi wirklich sehr gut.

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Adrian McKinty – Die Sirenen von Belfast

Zurück in der Hölle

Zurück in die Hölle auf Erden schickt Adrian McKinty seinen katholischen Bullen Sean Duffy im zweiten Teil seiner Romanreihe um den irischen Inspector. Irland im Jahr 1982, das sind IRA-Terror, Bomben unter Autos und nicht endend wollende Gewalt.
Nachdem Sean Duffy im Fall Der katholische Bulle seine Einführung erhalten hat – und zumindest mir nachdrücklich in Erinnerung geblieben ist – legt der irische Autor Adrian McKinty nun nach und stößt Duffy wieder in die brodelnde Melange aus Gewalt, Fanatismus und Terror.Inmitten dieser Chose stößt Duffy nun zusammen mit seinem Partner auf den Torso eines Amerikaners, der in einem Koffer entsorgt wurde. Der irische Schnüffler klemmt sich hinter die Fährte um dem Geheimnis des Toten auf die Spur zu kommen und ahnt dabei nicht, dass er sich damit mächtige Gegner schafft.
Diesmal weisen die Spuren, die Duffy verfolgt, nämlich über die irischen Landesgrenzen hinaus und führen bis in die Machtzirkel in den Vereinigten Staaten.

Der zweite Einsatz für Sean Duffy

Auch der zweite Teil dieser Romanreihe ist Adrian McKinty wieder vorzüglich gelungen. Nach der Trilogie um den irischen Gangster Michael Forsythe (Der sichere Tod, Der schnelle Tod und Todestag) entsteht hier die nächste großartige Reihe, die mit der Voranschreiten der Titel immer mehr an Profil gewinnt. Mit einer prägnanten und großartigen Schreibe ausgestattet schafft es Adrian McKinty dem Police-Procedural-Roman neue Facetten abzugewinnen. Er strukturiert seinen Roman mit Tempo, um dann wieder abzubremsen, er beschleunigt um Sean plötzlich wieder in eine Sackgasse zu manövrieren. Der Leser bleibt gespannt an den Ermittlungen dran. Symptomatisch seien hier zwei Kapitelüberschriften angeführt: Kapitel 10 Fortschritte, Kapitel 11 Keine Fortschritte. Hier schimmert der grimmige Humor des irischen Autoren durch, dessen markante Schreibe in der momentanen Krimilandschaft singulär ist. An dieser Stelle sei auch die gelungene Übersetzung durch Peter Torberg hervorgehoben, die viel der einzigartigen Wortspiele doch noch ins Deutsche hinüberrettet.

Bitte mehr von diesem Ermittler!

Sean Duffy ist ein Protagonist, dem man noch zahlreiche weitere Einsätze im Höllental Belfast in den 80ern wünscht (was der Epilog gottseidank schon andeutet). Beste Krimilektüre für den Sommer! Mehr Infos über das Buch findet ihr hier. Ein kleines Update hier noch am Rande: Inzwischen ist tatsächlich auch schon der dritte Teil der Sean-Duffy-Reihe erschienen, der auf den Namen Die verlorenen Schwestern hört. Meine Besprechung des neuen Romans um den katholischen Bullen findet sich an dieser Stelle. Auch für diesen Teil gibt es gleich eine Leseempfehlung, wenn man sich für gutgeschriebene Lektüre abseits von skandinavischem Dauergrau interessiert!

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Johan Theorin – Inselgrab

Sommer auf Öland

Mit Inselgrab bringt Johan Theorin sein Jahreszeitenquartett zum Abschluss. Nach Herbst (Öland), Winter (Nebelsturm) und Frühling (Blutstein) endet die Tetralogie nun im schwedischen Hochsommer.
Die Touristen aus Stockholm überschwemmen im Jahr 1999 die Insel, als einige Ereignisse kulminieren, in deren Mittelpunkt die Magnaten-Familie Kloss zu stehen scheint. Ein Geisterschiff taucht im Sund vor der Insel auf, ein alter Bekannter der Familie scheint zurückzukehren und im Feriendorf der Klossens manipuliert jemand gezielt die Touristik-Anlage.
Und offenbar hängen diese ganzen Ereignisse mit früheren Geschehnissen zusammen, als der junge Gerlof Davidsson bei einem Begräbnis Klopfgeräusche aus einem Grab vernahm und als ein junger Schwede mit seinem Vater in die Neue Welt aufbrach.

Zahlreiche Handlungsstränge

Zahlreiche Fäden verspinnt Johan Theorin am Anfang seines Romans, die erst zum Ende des Buches hin in ihrer Gesamtheit Sinn ergeben. Das mag den ein oder anderen Leser am Anfang stören, im Laufe des Buchs wird man aber für die Konzentration belohnt.

Ein alter Bekannter ermittelt

Inselgrab ist ein typisches Öland-Buch Theorins. Ereignisse aus der Vergangenheit wirken bis in die Gegenwart nach und alles hängt miteinander zusammen. Wie aus den Vorgängerbänden gewohnt ermittelt der jetzige Rentner und ehemalige Seemann Gerlof Davidsson. Mit Bedacht und einem beachtlichen Erinnerungsvermögen dröselt er die einzelnen Ereignisse auf und versucht Licht ins Dunkel zu bringen.
Theorin gelingt es ausgezeichnet, Spannung und Suspense zu vermitteln. Er schafft es unnachahmlich Grusel zu erzeugen und den Leser trotz aller Bedächtigkeit bei der Stange zu halten. Man meint förmlich selbst im schwedischen Hochsommer über die Insel zu wandern und sieht die Ereignisse im eigenen Kopfkino vor sich.

Der gelungene Abschluss einer außergewöhnlichen Reihe und einer der besten Schwedenkrimis des Jahres 2014 – da lege ich mich bereits fest!

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Tom Hillenbrand – Drohnenland

Unerkannt im Drohnenland

Der Minority Report ist in Europa fast vollständig wahrgeworden. Dank Drohnen, Vollzeit-Überwachung und CCTV gibt es eigentlich keine Verbrechen mehr, die man nicht aufklären könnte. Dass dies doch der Fall ist, muss der Kommissar Aart van der Westerhuizen schnell erkennen: Ein Parlamentarier wurde im Brüsseler Niemandsland erschossen, doch die Aufklärung ist trotz umfassender Speicherung aller Daten kaum möglich. Es scheint, als hätte eine mächtige Gruppe Interesse an der Nicht-Aufklärung des Falles – doch Aart van der Westerhuizen lässt nicht locker. Schnell stößt er auf die Spuren eines Komplotts, das die Vereinigten Staaten von Europa bedroht …

Drohnenland liest sich, als hätten Philip K. Dick und Edward Snowden zusammen getan, um die Menschheit aufzurütteln. In einer Zeit, in der Amazon Liefer-Drohnen testet, sämtliche digitale Ströme ausgewertet werden und immer mehr Dienstleistungen an Computer outgesourct werden erscheint der Roman Tom Hillenbrands weniger wie Science Fiction als eine Vorausschau von ein paar Jahren.

Bemerkenswert an diesem Roman ist auch die Tatsache, dass Hillenbrand dieses Buch noch vor den Snowden’schen Enthüllungen begann. Durch letztere bekommt das Buch einen ganz neuen Beiklang und sollte uns über Vorratsdatenspeicherung und Co noch einmal neu nachdenken lassen.
Ein toller Verschwörungsthriller mit einem originellen Plot, bei dem es mir lieber wäre, wenn sich die Voraussagen dieses Buchs nicht so krass bewahrheiten. Privatsphäre hat auch Vorteile, wie Drohnenland eindringlich beweist!

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