Tag Archives: Serienmörder

I. L. Callis – Doch das Messer sieht man nicht

Boxerin, Reportin, jung und schwarz. Anaïs Maar, die Heldin von I. L. Callis historischem Kriminalroman Doch das Messer sieht man nicht vereint viele unterschiedlichen Facetten in sich. Dass es als junge Frau schwer ist, seinen Platz im täglichen Leben zu behaupten, das kennt sie schon zur Genüge. Doch als Schwarze ist das noch einmal eine ganz andere Kategorie. Denn während Josephine Baker für Aufregung in der Stadt sorgt, hat es Anaïs unter den erstarkenden Braunhemden immer schwerer in der Stadt. Und dann ist da auch noch der „Ripper von Berlin“.


Weckt der Titel des neuen Romans der in Österreich lebenden Autorin I. L. Callis Anklänge an Brechts Dreigroschenoper, so erweist sich Doch das Messer sieht man nicht selbst aber weniger von Brechts Moritat von Mackie Messer denn von klassischen Serienkillererzählungen beeinflusst. Denn auch im Berlin der Zwischenkriegszeit geht ein Mörder um, der sich eines Messers bedient, um seine weiblichen Opfer zu brutal zu töten.

Der Ripper von Berlin

Was in London 1888 das Stadtviertel Whitechapel war, ist nun im Jahr 1927 für den Mörder der Krögel in Berlin, ein von Armut und einfachem Handwerk geprägten Teil der ehemaligen Garnisonsstadt. Dort sucht sich der Mörder seine weiblichen Opfer und verstümmelt sie aufs Grausamste.

I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht (Cover)

Ein schrecklicher Umstand, der wiederum aber die Karriere der jungen Anaïs Maar entscheidend befördert. Denn diese möchte als Kulturredakteurin eigentlich ihrem Vorbild Egon Erwin Kisch nachstreben, sieht sich aber schon bald auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, da die Zeitungsbranche auch schon im 1927 ächzt und stöhnt und der Berliner Brennpunkt, bei dem sie eine Anstellung gefunden hat, im harten Konkurrenzkampf der Boulevardblätter ins Hintertreffen zu geraten droht.

Kurzerhand wird Anaïs auf die Story eines Frauenmordes im Krögel gesetzt. Eine Geschichte, die eigentlich keine Besonderheit wäre, würde sich der Morde nicht eben durch die besondere Brutalität auszeichnen. Kurzerhand macht die Reporterin, die sich nicht nur im harten Alltag der Zwischenkriegszeit, sondern auch im Ring aufs Durchboxen versteht, an die ihr zugteilte Arbeit und verfasst einen ersten Artikel. Darin macht sie aus dem Täter mit der griffigen Formulierung den „Ripper von Berlin“, womit ihr ein erster Wirkungstreffer gelingt.

Eine Reporterin boxt sich durch

Nicht nur, dass sie die Redaktion des Boulevardblatts auf sich aufmerksam macht und mit ihren Storys zum „Ripper von Berlin“ zum Stadtgespräch macht – auch die Aufmerksamkeit des Täters weckt die junge schwarze Reporterin.

Um Anaïs‘ Geschichte herum gruppiert die gebürtige Italienerin weitere Figuren, die abwechselnd in den erzählerischen Fokus rücken. Da ist die junge Josefine, die eigentlich gerne so wie der Filmstart Lillian Harvey wäre, aber in der Realität immer weiter die gesellschaftliche Leiter nach unten rutscht. Der Ikonenmaler Maxim Bronski oder der prominente Wahrsager Thor Jonasson, dazu noch Redakteure, Boxtrainer und andere Figuren, deren Wege sich später kreuzen werden.

Das ist alles sehr solide gemacht und berlinert nicht nur im vielfach verwendeten Dialekt recht ordentlich. Vom Wartesaal am Bahnhof Zoo, einer Boxhalle hinter dem Schlesischen Bahnhof bis zum Treiben am Nollendorfplatz reichen die Schauplätze, die I. L. Callis in ihrem Roman aufbietet.

