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Bruce Holbert – Einsame Tiere

Der letzte Sheriff

Schon das großartig gestaltete Cover des Romans Einsame Tiere von Bruce Holbert macht klar – der Western ist nicht tot. Im Programm des Münchner Liebeskind-Verlags wird die Tradition des literarischen Western dankenswerterweise noch hoch gehalten. Autoren wie Pete Dexter, Thomas Willmann oder Donald Ray Pollock interpretieren das alte Genre auf immer neue und faszinierende Weise. Mit Bruce Holbert ist nun ein Debütant ins Programm aufgenommen worden, der zum Einen hervorragend ins Portfolio passt und zum Zweiten neben all diesen anderen Autoren auch noch eine ganz eigene Facette zum Western-Topos dazugibt.

Ein Sheriff, eine Mission

Russell Strawl, meist nur bei seinem Nachnamen gerufen, ist ein alternder Sheriff, der ebenso karg und kantig wie die Natur im Nordwesten Amerikas ist, wo dieser Roman spielt.
Von der Arthritis geplagt aber mit einem scharfen Gehör ausgezeichnet hat er sich eigentlich aufs Altenteil zurückgezogen. Ein Leben voller Höhen und Tiefen mit zahlreichen Fehlern liegt hinter ihm, doch fürs Bereuen oder Verzeihen ist Strawl viel zu stur.
Seine alten Tage könnte er nun damit verbringen, sich alte Feinde vom Leib zu halten und die Natur zu durchstreifen, doch dann kommt alles anders. Der aktuelle Sheriff heuert Strawl für seine letzte Mission an. Im Indianerreservat wurden mit unglaublicher Bestialität Menschen ermordet und skurril drapiert. Keiner kennt das Gebiet und seine Bewohner so gut wie Strawl und so lässt er sich zu seinem letzten Einsatz überreden.
Zusammen mit seinem Ziehsohn Elijah, einem bibelfesten und mit der Gabe der Prophetie gesegneten Jungen, sattelt er die Pferde und zieht los, um den Mörder in den Weiten des Westens zu stellen.

Ein Neo-Western

Holberts Debüt könnte eigentlich nicht klassischer sein – ein Mann auf seiner letzten Mission, Pferde, Gewehre, Indianer  und endlose, karge Weiten. Die Naturbeschreibungen und Szenen, in denen Strawl die Indianerreservate durchstreift und auf der Lauer liegt, zählen zu den stärksten des Buches. Dennoch würde ich das Buch eher unter dem Label Neo-Western subsumieren, denn allzu klassisch bleibt Holbert nicht lange. Die Moderne kündigt sich schon mehr als deutlich auch im Nordwestern Amerikas an – schließlich spielt der Roman bereits in den 30ern des letzten Jahrhunderts. Immer wieder fahren Autos durchs Bild – der Fortschritt ist nicht mehr aufzuhalten, auch nicht in Strawls Welt.
Doch nicht nur die schiere Moderne macht aus dem Western einen Neo-Western, in meinen Augen sorgt für allem die Verschmelzung der Elemente des Westerns mit denen eines rituellen Serienkillers für neue Impulse.
Dieses Amalgam funktioniert einwandfrei, auch wenn sich hier zugleich der in meinen Augen schwächste Punkt des Buches offenbart.
Die Identität des brutalen Killers, der seine Opfer quält und ausstaffiert war mir schon nach nicht einmal der Hälfte des Buches sehr klar, hier schafft es Holbert nicht, mit dem Mörder hinter dem Berg zu halten.
Eine Schwäche, die den Autoren mit dem von mir hochgeschätzten Joe R. Lansdale verbindet. Zugunsten der unglaublichen Atmosphäre wird hier immer ein bisschen an der Verschleierung des Mörders gespart. Solange diese allerdings so gelungen ist wie in Einsame Tiere bin ich gerne bereit dies in Kauf zu nehmen.

