Category Archives: Kriminalroman

Andreas Pflüger – Operation Rubikon

Bereits im letzten Jahr ging es mir so – ich las in der ersten Januarwoche des Jahres einen Krimi von Andreas Pflüger, der die Maßstäbe für alle folgenden Bücher setzen sollte. Am Ende war Endgültig dann mit Abstand mein Krimi des Jahres 2016 – und 2017 scheint sich genau das zu wiederholen. Das Buch Operation Rubikon ist Andreas Pflügers Debüt und stammt eigentlich aus dem Jahr 2004 und war jahrelang vergriffen, ehe es der Suhrkamp-Verlag nun neu auflegte.

Das Buch entfesselt ein Panorama von Politik und Organisiertem Verbrechen. Es erzählt davon, wie schwierig es ist, dieses Organisierte Verbrechen zu bekämpfen, wenn es mit der Politik verschmolzen ist. Die Kerngeschichte des Epos dreht sich um ein mysteriöses Kartell, das mit großer Brutalität alle Mitbewerber von Kolumbien bis Italien aus dem Markt drängt. Das Kartell und seine Hintermänner sind eigentlich kaum zu fassen und wirklich greifbare Hinweise auf diese neue mächtige Organisation sind nur spärlich gesät – doch das Bundeskriminalamt in Form des Präsidenten Wolf will das nicht hinnehmen. Er beschließt die geheime Gruppe Operation Rubikon zu gründen, die autark agieren und die Spuren des Kartells finden soll. In dieser Gruppe federführend ist die Staatsanwältin Sophie Wolf von der Bundesanwaltschaft. Ausgerechnet sie ist die Tochter des BKA-Präsidenten und muss sich vieler Feinde erwehren. Und es scheint, als würde auch einer davon auch in der Rubikon-Gruppe sitzen …

Operation Rubikon ist komplex, sowohl was Inhalt als auch Personen und Handlungsorte angeht. Von Krakau über Bremerhaven, Hamburg, München, Berlin, Garmisch-Partenkirchen, Lissabon bis La Paz erstreckt sich das Handlungsgeflecht und involviert fast die gesamte institutionelle deutsche Exekutive und Judikative sowie lokale Ableger des organisierten Verbrechens und allen voran das Bundeskriminalamt. Fast achthundert Seiten umfasst dieses Thrillerschwergewicht und bietet Action, Politik, Spionage, Spannung, Machtkämpfe und dergleichen mehr. Was Don Winslows Tage der Toten für den war on drugs in Amerika war, das ist Andreas Pflügers Operation Rubikon für deutsche Verhältnisse.

Auch sprachlich ist Pflügers Thriller-Opus-Magnum eine Bank. Da wird noch antichambriert, Ministerlagen abgehalten und Sherpas beschützen wichtige Entscheidungsträger. Dass sich der Autor sprachlich und inhaltlich in seine Materie eingearbeitet hat, merkt man jeder Seite des Buchs an. Man erhält höchst interessante Einblicke hinter die Kulissen der Macht und bekommt ein Gefühl dafür, wie die Arbeit der Geheimdienste und die Bekämpfung des Organisierten Verbrechens aussehen könnte-

Merkwürdig einzig und alleine, warum man das Buch bei seiner Neuauflage nicht an die neue Rechtschreibung angepasst hat. Ansonsten ist dieser Neuauflage nichts anzulasten und sie muss ein Glücksfall genannt werden, da so dieser Meilenstein der deutschen Kriminalliteratur wieder zugänglich gemacht wurde!

 

Eine besondere Schlusspointe bietet das Buch dann auch noch auf den letzten Seiten, dort heißt es nämlich (man rufe sich das Erscheinungsjahr 2004 erneut ins Gedächtnis!)

Der Flughafen Berlin-Brandenburg-International sollte eigentlich längst fertiggestellt sein, doch noch immer war einer der beiden langgestreckten Terminals, zwischen denen sich die viertausend Meter lange Start-und-Lande-Bahn „S2/5 links“ befand, nichts als ein Stahlgerippe, das aussah wie das Skelett eines Dinosauriers.

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Adventskalender – Türchen 19

Eieiei, da lag der Adventskalender nun tatsächlich über das Wochenende brach – den Weihnachtsfeiern ist es geschuldet. Nun aber wieder frisch ans Werk in dieser letzten Woche. Heute gleich mit einem Krimi für das Weihnachtsfest, wie er perfekter nicht sein könnte!

