Category Archives: Kriminalroman

Jean-Francois Parot – Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel

Siebzehn Jahre hat es gedauert, bis die in Frankreich erfolgreiche Reihe um den Commissaire Nicolas Le Floch nun auch bei uns erschien. In der Übersetzung von Michael von Killisch-Horn liegt der Auftakt für die mehrbändige historischen Krimirreihe um den französischen Kommissar im Blessing-Verlag nun vor. Hat sich das Warten gelohnt?

In meinen Augen ja, denn Jean-Francois Parot gelingt es, die Leser zugleich in ein längst vergangenes Paris zu versetzen und zugleich einen vertrackten Mordfall zu präsentieren. Lösen darf jenen Fall der junge Nicolas Le Floch, der zu Beginn des Buchs aus seiner Heimat in der Bretagne auf Empfehlung seines Ziehvaters nach Paris geschickt wird. Dort untersteht er direkt dem obersten Polizeichef, der ihn mit einer heiklen Mission betraut. Der König wird von einem Minister mit vertraulichen Schreiben erpresst. Ein Commissaire, der den Fall lösen sollte, ist verschwunden und nun liegt es an Nicolas Le Floch, den Verbleib des Commissaires und den der Schreiben zu ermitteln.

Ein Fall, der höchstes Fingerspitzengefühl fordert und der zur echten Belastungsprobe für den jungen Le Floch wird. Man sieht die Stadt durch dessen Augen, folgt ihm in die finsteren Gassen und durchmisst auch die ganze Pariser Stadtgesellschaft, vom König bis hin zum Lumpenproletariat.

Jean-Francois Parot zeichnet ein ungeschöntes Bild von der französischen Hauptstadt um das Jahr 1760 fernab von dem Bild, das heute unser Denken dominiert. Von Haussmann-Boulevards, Eiffelturm und Hygiene keine Spur, dafür dominieren Dreck, leichte Mädchen und gedungene Mörder die Straßen. Als studierter Historiker mit Schwerpunkt auf dem 18. Jahrhundert kennt sich Parot hier zweifelsohne gut aus. Schön auch, dass er trotz seiner akademischen Bildung nie zu viel Theorie oder Faktenlastigkeit in seine Erzählung einstreut.

Abgerundet wird dieser verheißungsvolle Auftakt der Reihe durch ein Personenregister, ein Glossar und angehängte Kurzbiographien der historisch verbürgten Personen, die den Roman bevölkern.

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Viet Thanh Nguyen – Der Sympathisant

Zwei Herzen in meiner Brust

Ich bin ein Spion, ein Schläfer, ein Maulwurf, ein Mann mit zwei Gesichtern. Da ist es vielleicht kein Wunder, dass ich auch ein Mann mit zwei Seelen bin. (Nguyen, Viet Thanh, Der Sympathisant, S. 9)

Was für ein Einstieg in den Roman Der Sympathisant von Viet Thanh Nguyen. So groß wie der Einstieg in das Buch ist auch der ganze Rest dieses außergewöhnlichen Romans – ein ganz großer Wurf! Nguyens Buch betrachtet die Verwerfungen Vietnams in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive eines Doppelagenten, der nicht mehr weiß, welchem Land seine Treue gehört und wer er eigentlich selbst ist.

Diese Dialektik, die schon durch das kongeniale Cover und das Intro eingeführt wird, setzt sich in der Person des Ich-Erzählers fort. Jener sitzt gerade in Haft und legt nun ein schriftliches Geständnis ab. Mithilfe dieses klassischen Kniffs fächert nun Nguyen die Biographie seines (Anti)Helden auf. Wer er ist und wie er zu dem wurde, was er nun ist, das blättert sich langsam vor den Augen des Lesers auf. Die Janusköpfigkeit dieses Erzählers gründet schon in seiner Geburt, denn er kam als Bastard eines Amerikaners und einer Vietnamesin zur Welt. Diese Mischung verwehrte ihm zeitlebens den Zugang zu geschlossenen Kreisen und sorgt dafür, dass er schon in der Schule stets abgestoßen wurde und sich außerhalb der Gesellschaftsschichten wiederfand.