Gelungene Übertragung

Ein großes Lob ist an dieser Stelle auch (wieder) einmal dem Übersetzer Peter Torberg auszusprechen, dem es gelingt, die sprachmächtige Prosa Bruce Holberts gelungen ins Deutsche zu übertragen. Er findet den richtigen Ton für die archaische Erzählung und gibt Holbert auch im Deutschen eine unverwechselbare Sprache.
Insgesamt ein packender und bildgesättigter Western, der einmal mehr zeigt, welche klassische dieses Genre besitzen kann, wenngleich es oft als groschenromanhaft gescmäht wird. Einmal mehr zeigt der Liebeskind-Verlag, wie prall dieses Genre mit Leben gefüllt werden kann!

 

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Joe R. Lansdale – Die Kälte im Juli

Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss

Die Kaelte im Juli - Joe R Lansdale

Die Kaelte im Juli – Joe R Lansdale

Es ist eine Geschichte aus Übersee, die man immer wieder in den Medien lesen kann. Eines Nachts bemerkt Richard Dane einen Einbrecher in seinem Haus, stellt ihn und es kommt zu einem Schusswechsel, bei dem der Einbrecher getötet wird.

Doch mit seiner Tat, die durch das amerikanische Recht vollkommen gedeckt war, beginnt für den amerikanischen Familienvater erst der richtige Ärger In guter alter Noir-Tradition tritt Richard Dane mit seiner Tat nämlich eine Spirale der Gewalt los, in der einige Überraschungen auf ihn warten.
Der Vater des erschossenen Einbrechers schwört nämlich Rache für Richards Tat und so beginnt er, die Familie zu stalken und zu bedrohen. Doch die Polizei hat keine Handhabe, und so droht Richards Familie beständig Gefahr, wenn er sich nicht zur Wehr setzt. Doch bei seiner Konfrontation mit dem Vater des getöteten Einbrechers muss der Familienvater feststellen, dass die Dinge gar nicht so einfach liegen, wie sie scheinen. Mehr soll der Spannung wegen hier nicht verraten werden.

 

 

Bereits 1997 unter dem Titel „Kalt brennt die Sonne unter Texas“ auf Deutsch erschienen hat der Heyne-Hardcore-Verlag nun eine neue Auflage des Buchs mit neuem Titel, Cover, Übersetzung und zusätzlichem Material (u. a. ein Nachwort von Joe R. Lansdale über die Entstehung des Buchs) auf den Markt gebracht. Grund hierfür ist sicherlich auch die 2014 in den Vereinigten Staaten gestartete Verfilmung des Buchs mit den Stars Michael C. Hall (Dexter), Sam Shepard (Homo Faber) und Don Johnson (Miami Vice). Der Trailer für die Verfilmung findet sich hier:

Schon optisch sieht man, dass der Plot dort verortet ist wo das Buch auch tatsächlich spielt, nämlich im Jahr 1989.

Leicht anachronistisch

Das Alter merkt man Lansdales Text nur an wenigen Stellen an. Dass ein Mensch sein neues Sofa telefonisch statt im Internet ordert mutet natürlich etwas anachronistisch an. Auch sind Computer und das Internet in „Die Kälte im Juli“ das große Ding, heute liest man diese Stellen mit einem kleinen Schmunzeln.
Was mich an diesem Buch hingege etwas störte war die Glorifizierung von Selbstjustiz und dieser unbedingte Wille, dass Männer auch das beenden müssen, was sie begonnen haben. Dieses Prinzip „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“ war mir (auch wenn Lansdale die Motivation seiner Protagonisten durchaus klar erklären kann) etwas zu dick aufgetragen. Andererseits zehrt das Buch natürlich aus der Kompromisslosigkeit seiner Helden. Nach harten 250 Seiten ist der Ritt dann schon wieder zu Ende und man ist vom explosiven Ende des Buches geplättet.

Ein erwachsener Lansdale

Anders als in Lansdales aktuelleren Werken wie etwa Das Dickicht,  Ein feiner dunkler Riss oder Dunkle Gewässer dominiert in diesem Buch – auch wenn es wie fast immer bei Lansdale aus der Ich-Perspektive geschildert wird, weniger der lyrische Ton als vielmehr ein harter Realismus. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass hier kein Erzähler aus seiner Kindheit erzählt, sondern wirklich ein harter Thriller von der Warte eines jungen Familienvaters geschildert wird.
Wer sich von Joe R. Lansdale in einen finsteren und kalten Noir-Thriller hineinziehen lassen will, dem sie Die Kälte im Juli ans Herz gelegt!
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Ryan David Jahn – Der letzte Morgen

