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Maddalena Vaglio Tanet – In den Wald

Der Wald als Ort der Zuflucht, die italienische Autorin Maddalena Vaglio Tanet greift in ihrem Debüt In den Wald auf dieses Motiv zurück, um von der psychischen Erschütterung einer Lehrerin und der Reaktion ihres Umfelds darauf zu erzählen.


Schon seit der Romantik ist der Wald das Motiv, das für Zuflucht, Geborgenheit, aber auch Gefahr und Entgrenzung steht. Immer wieder haben Autor*innen diesen Ort in seiner Vielschichtigkeit inszeniert. Martin Suter ließ beispielsweise vor über zwanzig Jahren in seinem Bestseller Die dunkle Seite des Mondes den Schweizer Banker Urs Blank halluzinogene Pilze probieren. Daraufhin floh der soignierte und erfolgreiche Anwalt in den Wald, wo er das Überleben lernte. Oder auch der Schriftsteller Rye Curtis war es, der vor Kurzem seine Heldin Cloris nach einem Flugzeugabsturz in der Wildnis der nordamerikanischen Wälder zum Überleben verdammte.

Immer wieder greifen Schriftsteller und Schriftstellerinnen auf die Möglichkeit zurück, ortsfremde Figuren in der Umgebung des Waldes auszusetzen, damit sie überleben, sich ihrer eigenen Geschichte stellen oder einen neuen Blick aufs Leben gewinnen.

Flucht in den Wald von Piemont

Im Falle im Falle von Maddalena Vaglio Tanets Debüt ist es eine Lehrerin, die im Wald überleben muss, auch wenn sie das eigentlich gar nicht will.

Statt in die Schule ging die Lehrerin in den Wald.

In einer Hand hielt sie die Zeitung, die sie gerade gekauft hatte, in der anderen die lederne Aktentasche mit den Heften, den korrigierten Aufgaben, den Kugelschreibern und sorgfältig angespitzten Bleistiften. Ohne zu zögern, verließ sie die Straße, als wäre der Wald von Anfang an ihr Ziel gewesen. Ihre flachen Schuhe traten auf einen Teppich aus braunen, glänzenden Blättern, die ihr wie ein Feld aus rohen Innereien erschienen.

Maddalena Vaglio Tanet – In den Wald, S. 11

Zugegeben keine wirklich gute Ausrüstung, um im Wald zu überleben, selbst bei sommerlichen Temperaturen. Der Auslöser für diesen scheinbar so irrationalen Schritt oder besser Gang besteht in einem Ereignis, von dem sie aus der Zeitung erfahren hat. Denn eine Schülerin Silvias, so der Name der Lehrerin, hat Selbstmord begangen. Aus einem Fenster hat sich das elfjährige Mädchen in den darunter fließenden Wildbach Cervo stürzt.

Silvia gibt sich die Schuld an dieser Tragödie, hatte sie doch noch zuvor die mangelnde Präsenz der Schülerin im Unterricht bei den Eltern angemahnt. Doch nun, da das Mädchen tot ist, wird Silvia von schwersten Schuldgefühlen geplagt und will eigentlich nicht mehr sein.

Eine Tragödie und ihre Folgen

Maddalena Vaglio Tanet - In den Wald (Cover)

Im nahegelegenen bergigen Waldgebiet, der sich an das kleine piemontesische Dorf anschließt, sucht sie die Einsamkeit, die sie in einer zerfallenen Waldhütte findet. Derweil wird das Dorf nach der Hiobsbotschaft des Freitods der Schülerin nun auch vom Verschwinden der Lehrerin aufgewühlt. Silvias Cousin Anselmo macht sich ebenso wie der von asthmageplagte Schüler Martino auf die Suche nach der zweiundvierzigjährigen Frau.

In den Wald erzählt vom übermächtigen Wunsch des Verschwindens, der Scham und der Reue genauso wie vom Leben, das auch nach solch katastrophalen Ereignissen weitergeht, wie sie das piemontesische Dorf hier gleich zweifach heimsuchen im Sommer des Jahres 1970.

Maddalena Vaglio Tanet nutzt hierfür ein ganzes Ensemble an Figuren, die in kurzen Kapiteln immer wieder im Mittelpunkt stehen. Neben dem familiären und schulischen Umfeld der getöteten Schülerin und der verschwundenen Lehrerin ist es vor allem der junge Martino, der zusammen mit Silvia im Mittelpunkt steht. Denn dieser macht schon bald die zerfallene Hütte mitsamt der neuen Bewohnerin ausfindig. In einem Akt der Verkehrung wird der junge Schüler zum eigentlichen Versorger und Beschützer seiner Lehrerin, die dort in der aufgrund von Hunger und Durst schon bald zu delirieren beginnt.

