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Bernardine Evaristo – Mädchen, Frau etc.

Einen ganzen Teppich aus Frauenleben webt die britische Autorin Bernardine Evaristo in ihrem Roman Mädchen, Frau etc.. Mit diesem Bogen an weiblichem, schwarzem Leben gelang der Autorin im Jahr 2019 eine Sensation: nach genau fünfzig Jahren seit Bestehen des Preises errang mit Bernardine Evaristo erstmals eine schwarze Frau diesen Preis. Nicht nur angesichts ihres Themas eine mehr als fällige Entscheidung – die im Lichte unserer Tage besehen auch zeigt, wie schnell sich der Zeitgeist wieder wandeln kann.


So viel (schwarzes) Frauenleben in einem Buch ist selten. Jedes der ersten vier Kapitel von Bernardine Evaristos Buch stellt drei ganz unterschiedliche Frauenleben vor, ehe im fünften Kapitel dann viele der vorgestellten Frauen auf der Premierenparty zum neuen Stück der Theatermacherin Amma im National Theatre in London zusammenfinden.

Es ist ein großer Bogen oder besser ein literarischer Teppich aus Leben und Schicksalen, den Evaristo in ihrem Roman knüpft. Da ist die schon erwähnte Amma, die als schwarze, lesbische Künstlerin zunächst gegen das althergebrachte System revoltierte. Sie „schleuderte als Rebellin Handgraten auf das Establishment, das sie ausschloss“ (S. 12), hat jetzt aber doch den Weg in die Institutionen angetreten. Als gefeierte Regisseurin aus dem Off reüssiert sie auf der größten Theaterbühne des Landes, wo sie ihr Stück Die letzte Amazone von Dahomey inszeniert.

Weiter geht es dann mit Ammas Tochter Yazz; darauf folgen weitere Frauen wie die im Laufe ihres Lebens zunehmend desillusionierte Lehrerin Shirley, die aus Nigeria stammende Akademikerin Bummi, die sich in London trotzdem als Putzfrau durchschlagen muss oder deren Tochter, deren Leben dann wiederum Berührungspunkte mit der Lehrerin Shirley aufweist.

Ein erzählerischer Teppich schwarzer Frauenleben

Bernardine Evaristo - Mädchen, Frau, etc. (Cover der Büchergilde-Ausgabe)

Immer wieder gibt es kleine Querverweise, berühren sich Leben, gibt es Überschneidungen der Lebensthemen, denen sich die Frauen gegenüber sehen. Dabei ist es die Unterschiedlichkeit, die ihre schwarzen Frauen ein. Mögen sie auch höher oder tiefer auf der gesellschaftlichen Leiter stehen, mögen sie scheinbar aller materiellen Sorgen enthoben sein oder sich genau damit herumschlagen. Es sind doch Fragen der Perspektivlosigkeit, des Rassismus und der Aussicht auf gesellschaftlichen Aufstieg, der über Generationen hinweg die Frauen vor Herausforderungen stellt.

Ausgreifend bis ins 19. Jahrhundert hinein ist Mädchen, Frau etc. das Manifest weiblicher Widerstandskraft und zeigt den vielgestaltigen Kampf um Selbstbehauptung für Evaristos Frauen.

Ebenso vielgestaltig, was Frauenleben und Themen anbelangt, ist auch Bernardine Evaristos Sprache. Die Professorin für Kreatives Schreiben wählt einen schnellen, manchmal fast nur angerissenen Stil, der sich gar nicht erst mit so etwas wie Zeichensetzung und eigentlich grammatikalisch gebotener Großschreibung innerhalb eines Satzes aufhält.

Rhythmisiert und vorwärtsdrängend ist ihr Stil, den Tanja Handels wunderbar ins Deutsche übertragen hat. Schnell hat man sich eingewöhnt in diese Erzählweise, die auch mit Rückblenden arbeitet und in manchen Passagen an ein Langgedicht erinnert.

Gewinner des Booker Prize 2019

Evaristos Sprache und der so vielstimmige Blick von schwarzen Frauen auf ihr Leben in Großbritannien fügt der britischen Literaturgeschichte eine notwendige und aufschlussreiche Perspektive hinzu. Insofern ist die Auszeichnung mit dem Booker Prize mehr als gerechtfertigt, den Evaristo im Jahr 2019 zusammen mit Margaret Atwoods Die Zeuginnen erhielt.

