Category Archives: Kriminalroman

Matthew F. Jones – Ein einziger Schuss

John Moon ist eine vom Leben mehr als gebeutelte Gestalt: seine Frau ist samt Kind ausgezogen, seine Farm ist ihm genommen worden und Perspektiven gibt es in seinem Leben eh schon lange nicht mehr. Über Wasser hält sich Moon mit der Wilderei, der er im amerikanischen Hinterland verbotenerweise nachgeht. Und genau diese Wilderei wird ihm nun eines Tages zu seinem Verhängnis:

Matthew F. Jones - Ein einziger Schuss (Cover)

Als er einen kapitalen Hirsch erlegen will, gelingt ihm kein tödlicher Treffer. Angezählt schleppt sich der Hirsch durch die Wälder, um schließlich von John in einem alten Steinbruch gestellt zu werden.

Doch neben dem Hirsch erwartet ihn dort eine weitere Überraschung. Im Steinbruch liegt die Leiche eines jungen Mädchens und eine Tasche voller Geld. Moon begeht den Fehler, in Panik die Leiche verschwinden zu lassen und das Geld an sich zu nehmen. Damit schlittert er in einen tödlichen Strudel, denn die Mörder des Mädchens haben nicht die Absicht, über den Verlust des Geldes gnädig hinwegzusehen …

Ein neuer Vertreter des Country Noir

Mit Matthew F. Jones hat der unabhängige Polar-Verlag einen amerikanischen Autor aufgetan, der dem Genre des Country Noir neue Facetten abringt und der nebenbei wie ein Doppelgänger von Chuck Norris aussieht. Ähnlich kantig ist auch die Prosa, die der Autor schreibt. Seinen Protagonisten John Moon lässt er unbarmherzig auf den Abgrund zutaumeln, den er in seinen diversen Rauschzuständen so kaum wahrnimmt. Brutal ist die Welt in Ein einziger Schuss, in die John Moon unversehens geschleudert wird. Morde sind an der Tagesordnung. Doch inmitten dieser Todesszenarien findet der Autor auch immer wieder Platz für wunderbare Naturbeschreibungen oder Hoffnungsschimmer. Dass sie zwar aufscheinen, dann aber ungenutzt verstreichen, das steht ja in guter alter Noir-Tradition.

Matthew F. Jones hat einen intensives Buch aus dem amerikanischen Hinterland über einen Loser geschrieben, der in einer Tretmühle aus Gewalt, Suff und Malochen gefangen ist. Ganz besonders das heftige Ende weiß zu überzeugen (wie auch die Übersetzung durch Robert Brack). Gerne mehr von diesem Autor!

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Kurz und Knackig – 2 Krimikurzbesprechungen

Kurz und knackig hier zwei Kurzrezensionen von Kriminalromanen, die ich diesen Juli gelesen habe

Joakim Zander – Der Bruder

ZanderDer Schwedenthriller zur Stunde. Nach Der Schwimmer kommt die Diplomatin Klara Walldéen hier zu ihrem zweiten Einsatz. Sie arbeitet für die EU an einem Strategiepapier zur Frage, ob polizeiliche Dienstleistungen auch an private Unternehmen outgesourct werden können. Doch irgendjemand hat es auf ihre Forschung abgesehen und verschont auch ihre Kollegen nicht mit dem Leben. Währenddessen bricht in New York die junge Yasmine zurück in ihre schwedische Heimat auf, da dort ihr Bruder gesichtet wurde. Dabei gilt er eigentlich als tot, schloss er sich doch dem IS an und galt in Syrien als gefallen. Behutsam führt Joakim Zander die Stränge zusammen und überzeugt durch Perspektivwechsel und viel Aktualität. DER Thriller zur aktuellen Weltlage!

 

 

Reginald Hill – Welch langen Weg die Toten gehen

HillDieser Krimi des Britischen Urgesteins Reginald Hill (leider schon 2012 verstorben) ist nur noch antiquarisch bzw. als E-Book erhältlich. In bester Landhaus-Krimi-Manier erzählt der Autor darin von einem höchst suspekten Suizid in einem Herrenhaus. Denn bereits vor zehn Jahren richtete sich dort der Vater des jetzt Verstorbenen auf die gleiche Art und Weise. Der dicke Andy Dalziel und sein Untergebener Peter Pascoe ermitteln in bester Sherlock-Holmes-Manier und versuchen Licht ins Dunkel zu bringen. Doch die Spuren und die Verdächtigen sprechen alle höchst unterschiedliche Sprachen. War am Ende der Selbstmord gar kein Selbstmord? Brillant geschrieben, auf allerhöchstem literarischen Niveau, ein Buch das Hills‘ Meisterwerk und Abschiedsgeschenk Rache verjährt nicht beinahe gleichkommt.

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Mike Nicol – Power Play

Wer oder was sind Seeohren? Diese potentielle 125.000 €-Frage kann der Leser von Mike Nicols neuem Roman nach der Lektüre spielend leicht beantworten. Denn diese unter Wasser lebenden Schnecken sind eine Art Muscheln, die vor der Küste Südafrikas leben und als Delikatesse gelten. Der Schmuggel mit ihnen blüht – und so wollen verschiedene Parteien aus dem Geschäft mit den Seeohren ihren Profit schlagen.

