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Don Winslow – Das Kartell

Der war on drugs

Für diesen Roman braucht man einen stabilen Magen – einen sehr stabilen Magen. Die Leichendichte und Fülle an Tötungsarten ist im Buch Das Kartell wohl wirklich herausstechend – unzählige Tote pflastern den Weg, den Art Keller und Adán Barrera diesmal bis zum blutigen Ende gehen.
Nachdem die beiden Protagonisten im Krimipreis-gekrönten Epos Tage der Toten von den 70ern bis in die 90er bereits eine blutige Fehde ausfochten, hat sich Winslow nun entschlossen, noch einen Nachfolger des Buches für die Gegenwart zu schreiben. Unbarmherzig zeigt der amerikanische Schriftsteller, dass sich seit den 70er Jahren im Kampf gegen die Drogen kaum etwas geändert hat – im Gegenteil. Immer brutaler wird der Kampf um die Vorherrschaft im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet – und ein Ende der Gewaltspirale scheint nicht in Sicht.

Die Wiederauferstehung des Adán Barrera

Nachdem Art Keller ihn am Ende der Tage der Toten festsetzen konnte, befindet sich der Kartellchef  Adán Barrera nun in Haft. In einem amerikanischen Gefängnis harrt er der Dinge die da mit aller Macht kommen sollen. Mithilfe seiner Kartellmitglieder gelingt ihm nämlich die Flucht und in der Folge setzt er auf seinen Häscher Art Keller ein Kopfgeld aus. Dieser taucht als erfahrener DEA-Agent zunächst unter, um dann mit mächtigen Verbündeten eine neue Runde im Kampf gegen die Drogen einzuläuten.
Währenddessen erstarkt Barrera zusehends und drängt mit aller Macht zurück an die Spitze seines Kartells, wobei er sprichwörtlich über Leichen geht. Doch die Zeit ist nicht spurlos an allen Beteiligten vorbeigegangen. Die Umstände haben sich geändert und so balgen sich immer skrupelloser und blutiger auch die anderen Kartelle in der Golfregion um ihre Anteile. Ein jahrelanger Kleinkrieg um die Drogen beginnt mit noch nie dagewesener Härte.

Nur die Realität ist grausamer

Don Winslow (c) Susie Knoll

Don Winslow (c) Susie Knoll

Bereits das Vorwort zu Winslows Sequel Das Kartell macht deutlich, dass die meiste Handlung weniger der Fantasie des Autors als vielmehr der Realität entspringt. Die unzähligen mexikanischen Journalisten, die Winslow eingangs aufzählt, starben in nicht einmal einem Jahr in Mexiko beim Versuch, kritischen Journalismus zu betreiben – eine Grundsäule einer funktionierenden Demokratie.

Sein Buch fußt auf Beobachtungen, Gesprächen und Recherchen im mexikanisch-kalifornischen Grenzland und mehrmals weist der Amerikaner fast verzweifelt darauf hin, dass es sich beim mexikanischen Drogenproblem vielmehr um ein reines amerikanisches Problem handelt. Was unsere westliche Gier nach Opiaten und Rauschmitteln für blutige Konsequenzen hat, dies schildert Winslow auf über 850 Seiten.
Teilweise sind die Szenen schon nicht mehr erträglich, was durch Winslows genauen und schon fast stakkatohaften Schreibstil zusätzlich verstärkt wird. Allerdings zeigen Nachrichten wie die der verschwundenen mexikanischen Studenten oder immer wieder von Brücken baumelnden Leichen wie beunruhigen aktuell und nah an der Realität Das Kartell operiert.
Nach all den mediokren Büchern von Don Winslow in letzter Zeit mehr als ein Hoffnungsschimmer, dass der Starautor wieder an alte Stärken anknüpft. Es wäre zu wünschen!
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Jennifer Clement – Gebete für die Vermissten

Die Mädchen Mexikos

Mexiko: Drogenlabor Amerikas und immer wieder Lieferant von grausamen Meldungen über Bandenkämpfe.
Großartige Bücher beleuchten dieses Thema : T.C. Boyles „América“ etwa oder Don Winslows „Die Tage der Toten“. Ein Weiteres muss nun mit diesen Büchern genannt werden. Jennifer Clements Roman „Gebete für die Vermissten“ ist ein unbeschönigendes Buch, dass das Leid der Frauen in Mexiko plastisch macht.

Die Autorin entführt darin in die staubige Bergwelt Mexikos, in ein Dorf in dem Männer Mangelware sind. Diese hat es über die Grenze ins prosperierende Amerika gezogen, während die Mütter mit ihren Töchtern in Mexiko in permanenter Angst vor Übergriffen leben. Die Kinder werden möglichst hässlich und versteckt gehalten, um Entführungen durch Kartelle zu entgehen. Clement schildert diese Welt durch die Augen von Ladydi, einem jungen Mädchen, das auf nur 230 Seiten eine schmerzhafte Odyssee durchmacht.

Es ist wahrlich keine Gute-Laune-Lektüre, die Jennifer Clement in ihrem Buch serviert. Dennoch lohnt sich „Gebete für die Vermissten“, weil es Einblick gewährt in eine Welt, die sich unserem täglichen Interesse doch sehr entzieht und so weit weg erscheint. Umso wichtiger, dass diese Literatur aufzurütteln vermag und für das tägliche Leid und die Schicksale gerade der weiblichen Bevölkerung in Mexiko sensibilisiert.
Daher sei dieses Buch jedem aufmerksamen Leser empfohlen, der über den Tellerrand blickt und der die Augen vor der Realität nicht verschließen will!

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