Nun, sechs Jahre später, lässt sich konstatieren, dass Evaristos Auszeichnung wirklich gerechtfertigt war und vielleicht auch nur die singuläre Zuerkennung des Preises verdient hätte. Atwoods Werk war ein solides, aber eben auch nur durchschnittlich erzähltes, am Actionerzählhandwerk aktueller Bücher orientiertes Sequel zu ihrer eigentlichen Großtat Der Report der Magd, das angesichts der zeitgeschichtlichen Entwicklungen seine ganze Prophetie und Klasse nach wie vor entfaltet, wohingegen das deutlich jüngere Werk der kanadischen Autorin dem Vergleich mit dem Vorgängerroman nicht Stand gehalten hat.

Doch der Blick zurück stellt nicht nur die wahre Klasse von Evaristos Werk und dessen Zeitlosigkeit in Sachen Themen und Erzählabsichten unter Beweis. Vor allem ist das Buch – so paradox es klingen mag -aufgrund dieser Zeitlosigkeit in gleichem Maße auch eine Kenngröße für die Zeit, die seit der Auszeichnung des Buchs verstrichen ist.

Zeitgeist im Wandel

Denn besieht man sich Bernardine Evaristos Sieg mit Mädchen, Frau etc. vor sechs Jahren, so muss man auch unweigerlich feststellen, wie sehr sich der Zeitgeist seit jenen Tagen gedreht hat. Jener Sieg zeigt deutlich, welcher Backlash in Sachen marginalisierter Perspektive, LGBTQI+ und der gesellschaftlichen Stellung der Frau in der Zeit von 2019 bis heute im Jahr 2025 stattgefunden hat.

War die Auszeichnung des Buchs im Jahr 2019 auch Ausdruck eines gestiegenen Bewusstseins für Diversität, Women of Color und bislang vernachlässigter Blickwinkel, so wäre eine Mehrheitsentscheidung für Evaristos Buch in diesen Tagen nicht mehr ohne Weiteres denkbar, davon bin ich überzeugt.

In aktuell tonangebenden Kreisen würde Mädchen, Frau etc. schnell als „identitätspolitisch“ oder gleich stumpf als „woke“ verunglimpft werden (was es natürlich im besten Sinne auch ist). In Zeiten, in denen diese Begriffe als Schimpfworte geführt werden, Firmen in atemberaubenden Tempo ihre Programme zur Förderung von Vielfalt und benachteiligten Personen einkassieren und die „starken“ Männer wieder den Ton angeben, dürfte schon alleine die Widmung des Buchs das Gemüt manch rechtsreaktionären Geistes erheblich zum Kochen bringen. Denn da heißt es:

Für die Schwestern, Sisters & Sistas & Sistahs & Sistren & die Frauen, Women & Womxn & Wimmin & Womyn & unseren Männern, Men & Mandem & die LGBTQI*-Mitglieder unserer Menschenfamilie

Widmung von Bernardine Evaristo – Mädchen, Frau, etc.

Notwendige Lektüre – gerade jetzt

Vor sechs Jahren sprach aus dieser Widmung ein fortschrittlicher Geistes, der ebenso in sprachlichen Experimenten eines Gendersterns oder der Einführung von Sensitivity Readers einen Ausdruck fand. Das Bemühen um den Einschluss von Menschen in ihrer ganzen Vielfalt und die Ermöglichung und Sichtbarmachung von mehr Pluralität in Gesellschaft und Sprache war an vielen Stellen zu greifen.

Davon ist nicht mehr viel übrig. Die über die Jahre mühevoll vorangedrehten Uhren des gesellschaftlichen Fortschritts werden in Rekordtempo zurückgestellt. Die USA als Taktgeber der „antiwoken“ Revolution kassieren erkämpfte Rechte für Trans*-Menschen ein, lassen per Geschlechtseintrag nur noch zwei Geschlechter zu (wie unsinnig dies ist zeigt schon alleine das Buchkapitel Megan/Morgan), unterstützen die Entfernung tausender Bücher aus Schulbibliotheken (darunter das eben schon erwähnte Der Report der Magd von Margaret Atwood, aber auch die Aussonderung von Evaristos Buch ist bestimmt nur eine Frage der Zeit)

Dabei zeigt doch Bernardine Evaristo mit ihrer lässig erzählten Geschichte, wie bedeutend gerade für Menschen, die außerhalb der weißen Mehrheitsgesellschaft stehen, die Sichtbarkeit in Gesellschaft und damit auch in der Literatur ist.

