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Carlos Ruiz Zafón – Das Labyrinth der Lichter

Im Labyrinth des Dichters

Nun liegt mit Das Labyrinth der Lichter der vierte und abschließende Teil der Reihe um den Friedhof der vergessenen Bücher vor. Der Autor Carlos Ruiz Zafón kehrt hierzu wieder in das gotische Barcelona zurück, das Leser schon aus den drei vorherigen Teilen Der Schatten des Windes, Das Spiel des Engels und Der Gefangene des Himmels kennen. Der Roman fungiert als Schlussstein, führt die Figuren aus den Vorgängern noch einmal zusammen und ist mit 960 Seiten ein sehr ausladendes Finale geworden. Doch auch Neulinge dürften sich gleich im Universum von Ruiz Zafón zurechtfinden.

Carlos Ruiz Zafon - Das Labyrinth der Lichter (Cover)

Erzählt wird die Geschichte von Alicia Gris, die ein Spezialauftrag zurück nach Barcelona führt: der Bildungsminister Mauricio Valls ist verschwunden. Dieser ist ein wichtiges Zugpferd der Franco-Diktatur 1957 und soll nun von Alicia wiedergefunden werden. Zusammen mit einem Kollegen geht sie den dünnen Spuren nach, um das Verschwinden regimetreuen Funktionärs zu beleuchten. Feinde, die hinter dem Verschwinden stehen könnten, gäbe es zur Genüge. Der Minister hat in seiner Regierungszeit die Hälfte der spanischen Schriftstellerzunft verfolgen und verhaften lassen. Hat einer dieser Schriftsteller eine mit Valls Rechung offen?

Die Spuren des Verschwundenen führen Alicia von Madrid wieder zurück nach Barcelona – eine Stadt, der sie für immer entkommen zu sein glaubte. Doch Ereignisse aus Alicias Kindheit lassen sie auch bei ihrem aktuellen Auftrag nicht los und so wird die Suche schließlich immer mehr zu Alicias Obsession und führt sie zurück an die Stätte, an der alles seinen Anfang nahm – den Friedhof der vergessenen Bücher.

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John Wray – Das Geheimnis der verlorenen Zeit

Marcel Proust war auf der Suche nach der verlorenen Zeit, der Engländer John Wray will nun ihr Geheimnis erkunden. Die verlorene Zeit steht im Mittelpunkt dieses Romans, der sich konsequent jeder Einordnung entzieht und der den Leser in eine Zeitschleife schickt. Von Tschechien über Wien bis nach Amerika geht die Reise, die Zeit und Raum durchmisst.

Der Hobbyphysiker und Gurkenfabrikant Znaim Toula entdeckte just das Geheimnis der verlorenen Zeit, um aber kurz nach dieser Entdeckung von einem Automobil auf die Hörner genommen zu werden. Seine beiden Söhne Waldemar und Kaspar entwickeln sich danach auf ganz eigene Art und Weise weiter und versuchen stets, das Erbe ihres Vaters zu entschlüsseln.

Neben diesem chronologischen Erzählungsstrang, der sich durch die Weltgeschichte und durch verschiedene Schauplätze arbeitet, gibt es einen zweiten Erzählstrang, der die Episoden aus der Familiengeschichte zusammenhält. Denn irgendwo in einem Appartement sitzt in einer Zeitschleife Waldemar Tolliver fest. Dieser schreibt an seine Liaison Mrs Haven Briefe, in denen er ihr und damit dem Leser erklärt, wie sie zusammenfanden und welche Geheimnisse der Tolliver-Clan so hütet.

Es könnte so schön mit diesem Roman sein – doch leider macht es John Wray dem Leser respektive meiner Wenigkeit sehr schwer. Dass er schreiben kann – das steht außer Frage. Doch wunderbare Passagen werden immer wieder von völlig konfusen Seiten durchbrochen, in denen Wray schwer verständliche Schilderungen, Briefe oder physikalische Erklärungen unterbringt oder seine Charaktere surreale Dialoge führen lässt.

Bei allem Willen zum Experiment und formalen Sich-Ausprobieren – das war für mich über die Länge des Buchs dann doch zu unlesbar.

Ärgerlich ist das vor allem, da unter allen Manierismen und erzählerischen Schlacken immer wieder eine tolle und faszinierende Geschichte durchschimmert. Das Potential einer außergewöhnlichen Geschichte ist ja da – doch John Wray verschießt leider sein ganzes Pulver, um diesen überlangen Roman zu etwas Besonderem zu machen. Und genau daran scheitert er dann eben, denn Dada, Physik und viel Zeitkolorit wollen hier nicht miteinander reagieren und nicht zu einer flüssigen Erzählung legieren.

