Category Archives: Verschiedenes

Jochen Distelmeyer in der Kantine

Songs from the Bottom, Vol. 1

 

Hey Folks, der old Nobody Jochen Distelmeyer (Blumfeld) gibt sich in meiner Stadt Augsburg die Ehre. Zur Info für alle Nachgeborenen: Der Chefmelancholiker vom Dienst war mal mit Blumfeld die Spitze der Hamburger Schule und schenkte der deutschen Indieszene großartige Hits wie etwa Tausend Tränen tief vom Album L’etat et moi. Nun hat sich Distelmeyer daran gemacht, zeitgenössische und durchaus schon abgenudelte Songs in seinem Album Songs from the bottom, Vol 1 zu covern und damit den Liedern neues Leben zu geben. Ein durchaus gelungenes Album, auch wenn die Musikauswahl erst einmal stutzen lässt. Al Green neben Avicii, Britney Spears neben Radiohead? Was komisch klingt, funktioniert auf dem Tonträger hervorragend, zusammengehalten durch Distelmeyers prägnant-sehnsuchtsvolle Stimme und die doch recht schmalen und minimalistischen Orchestrierungen.

U1_978-3-498-01203-8.inddGrundlage für dieses Album war Distelmeyers Lesereise zu seinem Roman Otis (leider von mir noch nicht gelesen), der von einem Mann und seinem irrlichternden Taum durch Berlin berichtet. Bei den Lesungen zum Roman packte Distelmeyer des Öfteren die Gitarre aus, um Songs zu covern, die ihn begleitet haben und die bei ihm geblieben sind. Und nun ist daraus das erste Album entstanden, dem noch weitere folgen dürften, wenn man der Titel nicht trügt.

 

KantineUnd nun zum großen Highlight. Jochen Distelmeyer kommt in die Kantine Augsburg zum Konzert und zum Erzählen, und im Gepäck hat er die Gitarre und Lust auf einen tollen Abend. Und das noch größere Highlight kommt jetzt – ihr könnt hier bei mir zwei Gästelistenplätze gewinnen für diesen Abend. Wie funktioniert das? Einfach einen Kommentar hier hinterlassen oder mir direkt über das Kontaktformular schreiben, warum ihr gerne Kollege Distelmeyer lauschen würdet. Und schon seid ihr im Topf und könntet am Eingang der Kantine ohne zu bezahlen passieren. Wäre das was? Dann schnell die Feder gespitzt und losgeschrieben. Viel Erfolg!

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Lesungsbericht Thees Uhlmann in der Kantine

FOTO VON INGO PERTRAMER (C) PERTRAMER.AT

FOTO VON INGO PERTRAMER (C) PERTRAMER.AT

„Mein Name ist Thees Uhlmann und ich habe ein Buch geschrieben“ – mit diesen Worten, mit denen Thees Uhlmann seine Lesung in der Kantine am Freitagabend beschloss, hätte er eigentlich auch beginnen können. Das Buch, das der ehemalige Tomte-Frontmann geschrieben hat hört auf den Namen Sophia, Der Tod und Ich und erzählt von ebenjenen drei Charakteren, die miteinander einen Roadtrip unternehmen.

Sophia, der Tod und Ich

Sophia, der Tod und Ich

Nachdem der Tod den Ich-Erzähler in seiner Wohnung eigentlich abholen will und ihm verkündet, er habe noch drei Minuten zu leben, klingelt überraschenderweise Sophia, die Ex-Freundin des Ich-Erzählers an der Tür und bringt damit nicht nur den Tod aus dem Konzept. In bester Brandner-Kaspar-Manier gelingt es dem Erzähler, den Tod zu überreden, noch eine Reise zu seiner Mutter zu unternehmen. Dieses Unternehmen wächst sich dann aber schnell zu einem ebenso chaotisch wie absurden Unternehmen aus. Dialoggetrieben entspinnt sich eine Handlung, die immer wieder von Reflektionen und Debatten durchbrochen wird. Schließlich ist für den Tod die Welt der Lebenden natürlich auch so neu wie die Vorstellung des Erzähler, dass es einen personalisierten Tod geben könnte, der sich als witzig, sarkastisch und schlagfertig erweist.