Schüler und Lehrerin – und die Verkehrung der Rollen

Martino versorgt sie mit Nahrung und Trinken, wird zum häufigen Besucher der älteren Frau in der Hütte und hört ihr zu, die sie sich in Gedanken und Erinnerungen zu verlieren droht, während das Dorf langsam schon gar nicht mehr an das Überleben von Silvia glaubt.

Tanets Debütroman beruht dabei auf biografischen Details aus ihrer eigenen Familie, wie die Autorin im Nachwort ihres Romans schreibt. So gab es auch in Tanets Familie eine kinderlose Cousine, die als Lehrerin arbeitete. Auch sie blieb tagelang verschwunden, um später völlig verdreckt und nahezu verhungert wieder aufzutauchen. Die Frage, was mit der Frau geschehen war und was der Auslöser für ihre Flucht war, beschäftigte Tanet insbesondere, da die Hintergründe der Episode nie wirklich in der Familie thematisiert wurden.

Und so liegt nun mit In den Wald vor eine Art Antwortversuch oder Fantasie über die möglichen Hintergründe des damaligen Ereignisses vor. Der Roman ist düster, zeigt eine raue Natur, die wenig gemein hat mit italienischer Sommer-Idylle und präsentiert Figuren, denen man auch nicht wirklich in die Seele schauen kann und die zumeist so karg sind wie die Umwelt, die sie umgibt. Insofern greift Tanets Debüt tatsächlich jene Stimmung auf, die in ihr vor dem Verfassen des Buchs herrschte, was die Frage des Verschwindens anging.

Fazit

Wer dunklere Geschichten über das Überleben im Wald, die Versehrungen an Seelen und ihre Folgen schätzt, der bekommt mit In den Wald eine eindrückliche Geschichte aus dem Norditalien der 70er-Jahre präsentiert, die sich gut in die Riege der eingangs genannten Titel einfügt. Übersetzt wurde der Roman aus dem Italienischen von Annette Kopetzki.


  • Maddalena Vaglio Tanet – In den Wald
  • Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
  • ISBN 978-3-518-43198-6 (Suhrkamp)
  • 304 Seiten. Preis: 24,00 €
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Dennis Lehane – Kalt wie dein Herz

Ob der dritte Format- und Gestaltungswechsel innerhalb von fünf Bänden den verdienten Ruhm bringt? Angesichts der bisherigen Rezeption der Diogenes-Neuausgabe der Krimis von Dennis Lehane bezweifle ich. Obgleich Kalt wie dein Herz einmal mehr ein absoluter Ausnahmekrimi ist.


Dabei sieht es zu Beginn des Krimis gar nicht nach einem Fall von Kenzie & Gennaro aus, wie der fünfte Band der Reihe analog zu den anderen Krimis untertitelt ist. Denn die erfolgreiche (Arbeits-)Beziehung des Bostoner Detektivpaars ist nach den dramatischen Ereignissen aus Gone baby gone zu ihrem abrupten Ende gekommen. Angie Gennaro ist aus der Wohnung ausgezogen und man lebt getrennt.

Die junge Frau und der Stalker

Während sie für ein Sicherheitsunternehmen arbeitet und Männer datet, hält sich Patrick Kenzie weiterhin mit Detektivjobs über Wasser. In dieser Funktion sucht ihn Karen Nichols auf die sich von einem Stalker bedroht fühlt. Dieser stellt ihr nach und überschreitet dabei alle Grenzen.

Um das Problem zu lösen, setzt Patrick auf seine alte Freundschaft zu Bubba Rogowski, mit dem er den Stalker zuhause aufsucht und mit schlagkräftigen Argumenten auf ein sofortiges Ende der Annäherungen dringt.

Damit könnte das Buch natürlich zu Ende sein, doch wie das immer bei Dennis Lehane der Fall ist, liegt der Fall auch hier deutlich komplizierter, als es zunächst den Anschein hat. Denn auch Patrick Kenzie lässt nach der Trennung von Angelia Gennaro nichts anbrennen und fliegt mit einer attraktiven Strafverteidigerin in den Urlaub, statt sich vor dem Abflug noch einmal mit Karen Nichols in Verbindung zu setzen, die ihn unbedingt kontaktieren wollte.

