Tag Archives: Familienroman

Vea Kaiser – Makarionissi oder Die Insel der Seligen

Griechische Verhältnisse

Der Versuch den Inhalt dieses zweiten Romans der Österreicherin Vea Kaiser subsumieren zu wollen, muss zum Scheitern verurteilt sein. Zu weit spannt sie den Erzählbogen, zu viele Figuren treten auf und begegnen dem Leser, als dass man prägnant sagen könnte – genau hierum kreist das Buch.   Fest stellen lässt sich: Vea Kaiser erzählt ausgehend vom fiktiven griechisch-albanischen Bergdorf Varitsi in den 50ern einen Generationenroman, der in der Gegenwart auf der ebenfalls fiktiven Insel Makarionissi endet. Dazwischen liegen 60 Jahre, Ausflüge nach Hildesheim, Amerika und in die Schweiz. Es treten auf: Schlagerbarden, Köche, Bäcker, Partisanen, Kosmetikerinnen, Helden, Verliebte und dergleichen mehr.  

In neun Gesänge aufgeteilt erzählt die junge Österreicherin von den Dramen des Lebens, von Konflikten, die unter der Oberfläche schwelen und von der Suche nach der Liebe des Lebens. Stets verknüpft sie dabei die Erzählstränge auch mit griechischen Legenden und Historien (hier merkt man eindeutig das Studienfach von Vea Kaiser). Die Insel Makarionissi wird hierbei dann zum Brennglas, unter dem alle Beziehungen und Abhängigkeitsgeflechte scharf gebündelt und ausgeleuchtet werden. Zwischen Drama und Komödie liegen bei Vea Kaiser oftmals nur ein paar Sätze.

Auch wenn Vea Kaiser im Vorfeld verkündete, sie wolle ein Buch über die Griechenlandkrise schreiben oder sich mit der Thematik beschäftigen, so muss man konstatieren, dass Makarionissi eigentlich zur Gänze ein apolitisches Buch geworden ist. Mag die aktuelle Krise auch eine Quelle der Inspiration gewesen sein, in diesem opulenten (und manchmal etwas oberflächlichen) Bilderbogen lassen sich die Anklänge an die Misere nicht mehr herausdestillieren. Ein bunter Bilderbogen, mehr ist das Buch aber zu keinem Zeitpunkt. Genau das richtige Buch für den Strand oder auch für daheim, wenn man einen griechischen Sandstrand gerade nicht unter den Füßen spüren kann und trotzdem im Kopf verreisen möchte!

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Ryan Bartelmay – Voran, voran, immer weiter voran

Zwei Brüder

Voran, voran, immer weiter voran ist der Titel eines Gedichtbandes und das Debüt von Ryan Bartelmay, der Kreatives Schreiben unterrichtet und nun seinen ersten „großen“ Roman vorlegt. Den Gedichtband hat Chick Waldbeeser verfasst, einer der beiden Hauptprotagonisten des Buches. Er und sein Bruder Buddy sind die Charaktere, um die das Buch beständig kreist.

Ein Bilderbogen zweier Leben

Voran voran immer weiter voran von Ryan Bartelmay

Immer wieder wild durch die Chronologie und sein Personenverzeichnis springend schlägt Bartelmay einen großen Bogen von der Jugend der Brüder bis hin zum hohen Alter und bringt die verschiedenen Facetten ihres Lebens zum Vorschein.

Das Cover stimmt schon auf die Ödnis ein, in der sich die Brüder des Öfteren wiederfinden sollen – von einer Hochzeit, die unter keinem guten Stern stehen sollte bis hin zu den letzten Tagen Tagen Chicks im Altenheim erzählt der amerikanische Autor.

Während er sich mit Buddy nicht besonders gut versteht, könnte Chicks Glück seine Familie sein, die jedoch auch schon bald durch ein schweres Schicksal zerrissen wird. In der Folge beobachtet der Leser Chick bei seinem Taumel durchs Leben. Während die Beziehung seines Bruders zu seiner indischen Gattin Lijy auch von Schwierigkeiten und Missverständnissen durchzogen ist, gelingt diesem ein kleiner wirtschaftlicher Erfolg. Chick sucht hingegen sein Glück in der Poesie – „Voran, voran, immer weiter voran“ – ist das Resultat. Ein Bilderbogen zweier Leben entfaltet sich vor dem Leser.

Kein neuer Stoner – aber gute Literatur

Die hohen Lobpreisungen, die dieser Roman auf dem Klappentext versammelt, kann ich zwar grundsätzlich teilen, die Qualität des „Stoner“ von John Williams, den der Text auflistet, erreicht dieser Debütroman allerdings nicht. Dennoch ein Buch, das gerade durch seine Montagetechnik gut unterhält und zwei gegensätzliche Leben nebeneinanderstellt. Ein amerikanischer Familienroman frei von Glamour und Überzeichnung – aber ein tolles Stück Literatur!

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Taiye Selasi – Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so ist das Debüt der Amerikanerin Taiye Selasi in der literarischen Disziplin des Romans. Bisher ist sie eher mit Aufsätzen und Erzählungen in Erscheinung getreten, um jetzt mit ihrem Romanerstling die Kritik auf sich aufmerksam zu machen.

Der Roman erzählt von der wahrlich kosmopolitischen Familie, die der Bostoner Chirurg Kwaku und seine Frau Fola gegründet haben. Ausgehend vom Tod des Familienoberhaupts erzählt Selasi von seinen Söhnen und Töchtern und seiner Frau Fola, die auf allen Erdteilen verstreut leben. Erst der Tod Kwakus führt die Familie wieder zusammen und es wird klar, was sie im Innersten zusammenhält.

Ebenso bunt wie das Cover kommt auch die Handlung und Familie von Diese Dinge geschehen nicht einfach so daher. Taiye Selasi schert sich nicht um Konventionen und erzählt ihren Roman sprunghaft und in Episodenform, wild durcheinander geschnitten. Leser, die einen linearen Aufbau nach altbekanntem Muster erwarten, dürften von diesem im S. Fischer-Verlag erschienen Buch enttäuscht werden. Selasi erweitert mit ihrem Sprachsensorium die Grenzen des für mein Empfinden oftmals recht altbacken daherkommenden Familienroman gewaltig.

Mühelos gelingt ihr der Spagat zwischen den verschiedenen Personen, dem Beziehungsgeflecht und den höchst unterschiedlichen Viten, die, obwohl der Roman insgesamt nur 400 Seiten zählt, allesamt hervorragend verknüpft sind. Themen wie die Suche nach Identität und das Verbindende von Familien sind das Hauptmotiv in diesem Roman, der diese elegant einkreist und in den Mittelpunkt stellt.

Wer das Schicksal einer etwas anderen Familie beobachten möchte und Literatur sucht, die abseits ausgetretener Pfade wandelt, dürfte mit Diese Dinge geschehen nicht einfach so richtig beraten sein!

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