Der geborene Unterhalter

DSC02638Thees Uhlmann erwies sich als lustvoller Erzähler und Unterhalter. Ungewöhnlich lange (19:30 bis 22:15 Uhr) bestritt er seine Lesung, die sich aus zwei Teilen zusammensetzte. Immer wieder unterbrach er das Vorlesen, reihte Anekdoten zur Entstehung des Buchs und seines Privatlebens aneinander und verstand es, das Publikum bei der Stange zu halten. Im ungewöhnlichen Ambiente des Flammensaals stellte sich schnell eine Dynamik zwischen Thees Uhlmann und seinem Publikum her, wovon auch dann das Signieren seines Titels für die Zuhörer zeugte. Für jeden nahm sich der Norddeutsche viel Zeit, posierte für Fotos, erfand höchst originelle Widmungen und hatte nette Worte und Umarmungen übrig. Ein höchst sympathischer Künstler, eine höchst gelungene Lesung in der Kantine – was will man mehr?

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Das große DDR-Spitzelspiel

Auf den Spuren Brechts durch Augsburg

Spitzelspiel

Das große DDR-Spitzelspiel

Im Rahmen des diesjährigen Brechtfestivals, das unter dem Motto Die Heimatstadt, wie empfängt sie mich wohl? stand, inszenierte auch das Bluespots-Ensemble ein Stück mit dem Titel Das große DDR Spitzelspiel.

Die fiktive Hintergrundgeschichte: Der große AugsBürger Bert Brecht kehrt in seine Heimatstadt zurück. Das sehen die Mächte im kommunistischen Teil Deutschlands natürlich nicht gerne. Was bezweckt Bert Brecht in Augsburg? Wie steht er wirklich zur Deutschen Demokratischen Republik? An uns, den Bürgern dieser Stadt, lag es nun, Bertolt Brecht für das Ministerium für kulturelle Sicherheit zu beobachten und eine Einschätzung vorzunehmen, ob Bertolt Brecht für die Sicherheit dieser Stadt eine Gefahr darstellte.

 

Die Genossen Wubke und Oberst Heinrich

Die Genossen Wubke und Oberst Heinrich

In der Praxis lief das Ganze nun mithilfe von SMS ab. Nachdem man sich mit seiner Handynummer beim Ministerium angemeldet hatte, wurde man am Sonntagabend zum Rapport ins Ministerium (vulgo das ehemalige Stadtarchiv am Fuggerboulevard) einbestellt. Dort fand die Instruktion durch die Genossen Heinrich und Wubke statt. Wie hat man sich zu tarnen? Wie sieht Brecht heute aus? Nach der Einführung  durch die beiden findigen Apparatschiks vom Büro der kulturellen Stadtsicherheit für politisch-operative Zusammenarbeit konnte es schon losgehen.

 

Brecht vor der Apollo-Bar

Brecht vor der Apollo-Bar

Die erste SMS bestellte uns zum Bahnhof, wo Brecht von München kommend, pünktlich zum Start des Brechtfestivals in seine Heimatstadt zurückkehrte. Die erste Beschattungsarbeit führte vom Bahnhof zum Theater bis hin zu einem schummrigen Etablissement namens Apollo-Bar. Dort wohnte Brecht (und selbstverständlich auch die pflichtbewussten Beobachter) einer Burlesque-Show bei und versuchten mehr über Brechts Absichten zu erfahren. Was trieb Brecht vom Tempel der Hochkultur in das Sündenbabel? Noch blieb alles mehr als rätselhaft. Man konnte nur auf weitere Gelegenheiten hoffen, um in Brechts Nähe zu gelangen.

Farbe bekannte Brecht dann einen Tag später bei der Diskussion des Augsburger Kulturbeirats, als er sich in eine Diskussion über Theater, Kultur und den Stand der Kunst in unserer Gesellschaft generell einmischte. Gewitzte Beobachter hatten sich für das Ministerium unter die Diskussionsteilnehmer gemischt und konnten so dem Gespräch beiwohnen.

Spitzelspiel III

Bertolt Brecht in der Sparkasse

Auch bei einem Besuch des Dichters in der Stadtsparkasse hatten sich Spitzel als Azubis des Bankhauses getarnt und waren bei dem Gespräch anwesend, das Brecht mit einem Banker führte. Hier offenbarte der Dichter, dass er an einem neuen Epos arbeite, das multimedial alle Formen des Theaters zu einer neuartigen Form der darstellenden Kunst verschmelzen und  damit auch junge Menschen erreichen möchte. Doch worum sollte es dabei gehen? Würde dieses Werk eine Gefahr für die kulturelle Sicherheit darstellen? Die Spitzel waren uneins.

 

Herr Puntilla und sein Knecht Matti

Herr Puntila und sein Knecht Matti

Eine erneute Chance zum Test Brechts auf seine Ideologietreue stellte dann der Donnerstag dar. Hier wohnte Brecht einer Probe seines Stücks Herr Puntila und sein Knecht Matti bei. Auch traf er sich hier mit einer Schauspieler in einem Café. Geschickt konnten sich wieder einige Augsburger unter die Zivilbevölkerung mischen und Brecht dabei nahekommen, um den Eindruck von Brechts Prinzipientreue zu verfestigen.