Wenn der Milchmann zweimal klingelt

Nach den Büchern Ein Akt der Gewalt, Der Cop und Die zweite Haut liegt nun mit Der letzte Morgen das neueste und bislang dickste Buch von Ryan David Jahn vor. Der amerikanische Thrillerautor entführt dabei gewohnt gewalttätig den Leser zurück ins Jahr 1952:

Zwei Morde, viele Probleme

Viel passiert in Jahns neuestem Roman: ein kleiner Junge beschließt, dass die Tyrannei seines Stiefvaters ein Ende haben muss. Der Buchhalter einer Unterweltgröße wird nach einem verlorenen Pokerspiel gewalttätig. Ein Cop kommt nicht über den Verlust seiner Frau hinweg. Ein Staatsanwalt wird erpresst und entfacht eine Spirale der Gewalt.
Ryan David Jahn verwebt zahlreiche Stränge (im Laufe des Buchs werden es noch deutlich mehr) zu einem umfangreichen Bild, einen eigenen Mikrokosmos des Verbrechens.
In dessen Mittelpunkt steht unfreiwillig Eugene Dahl, ein Milchmann, der eigentlich keiner Fliege etwas zuleide tun würde.
Allerdings wird er unfreiwillig in den Strudel der Gewalt gezogen, den die zwei Morde auslösen, die am Anfang des Buches begangen werden.
Um sich aus diesem Mahlstrom zu befreien, ist Eugene Dahl gezwungen, zu einem unbarmherzigen Rächer zu mutieren und sich seinen Weg aus dem Abgrund freizukämpfen.

Ein grobes Gemälde der Gewalt

Der letzte Morgen ist ein Buch, das sich für alle eher etwas feinsinnigen Leser wohl eher weniger eignet. An expliziten Szenen und Gewaltschilderungen mangelt es dem Roman von Ryan David Jahn
Ein feinsinniger Poet wird Jahn in seinem Schriftstellerdasein wohl nicht mehr. Mit grobem Strich skizziert er seine Figuren. Jahns Interesse liegt weniger auf der Inneneinsicht der Protagonisten als vielmehr auf dem Vorantreiben seines Plots. Mit schnellen und zahlreichen Kapiteln unterteilt er die Erzählung und springt immer wieder von einem zum nächsten Charakter.

 

Zwar ruckelt die Übersetzung das ein oder andere Mal, doch das Tempo machen die inhaltlichen und schriftstellerischen Schwächen des Buches dann doch wieder wett, sodass am Ende ein unbarmherziger Thriller mit Splatter-Elementen steht, der abgehärtete Thrillerfreunde gut unterhalten dürfte.
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Phil Klay – Wir erschossen auch Hunde

Geschichten aus dem Krieg

Wir erschossen auch Hunde von Phil Klay ist das Debüt eines ehemaligen US-Marines, der in seinem Buch Kurzgeschichten aus dem  war on terror  schildert, dem Krieg also, den Amerika gegen den Terror weltweit führt.

Ein kaputtes Amerika

Die Flagge auf dem Cover hängt zerfasert und verblasst im Wind – ein Sinnbild für das Amerika, das Klay in seiner Monographie schildert.

Der mit Stories untertitelte Band versammelt insgesamt 12 Kurzgeschichten, die in ihrer Länge variieren. Von vier Seiten bis hin zu dutzenden von Seiten reichen die Stories, die vielstimmig ein Bild vom Krieg zeichnen.

Die Geschichten werden aus den unterschiedlichsten Perspektiven geschildert, Kriegsveteranen, die an der Bar ihre Stories erzählen kommen genauso zu Wort wie etwa ein Pfarrer an der Front, der von seinen Glaubenszweifeln und seinen persönlichen Kämpfen berichtet.

Egal ob von Kämpfen im Irak oder einem Einsatz in Afghanistan berichtet wird, oder ob eine zivile Aufbaumission beschrieben wird, stets vermag es Klay dem Leser ein Gefühl davon zu geben, was Krieg bedeutet. Seine Erzählungen bekräftigen die Weisheit, dass man wohl seine Leute aus dem Krieg bekommt, den Krieg aber nicht aus den Leuten.