Natürlich ist auch manch linker Furor in Sachen Identitätspolitik zu kritisieren und auch das Buch meint es vielleicht an der ein oder anderen Stelle zu gut damit. Aber, und das ist das Entscheidende: Mädchen, Frau etc. schafft Bewusstsein für die Bedeutung dieses Fortschritts und der Notwendigkeit der gesellschaftlichen Veränderung, mit dem wir uns hinterfragen, uns auf unbekannte Schicksale und Perspektiven einlassen und im Dialog mit anderen Menschen den gesellschaftlichen Fortschritt vorantreiben. Das Buch atmetet diesen Geist, der in der Realität längst schon wieder verpufft zu sein scheint.

Fazit

Aber trotzdem – oder genau deswegen sind solche Bücher wie das von Bernardine Evaristo auch in reaktionären Zeiten so wichtig. Wir sehen, was auf dem Spiel steht, welche Fortschritte wir schon erlangt haben und was dieser Kampf auch für Menschen außerhalb der Mehrheitsordnung bedeutet. Allein schon deshalb lohnt die Lektüre von auch in diesen Tagen, schließlich ist Evaristos Werk eines, das weit über seine Zeit hinaus- und uns den Weg zu einer verständnisvolleren Gesellschaft weist.


  • Bernardine Evaristo – Mächen, Frau etc.
  • Aus dem Englischen von Tanja Handels
  • ISBN 978-3-608-50484-2 (Tropen)
  • Artikelnr. 172844 (Büchergilde Gutenberg)
  • 512 Seiten. Preis: 24,00 €
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Honorée Fanonne Jeffers – Die Liebeslieder von W.E.B. Du Bois

Was für ein Ziegelstein von einem Buch. Honorée Fanonne Jeffers spannt in ihrem Debütroman Die Liebeslieder von W.E.B. Du Bois einen ganz weiten Bogen, um von Schwarzem Leben in Amerika zu erzählen. Von der Zeit der indigenen Bevölkerung bis hinein in die Gegenwart reicht ihr Erzählkosmos, der eine junge schwarze Studentin in den Mittelpunkt stellt, in deren familiären Wurzeln sich die ganze Geschichte des Schwarzen Amerika abbildet. Es ist ein Erzählbogen, der bei aller Ambition auch ein wenig überspannt ist.


Chicasetta, das liegt im tiefsten Georgia. Georgia, das wohl so stark wie kaum ein anderer amerikanischer Bundestaat für die blutige Geschichte der Sklaverei steht, kamen doch hier zumeist aus Afrika stammende Sklaven tausendfach durch die grausame Ausbeutung auf Baumwollplantagen und an anderen Stellen ums Leben.

Eben dort in den Südstaaten lebt die Verwandtschaft von Ailey Pearl Garfield, die ihre Mutter zusammen mit den drei Kindern jeden Sommer besucht. Im Juni oder Juli packen die Garfields das Auto, um aus Connecticut die Mason-Dixon-Linie zu überqueren und in den Süden zu fahren. Dort, bei ihrem Onkel Root, verleben die Kinder und Erwachsenen sorglose Tage.

Die Geschichte Chicasettas und die der Sklaverei

Honorée Fanonne Jeffers - Die Liebeslieder von W.E.B. Du Bois (Cover)

Doch je älter Ailey wird, umso differenzierter wird das Bild, das sie von Chicasetta und der wechselvollen Geschichte des Süden der USA erhält. Von der Highschool bis zum Studium verfolgt Honorée Fanonne Jeffers in diesem Bildungsroman den Weg von Ailey, der schlussendlich bis zum Promotion als Geschichtsstudierende führt – ein Weg, der für eine Schwarze alles andere als leicht ist.