So bleibt der Roman hinter den Erwartungen zurück – ein engeres Korsett hätte „Das Geheimnis der verlorenen Zeit“ gutgetan. In meinen Augen die bessere Wahl wenn es um Physik, Zeitgeschichte und Faszinosien geht – Reif Larsen mit Die Rettung des Horizonts.

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Nathan Hill – Geister

Die Geister, die ich rief …

Was für ein Buch – Nathan Hills Debüt Geister bringt es auf stattliche 864 Seiten und verlangt dem Leser einiges an Kondition ab. Ins Deutsche übertragen wurde der Titel vom Übersetzerduo Werne Löcher-Lawrence und Katrin Behringer. Erschienen ist es im Münchner Piper-Verlag.

In seinem Roman entfaltet Hill das Panorma zweier Existenzen – zum einen das des Englisch-Professors Samuel Anderson und zum anderen das seiner Mutter Faye Anderson-Andresen.

geister

Verbunden sind diese nicht nur durch ihre Herkunft, sondern auch durch ein Geheimnis, das Samuel nun endlich ergründen möchte. Eines Tages verließ seine Mutter einfach ihn und seinen Vater und verschwand ohne ein weiteres Lebenszeichen aus deren Leben.

Und nun tritt sie Jahre später mit einem Knall erneut in Samuels Welt. Sie wird nämlich gerichtlich dafür belangt, einen republikanischen Präsidentschaftsbewerber attackiert und mit Steinen beworfen zu haben. Da Samuel finanziell mehr als in der Klemme steckt, soll er nun eine alte Bringschuld für seinen Verleger einlösen und ein Buch über diesen Vorfall und damit über seine Erzeugerin schreiben. Er beginnt mit seiner Recherche, und dringt dabei auch tief ins Jahr 1968 vor. Damals versetzten die Studentenunruhen und Proteste ganz Amerika in Aufregung und im Leben von Samuels Mutter spielten sich entscheidende Dinge ab, die sie für immer prägen sollten.

864 abwechslungsreiche Seiten

864 Seiten, das klingt auf dem Blatt erst einmal nach einem wirklichen Ziegelstein von Buch. Doch Nathan Hill ist ein zu guter Schriftsteller, als dass er seine LeserInnen wirklich zu so vielen Seiten verpflichten wollte, wenn er nichts zu erzählen hätte. Seine Doppelbiografie zweier kantenreicher Persönlichkeiten liest sich ausnehmend kurzweilig, was auch der Montagetechnik des Romans geschuldet ist. Immer wieder springt er zwischen den Jahren 2011 und 1968 hin und her und variiert auch seine Schreibe.

So berichtet er von Computerspiel-Episoden, ersinnt eine Entscheide-Dich-Geschichte und liefert mit einer brillant choreografierten Schilderung der Antikriegs-Demonstrationen in Chicago 1968 den für mich überzeugendsten Teil der Geister ab. Diese variantenreiche Erzählweise macht den großen Reiz aus und sorgt dafür, dass man sich gut in Hills Protagonisten einfühlen kann.

Besonders sticht bei diesem Buch auch hervor, dass der junge Autor nicht alles zwangsläufig auserzählen muss.

Ein verheißungsvoller Literat macht sich warm

Entscheidende Passagen oder Schlüsselszenen spart er manchmal auch aus und überlässt deren Inhalt der Fantasie des Lesers. Immer wieder bringt er neue Facetten zum Vorschein oder legt den Fokus auf unterschiedliche Protagonisten (darunter auch Personen der Zeitgeschichte wie etwa Allen Ginsberg). Dies lässt aus diesem toll gestalteten Buch eine spannende und abwechslungsreiche Lektüre werden.

Ein großer amerikanischer Roman für diesen Herbst. Hier macht sich ein neuer Literat am Seitenfeld warm, der schon bald altgedienteren und etablierten Great-American-Novel-Schreibern den Rang ablaufen könnte!

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Gisa Klönne – Die Toten, die dich suchen

Die Kriminalkommissarin Judith Krieger ist zurück. Für den sechsten Einsatz der Kölner Ermittlerin hat sich die Autorin Gisa Klönne fünf Jahre Zeit gelassen. Zeit, die Judith Krieger für ein Sabbatical genutzt hat. Und dieses führte sie just nach Kolumbien, ein Land, das immer noch unter den Nachwehen der Herrschaft des mächtigen Narco-Paten Pablo Escobar leidet. Und auch wenn der Friedensprozess mit den FARC-Rebellen dort weiter voranschreitet und Präsident Santos der Friedensnobelpreis zugesprochen wurde, ist das Land immer noch mehr als zerrissen. Man denke nur an das Friedens-Referendum, das vor wenigen Tagen just von der Bevölkerung abgelehnt wurde. Ein sehr bewegtes Land also, in das sich Judith Krieger zurückzog um eine Auszeit von ihrem Job bei der Mordkommission der Kölner Polizei zu nehmen.