 

Brecht beim Kontakt zu einer Schauspielerin

Brecht beim Kontakt zu einer Schauspielerin

Nach diesen letzten Beobachtungen traf man sich anschließend zur Langen Brechtnacht in den Räumen der Zentrale, um den Genossen Wubke und Heinrich die Meinung und Abschlussberichte über Bertolt Brechts Tour durch Augsburg darzulegen. Im Gespräch mit den Genossen bildeten sich teils konträre Meinungen über die Gefahr des Faktors Brecht. So uneins wie vielfältig waren die Meinungen, die das Ministerium für Kulturelle Sicherheit dankbar entgegennahm. Neben dem Abliefern von Beobachtungen konnte man auch zahlreichen Performances in den Räumen des Stadtarchivs beiwohnen. Soundcollagen von Brechts Gesprächen, ein Ausschnitt aus Puntila, das Verlesen von Spitzelberichten – es war einiges geboten und so wurde das DDR-Spitzelspiel wirklich zu einem großen Event, das das System DDR, das Spitzeln und den Dichter Bertolt Brecht den Teilnehmern (sofern sie sich darauf einließen) eindrücklich nahebrachte.

Hier in der BR-Mediathek gibt es nun neben diesem Beobachtungsbericht (der die Billigung des Ministerium für Kulturelle Sicherheit fand) auch bewegte Bilder, die Brecht in Aktion erkennen lassen.

 

Im Auftrag des Ministeriums für Kulturelle Sicherheit und des Büros der kulturellen Stadtsicherheit für politisch-operative Zusammenarbeit

 

 

 

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Das literarische Quartett – eine Kritik

Zum Abschalten

Das Literarische Quartett Quelle: ZDF
Das Literarische Quartett
Quelle: ZDF

Gestern Abend war es wieder einmal soweit -und ich habe es mir angetan. Bereits zum vierten Mal wurde im ZDF am Freitagabend unter Leitung von Volker Weidermann (nicht immer nur) über Bücher gestritten. Wobei letzter Satz eine falsche und eine wahre Aussage über das Programms im Berliner Ensemble beinhaltet: während man von einer Gesprächsleitung durch Volker Weidermann kaum sprechen kann, ist das Wort Streiten bei dieser Art von Sendung mehr als  angebracht. Doch von vorn:

Ohne die krankheitsbedingt fehlende Christine Westermann saßen sich diesmal Volker Weidermann, Maxim Biller und als Gast Eva Menasse gegenüber. Trotz der absenten Christine Westermann hatte man sich entschieden, trotzdem alle vier Bücher anstelle von nur drei ins Programm zu nehmen und diese in 45 Minuten durchzuhecheln. Über die Auswahl und die Omnipräsenz des Kiepenheuer-Witsch-Verlags und seiner Autoren war an dieser Stelle schon genug gesagt worden.

Die Auswahl des Literarischen Quartetts Quelle: ZDF
Die Auswahl des Literarischen Quartetts
Quelle: ZDF

Dennoch musste ich auch konstatieren, dass man sich hier wieder einmal für die meiner Meinung nach unrelevantesten Titel dieser Tage entschieden hat. Ein englischer Proust (Anthony Powell, der nun schon seinen 100. Geburtstag feiern würde) und die Unterstützung von Nischenverlagen in Ehren – ich glaube trotzdem dass man mit seiner Auswahl näher am Puls des literarischen Lebens liegen müsste und es auch nicht schaden würde, einmal einen Bestseller unter die Lupe zu nehmen. So standen vier Titel im Programm, mit denen ich nicht viel anzufangen wusste, obwohl ich mich durchaus als literarisch firm bezeichnen würde. Aber vielleicht hätte mir die Sendung Appetit auf die Bücher machen können?

Machen wir es kurz – nein. Worum genau geht es in den vier Büchern? Warum haben sie es verdient, sie zu lesen? Bei diesem Gehetze, das im Berliner Ensemble produziert wurde, blieb sehr vieles auf der Strecke. Inhaltsangaben und -zusammenfassungen zählen eh nicht zum eingeplanten Konzept, wie mir scheint. Dennoch wäre es schön, wenn man die Titel wenigstens grob vorgestellt bekommen könnte, ehe man sich gegenseitig ins Wort fällt. So ist das gegenseitige Niederbrüllen, der permanente Kampf um Aufmerksamkeit und die Deutungshoheit des Buchs und das grundsätzliche Schlecht-Finden der jeweils nicht selbst vorgeschlagenen Titel ein unangenehm oft auftretendes Phänomen. Gerade Maxim Biller tut sich hier mit steilen Thesen und der Lust zum Krawall hervor.