In seinem Wirken setzt sich diese doppelte Polung nahtlos fort, denn schon zu Beginn des Romans muss der Sympathisant im Gefolge eines Generals aus dem unter Beschuss stehenden Saigon fliehen. Hier setzt die Handlung ein und begleitet die Flucht des Erzählers bis nach Amerika. Dort lässt sich der General mit seiner Entourage in Los Angeles nieder. Während nun die Expats aus Vietnam ein Leben fernab von Panzerbeschuss und militärischen Verwerfungen führen, wird der Sympathisant langsam zwischen seinen Identitäten zerrieben. Besonders deutlich wird dies bei einer der eindrücklichsten Episoden des Buchs – denn als „echter“ Vietnamese soll er Hollywood beim Drehen eines Blockbusters unterstützen, der den Vietnamkrieg thematisiert. Auch wenn dieser Film im Buch den Arbeitstitel Das Dorf trägt, so sind doch die Bezüge kristallklar erkennbar (Francis Ford Coppola lässt grüßen).

Immer weiter erodieren die Sympathien, immer unklarer wird, wohin der Sympathisant eigentlich gehört. Diese Zerrissenheit fasst Viet Thanh Nguyen in sprachgewaltige Bilder (Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch durch Wolfgang Müller). Weiß oder schwarz? Der Sympathisant ist eindeutig grau, weder ist er klarer Held, noch Antiheld. Zerrieben zwischen den Polen, gebunden an ein Land, das ebenso fremdbestimmt ist und war wie der Sympathisant selbst. Nguyen bietet keine Antworten, sondern beobachtet nur, die Gräuel des Krieges fasst er genauso wie sinnliche Szenen in Worte. Zu Recht wurde dieser Roman mit dem Pulitzerpreis im Jahr 2016 ausgezeichnet, denn der vietnamesisch-amerikanische Autor schafft es in diesem meisterhaft komponierten Buch, einen Gegenblick auf das normalerweise von der amerikanischen Lesart dominiert Kapitel Vietnam und dessen Konflikte zu werfen. Stark!

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Candice Fox – Crimson Lake

Welch ein Output: binnen Kurzem erschienen im Hause Suhrkamp die drei Titel der Archer-Bennett-Trilogie (Hades, Eden, Fall), des Weiteren publiziert Candice Fox noch Thriller mit James Patterson und nun also sechs Monate nach der Veröffentlichung von Fall Crimson Lake. Dieses Buch stellt erneut das Faible von Candice Fox für unorthodoxe Ermittlungspaare unter Beweis. Übersetzt wurde das Buch von Andrea O’Brien aus dem australischen Englisch

Im vorliegenden Fall sind das zwei von der Gesellschaft geächtete Gestalten, die sich als Ermittlungsduo wider Willen zusammenfinden. Da ist zum Einen der Ex-Cop Ted Conkaffey, der des Kindesmissbrauchs angeklagt wurde, dem aber nie Schuld nachgewiesen werden konnte. Nach einer öffentlichen Hexenjagd zog er sich nach Crimson Lake im Norden Australiens zurück, um dort den ständigen Nachstellungen zu entkommen. Dort trifft er auf seine künftige Partnerin, die Ermittlerin Amanda Pharrell, die ebenfalls bereits vor Gericht stand. Sie ist des Mordes an ihrer Freundin verdächtig, doch auch hier bestehen von Anfang an starke Zweifel an der Schuld. Die Logik dieser Grundkonstellation bedingt nun natürlich die Aufklärung der tatsächlichen Sachverhalte der beiden Fälle im Lauf des Buches. Hinter dem Rücken des jeweils anderen versuchen Conkaffey und Pharrell die beiden Fälle zu lösen.