Ähnlich wie Volker Kutscher in seinen Gereon Rath-Krimis oder Susanne Goga mit ihren Krimis um Leo Wechsler ist auch Doch das Messer sieht man nicht eine historischer Krimi, der das vergangene Berlin und seine turbulenten politischen Zeiten noch einmal auferstehen lässt. Die große Armut, das Erstarken der rechten Kräfte, die Straßenschlachten und die sich wandelnde Stimmung fängt I. L. Callis nachvollziehbar ein. Durch die schwarze Hautfarbe von Anaïs findet zudem die Komponente des Rassismus ins Buch, dem sie sich sich ausgesetzt sieht, während in der gleichen Stadt Josephine Baker für ihr Auftreten gefeiert wird.

Fazit

Diese originelle Heldin ist es, die dem Roman etwas Profil gegenüber den vielen anderen historischen Berlinkrimis verleiht. Inhaltlich ist der in Doch das Messer sieht man nicht präsentierte Fall ordentlich, wenn auch die Gestaltung des Ganzen weitestgehend in der Reproduktion konventioneller Erzählmuster verharrt. Hätte I. L. Callis den anderen Figuren auch etwas von der Tiefe zugestanden, die sie Anaïs hier schon in Ansätzen verliehen hat, wäre das Buch auch auf der Personenebene noch stärker geworden.

So macht das Buch durch die Blicke in die unterschiedlichen Milieus, die aufstrebende Reporterin Anaïs Maar und auch die augenfällige Gestaltung seine Punkte, ähnlich wie Anaïs im Boxring gegen ihren Trainer Kalle in dessen Boxschule. Kurzum: ein solider historischer Krimi aus dem Berlin der Zwischenkriegszeit.


  • I. L. Calis – Doch das Messer sieht man nicht
  • ISBN 978-3-7408-2048-0 (Emons)
  • 352 Seiten. Preis: 17,00 €
Diesen Beitrag teilen

Jean-Christophe Grangé – Die marmornen Träume

In letzter Zeit hat es sich Jean-Christophe Grangé etwas leicht gemacht. Was in den vergangenen beiden Jahren unter dem Titel Die letzte Jagd (2021) und Tag der Asche (2022) erschien, waren nur auf den ersten Blick neue Romane des französischen Thriller-Großmeisters. In Wahrheit handelte es sich „nur“ um in Romanform umgearbeitete Drehbücher, die bereits als Filme im Rahmen der Reihe Die purpurnen Flüsse zu sehen waren, zu denen Grangé die Drehbücher verfasste.

Nun liegt mit Die marmornen Träume wieder ein originärer Thriller vor, mit dem Grangé zum ersten Mal historisches Terrain betritt, und zwar nicht irgendeines. Vielmehr wählt er sich wie seine Kollegen Philipp Kerr oder Volker Kutscher das Dritte Reich als Kulisse seines Thrillers. Ein gewagter Entschluss, wie ihn in dieser schriftstellerischen Konsequenz hier vielleicht auch nur ein Nicht-Deutscher schreiben kann, handelt es sich doch um vermintes Gebiet, das viele Fallstricke bereithalten kann.

Die Morde an den Adlondamen

Tatsächlich macht es sich Grangé auch nicht leicht, indem er einen Widerstandskämpfer oder Opponenten des Systems zur handelnden Figur macht. Sein Protagonist Simon Kraus ist ein wirklicher Opportunist, der sich im Dritten Reich an den sogenannten „Adlondamen“ schadlos hält.

Diese Adlondamen treffen sich Nachmittag für Nachmittag im legendären Luxushotel und geben sich auch in Simons Praxis in der Nähe des Potsdamer Platzes die Klinke in die Hand. Er analysiert, erpresst und verführt die Damen reihenweise, die allesamt beste Verbindungen zur Elite der Nationalsozialisten haben.

Kraus genießt dieses riskante Spiel, ist die Psychoanalyse den Nationalsozialisten alleine schon aufgrund ihres jüdischen Begründers Sigmund Freud ein Dorn im Auge. Aber durch seine Beziehungen zu den Adlondamen und seinem umfangreichen Kompromats, das er in seiner Praxis gesammelt hat, fühlt sich Kraus sicher und spielt – auch verleitet durch sein im Gegensatz zu seinem Körperwuchs wahrlich nicht kleines Ego – ein riskantes Spiel.