J. Jefferson Farjeon – Geheimnis in Weiß

Der Krimi zum Weihnachtsfest

Geheimnis in Weiß ist die deutsche Erstveröffentlichung eines im englischen Sprachraum schon lang bekannten Krimis des Autors J. Jefferson Farjeon (1883-1955) aus dem Jahr 1937. Stilistisch zählt dieser Krimi klar zur goldenen Epoche des Kriminalromans und wurde von Eike Schönfeld ins Deutsche übertragen. Zudem wurde diese Monographie mit einem Nachwort des britischen Krimischriftstellers Martin Edwards versehen, um die Ausgabe zu komplettieren.

geheimnisDer Krimi erzählt von einer bunt zusammengewürfelten Reisegesellschaft, der der heftige Schneefall in England kurz vor dem Heiligen Abend zum Verhängnis wird. So wird die Bahn, in der sich die Reisenden befinden, zu einem Halt auf freier Strecke gezwungen. Notgedrungen raufen sich das im Bahnabteil befindliche Geschwisterpärchen, eine Revuetänzerin, ein Mitglied der Königlich-Parapsychologischen Gesellschaft, ein fiebernder Rechnungsprüfer und ein betagter Nörgler zusammen, um sich per Fuß auf den Weg ins nächste Dorf zu machen. Doch unterwegs kommt alles anders als gedacht und ein weiterer Gestrandeter trifft auf die Gruppe. Zusammen kämpfen sie sich durch das dichte Schneetreiben, um plötzlich vor einem Herrenhaus zu stehen. Dessen Tür ist nicht verschlossen, auf dem Herd ist Teewasser aufgesetzt und im Kamin prasselt ein gemütliches Feuer. Continue reading

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Adventskalender – Türchen 15

Heute wird es im Adventskalender düster, eigentlich schon mehr als düster – was ja auch in diese dunkle Jahreszeit ganz gut passt.

Carl-Johan Vallgrén – Schweine

In seinem neuen Thriller folgt der schwedische Autor einer alten skandinavischen Tradition – der des Blicks in die Abgründe des Wohlfahrtstaates. Was bereits prototypisch vom schwedischen Autorenduo Sjöwall & Wahlöö in den 70ern durchexerziert und fortan von Mankell bis Nesbø weiterverfolgt wurde, das tut nun auch Carl-Johan Vallgrén. Er wendet seinen Blick vom Vorzeigeschweden mit seiner idealisierten IKEA-Idylle ab und beleuchtet die Abgründen der Gesellschaft und die der menschlichen Natur.

Der drogenabhängige Danny Katz durfte bereits einmal in Zusammenarbeit mit der Staatsanwältin Eva Westin ermitteln (siehe Schattenjunge) ehe er nun von Vallgren seinen zweiten Einsatz bewilligt bekam. Und dieser hat es wieder mehr als in sich, wenngleich Katz erst nach 60 Seiten ins Spiel kommt. Vorher wohnt man einem Raubüberfall bei, der mit tödlichen Konsequenzen scheitert. In den Überfall ist ein alter Bekannter von Katz verwickelt, der mitansehen muss, wie ein Kumpane kaltblütig von einem Polizisten hingerichtet wird.

Währenddessen trifft Katz in Stockholm ebenfalls auf einen Freund aus alten Tagen, der den Drogen verfallen ist. Doch die Wiedersehensfreude währt nur kurz, am nächsten Tag ist Katz‘ Kumpel tot und seine Freundin verschwunden. Danny Katz misstraut der offiziellen Version der Überdosis und macht sich dran, die Wahrheit über seine Freunde herauszufinden. Doch die Wahrheiten, die Katz schließlich in Zusammenarbeit mit Eva Westin ans Tageslicht zerrt, sind alles andere als positiv. Die Suche führt zu düsteren Geheimnissen und Abgründen – und dann ist da noch der missglückte Raubüberfall, der mit all dem in Verbindung zu stehen scheint.

Schweine führt seinen Titel konsequent im Inneren weiter. Die Welt, die Vallgren in seinem Buch schildert, ist mit dem Begriff düster nur unzureichend beschrieben. Der Blick in die Abgründe fällt bei diesem Autoren ganz besonders dunkel aus und erfordert vom Leser einen starken Magen. Missbrauch, Morde und Mysogynie sind nur drei der Themen, die Vallgren detailfreudig beleuchtet. Der groß gesetzte und von Susanne Dahmann übersetzte Band 2 der Katz-Westin-Saga ist komplex und schafft es, auf den knapp 400 Seiten einen Sog zu erzeugen. Wem Stieg Larssons Weltbild zu freundlich und wem Jo Nesbo Harry Hole zu soft war, der findet hier die extremere Variante.

