Goldrausch im Hinterland von Irland. Davon gehen zumindest ein paar Figuren in Tana Frenchs neuem Roman Feuerjagd aus. Ihr gelingt ein eindrucksvoll ruhiger und dabei stets nervös vibrierender Roman, der sicher auf dem Grat zwischen Krimi und Roman balanciert.
Für ihren neuen Krimi wählt Tana French Figuren, die Leser*innen ihres vorhergenden Romans Der Sucher bekannt vorkommen durften. In jenem Roman erzählte sie die Geschichte des Polizisten Cal, der sich für seinen Ruhestand das kleine Dörfchen Ardnakelty im Westen Irlands aussuchte, wo er trotzdem nicht vor dem Unheil verschont blieb. Denn dieses klopfte in Form der jungen Trey an seine Haustür. Ihr Bruder war verschwunden, wovon die Dorfbevölkerung allerdings seltsam unberührt blieb. Allein seine Schwester Trey wollte die allgemeine Passivität nicht hinnehmen und setzt auf Cal als Retter in der Not, der im Lauf des Romans auch zu einer Art Vaterersatz für Trey wurde und mit Beharrlichkeit und Einfühlsvermögen das Rätsel um das Verschwinden des jungen Manns löste.
Nun, zwei Jahre später, steht Trey wieder vor Cals Haustür. Der Ersatzvater hat nämlich Konkurrenz bekommen. Aus dem Nichts taucht Johnny, der eigentliche Vater von Trey, auf dem heimischen Hof auf. Nach seiner Zeit in England ist er heimgekehrt und zeigt sich in puncto charakterlicher Festigkeit und Vertrauenswürdigkeit wenig geläutert. Mit im Gepäck hat er einen Engländer, dessen Vorfahren ebenfalls aus Ardnakelty zu stammen scheinen. Dieser erzählt von einer Goldader, von der schon seine Vorfahren Kenntnis hatten. Die Ader aus Gold soll das Land und den Fluss durchziehen dort in Ardnakelty durchziehen.
Während sich draußen der Landstrich unter der Sommersonne aufheizt, kommt es auch bald zu einem Wettlauf zwischen der Dorfbevölkerung und dem windigen Duo. Wer nimmt hier wen aus und wer spielt welches Spiel? Ist das wirklich möglich, ein Goldrausch wie einst am Klondyke nun im hügeligen Westen Irlands?
Inmitten der unübersichtlichen Gemengelage findet sich Cal, der feststellen muss, dass neben Dorfbewohner*innen und potentiellen Betrügern auch noch Trey ein eigenes Spiel spielt…
Spannungen im Ardnakelty
Wie schon in ihrem ersten Roman um Cal und Trey balanciert Tana French auch hier wieder traumwandlerisch sicher auf dem Grat zwischen Krimi und Roman. Lange Zeit braucht es, bis es zu einem Toten in ihrem Roman kommt. Spannend ist Feuerjagd aber auch ohne diese genretypische Zutat. Denn die irische Autorin schafft es wieder einmal mit psychologischem Feinsinn, die gefährliche Spannung zu schildern, die nach der Rückkehr von Treys Vater im Dorf Einzug hält.
Die meisten Bewohner*innen des Dorfs haben eine eigene Agenda und lassen sich nicht wirklich in die Karten blicken. Ob im Pub oder im Dorfladen – immer schwingt bei allen vordergründigen Aktionen immer noch eine zweite Ebene mit. Man belauert sich, traut sich nicht über den Weg – und in der Frage, wie das Zusammenleben dieser Menschen den Charakter des Dorfs formt, bekommt Frenchs Roman fast noch eine soziologische Komponente.
Sheila sieht sie an. „Das Dorf kennt keine Gnade“, sagt sie. „Sobald du dich mit denen anlegst, fressen sie dich bei lebendigem Leib. Du wärst verloren gewesen, so oder so.“
Tana French – Feuerjagd, S. 480
Psychologische Spielchen und Tricks
Die psychologischen Spielchen und Tricks, die vibrierende Spannung und dazu noch die gekonnt eingefangene Stimmung der glutheißen Tagen in den Bergen Irlands, das alles macht aus Feuerjagd einen packenden Krimi, der durch seine psychologische Stimmigkeit und die genaue Ausleuchtung der Figuren seinen Reiz entfaltet.
Wie schon im ersten Roman dieser Reihe, die hier im Entstehen begriffen ist, ist auch Feuerjagd wieder ein großartig inszenierter, ruhiger und doch untergründig aufgewühlter und aufwühlender Roman. Möchte man den vollkommenen Lesegenuss dieses Buchs erzielen, empfiehlt sich unter Umständen die vorhergende Lektüre von Der Sucher, nimmt das Buch an einigen Stellen doch Bezug auf die Geschehnisse dieses Bandes und verrät auch einige Details der vorangesetzten Handlung.
Doch auch ohne die Lektüre ist dieses von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann sauber übersetzte Buch mehr als empfehlenswert, steht hier doch das langsame Erzählen mindestens ebenso im Vordergrund wie die Handlung, die mich wie schon im ersten Band rund um Cal und Trey sehr gefangen genommen hat.
Fazit
Wieder mal gelingt Tana French ein spannender Roman, der in die Kategorie Krimi des Jahres fällt und der auch Verächtern dieses ansonsten gerne einmal recht blutrünstigen Genres auf den Geschmack kommen lassen dürfte. Plausibel gestaltete Figuren, Verzicht auf Metzeleien und Krawall, dafür viel untergründige Spannung, Atmosphäre und sozialer Scharfblick, das kennzeichnet Feuerjagd.
- Tana French – Feuerjagd
- Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
- ISBN 978-3-949465-10-9 (S. Fischer)
- 528 Seiten. Preis: 25,00 €