kloenneNun ist Judith zurück – allerdings in veränderter Position. Von nun an bekleidet sie die Leitungsposition des Vermisstendezernats  der Polizeibehörde von Köln und hat sich von den Toten losgesagt. Doch wie das so ist – Die Toten, die dich suchen finden dich auch. Und zwar in Gestalt des kolumbianischen Geschäftsmannes Angelo Jaramillo, der in einem verlassen Gebäudekomplex am Rheinufer entdeckt wird. Das Opfer verstarb quälend langsam durch Verdursten und hat am Tatort eine Botschaft namens Jesus zurückgelassen. Schnell ist Judith Krieger in diesen Fall involviert, spricht sie doch spanisch und hat ja ihr Sabbatical im Heimatland des Verstorbenen verbracht. Sie fungiert als Kontaktperson zu den Ermittlern in Kolumbien und verbeißt sich schon bald wieder in den Fall. Continue reading

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Don Winslow – A long walk up the water slide

Hier ist er nun, der vierte und damit vorletzte Streich aus der Neal-Carey-Reihe von Don Winslow. Abermals zackig von Conny Lösch übersetzt muss der junge Privatdetektiv nun wieder für die Bank seinen Dienst antreten. Angekündigt wurde der Titel ursprünglich als Lady Las Vegas, nun gibt es diesen Roman nun unter seinem Originaltitel zu lesen, dargebracht in der einheitlichen Reihenoptik.

WinslowNach seinem letzten turbulenten und recht bleihaltigen Einsatz in Way down on the High Lonely könnte es diesmal eigentlich weitaus gemütlicher werden für Neal. Denn sein neuer Einsatz für die Bank klingt zunächst machbar. Carey soll die plötzlich zu Berühmtheit gelangte Polly Paget verstecken und zu einer vorzeigbaren Dame machen. Diese bezichtigt nämlich den Fernsehstar Jack Landis der Vergewaltigung, obwohl dieser zusammen mit seiner Frau Candy für DAS Bild der amerikanischen Vorzeigeehe steht. Die Medien blasen zur Jagd auf die beiden Parteien und so parkt die Bank Polly derweil bei Neal und seiner Freundin Karen. Während dieser nun als moderner Professor Higgins aus Polly eine Eliza Doolittle II zu formen versucht, treten die unterschiedlichsten Protagonisten auf den Plan, da die Vergewaltigungsvorwürfe von Polly Paget nur die Spitze des Eisbergs darstellen und im Hintergrund noch ganz andere Befindlichkeiten verhandelt werden.

In A long walk up the water slide versucht Don Winslow diesmal von allem etwas zu viel, was das Buch leider zum Durchhänger in der Reihe macht. Eigentlich klingt der Plot ja recht übersichtlich und ist es mit einem Volumen von 300 Seiten auch. Doch nach dem Auftakt flicht Winslow zu viele Stränge in seine Handlung ein, die die Lesbarkeit des Krimis bremsen. Da ist zunächst der ehemalige Agent Walter Withers, den treue Winslow-Fans noch aus dem Frühwerk Manhattan des Autors kennen dürften. Dieser feiert sein Comeback im Buch, da auch er Polly Paget suchen darf. Dann kommt noch ein psychotischer Killer dazu, der sich auf die Suche nach Polly macht; Jack und Candy Landis stolpern durch die Handlung und dann ist da auch noch eine ganze Schar von Mafia-Mitgliedern nebst Vertretern der Bank.

Das sind einfach zu viele unterschiedliche Figuren und Motive für einen eigentlich nur kleinen Thriller. Schnell verliert man hierbei den Überblick über die einzelnen Parteien und deren Beweggründe. Die Handlung springt zwischen Mafia, Verfolgung und Frauwerdung von Polly Paget hin und her und erfordert einen höchst aufmerksamen Leser. Stellenweise freute man sich über ein Flowchart, das die einzelnen Stränge plausibel aufschlüsselte. Da hilft es auch nicht, dass die Figuren oftmals an der Grenze zur Karikatur angesiedelt sind. Für mein Empfinden will Winslow in diesem Thriller einfach zu viel.

So bleibt noch die Aussicht auf den finalen Band dieser eigentlich tollen Reihe, der hoffentlich zurück zu alter Stärke finden kann. Palm Desert wird dann im Juni 2016 erscheinen und die Vorfreude bei mir ist schon groß!

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