Jene Verbindung zu den Adlondamen ist es, die ihn in den Fokus des SS-Hauptsturmbannführeres Franz Beewen geraten lässt. Dieser wird von seinen Vorgesetzten mit der Aufklärung eines brutalen Mordes an einer ebenjener Adlondamen betraut, mit der Simon Kraus eine Affäre pflegte. Die Frau selbst hat man brutal ausgeweidet und ohne ihre Schuhe auf der Museumsinsel in Berlin gefunden. Die erfolgversprechendste Spur scheint die eines rätselhaften Marmormannes zu sein, der der Dame kurz vor ihrem Tod im Schlaf erschien.

Auf der Jagd nach dem Marmormann

Jean-Christophe Grangé - Die marmornen Träume (Cover)

Bei diesem Mord wird es nicht bleiben. Im Bereich des Tiergartens und im Bereich des Bärenzwingers im Köllnischen Park in Berlin findet die Polizei weitere Leichen. Auch sie waren Teil der Adlondamen und pflegten mit Simon eine Affäre. Und auch sie berichteten beide von jenem Mamormann, der ihnen in den Träumen erschien.

Nachdem es so etwas wie Serienmörder in einem durchgeregelten Reich wie dem der Nationalsozialisten nicht geben darf, insbesondere, wenn sich dieser an der Haute volée des Dritten Reichs vergeht, muss der an Ptosis leidende Beewen nun also liefern und den Mörder zur Strecke bringen. Dafür tut er sich mit Simon zusammen, der überzeugt ist, den Mörder durch das Unterbewusstsein seiner Patientinnen zu finden.

Verstärkung finden sie durch die Dritte im Bunde, die adlige Analytikerin Minna von Hassel, die vor den Toren Berlins die Nervenheilanstalt Brangbo leitet, wo zahlreiche Opfer des Ersten Weltkriegs behandelt werden. Sie findet in den Unterlagen zu ihrer Forschung eines erste erfolgsversprechende Spur, die sie zur Identität des Marmormannes führen könnte.

Ein typischer Grangé

Die marmornen Träume ist ein typischer Roman von Jean-Christophe Grangé, der alle Elemente aufweist, die die Thriller des Franzosen so besonders machen. Da ist zunächst die überbordende Fantasie, die sich nicht nur in der Länge des Buchs von fast siebenhundert Seiten niederschlägt. Höchst detailliert lässt er das Berlin des Jahres 1939 wieder auferstehen. Von den letzten queeren Clubs am Nollendorfplatz über die Filmstudios Potsdam-Babelsberg bis hin zu den Kellern der Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße 8 oder dem Kriegsinvalidenaufmarsch vor dem Rathaus Reinickendorf spannt Grangé seinen Bogen, der das architektonische Berlin seiner Zeit genauso wie die damaligen (Sub-)Kulturen noch einmal auferstehen lässt.

Nun bin ich weder Fachmann für die Historie des Dritten Reichs, noch für die Berliner Stadtgeschichte – die große Detailtiefe und Beschreibungskraft von Jean-Christophe Grangés Noir-Fantasie von Film über Kunst bis hin zu Abläufen innerhalb des SS-Apparats fällt hier aber wirklich ins Auge (wozu ich persönlich gerne auch weitere Informationen über Recherche oder Quellen für seine Arbeit erhalten hätte. Hier aber schweigt sich der Autor aus und gönnt dem Roman noch nicht einmal eine Danksagung.)

Kreativität und Brutalität

Typisch ist dieser Grangé neben aller Detailtiefe und Fantasie aber auch wieder in Sachen Brutalität. Der Mörder, der die Bäuche seiner Opfer ausweidet. Die Pogrome, die Gewalt gegen Sinti und Roma, Menschen mit geistiger Behinderung und die Brutalität der Ermittlungen schildert Grangé detailliert und manchmal geradezu voyeuristisch. Immer wieder blitzt diese Gewalt in die Ermittlungen hinein, verstört und lässt zurückzucken. Übertrieben ist dies alles allerdings leider nicht, blickt man etwa auf die Forschungen Josef Mengeles, der hier im Buch einen ziemlich deutlichen Doppelgänger erhält, dem allerdings ein anderes Ende als dem historischen Vorbild beschieden ist.