Diesen Plot verquickt Candice Fox mit einem aktuellen Fall, den die beiden Schnüffler nach dem Desinteresse bzw. Versagen der lokalen Polizeibehörden lösen müssen (und sich dabei natürlich auch besser kennenlernen): ein bekannter Schriftsteller ist verschwunden, sein Ehering wurde im Verdauungstrakt eines Krokodils entdeckt. Die Ehefrau des Verschwundenen setzt Conkaffey und Pharrell auf die Spur – und die beiden liefern schon bald. Sie wirbeln ganz Crimson Lake durcheinander und stoßen dabei auf einen verwinkelten Fall, der es mehr als in sich hat …

Vergleicht man nun Crimson Lake (Übersetzung aus dem australischen Englisch von Andrea O’Brien) mit der Archer-Bennett-Trilogie komme ich zu einem eindeutigen Ergebnis – Crimson Lake ist das klar bessere Buch. Zwar malt Candice Fox immer noch mit sehr grobem Pinsel und hat auch vor abgegriffenen Bildern keine Scheu, dennoch funktioniert ihr Konzept hier wirklich sehr gut. Gekonnt fängt sie die Atmosphäre im sumpfigen Norden Australiens ein und schafft es, durch die Subplots die Spannung hoch zu halten und diese auch konsequent zu Ende zu führen. Die Verbindung von ungelösten Altfällen und dem aktuellen Auftrag geht hier wirklich auf und sorgt durch Perspektivwechsel und Sprünge für permanentes Tempo.

Ärgerlich sind nur die Schludrigkeiten im Buch, die ins Auge fallen. So halte ich es auch als Nicht-Biologe für ausgeschlossen, dass in Australien ein 200 Meter langes Krokodil die Sümpfe unsicher macht. Hier scheint mir entweder Candice Fox‘ Fantasie etwas mit ihr durchgegangen zu sein oder ihr Verlag hat bei der Korrektur geschludert. Auch die sehr nahe an amerikanischen Thrillern orientierte Optik ist nicht ganz mein Fall, wirkt sie doch etwas billig und effekthascherisch.

Ansonsten gibt es wenig zu meckern – wenn es so weitergeht freue ich mich sehr auf den neuen Fall von Ted Conkaffey und Amanda Pharrell!

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Arne Dahl – Sechs mal Zwei

Vorweg- wer Dahls Vorgängerroman Sieben minus eins nicht gelesen hat, wird an Sechs mal zwei (Übersetzung von Kerstin Schöps) kaum Freude finden. Die Lektüre des Auftaktbandes seiner Reihe um die Ermittler Molly Blom und Sam Berger sollte wirklich vor Dahls neuem Roman stehen, sonst wird man das ganze Dickicht aus Fährten, Anspielungen und Beziehungen kaum durchdringen können (was aber auch mit der vorher erfolgten Lektüre von Sieben minus eins schwierig wird).

Arne Dahl - Sechs mal Zwei (Cover)

Inhaltlich knüpft Dahl an die Ereignisse des ersten Bandes an, als Blom und Berger einen Entführer junger Frauen jagten. Die Ermittler wurden dabei jedoch selbst von Jägern zu Gejagten, weshalb sie nun in Sechs mal zwei ständig unter dem Radar operieren müssen. Die SÄPO (der schwedische Nachrichtendienst) sucht nach den beiden Ermittlern, nur die Kommissarin Desiree Rosenqvist, genannt Deer, hält den Kontakt zu Blom und Berger und versorgt sie mit einem Fall und Informationen.

Denn durch einen Brief einer scheinbar paranoiden Frau stoßen die beiden im wahrsten Sinne des Wortes verdeckten Ermittler auf die Spur eines Serienkillers. Schon vor Jahren schien Sam Berger diesen verhaftet zu haben und somit alle Fälle aufgeklärt zu haben. Doch neue Erkenntnisse lassen die zwei an der offensichtlichen Faktenlage zweifeln. Hat Sam damals wirklich den richtigen Täter festgenommen? Oder befindet sich der wahre Serienkiller immer noch da draußen in der schwedischen Wildnis?

Wichtig: Vorkenntnis und Loyalität

Sechs mal zwei verlangt vom Leser zwei Dinge: Vorkenntnis des ersten Buchs (wie eingangs schon beschrieben) und zweitens ein gerütteltes Maß an Akzeptanz, die wenig glaubhaften Geschehnisse und Twists hinzunehmen, die Arne Dahl den Lesern serviert. Hinterfragen sollte man an diesem Buch nichts, denn dann stürzt das ganze Konstrukt in sich zusammen. Und genau daran ist das Buch bei mir gescheitert.

