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Irland literarisch

Der Sommer ist nun endgültig angekommen. Eine Hitzewelle rollt durchs Land, auf den Straßen hingegen rollt weniger. Die Blechkolonnen stauen sich auf den Autobahnen in die Ferienregionen.

Auch ich habe das schöne Wetter für einen Urlaub genutzt und mich auf die grüne Insel Irland begeben. Dort nutzte ich die freien Tage für einen Roadtrip, der neben dem Essen und den Begegnungen auch stark im Zeichen der Literatur stand. Schließlich stammen ja nicht von ungefähr vier Literaturnobelpreisträger von der Insel. Das literarische Erbe und die aktuelle Literaturszene dieses Landes will dieser Beitrag nun in Auszügen ergründen.

Das Book of Kells

Das Book of Kells

Die herausragende Erzähl- und Schrifttradition manifestiert sich wohl in keinem Werk so sehr wie im weltberühmten Book of Kells. Dieses entstand irgendwann im 8. oder 9 Jahrhundert und gilt als Höhepunkt der insularen Buchmalerei. Es umfasst die vier Evangelien und ist spektakulär gestaltet. Sein Ruhm ist derart groß, dass es sogar zum Weltdokumentenerbe erklärt wurde – und das völlig zu recht. Es wird in den Hallen des Trinity College in Dublin aufbewahrt und ist unumstrittener Höhepunkt der Buchgestaltung – was es zum Pilgerort für Bibliophile aus aller Herren Länder macht. Zwar kann man das Buch nicht in seiner Gänze bewundern, sondern nur die jeweils gerade präsentierten Seiten auf einem Lichttisch bewundern, das wird aber gut durch eine umfangreiche Ausstellung zur Geschichte des Book of Kells kompensiert.

Im Anschluss an die Ausstellung geht es dann ein Stockwerk hinauf in die Bibliothek des Trinity College. Auch wenn die Räume de facto niemals als Kulisse für die Harry-Potter-Filme gedient haben – eine Inszenierung könnte man sich hier zu jeder Sekunde vorstellen. In den Gewölben werden historische Folianten aufbewahrt, die auch heute noch für den Leihverkehr zur Verfügung stehen. Eine wirkliche Prachtbibliothek, die sich zurecht vor Besuchern kaum retten kann.

Irische Klassiker

Doch auch moderne Bücher und Literatur sind im Straßenbild Dublins respektive Irlands omnipräsent. So finden sich allenorten Statuen und Büsten berühmter Dichter, unter anderem von den Nationalhelden Oscar Wilde oder William Butler Yeats. Jener wird im Keller der National Library in Dublin auch mit einer sehenswerten Ausstellung geehrt (Sparfüchse aufgepasst – der Eintritt ist frei). Der Literaturnobelpreisträger wird hier in allen Facetten präsentiert. Von persönlichen Gegenständen bis hin zu von ihm vorgetragenen Gedichten umfasst die Ausstellung so gut wie alle Aspekte der Faszination W. B. Yeats.

Die Samuel Beckett Bridge in Dublin

Den anderen Nationalheiligen Samuel Beckett hingegen gibt es nicht nur in Büstenform – auch eine andere Ehre ist ihm zuteil geworden. So ist der Erschaffer des Godot auch als Brückpate verewigt. Die Samuel-Beckett-Bridge überspannt den Fluss Liffey und sorgt so für schnelles Vorankommen in Dublin. Schön, dass von Beckett somit auch etwas Zugängliches bleibt (ja, ich weiß natürlich, dass das Werk des Iren lohnend ist und gar nicht so unzugänglich ist, wie ich hier inkriminiere).

Auch James Joyce kann man – erwartungsgemäß nicht entgehen. Der Erschaffer der Dubliner-Kurzgeschichten und des epochemachenden Ulysses wird allenorten mit Statuen, Stadtrundgängen, Tafeln und Ähnlichem gerühmt und ist als Person genauso wie sein Werk auch nach über 75 Jahren seit seinem Ableben nicht vergessen (nicht zuletzt beweist das ja auch die ebendige Tradition des Bloomsdays).