Wer die Grangé-typische Gewalt und das Setting abkann, das hier deutlich mehr als nur Kulisse, sondern vitaler Teil dieses Buchs ist, der bekommt einen hochspannenden Roman zu lesen, bei dem nicht nur erfahrenen Krimileser*innen schwanen dürfte, dass mit der Unschädlichmachung des Täters etwa in der Mitte dieses Thrillers die Tätersuche natürlich noch lange nicht abgeschlossen ist, wenngleich man darüber streiten kann, ob es den Epilog mit seiner letzten Wendung oder manch comcihaften und überzeichneten Zug seiner Figuren dann unbedingt noch gebraucht hätte.

Fazit

So oder so gelingt es Jean-Christophe Grangé mit diesem düsteren Ausflug in die Historie, in Sachen Kreativität, Ambition und erzählerischem Sog an Glanztaten vergangener Tage wie etwa die Kongo-Dilogie (Purpurne Rache und Schwarzes Requiem) oder Das Herz der Finsternis anzuknüpfen. Sein gewaltgesättigter Thriller, in dem die Brutalität immer wieder durchblitzt, ist wirklich schmutzig und Noir pur.

In Die marmornen Träume inszeniert ein düsteres Berlin, das hier zu keinem Zeitpunkt wie ein Kulissenfilm wirkt, vielmehr gelingt es ihm, die Stadt in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und mitsamt unzähliger Schauplätze zum Leben zu erwecken. Dabei schreckt er auch nicht vor der Wahl von SS-Hauptsturmführer oder Anstaltsleiterin als erzählerischen Figuren zurück. Eine Gratwanderung, die man Grangé als als Franzose sicherlich eher nachsieht als deutschen Autor*innen.

Für mich funktioniert die Mischung, die mich in ihrer ganzen Opulenz, Spannung, Komplexität, Brutalität und Zeitkolorit sehr eingenommen hat. Zudem bin ich wirklich interessiert, ob und mit welchen Ansätzen dieser Thriller hier am Schauplatz und Täterland diskutiert werden wird. Man darf gespannt sein.


  • Jean-Christophe Grangé – Die marmornen Träume
  • Aus dem Französischen von Ina Böhme
  • ISBN 978-3-608-50171-1 (Tropen)
  • 688 Seiten. Preis: 26,00 €
Diesen Beitrag teilen

Arne Dahl – Sechs mal Zwei

Vorweg- wer Dahls Vorgängerroman Sieben minus eins nicht gelesen hat, wird an Sechs mal zwei (Übersetzung von Kerstin Schöps) kaum Freude finden. Die Lektüre des Auftaktbandes seiner Reihe um die Ermittler Molly Blom und Sam Berger sollte wirklich vor Dahls neuem Roman stehen, sonst wird man das ganze Dickicht aus Fährten, Anspielungen und Beziehungen kaum durchdringen können (was aber auch mit der vorher erfolgten Lektüre von Sieben minus eins schwierig wird).

Arne Dahl - Sechs mal Zwei (Cover)

Inhaltlich knüpft Dahl an die Ereignisse des ersten Bandes an, als Blom und Berger einen Entführer junger Frauen jagten. Die Ermittler wurden dabei jedoch selbst von Jägern zu Gejagten, weshalb sie nun in Sechs mal zwei ständig unter dem Radar operieren müssen. Die SÄPO (der schwedische Nachrichtendienst) sucht nach den beiden Ermittlern, nur die Kommissarin Desiree Rosenqvist, genannt Deer, hält den Kontakt zu Blom und Berger und versorgt sie mit einem Fall und Informationen.

Denn durch einen Brief einer scheinbar paranoiden Frau stoßen die beiden im wahrsten Sinne des Wortes verdeckten Ermittler auf die Spur eines Serienkillers. Schon vor Jahren schien Sam Berger diesen verhaftet zu haben und somit alle Fälle aufgeklärt zu haben. Doch neue Erkenntnisse lassen die zwei an der offensichtlichen Faktenlage zweifeln. Hat Sam damals wirklich den richtigen Täter festgenommen? Oder befindet sich der wahre Serienkiller immer noch da draußen in der schwedischen Wildnis?