Ein Suizid mit Folgen

Dennis Lehane - Kalt wie dein Herz (Cover)

Zurück aus dem Urlaub erwischt ihn die Nachricht vom Suizid Karens mit voller Wucht. Hat der Stalker nach der Abschreckung durch Bubba und Patrick doch noch einmal eine fatale Annäherung an Karen gewagt? Oder steckt etwas ganz anderes hinter dem Tod der jungen Frau?

Nichts ist hier, wie es scheint. Weder bei der Familie von Karen Nichols, noch im Umfeld der jungen Frau. Dass muss Patrick Kenzie erkennen, als er tiefer in die Ermittlungen einsteigt, nachdem ihm der Suizid von Karen alle Ruhe kostet. Wie konnte es zu dieser Tat kommen und warum hat er sich damals nur so wenig für das weitere Schicksal Karen interessiert und sich lieber dem Hedonismus hingegeben? Und wie konnte die Frau innerhalb weniger Monate so tief sinken, wie es alle Zeuginnen und Zeugen um sie herum beschreiben?

Das schlechte Gewissen quält Patrick und lässt ihn trotz der vielen Sackgassen, in die er sich manövriert, immer wieder weiterforschen. Seine Suche nach den Gründen für den Suizid bringt ihn schließlich auf die Spur eines wirklich gefährlichen Mannes.

Nach wie vor aktuell und von bestechender Qualität

Die Reihe um Patrick Kenzie und Angela Gennaro ist wirklich ein Phänomen. Schon seit Lehanes Debüt Dunkelheit, nimm meine Hand gelingt ihm eine Reihe auf erstaunlich hohem Niveau, die abseits von Zeitkolorit (wie antiquierter Überwachungstechnik etc.) auch über zwanzig Jahre nach ihrem ursprünglichen Erscheinen ganz hervorragend funktioniert. Jeder der Bände weist eine andere Erzählstruktur und Herangehensweise auf, Themen und Setzungen variieren, wobei sich die Romane am ehesten in Sachen Auftreten eines bestimmten gefährlichen Typs von Mann ähneln. Das ist bei Kalt wie dein Herz auch nicht anders, hier ist es ein eiskalter Psychopath, in dessen Plan der Selbstmord von Karen Nichols nur ein Baustein ist.

Wie Lehane diesen Plan langsam enthüllt und bis ins Finale dieses über 500 Seiten starken Krimis immer wieder neu zu überraschen weiß, das ist großartig gemacht. Der Heißsporn Patrick Kenzie, das Duell mit dem Psychopathen, die Annäherung an Angela Gennaro, das Einbinden von Architektur und Stadtgeschichte Bostons, das macht Lehane so in dieser Qualität keiner nach.

Zu wenig Interesse – und editorischer Wankelmut

Der einzige Wermutstropfen bei der Sache ist und bleibt das mangelnde öffentliche Interesse – und der Wankelmut des Diogenes-Verlags, der bei jedem Buch eine neue Gestaltungsidee zu verfolgen scheint (nach einem schwarzen Cover bei Band 2 ein weißer Rücken, dann wieder zurück zur schwarzen Gestaltung bei Band 3, dann ein weißes Paperbackformat mit Kinomotiv für Band 4, Band 5 dann als Taschenbuch mit Klappenbroschur). So darf man gespannt sein, ob und wie uns der finale Band der Reihe Moonlight Mile noch erwartet. Im Buchregal herrscht bei dieser Reihe auf alle Fälle optisch das, was in Lehanes Neo-Noir Boston die Erfahrungswelt der beiden Detektive dominiert: nämlich Chaos.

Davon abgesehen ist jeder Band eine Entdeckung wert, besonders durch die zeitgemäße Neuübersetzung durch Peter Torberg.


  • Dennis Lehane – Kalt wie dein Herz
  • Aus dem Englischen von Peter Torberg
  • ISBN 978-3-257-30046-8 (Diogenes)
  • 510 Seiten. Preis: 18,00 €
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Matt Haig – Die Mitternachtsbibliothek

168.000 Züge. So viele Züge sind in einer Schachpartie möglich. Eine schier unüberschaubare Anzahl, bei der schon die jede Bewegung einer Spielfigur eine Vielzahl neuer Züge ermöglicht. Doch wie wäre es, wenn jeder dieser Spielzüge für ein potentielles Leben stünde, das wir leben könnten? Matt Haig dekliniert in seinem neuen Roman Die Mitternachtsbibliothek diese Idee durch.