Besucht man die Buchhandlungen in Cork, Limerick oder Dublin (die von Thalia-ähnlichen Ketten abgesehen durchweg geschmackvoll und gut sortiert sind), so sind die Klassiker wie etwa Seamus Heaney oder George Bernard Shaw immer noch vertreten. Doch auch eine ganze Riege neuer Stimmen buhlt an den Thementischen und in den Irland-Regalen um Aufmerksamkeit. Hier deshalb ein paar zeitgenössische Autor*innen, die auch außerhalb Irlands durchaus Erfolge feiern.

Autor*innen der Neuzeit

Einer der bekanntesten Schriftsteller des Landes dürfte zweifelsohne John Boyne sein. Mit seinem Jugendbuch Der Junge im gestreiften Pyjama gelang ihm ein riesiger Erfolg (inklusive Verfilmung), von den von mir gelesenen Büchern möchte ich zwei empfehlen. Zum Einen ist dies der Roman Das Lied der Einsamkeit und zum anderen der Roman Cyril Avery.

Ein anderer erfolgreicher Schriftsteller ist Joseph O’Connor. Größere Bekanntheit dürfte zwar seine Schwester Sinead O’Connor genießen, dennoch verdient auch ihr schreibender Bruder und insbesondere sein Buch Die Ballade vom lauten Leben Aufmerksamkeit.

Auch Emma Donoghue gelang schon ein weltweit beachteter Erfolg mit ihrem Roman Raum, der lose auf dem Schicksal der Familie von Joseph Fritzl und Natascha Kampusch basiert. Ihr Roman wurde ein Bestseller und erhielt auch in der filmischen Variante viel Aufmerksamkeit. Von ihr gab es zuletzt den Roman Das Wunder zu lesen.

Zwar ist Jess Kidd Britin, doch ihren Roman Der Freund der Toten sei hier trotzdem empfohlen, spielt er doch in Dublin und setzt sich mit der Geschichte der Waisen in Irland auseinander. Ein Thema, das bis heute nicht abgeschlossen ist und tiefe Narben bei vielen Menschen zurückgelassen hat.

Ein Möglichkeit, um mit solchen Missständen umzugehen, ist immer die Thematisierung und Behandlung in Form von Literatur. Insbesondere die Gattung des Kriminalromans bietet sich hier an. Und so sollte es auch nicht verwundern, dass auch hier Irland eine ganze Riege von hochtalentierten Autor*innen bietet, die immer wieder Stellung beziehen und in ihren Büchern auch unbequeme Wahrheiten ansprechen. Zu diesen Autor*innen zählen für mich ganz klar Lisa McInerney (Glorreiche Ketzereien), Adrian McKinty (die Reihe um den katholischen Bullen Sean Duffy während des IRA-Terrors) oder Ken Bruen (mit seiner Jack-Taylor-Reihe). Durchweg Bücher, die sich durch Härte, aber auch grimmigen Humor auszeichnen und wirklich toll unterhalten.

Die Liste der Autor*innen ließe sich fast beliebig fortsetzen. So wären hier noch beispielsweise Donal Ryan (Die Gesichter der Wahrheit), Claire-Louise Bennett (Teich) oder Edna O’Brien (Die kleinen roten Stühle). Nicht verschweigen sollte man den Klassiker Frank McCourt (Die Asche meine Mutter) oder etwa Colm Toíbín (Nora Webster). Natürlich darf man aber auch nicht ColumMcCann (Transatlantik) oder die große Anne Enright vergessen. Oder überhaupt – Claire Keegan. Oder, oder, oder.

Ich beschließe hiermit allerdings meine Aufzählung, um die Frage an euch weiterzugeben: Vielleicht habt ihr auch noch Leseanregungen oder Empfehlungen? Wer ist euer irischer Lieblingsschriftsteller respektive Lieblingsschriftstellerin?