Dies wäre in Maßen ja durchaus noch erträglich, hier jedoch bräuchte es jemanden, der die Konflikte einbremsen und regulieren müsste. Doch Volker Weidermann als Gesprächsleiter scheint mir hier ebenfalls eine glatte Fehlbesetzung zu sein. Die ganze Sendung wirkt wie ein einziger ADHS-Trip, das Gehetztsein überträgt sich sehr schnell auf den Zuschauer. Kaum ein Argument, das schlüssig zu Ende geführt werden würde. Und dass ein anderer Kritiker aufgrund von klar vorgetragenen Urteilen von einer anderen Sichtweise überzeugt werden würde? Dieser Gedanke ist nun ganz und gar abwegig …

Der Schweizer Literaturclub Quelle: SRF
Der Schweizer Literaturclub
Quelle: SRF

Nun möchte ich auch Vergangenes nicht glorifizeren und das „alte“ Quartett zum einzigen Maßstab machen. Doch auch ohne die alten Folgen im Hinterkopf wirkt das Quartett lediglich auf Krawall gebürstet und schafft es, auch ambitioniertere Leser nachhaltig zu verschrecken. Das muss einem auch erst einmal gelingen. Auch wenn ihn Maxim Biller gestern verächtlich schmähte – vieles was ich mir an Diskussionen wünsche und hier vermisse, finde ich beim Pendant der Eidgenossen. Der Schweizer Literaturclub ist so, wie ich mir niveauvolles Diskutieren über Bücher vorstelle. Ruhe in der Diskussion, ein Vorgeschmack auf den Stil des Buchs – hier tut man sich und seinen Nerven etwas Gutes und bekommt wohltuende Eindrücke, ohne dass eigene Egos im Vordergrund stehen. Für mich ist Literatur nämlich zu wichtig , als dass man sich permanent über sie in die Haare kriegen sollte.

Für das Literarische Quartett in der momentanen Form im ZDF beherzige ich nur das Motto der vor wenigen Tagen leider gestorbenen Fersehikone Peter Lustig aus dem gleichen Sendehaus: Und jetzt, ihr wisst schon – abschalten!

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Verstorben – Umberto Eco

Umberto Eco Copyright: Das Blaue Sofa / Club Bertelsmann

Umberto Eco
Copyright: Das Blaue Sofa / Club Bertelsmann

 

 

Der italienische Schriftsteller Umberto Eco ist im Alter von 89 Jahren in Italien verstorben. Der Schriftsteller zählte zu den bekanntesten italienschen Autoren überhaupt und erlangte durch das Buch Der Name der Rose Weltruhm, wobei sicherlich auch die Verfilmung durch Jean-Jacques Annaud aus dem Jahre 1986 einen erheblichen Teil dazu beigetragen haben dürfte.

Ich selbst habe bislang nur zwei Titel des Autoren gelesen, eben jenen Namen der Rose und Ecos letztes auf Deutsch erschienenes Buch Nullnummer. Mit beiden Büchern wurde ich nicht so richtig warm, die Nullnummer entpuppte sich für mich genau als jene; auch beim Literarischen Salon im Theater Augsburg verriss ich jenes Buch (zu hanebüchen, redundant, langweilig, platt, etc.).  Besser gefiel mir da schon Der Name der Rose, auch wenn ich mit meinen damals 15 Jahren wohl noch etwas jung für den Titel war (viele philosophische Betrachtungen, lateinische Einschübe, etc.).

Auch wenn ich mit den beiden Titeln meine liebe Not hatte, so muss man doch konstatieren, dass die Originalität stets eine Triebfeder Ecos war. Schon lange vor den gerade so beliebten Serienkiller-Thrillern ersann er Motive, derer sich die Schriftsteller heute noch bedienen. Auch Verschwörungstheorien brachte Eco gekonnt in die Literatur ein und leistete damit für Kollegen wichtige Vorarbeiten.

Gerade diese traurige Nachricht vom Verscheiden des Semiotik-Professors wäre nun wohl mal wieder ein Grund, sich mit seinem literarischen Opus zu beschäftigen, hinterlässt er doch zahlreiche weitere große Werke, wie etwa Das Focaultsche PendelBaudolino oder Der Friedhof von Prag. Jener steht auch in meinen Regalen und  wird nun dank dieses traurigen Impulses wohl bald gelesen werden.

 

 

 

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