Dabei beginnt alles mit dem Selbstmord seiner Protagonistin Nora Seed. Diese sieht keinen Sinn mehr im Leben. Alleinstehend, frisch ohne Job, die Katze Voltaire überfahren. Die beste Freundin reagiert in Australien nicht mehr auf Nachrichten – da beschließt Nora von eigener Hand aus der Welt zu scheiden. Doch statt im Jenseits landet sie in einer Art Limbus. Dieser Limbus präsentiert sich als Mitternachtsbibliothek, in dem die Bibliothekarin Miss Elms ihren Dienst tut. Sie erklärt Nora die Funktionsweise dieser Bibliothek. Denn jeder Band in den Regalen dieser Mitternachtsbibliothek enthält ein potentielles Leben, in das Nora eintauchen kann. Und so taucht sie in die Möglichkeiten dieses Multiversums ein. Mal ist sie erfolgreiche TED-Rednerin, mal hostet sie Quiz-Abende im eigenen Pub. Wie auf einem Schachbrett eröffnen sich ihr Chancen und Möglichkeiten ihrer ungelebten Leben. Leben, die sie mal ins ewige Eis, mal auf die Bühnen der Welt und mal in beschauliche Dörfer versetzen. Kann Nora so den Sinn des Lebens erkennen?

Der Sinn des Lebens

Matt Haig hat ein Buch über die schweren Themen des Lebens geschrieben. Selbstmord, Tod, Trauer, die Frage nach all dem, was möglich gewesen wäre. Die Suche nach dem Sinn des Lebens spielt in Die Mitternachtsbibliothek genauso eine Rolle wie die Frage, was ein Leben zu einem gelungenen Leben macht. Bei aller Schwere der Themen ist festzustellen, dass das Buch selbst nichts von dieser Schwere aufweist. Eher könnte man Die Mitternachtsbibliothek dem Genre des Feelgood-Romans zuordnen. Denn Matt Haig erzählt mit viel Empathie die Geschichte um die möglichen Leben von Nora Seed. Festzuhalten ist dabei auch: ein großartiger Stilist ist Matt Haig mitnichten. Hier steht eher das Erzählte denn das Erzählen im Vordergrund. Seine Prosas erinnert eher an leichte Roman von Nick Hornby und Konsorten.

Als Kontrast zur eigentlich doch recht schweren Geschichte funktioniert diese erzählerische Leichtigkeit allerdings sehr gut. Zwischen all den philosophischen und physikalischen Ideen von Multiversen bis hin zur Quantentheorie verliert Matt Haig seine Leser so nicht, sondern nimmt sie mit in seine erdachte Welt. Als Unterhaltungsroman funktioniert Die Mitternachtsbibliothek.

Ihm gelingt ein massenkompatibler Bestseller in einfacher Sprache, der jetzt schon in die Bookstagram-Kanäle und Bestsellerlisten Einzug gehalten hat. Aber wenn das Leben im Limbus so ideenreich und fabulierfreudig geschildert wird, dann habe auch ich nichts dagegen einzuwenden. Zudem gelingt Haig in Gestalt in Form von Miss Elm ein warmherzige Hommage an meinen Brotberuf – und die Buchgestaltung greift dieses Thema ebenso auf. Deshalb also eine Empfehlung von mir! Der Besuch in dieser außergewöhnlichen Bibliothek lohnt!


  • Matt Haig – Die Mitternachtsbibliothek
  • Aus dem Englischen von Sabine Hübner
  • ISBN 978-3-426-28256-4 (Droemer-Knaur)
  • 318 Seiten. Preis: 20,00 €
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Jane Harper – The Dry

Auch heute pausiert der Adventskalender hier wieder zugunsten einer ausführlichen Rezension, und zwar dem gehypten Roman „The Dry“ von Jane Harper:

Kiewarra, ein abgelegenes Dorf im Nordosten Australiens. Die Region wird von Gluthitze heimgesucht und lechzt nach Wasser. Doch die Sonne ist unerbittlich und sorgt für viel Verzweiflung und wortwörtlich erhitzte Gemüter. In dieser Zeit werden auf einer Farm Luke Hadler, seine Frau Karen und sein Junge Billy tot aufgefunden. Alles sieht nach einem erweiterten Suizid aus – nur die wenige Monate alte Tochter der Hadlers hat überlebt.