Geschenkt, dass die Kriminalstatistik Schwedens der Handlung in Sechs mal zwei spottet. 106 Morde für das Jahr 2016 verzeichnet die Kriminalstatistik, davon 29 an Frauen. Wenn man die Geschehnisse in Dahls Kosmos betrachtet, müsste fast die Hälfte der Taten ja schon im Umkreis von Sam Berger und Molly Blom passiert sein. Überall Leichen und Tote, die auf das Konto des Killers gehen. Mit der Realität ist das kaum vereinbar (was natürlich kein gravierender Kritikpunkt ist – schaut man einmal ins skandinavische Krimiregal, dann dürfte zwischen Dänemark und Finnland kaum mehr ein Bewohner existieren, so viele Serienmörder machen dort die Bücher unsicher).

Abgesehen davon, dass der zugrundeliegende Plot für meinen Geschmack zu sehr auserzählt ist (Serienkiller verhaftet, Taten gehen weiter – Suche nach dem wahren Schuldigen), ist das Dickicht aus Plotfäden hier einfach zu verwirrt. Die Hälfte des Buchs gleicht mindestens einem von Schlamm und Schlick durchsetzen Wasserglas, das sich sehr gemächlich absetzt und klärt. Was wirklich passiert ist, das schält sich erst Stück für Stück aus der Handlung, während sich der Leser immer wieder am Kopf kratzt. Was treibt dieser Sam Berger aus dem gut 150 Seiten dauernden Prolog? Wie passt das mit den weiteren Geschehnissen zusammen? Was ist mit der paranoiden Briefschreiberin? Wer beobachtet Molly und Sam? Sechs mal zwei bietet von Anfang an ein Bündel an Fragen, die Antworten kommen aber erst sehr spät.

Arne Dahl hat sich verhoben

Während Molly Blom und Sam Berger unerkannt durch ganz Schweden reisen, um der Fährte des Serienkillers zu folgen, wird der Plot immer hanebüchener. Arne Dahl zieht einen Budenzauber um gestohlene Identitäten, nicht entdeckte Morde und multiple Persönlichkeiten auf, dass man sich schon manchmal nach einer gewissen Prise Normalität sehnt. Auch die Umsetzung der Taten erscheint arg konstruiert immer wieder werden neue Arbeitshypothesen präsentiert, die dann aber doch schlussendlich wieder verpuffen oder nicht verfolgt werden.

Dies schmälert alles leider den Genuss des Buches. Man muss einfach konstatieren, dass sich Arne Dahl – wenngleich komplexe Plots ja eigentlich immer seine Stärke sind – hier einfach verhoben hat. Hoffentlich wird der nächste Band der Blom/Berger-Reihe da wieder etwas realistischer und weniger überkonstruiert.

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Norman Ohler – Die Gleichung des Lebens

Umsiedlungen, Flächenfraß, Flüchtlingsbewegungen – dass diese Schlagworte nicht nur in unserer Zeit Bedeutung haben zeigt Norman Ohler in seinem Roman Die Gleichung des Lebens. Er siedelt seinen historischen Krimi im Oderbruch des Jahres 1747 an. Die Hintergründe des Plots sind schnell erzählt:

Friedrich der Große will das Oderbruch in Brandenburg trocken legen. Dies soll neue Siedler nach Preußen locken, Rinder versprechen mehr Profit als die bisher im Oderbruch vorherrschende Fischerei. Und außerdem wäre endlich Platz für die vom alten Fritz so geliebten Erdtoffeln, die er als Nahrungsmittel etablieren möchte. Eine klare Interessenlage also, in die ein Mord denkbar schlecht passt.

Doch genau zu jenem Mord kommt es in den verschlungenen Wasserkanälen des Oderbruchs, als ein Ingenieur des Königs, der für die Trockenlegung des Kanals zuständig war, tot aus dem Wasser gefischt wird. Sein Körper ist von den Spuren eines archaischen Fischerwerkzeugs entstellt. Viele Menschen, allen voran die Bewohner des Oderbruchs, haben ein starkes Motiv für den Tod des Ingenieurs, der ihnen mit seinen Planungen wahrscheinlich ihre Lebensgrundlage entzogen hätte.