Im Zuge dieser Bildungskarriere taucht Ailey immer tiefer in die Geschichte Chicasettas und ihrer eigenen schwarzen Familie ein. Stärkste Inspirationsquelle ist dabei ihr Onkel Root, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts geboren wurde und der die wechselvolle amerikanische Geschichte und die Nachwirkungen des Systems der Sklaverei am eigenen Leib miterlebt hat. Er hat einst am Routledge College die Bekanntschaft mit dem Denker W.E.B. Du Bois gemacht – eine Begegnung, die ihn sein ganzes Leben beeinflusst hat und seine Weltsicht entscheidend prägte.

Das Denken W.E.B. Du Bois

Jener schwarze Denker und Theoretiker, der bei uns so gut wie unbekannt ist (wenngleich seine Studie Along the color line über seinen Besuch des nationalsozialistischen Deutschlands 1936 im vergangenen Jahr bei C. H. Beck wieder zugänglich gemacht wurde), ist mit seinem intellektuellen Ansatz für ein anderes Miteinander von Schwarz und Weiß eine der entscheidenden Figuren, deren Denkschule und Theoriewerk die Generationen prägt, vom Zeitzeugen Onkel Root bis hin zu der 1973 geborenen Ailey.

Während sie sich verliebt, Mitglied in einer Verbindung auf dem Campus werden möchte, sich in Affären stürzt und am eigenen Leib den immer noch grassierenden Rassismus sowohl im Süden als auch im Norden erfährt, bleibt sie doch auch unbeirrt auf ihrem Weg, das Schwarze Erbe und die Verstrickungen von Sklaverei und Rassismus auf lokaler und familiärer Ebene aufzuarbeiten. Während sie sich in diese Geschichte einarbeitet, sind es von Beginn des Romans an immer wieder als Song betitelte Zwischenspiele, die die elf Kapitel der Familiengeschichte Ailey Pearl Garfields unterbrechen.

Songs mit Schwarzer Geschichte

In diesen Songs geht Honorée Fanonne Jeffers ganz weit zurück in der Geschichte der USA, um die Geschichte von Schwarzem Leben in den USA zu erzählen. So setzt das Buch zur Zeit der indigenen Ureinwohner ein, als Stämme wie die Cherokee oder die Creek noch unbehelligt auf ihrem Land leben konnten. Sie zeichnet in den bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhundert zurückreichenden Episoden nach, wie Siedler und mit ihnen auch das System der Sklaverei langsam die indigene Bevölkerung verdrängten und wie sich die aus Afrika verschleppten Menschen im grausamen Sklavensystem der Südstaaten wiederfanden.

Die lose miteinander verknüpften Songs bilden Stück für Stück Stammbäume und Ahnenlinien ab, wobei der Erzählton von Honorée Fanonne Jeffers an manchen Stellen schon einen fast biblischen Klang bekommt, wenn sie über die Abstammung der Familien und Geschlechter erzählt.

Die Hauptrolle in diesen Episoden mit den erzählten Stammbäumen spielt dabei Samuel Pinchard, dessen Tun als Sklavenhalter und vor allem Sklavenschänder vom herrschenden System der Herrschaft der Weißen gedeckt war. Gewalt, Missbrauch und anderes Unrecht schildert Jeffers in diesen Songs anschaulich – und verknüpft diese Geschichten mit der erzählten Gegenwart rund um Aileys Familie.

Viel Ambitionen und viel Leid

Doch damit begnügt sie sich nicht – denn Honorée Fanonne Jeffers will in ihrem Debüt gleich alles (was leider auch etwas zu viel ist, um dieses Urteil vorwegzunehmen). So porträtiert sie die Familie Aileys, deren Weg als schwarze Familie im weißen Norden, erzählt ausführlich vom Abrutschen der ältesten Schwester Lydia in die Sucht, entwickelt im Hauptteil einen echten Campusroman, der von Kämpfen und Niedertracht vor und hinter der Kulissen der honorigen Universitäten erzählt. Zudem spielt das geschichtsträchtige Leben ihres Onkel Roots eine große Rolle – und auch von innerfamiliären Missbrauch, den Ailey und ihre Schwestern erfahren mussten, erzählt Die Liebeslieder von W.E.B. Du Bois.

