Tag Archives: Krieg

Dennis Lehane – Ein letzter Drink

Um die Ecke ist eine Kneipe. Lasst uns einen trinken gehen, ehe der Krieg beginnt. (S. 189)

Dieses Zitat bringt die Stimmung in Dennis Lehanes Ein letzter Drink sehr gut auf den Punkt. Der Krieg, auf den der Ich-Erzähler Patrick Kenzie anspielt, überrascht dann die beiden Ermittler allerdings doch. Denn eigentlich beginnt alles wie immer ganz einfach und überschaubar, in diesem Auftaktband zur Reihe um das Detektivduo Kenzie & Gennaro.

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Honorige Politiker und Senatoren beauftragen Patrick mit einem leichten Fall. Eine schwarze Putzfrau hat ihren Job plötzlich quittiert und ist mit brisanten Unterlagen aus dem Büro eines Senators verschwunden. Die Politiker wollen diese Dokumente um jeden Preis wieder zurückhaben und setzen Patrick und seine Partnerin Angie Gennaro auf die Fährte der Verschwundenen.

Doch auch in diesem Falle bestätigt sich einmal mehr der Schmetterlingseffekt aus der Chaostheorie. Denn der Fall liegt ganz anders, als eingangs angenommen. Und plötzlich finden sich die beiden Bostoner Detektive in einem Krieg

wieder, den zwei rivalisierende Banden in ganz Boston blutig ausfechten – mit Patrick Kenzie und Angie Gennaro zwischen den Fronten. Noch ein letzter Drink wird an der Bar getrunken, und dann beginnt der Krieg …

Eine tolle Wiederentdeckung

Dem Verlagswechsel hin zum Schweizer Diogenesverlag verdanken wir es, dass das Frühwerk Dennis Lehanes nun noch einmal neu aufgelegt wird – allen voran der hier besprochene Auftaktband zur famosen Reihe um Kenzie & Gennaro. Auch 22 Jahre nach seinem Erscheinen liest sich der Roman noch frisch und lässt einen ganz eigenen Sound erklingen – was natürlich auch mit an der Neuübersetzung durch Steffen Jacobs liegt. Beängstigend ist geradezu die Aktualiät von Gewalt auf den Straßen und den Rivalitäten zwischen weißer und schwarzer Bevölkerung, die im Buch immer wieder thematisiert wird und auch nach mehr als zwei Jahrzehnten nach dem Erscheinen dieses Buchs ein großes Thema in der amerikanischen Gesellschaft ist.

Lehanes Prosa ist schnörkellos, der Ich-Erzähler Patrick Kenzie ein Typ, mit dem man auch abends am Bartresen noch einen letzten Drink nehmen würde. Ein toller Auftaktband einer Reihe, deren nächsten Band man nun schon sehnlich erwartet, nachdem man dieses Buch verschlungen hat!

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Phil Klay – Wir erschossen auch Hunde

Geschichten aus dem Krieg

Wir erschossen auch Hunde von Phil Klay ist das Debüt eines ehemaligen US-Marines, der in seinem Buch Kurzgeschichten aus dem  war on terror  schildert, dem Krieg also, den Amerika gegen den Terror weltweit führt.

Ein kaputtes Amerika

Die Flagge auf dem Cover hängt zerfasert und verblasst im Wind – ein Sinnbild für das Amerika, das Klay in seiner Monographie schildert.

Der mit Stories untertitelte Band versammelt insgesamt 12 Kurzgeschichten, die in ihrer Länge variieren. Von vier Seiten bis hin zu dutzenden von Seiten reichen die Stories, die vielstimmig ein Bild vom Krieg zeichnen.

Die Geschichten werden aus den unterschiedlichsten Perspektiven geschildert, Kriegsveteranen, die an der Bar ihre Stories erzählen kommen genauso zu Wort wie etwa ein Pfarrer an der Front, der von seinen Glaubenszweifeln und seinen persönlichen Kämpfen berichtet.

Egal ob von Kämpfen im Irak oder einem Einsatz in Afghanistan berichtet wird, oder ob eine zivile Aufbaumission beschrieben wird, stets vermag es Klay dem Leser ein Gefühl davon zu geben, was Krieg bedeutet. Seine Erzählungen bekräftigen die Weisheit, dass man wohl seine Leute aus dem Krieg bekommt, den Krieg aber nicht aus den Leuten.

Der Ton der Erzählungen schwankt deutlich, vom derben Straßenslang bis hin zum gebildeten Oberschichtenton spielt Klay mühelos auf dem Klaviatur der Sprache und Diktion.

„Wir erschossen auch Hunde“ verfügt übrigens auch über ein mehrseitiges Register mit jeder Menge militärischer und taktischer Abkürzungen, dies ist auch sehr nötig, da viele Begriffe ohne das nötige Hintergrundwissen schwierig zu verstehen sind.

Manchmal sind Klays Stories nämlich wirklich sehr codiert und sehr chiffrenhaft, was den Zugang erschwert. Hier leistet das Register gute Hilfe.

 

Schreiben als Therapie

Nachdem er frisch aus dem Irakkrieg zurückkehrte, begann Phil Klay mit der Niederschrift seiner ersten Stories. Das Aufarbeiten seiner Eindrücke findet auch in einer Kurzgeschichte wieder Erwähnung. Mithilfe des Veteranen-Schreibprogramms gelang es ihm, sowohl seine Eindrücke aus dem Kriegsgeschehen zu verarbeiten als auch Literatur daraus zu destillieren. Eine Win-Win-Situation gewissermaßen.

Mit seiner Geschichtensammlung ist es Phil Klay inzwischen auch gelungen, den National Book Award 2014 zu erringen.

Ähnlich wie Remarques Klassiker „Im Westen nichts Neues“ gelingt es auch Klay im Leser ein Bewusstsein für die Absurdität des Kriegs und die einzelnen Tragödien zu wecken, die sich hinter dem Begriff „Krieg“ verbergen.

Insgesamt ein starker Titel, der neu sensibilisiert und hinter die Frontlinien von Kriegen gegen den Terror führt und ein Titel, der zeigt, wie kaputt das System Amerika eigentlich ist, das diese Kriege immer wieder neu als Universalantwort auf Terror und Tyrannei gibt.

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