Der Ton der Erzählungen schwankt deutlich, vom derben Straßenslang bis hin zum gebildeten Oberschichtenton spielt Klay mühelos auf dem Klaviatur der Sprache und Diktion.

„Wir erschossen auch Hunde“ verfügt übrigens auch über ein mehrseitiges Register mit jeder Menge militärischer und taktischer Abkürzungen, dies ist auch sehr nötig, da viele Begriffe ohne das nötige Hintergrundwissen schwierig zu verstehen sind.

Manchmal sind Klays Stories nämlich wirklich sehr codiert und sehr chiffrenhaft, was den Zugang erschwert. Hier leistet das Register gute Hilfe.

 

Schreiben als Therapie

Nachdem er frisch aus dem Irakkrieg zurückkehrte, begann Phil Klay mit der Niederschrift seiner ersten Stories. Das Aufarbeiten seiner Eindrücke findet auch in einer Kurzgeschichte wieder Erwähnung. Mithilfe des Veteranen-Schreibprogramms gelang es ihm, sowohl seine Eindrücke aus dem Kriegsgeschehen zu verarbeiten als auch Literatur daraus zu destillieren. Eine Win-Win-Situation gewissermaßen.

Mit seiner Geschichtensammlung ist es Phil Klay inzwischen auch gelungen, den National Book Award 2014 zu erringen.

Ähnlich wie Remarques Klassiker „Im Westen nichts Neues“ gelingt es auch Klay im Leser ein Bewusstsein für die Absurdität des Kriegs und die einzelnen Tragödien zu wecken, die sich hinter dem Begriff „Krieg“ verbergen.

Insgesamt ein starker Titel, der neu sensibilisiert und hinter die Frontlinien von Kriegen gegen den Terror führt und ein Titel, der zeigt, wie kaputt das System Amerika eigentlich ist, das diese Kriege immer wieder neu als Universalantwort auf Terror und Tyrannei gibt.

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John Williams – Butcher’s Crossing

Zurück zur Natur

Nach dem großartigen Stoner, DER Wiederentdeckung des Jahres 2012 hat sich nun der Deutsche Taschenbuchverlag eines weiteren Werkes John Williams angenommen. Butcher’s Crossing erscheint von Bernhard Robben makellos ins Deutsche übertragen als Hardcover und erhebt Jean Jaques Rousseaus Diktum „Zurück zur Natur“ zum Leitmotiv.

Der Roman erzählt von Andrews, einem jungen Studenten an einer Elite-Universität, der dieser gleich zu Beginn des Buchs den Rücken kehrt und in die amerikanische Einöde aufbricht. Er begibt sich ins titelgebende „Butcher’s Crossing“, einem kleinen Wildwest-Dörfchen inmitten der Ödnis. Dort will er der Büffeljagd nachgehen und rekrutiert sich ein Team aus erfahrenen Jägern. Einer dieser Jäger berichtet nämlich von einer sagenhaften Büffelherde, die er in den Bergen Colorados gesehen haben will. Andrews finanziert das wahnwitzige Vorhaben und gemeinsam brechen die vier Männer auf, um die Büffel zu erlegen und ihr Fell anschließend gewinnbringend zu veräußern.

Das Leben – ein großer Kampf

Doch wer John Williams Stoner gelesen hat weiß, dass seine Charaktere in den Büchern immer gegen Widerstände und Wirrnisse ankämpfen müssen. In Butcher’s Crossing ist dies die Natur, die den Glücksrittern eindrucksvoll in die Parade fährt. Gekonnt beschreibt Williams Metzeleien und den Überlebenskampf gegen die Elemente. Das Blutbad, das die Männer unter den Büffeln anrichten vermag der Autor genauso eindrucksvoll zu beschreiben wie die Überlebenskämpfe, als Schneefall im Tal Leib und Leben bedroht.

Butcher’s Crossing ist voller bitterer Erkenntnis und zeigt eindringlich, wie schnell der Wandel der Zeit Opfer von den Menschen verlangt. Am Ende muss auch Andrews erkennen, dass man zwar gescheiter, aber auch gescheitert sein kann. John Williams ist auch mit „Butcher’s Crossing“ ein großartiger Roman gelungen, für dessen Veröffentlichung man dem Deutschen Taschenbuchverlag danken sollte!

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