Wichtig: Vorkenntnis und Loyalität

Sechs mal zwei verlangt vom Leser zwei Dinge: Vorkenntnis des ersten Buchs (wie eingangs schon beschrieben) und zweitens ein gerütteltes Maß an Akzeptanz, die wenig glaubhaften Geschehnisse und Twists hinzunehmen, die Arne Dahl den Lesern serviert. Hinterfragen sollte man an diesem Buch nichts, denn dann stürzt das ganze Konstrukt in sich zusammen. Und genau daran ist das Buch bei mir gescheitert.

Geschenkt, dass die Kriminalstatistik Schwedens der Handlung in Sechs mal zwei spottet. 106 Morde für das Jahr 2016 verzeichnet die Kriminalstatistik, davon 29 an Frauen. Wenn man die Geschehnisse in Dahls Kosmos betrachtet, müsste fast die Hälfte der Taten ja schon im Umkreis von Sam Berger und Molly Blom passiert sein. Überall Leichen und Tote, die auf das Konto des Killers gehen. Mit der Realität ist das kaum vereinbar (was natürlich kein gravierender Kritikpunkt ist – schaut man einmal ins skandinavische Krimiregal, dann dürfte zwischen Dänemark und Finnland kaum mehr ein Bewohner existieren, so viele Serienmörder machen dort die Bücher unsicher).

Abgesehen davon, dass der zugrundeliegende Plot für meinen Geschmack zu sehr auserzählt ist (Serienkiller verhaftet, Taten gehen weiter – Suche nach dem wahren Schuldigen), ist das Dickicht aus Plotfäden hier einfach zu verwirrt. Die Hälfte des Buchs gleicht mindestens einem von Schlamm und Schlick durchsetzen Wasserglas, das sich sehr gemächlich absetzt und klärt. Was wirklich passiert ist, das schält sich erst Stück für Stück aus der Handlung, während sich der Leser immer wieder am Kopf kratzt. Was treibt dieser Sam Berger aus dem gut 150 Seiten dauernden Prolog? Wie passt das mit den weiteren Geschehnissen zusammen? Was ist mit der paranoiden Briefschreiberin? Wer beobachtet Molly und Sam? Sechs mal zwei bietet von Anfang an ein Bündel an Fragen, die Antworten kommen aber erst sehr spät.

Arne Dahl hat sich verhoben

Während Molly Blom und Sam Berger unerkannt durch ganz Schweden reisen, um der Fährte des Serienkillers zu folgen, wird der Plot immer hanebüchener. Arne Dahl zieht einen Budenzauber um gestohlene Identitäten, nicht entdeckte Morde und multiple Persönlichkeiten auf, dass man sich schon manchmal nach einer gewissen Prise Normalität sehnt. Auch die Umsetzung der Taten erscheint arg konstruiert immer wieder werden neue Arbeitshypothesen präsentiert, die dann aber doch schlussendlich wieder verpuffen oder nicht verfolgt werden.

Dies schmälert alles leider den Genuss des Buches. Man muss einfach konstatieren, dass sich Arne Dahl – wenngleich komplexe Plots ja eigentlich immer seine Stärke sind – hier einfach verhoben hat. Hoffentlich wird der nächste Band der Blom/Berger-Reihe da wieder etwas realistischer und weniger überkonstruiert.

Diesen Beitrag teilen

Dennis Lehane – Dunkelheit, nimm meine Hand

Kenzie & Gennaro Nr. 2

Um es gleich einmal vorweg zu nehmen – auch nach 21 Jahren seit dem ersten Erscheinen hat dieses Buch nichts von seiner Klasse eingebüßt – mein Spannungshighlight dieses Monats bislang!

Dankenswerterweise legt der Diogenes-Verlag nun nach und nach die vergriffenen Titel der Kenzie/Gennaro-Reihe wieder auf und spendiert den Büchern eine Neuübersetzung. Diesmal war der Routinier Peter Torberg für die Neuübertragung ins Deutsche verantwortlich – und hat seinen Job gut gemacht.