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Nobelpreis: Kazuo Ishiguro

(c) Nobelpreiskomitee/Schweden

 

Der 1954 in Nagasaki geborene Brite Kazuo Ishiguro erhält den diesjährigen Literaturnobelpreis. Nach den Experimenten der letzten Jahre (2015 Svetlana Alexijewitsch, 2016 Bob Dylan) halte ich die aktuelle Wahl für eine gute Wahl, um den Preis wieder auf seinen Kern zurückzuführen – nämlich die Literatur höchstselbst. Nachdem man ja in den letzten Jahren vortrefflich stritt, ob jetzt Songtexte oder dokumentarisches Erzählen zu dieser Definition zählen, wie sie Nobel vorschwebte, hat man nun wieder einen traditionellen Romancier gekrönt.

Schade natürlich, dass es abermals keine Frau geworden ist, die mit dem 9 Million schwedischer Kronen dotierten Preis ausgezeichnet wird; in die engere Auswahl schien es dieses Jahr ja tasächlich nur Margaret Atwood geschafft zu haben. Wenigstens bekommt sie dieses Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels noch einen Preis, der für größere Aufmerksamkeit sorgen könnte. Dass die alten Bekannten Murakami, Roth oder Thion’go abermals verschmäht wurden, scheint schon zur Folklore des Nobelpreises zu zählen. Darüber kann man jammern, lohnen tut es sich auf alle Fälle nicht.

Eine feine Ironie ist es auch, dass ich just gestern Alles, was wir geben mussten aus meinem Bücherregal eine Etage tiefer räumte. Weniger als 24 Stunden später bekommt Ishiguro dann den Nobelpreis. Da bin ich auf alle Fälle schon einmal inspiriert, welche Bücher ich nächstes Jahr am Tag vor der Bekanntgabe des Siegers in meinen Regalen umstellen werden.

Zum Einstieg in den vielstimmigen Kosmos Ishiguros seien die Werke Alles, was wir geben mussten, Was vom Tage übrig blieb und Der begrabene Riese empfohlen. Viel Spaß beim Entdecken!

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Benedict Wells: Fast genial

Einmal quer durch die USA

Fast Genial ist ein rührendes Roadmovie, das sich mit den Themen Identität, Erwachsen werden und der Suche nach Glück und Erfüllung beschäftigt. Diese werden von Benedict Wells locker in seinem klar strukturierten Roman angerissen, während sich die Rahmenhandlung um den Teenager Francis Dean dreht, der eigentlich ein klassisches Loser-Dasein führt. Mutter mit schwerwiegenden psychischen Problemen, unbekannter Vater und Leben im Trailerpark.

Durch die Bekanntschaft mit der ebenfalls in psychischer Behandlung befindlichen rebellischen Anne-May reift in ihm ein Plan: Nachdem seine Mutter ihm den Namen seines Vaters und die skurrile Hintergrundgeschichte zu seiner Zeugung offenbart hat, macht er sich mit Anne-May und seinem besten Kumpel Grover auf den Weg quer durch die USA, um seinen Vater kennenzulernen.

In klar strukturierten Kapiteln lässt Benedict Wells seine drei Helden in verschiedenen Städten Amerikas Halt machen und wechselt dabei ruhige, fast kontemplative Phasen mit schnellen Beschreibungen ab. Dies sorgt für einen ganz eigenen Rhythmus des Buchs und gefiel mir ausnehmend gut. Lustige Szenen wechseln sich genauso mit nachdenklich machenden Schilderungen ab und zeigen die Dynamiken innerhalb der Gruppe, ihre Sorgen und Wünsche.
Stellenweise erinnerte mich dies sehr an die Filme Vincent will meer und Friendship, doch das Buch bleibt immer eigenständig und souverän. Bereits Becks letzter Sommer von Benedict Wells hat mich tief berührt und ist eines meiner Lieblingsbücher geworden und nun hat er mit Fast genial das Kunststück wiederholt. Ein berührender Roman, der Depression mit Hoffnung verschmilzt und ein wirklich fieses Ende bereithält, das zahlreiche Interpretationen erlaubt!

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