Ein Mathematiker als Mordermittler

Um den Fall aufzuklären setzt Friedrich der Große auf sein bestes Pferd im Stall: den legendären Mathematiker Leonhard Euler, der von der Petersburger Akademie der Wissenschaften zu Friedrich an den preußischen Hofstaat berufen wurde. Jener Euler, von Friedrich aufgrund seines einen blinden Auges nur der Rechenzyklop genannt, soll in das Oderbruch aufbrechen, um den Mord aufzuklären und die Region zu befrieden.

„Gerade weil Sie Mathematiker sind, bin ich so vom Gedanken durchdrungen, Sie bei dieser Aufklärung involviert zu sehen. Wir sind ein moderner Staat, also greifen wir zu modernen Methoden. Stellen Sie sich den Fall um den armen Mahistre als ein mathematisches Problem vor. Als Gleichung , wenn Sie so wollen.“

Ohler, Norman: Die Gleichung des Lebens, S. 89

Fortan durchstreift Leonhard Euler als Ermittler den Oderbruch, den Ohler wunderbar stimmungsvoll inszeniert. Als ein Sherlock-Holmes-Ableger ermitteln sich Euler und ein Gehilfe durch die Wasserkanäle und Wirtshäuser des Oderbruchs und stoßen auf verschiedene Menschen und Motive, die alle in Eulers Gleichung zur Mordaufklärung einfließen. Ohler zeigt eine schon längst verschwundene Welt, die so höchstens noch in Anklängen im Spreewald weiterlebt. Zerrissen zwischen Aufklärung und Anbetung von Naturgöttern leben die Menschen im Oderbruch, das von dieser Symbiose von Mensch und Natur lebt.

Stimmungsvolle Szenerien

In den Szenen, die im Oderbruch spielen und die verschiedenen Bewohner und deren Leben und Berufe zeigen, ist Die Gleichung des Lebens am stärksten. Mich erinnerten die Schilderungen aus dem fast dschungelhaften Milieu stark an Tolkiens Hobbit, speziell die Szenen in Seestadt. Atmosphärisch dicht ist ein auf Klappentexten sehr arg strapazierter Begriff – hier trifft er endlich einmal wirklich zu. Die stimmungsvolle Szenerie ist in meinen Augen die größte Stärke dieses Romans.

Andere Punkte geraten Ohler leider nicht ganz so stark wie diese Seite des Buchs. So sind die Dialoge stellenweise etwas hölzern und wirken aufgesetzt. Auch die Charaktere sind nicht wirklich ausgearbeitet. Allen voran Leonhard Euler, der ruhig etwas mehr Tiefe oder auch Brüche in der Charakterzeichnung verdient hätte. So ist er einfach nur ein hochintelligenter Mensch, dem die Erkenntnisse mühelos zufliegen, von Wissen über Virusverbreitung bis hin zu physischen Berechnungen. Dieser Euler weiß einfach alles und hat stets den Überblick. Dies ist natürlich auch an Arthur Conan Doyles allwissendem Sherlock Holmes geschult (auch die Auflösung der Geschichte wirkt wie aus dem Lehrbuch), doch nimmt der Geschichte auch ein klein wenig den Reiz. Insgesamt wirkt Norman Ohlers erzählerisches Gesamtpaket noch nicht völlig austariert.

Dies ist natürlich Meckern auf ganz hohem Niveau, Die Gleichung der Welt ist deutlich besser als das Gros der historischen Kriminalromane und gerade in den Oderbruch-Szenen wirklich sehr, sehr stark. Die stimmungsvolle Szenerie weiß zu überzeugen und lässt auch die schwächeren Seiten des Buchs verschmerzen. Insgesamt ein höchst reizvolles Buch , das wie eine Mischung aus Daniel Kehlmanns Die Vermessung der Welt, den Holmes-Romanen Arthur Conan Doyles und der Märchenwelt der Gebrüder Grimm wirkt. Nicht zuletzt ist das Buch auch wunderbar gestaltet und sei hiermit mit marginalen Abstrichen gerne empfohlen!

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