Dunkelheit, nimm meine Hand ist nach Ein letzter Drink der zweite Teil der Reihe, der die beiden Ermittler Patrick Kenzie und Angie Gennaro dem Leser noch näher bringt. Die beiden werden bei ihrem neuesten Auftrag wieder einmal persönlich in ein undurchdringliches Geflecht verstrickt. Denn diesmal gerät der Ich-Erzähler Patrick Kenzie in den Fokus eines Mörders, der ihn mit den Sünden seines Vaters konfrontiert.

Die Psychologin Diandra Warren erhält eine beunruhigende Nachricht, die ihren Sohn zeigt. Die Arbeitshypothese von Kenzie und Gennaro zerschlägt sich dann doch recht schnell, nachdem sie davon ausgingen, dass die Bostoner Mafia noch eine Rechnung mit Diandra oder ihrem Sohn offen hat. Als dann plötzlich der Sohn der Psychologin tot aufgefunden wird und zudem eine alte Bekannte von Patrick brutal gekreuzigt auf den Straßen Bostons gefunden wird, sitzt das Detektivpärchen in der Patsche. Denn diese beiden Morde sind nur Teil eines weitaus größeren mörderischen Geflechts, das das FBI schon seit unter Beobachtung hat. Jemand möchte Sünden aus der Vergangenheit rächen – und Patricks eigene Weste ist dabei nicht ganz blütenrein.

Continue reading
Diesen Beitrag teilen

Paul Finch – Spurensammler

No more Mr. Nice Guy

Der inzwischen dritte Fall für DS Mark „Heck“ Heckenburg steigt gleich mal in die Vollen ein: nachdem er einen Neonazi zur Strecke gebracht hat bekommt es Heck mit alten Feinden zu tun. Seine alte Nemesis aus dem Mädchensammler-Fall ist zurück. Eigentlich im Gefängnis, wird der ehemalige Anführer der Nice Guys, einer Gruppe die für wohlhabende Kunden junge Mädchen entführte und anschließend umbrachte, ins Krankenhaus verlegt. Dieser Transport wird jedoch überfallen und der Chef-Nice Guy verschwindet. In der Folge beginnt eine brutale Mordserie an Männern, die mit den Nice Guys in Verbindung standen. Offenbar möchte jemand sämtliche lose Enden der Gruppe abschneiden. Und Heck findet sich inmitten einer brutalen Hatz, bei der auch er ins Visier der Nice Guys gerät. Schließlich hat er drren Anführer damals hinter Gitter gebracht. Und jetzt gilt das Alice-Cooper-Motto: „No more Mister Nice Guy“
Wer sich vom neuen Fall von Mark „Heck“ Heckenburg einen spannenden Fall erwartet, in dem Ermittlungsarbeit eine wichtige Rolle spielt, der sieht sich schnell getäuscht. Die Ermittlungsergebnisse fallen Heck eher in den Schoß und sind Aufhänger zu weiteren Actionszenen.
Heck muss sich mit seinen Einsätzen vor John McClane oder Rambo nicht verstecken, auch wenn im Buch die Kollegen ihm impliziert nahelegen, dass er letzterer nicht sei. Der Bodycount des britischen Ermittlers spricht da aber eine andere Sprache. Die Schlagzahl, mit der hier die Opfer der Nice Guys sterben, ist beträchtlich. Langweile kommt somit im Lauf der Lektüre nicht auf, schließlich setzt schon das Finale zwischen Heck und den Nice Guys 150 Seiten vor Ende des Buchs ein. Fans von Action kommen hier definitiv auf ihre Kosten.
Zwar baut Spurensammler sehr stark auf Finchs Erstling Mädchenjäger auf, für das Verständnis des neuen Heckenburg-Thrillers ist die Kenntnis des ersten Bandes aber nicht zwingend notwendig. Wer sich von expliziter Gewalt in Thrillern nicht abschrecken lässt und exzessive Action mit einem Ein-Mann-Rollkommando mag, der hat mit Spurensammler seinen Thriller gefunden. Hier werden keine Gefangenen gemacht!

Diesen Beitrag teilen