So gut sich die Aufsteiger-Geschichte von Ailey inklusive diverser Niederschläge und Verlusterfahrungen auch liest – in Verbindung mit dem knappen Dutzend an historischen Episoden mit einem schon fast ausufernden Personaltableau entsteht im letzten Drittel dieses fast tausendseitigen Romans auch zunehmend ein Gefühl der Überforderung und der verlorenen Übersicht, wenn von Honorée Fanonne Jeffers der nächste historische Strang eingeführt wird.

Blickt man in den umfassenden Anmerkungsapparat zum Buch, so sind es vier Hauptfamilien, die die Stammbäume aufführen. Diese weisen insgesamt über 36 Nachfahren nebst der Elternpaare auf, die allesamt mal in den Songs und mal in der Haupterzählung eine Rolle spielen. Das war für mich, der die Lektüre ein paar Mal für wenige Tage unterbrechen musste, in seiner Komplexität und Fakten- und Personenfülle leider so manches Mal zu viel, auch wenn der Anmerkungsapparat natürlich bei der Lektüre hilft.

Hochinteressante Anmerkungen zur Übersetzungsproblematik

Ein Glossar zu schwarzen Begriffen ergänzt Die Liebeslieder von W. E. B. Du Bois genauso wie ein erklärendes Nachwort der Übersetzerinnen Maria Hummitzsch und Gesine Schröder, die ihre Übersetzungsüberlegungen zu Slang und der Übertragung des African American Vernacular English, einer mündlichen Abart des Schriftenglisch, das von Schwarzen gesprochen wurde und wird, darlegen.

So haben sie sich bemüht, die zwei Sprachebenen des englischen Originals zumindest in Ansätzen sichtbar zu machen, ohne dass es dazu führt, dass die Schwarzen im Roman wie Einfaltspinsel und tumbe Gestalten klingen (was bei anderen Büchern leider immer wieder passiert).

Dieses Nachwort und die darin dargestellten Probleme bei der Übersetzung zählen für mich zu den interessantesten Aspekten des Buchs, berühren diese Anmerkungen doch einige Probleme, auf die ich bei der Lektüre Schwarzer Autor*innen im Deutschen immer wieder stoße. Wie stellt man das weite Begriffsfeld von Race im Deutschen dar, wie bildet man das variantenreiche Vokabular von Negro bis Black wenigstens einigermaßen angemessen im Deutschen ab und warum schreibt man im Kontext von afroamerikanischer Literatur Schwarz auch groß?

All diese Anmerkungen und Erklärungen von übersetzerischer Theorie und Praxis und den Grenzen unserer Sprache zählen für mich zu dem Interessantesten, was ich auf diesem Feld in letzter Zeit gelesen habe (und stellen unter Beweis, welch fordernde Aufgabe die Übersetzerinnen hier mit Bravour gemeistert haben).

Fazit

Man muss Zeit und Muse mitbringen, will man sich in diese fast tausend Seiten Schwarzer Geschichte in den USA verbunden mit viel Familiengeschichte und einem Bildungsroman stürzen. Mit Die Liebeslieder des W.E.B. Du Bois legt Honorée Fanonne Jeffers, ihres Zeichens Professorin für Kreatives Schreiben an der Universität von Oklahoma, eine ambitionierte Erzählung über die gesamte Spanne Schwarzen Lebens in der USA vor. Aufgrund der episodalen Fülle an geschichtlichen Rückblenden mit einem schon fast ausufernden Personalensemble empfiehlt sich das Buch nicht für längere Unterbrechungen und braucht viel Aufmerksamkeit und Übersicht, bei der auch der umfangreiche Anmerkungsapparat nur ein Stück weit helfen kann.

Für mich persönlich will Honorée Fanonne Jeffers in ihrem Debüt ein bisschen zu viel, aber nichtsdestotrotz ist das Buch doch ein wirklich großer Wurf, der den Schwarzen Wurzeln in Amerika nicht nur im Privaten umfassend nachspürt.


  • Honorée Fanonne Jeffers – Die Liebeslieder des W.E.B. Du Bois
  • Aus dem amerikanischen Englisch von Maria Hummitzsch und Gesine Schröder
  • ISBN 978-3-492-07012-6 (Piper)
  • 992 Seiten. Preis: 28,00 €
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