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Jane Harper – The Dry

Auch heute pausiert der Adventskalender hier wieder zugunsten einer ausführlichen Rezension, und zwar dem gehypten Roman „The Dry“ von Jane Harper:

Kiewarra, ein abgelegenes Dorf im Nordosten Australiens. Die Region wird von Gluthitze heimgesucht und lechzt nach Wasser. Doch die Sonne ist unerbittlich und sorgt für viel Verzweiflung und wortwörtlich erhitzte Gemüter. In dieser Zeit werden auf einer Farm Luke Hadler, seine Frau Karen und sein Junge Billy tot aufgefunden. Alles sieht nach einem erweiterten Suizid aus – nur die wenige Monate alte Tochter der Hadlers hat überlebt.

dryZum Trauergottesdienst erscheint auch Aaron Falk, der Kiewarra nach einigen unrühmlichen Geschehnissen in der Vergangenheit gemieden hat. In Melbourne arbeitet er eigentlich als Finanzermittler, doch die Nachricht vom Tode Lukes lässt ihn nun kurzfristig in das Dorf seiner Kindheit zurückkehren. Denn Luke Hadler und Aaron Falk verband eine tiefe Freundschaft, die infolge der damaligen Ereignissen langsam auseinander bröckelte. Nun sind alle Erinnerungen und alten Bekannten plötzlich auf einen Schlag wieder da.

Die Eltern von Luke setzen ihr ganzes Vertrauen in Aaron, da sie die Hoffnung umtreibt, dass der Tod von Luke kein Suizid war, sondern ein gut vertuschter Mord. Und dieser beginnt dann auch zusammen mit dem Dorfsheriff Raco die Rekonstruktion jenes verhängnisvollen Tages, der für drei der vier Mitglieder der Hadler-Familie tödlich endete. Denn nicht alle Dorfbewohner sagen die ganze Wahrheit über die Ereignisse auf der Farm … Continue reading

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Volker Kutscher – Lunapark

Gereon Rath ist zurück – Machtergreifung, gedungene Serienkiller und eine Hochzeit haben ihm nichts anhaben können – in seiner eigenen Mischung aus Angepasstheit und Rebellion hat es der Berlin Kriminalkommissar auch ins Zeitalter der Nationalsozialisten hinübergeschafft. Immer noch versieht er seinen Dienst in der Burg am Alex während ehemalige Kollegen auf Seiten der Nazis Karriere machen.

lunapark

In diesen unruhigen Zeiten ist Raths neuer Fall mehr als brisant. Eine halbfertige kommunistische Parole prangt unter einer Eisenbahnbrücke, darunter liegt tot ein SA-Mann. Für Raths Ex-Kollegen und nun jetzt Gestapo-Ermittler Reinhold Gräf ist die Sache dann sofort klar. Kommunisten haben dieses Verbrechen verübt, da sie bei der Aufbringung ihrer Parole gestört wurden. Folglich bläst Gräf zum Angriff auf die letzten roten Kommunisten in Berlin und Rath soll ihm zuarbeiten. Diesen macht hingegen die Offensichtlichkeit des Verbrechens stutzig. Er ermittelt in eine ganz andere Richtung, denn wie es aussieht, verbindet das Opfer unter der Eisenbahnbrücke ein Geheimnis mit weiteren Männern aus dem SA-Sturm 101. Auch alte Bekannte scheinen in die Geschehnisse verstrickt und so klemmt sich Rath gegen den Widerstand der Gestapo hinter seine eigene Fährte. Denn da draußen lauert der Täter immer noch. Und er hat auch mit Gereon Rath noch eine Rechnung offen …

Verhaltener Auftakt, gute Entwicklung

Etwas verhalten beginnt der inzwischen sechste Band um den Berliner Kommissar. Kompetenzgerangel und die übliche Spurensuche dominieren das erste Drittel des Buchs, ehe sich Volker Kutscher etwas freischwimmt und den Fall um die ermordeten SA-Männer immer komplexer macht und die Erzählfäden rund um Rath, seine Frau Charly Ritter und Raths alten Bekannten Johann Marlow miteinander verstrickt. Hier zeigt sich dann die Klasse des Autors, indem er die Protagonisten immer näher zusammenführt und dadurch auch den Zeitkolorit gut in die Geschichte einwebt.

Die kurz zuvor erfolgte Machtergreifung der Nationalsozialisten, das Erstarken der SA und der Röhm-Putsch im Juli 1934 bilden diesmal das Grundgerüst für die Kriminalepisode. Kutscher fängt die Zeit und die Verhaltensweisen der Menschen hervorragend ein. Wie er Rath als widerspenstigen Ermittler aber halbwegs angepassten Menschen zeichnet, der sich durch die Herrschaft der Nazis  hindurchlaviert, und im Privaten verpasst, Stellung zu beziehen, das liest man gerne. Auch sein Wohlwollen gegenüber seines Ziehsohnes Fritze, der unbedingt in die HJ eintreten möchte, steht exemplarische für viele Biografien dieser Zeit und wird von Kutscher plausibel eingearbeitet.

Zum Verständnis der Reihe ist die Kenntnis der Vorgängerbände nicht zwingend erforderlich, wer allerdings bereits Märzgefallene gelesen hat, wird sich mit der Lektüre des Lunaparks einfacher tun, da Kutscher viele Fäden aus diesem Krimi wieder aufgreift und weiterwebt.

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