dryZum Trauergottesdienst erscheint auch Aaron Falk, der Kiewarra nach einigen unrühmlichen Geschehnissen in der Vergangenheit gemieden hat. In Melbourne arbeitet er eigentlich als Finanzermittler, doch die Nachricht vom Tode Lukes lässt ihn nun kurzfristig in das Dorf seiner Kindheit zurückkehren. Denn Luke Hadler und Aaron Falk verband eine tiefe Freundschaft, die infolge der damaligen Ereignissen langsam auseinander bröckelte. Nun sind alle Erinnerungen und alten Bekannten plötzlich auf einen Schlag wieder da.

Die Eltern von Luke setzen ihr ganzes Vertrauen in Aaron, da sie die Hoffnung umtreibt, dass der Tod von Luke kein Suizid war, sondern ein gut vertuschter Mord. Und dieser beginnt dann auch zusammen mit dem Dorfsheriff Raco die Rekonstruktion jenes verhängnisvollen Tages, der für drei der vier Mitglieder der Hadler-Familie tödlich endete. Denn nicht alle Dorfbewohner sagen die ganze Wahrheit über die Ereignisse auf der Farm … Continue reading

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Friedrich Ani – Der namenlose Tag

Der Todesbote

Faulheit kann man Friedrich Ani wirklich nicht vorwerfen: über 100 Bücher weist die Deutsche Nationalbibliothek in ihren Katalogen nach, die Ani geschrieben bzw. an denen er mitgewirkt hat. Nun startet der produktive Münchner Krimiautor im Suhrkamp-Verlag eine neue Reihe, die den Ermittler Jakob Franck einführt.

Jakob Franck ist ein pensionierter Kriminalbeamter, der sich im Münchner Polizeipräsidium als Überbringer von schlechten Nachrichten einen Ruf geschaffen hat. Stets überbrachte er den Hinterbliebenen Todesmeldungen und andere Hiobsbotschaften und half ihnen, den Schmerz zu lindern. Geblieben ist ihm eine kaputte Ehe und die Geister der Toten, die ihn immer mal wieder besuchen kommen.
Ein besonderer Fall ruft ihn nun im Ruhestand. Vor zwanzig Jahren erhängte sich in einem Park ein junges Mädchen. Kurz darauf brachte sich ihre Mutter um – und der Witwer Ludwig Winther kann mit dem Verlust auch nach 20 Jahren nicht abschließen. Er ist zutiefst davon überzeugt, dass seine Tochter umgebracht wurde. Seine letzte Hoffnung heißt Jakob Franck. Und dieser hat auch eine persönliche Bindung zu dem Fall – er überbrachte der Mutter des Opfers damals die schlechte Nachricht. Wenig später erhängte sich die Mutter ebenfalls. Franck beginnt den kalten Spuren noch einmal nachzugehen.

Bereits das Cover macht Lust auf den geheimnisvollen Krimi. Was hat sich in der Familie von Ludwig Winther zugetragen? Kann es sein dass Winthers Tochter damals wirklich ermordet wurde und der Mörder mit seiner Tat bis heute davongekommen ist? Geschickt legt Ani seine Spuren, die zwanzig Jahre zurückführen.

Dass Ani schreiben kann, davon zeugte nicht zuletzt die Auszeichnung mit dem Deutschen Krimipreis, den der Müncher mit seinem letzten Tabo-Süden-Krimi errang.Gerade die lebensnahen Dialoge sind eine große Stärke von Der namenlose Tag. Wie Franck in alten Wunden bohrt und in Gesprächen versucht Widersprüche aufzudecken, das liest man so in der deutschen Krimiliteratur selten. Die Realitätsnähe macht den Fall für Jakob Franck aus, sucht man doch gewiefte Serienkiller oder übermenschliche Ermittler vergeblich. Vielmehr kämpft der ehemalige Todesbote mit seinen inneren Dämonen und versucht etwas Frieden zu finden.
Mit seinen knapp 300 Seiten hat der Krimi genau die richtige Länge, bevor ins Langweilige kippen könnte. So ist der Reihenauftakt eine spannende Spurensuche in längst Vergangenem geworden, die bis zu ihrer Auflösung den Leser in Neugierde zu versetzen weiß.

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