Power Play von Mike Nicol

Power Play von Mike Nicol

Eine unübersichtliche Gemengelage durchzieht den neuen Roman des südafrikanischen Krimiautors Mike Nicol, der neben Schreibern wie Deon Meyer, Paul Mendelson oder Malla Nunn zu den Vertretern einer boomenden Kimiregion zählt. Die babylonische Verwirrung, die am Anfang des Buchs herrscht, dauert auch einige dutzend Seiten an, ehe man zunächst die groben Zusammenhänge und Abhängigkeiten überblickt (da hilft es auch wenig, wenn sich der Klappentext in lobpreisenden Stimmen über den Autor ergeht. Wirklich schlauer wird man daraus nicht, deshalb hier nun ein paar wenige Worte zum Geschehen) Continue reading

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Don Winslow – Palm Desert

Nach all seinen halsbrecherischen und meist im Chaos endenden Aufträgen wird Neal Carey jetzt nun von seinem Mentor und Ziehvater Joe Graham für einen letzten, eigentlich harmlosen Auftrag losgeschickt. Ein 86 Jahre alter jüdischer Stand-up-Komiker muss von einem Hotel in Las Vegas zurück zu seiner Unterkunft in Palm Desert gebracht werden. Eigentlich ein Kinderspiel, muss Neal den alternden Comedian doch nur aus seinem Hotelzimmer in ein Flugzeug verfrachten und dann in seinem Zuhause wieder abliefern. Doch wie das bei den Aufträgen so ist, die Neal für Die Bank erledigen muss, so droht sich auch hier schon recht bald die Unternehmung in ein ziemliches Schlamassel auszuwachsen.

Nicht nur dass der Seniorenkomiker überaus renitent ist, mit unwitzigen Witzen und seitenlangen Monologen die Geduld Neal Careys strapaziert und einen gewissen Fluchtreflex an den Tag legt – dem alten Herr ist auch ein kriminelles Doppel auf den Fersen. Denn da gibt es etwas, das er gesehen hat, was nicht für seine Augen bestimmt war. Und so muss Neal den widerspenstigen Rentner einmal quer durch die Wüste von Nevada bringen und sich dabei den schlechten Witzen und kriminellen Absichten erwehren. Nicht einfacher wird das Ganze dadurch, dass Neals Verlobte Karen unbedingt jetzt ein Baby von ihm möchte.

Palm Desert ist wohl der humorigste Teil der Reihe. Don Winslow scheut nicht vor Situations- und Dialogkomik zurück und entwickelt vor allem ab der Hälfte des Buchs einen Krimi, der eher einer Screwball-Komödie ähnelt. Vieles von dem, was im vorletzten Band der Reihe nicht funktionieren wollte, klappt hier nun vorzüglich. Das Figurenensemble ist gut austariert, trotz der zahlreichen Stränge und der munteren Collage von Schriftwechseln, Tagebüchern und wechselnden Perspektiven funktioniert der Aufbau. Auf lediglich 200 Seiten schafft es Don Winslow hier, alles beisammen zu halten und eine witzige Geschichte zu erzählen. Das Buch ist schnell, kurz und knackig und stellt einen guten Abschluss der Reihe dar.

 

Hier zur Übersicht noch einmal die Reihenfolge der fünf Bände:

 

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Kurz und Knackig – 3 Krimibesprechungen

Sommerzeit ist ja bekanntlich Lesezeit – und mir sind in letzter Zeit auch wieder zahlreiche Bücher untergekommen, die mich mal mehr, mal weniger begeistert haben. Thematisch gebündelt hier drei Minibesprechungen von neuen Krimis:

James Grady – Die letzten Tage des Condor

CondorDer Condor ist also wieder gelandet. Nach zwei früheren Büchern und einer mehr als erfolgreichen Verfilmung durch Sidney Pollack mit Robert Redford in der Hauptrolle soll der alte Haudegen noch einmal fliegen. Nach dem Condor in psychiatrischer Behandlung bei der CIA war, fristet er ein überschaubares Leben als Angestellter der Library of Congress in Washington. Doch dann findet er eines Tages in seiner Wohnung gekreuzigt einen seiner Aufpasser von der Agency bei sich daheim vor. Er beschließt zu fliehen – und zieht damit viele Verfolger auf sich.

Ein flirrendes, aber auch durchaus anstrengendes Buch, dessen sperrige Sprache des Öfteren die Spannung zerhackt. Die letzten Tage des Condor bleibt eng an dem Plot der vorherigen Bücher und ist eher etwas für Leser mit viel Geduld.

 

Tim Erzberg – Hell-Go-Land

HellgolandAnna Krüger tritt ihren Dienst als Polizistin auf der malerischen Insel Helgoland an. Doch schon am ersten Tag droht alles aus dem Ruder zu laufen. Ein Sturm schneidet Helgoland von der Außenwelt ab und sorgt dafür, dass die Polizisten in dem kleinen Revier auf sich alleine gestellt sind. Und dann bekommt Anna schon blutige Post, versehen mit einer Botschaft. Wer schickte der jungen Polizistin das Päckchen und was für einen Plan verfolgt der Täter? Während auf Helgoland ein Orkan zuzieht, versucht die Kriminalerin, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch einige Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit scheinen mit den aktuellen Geschehnissen verknüpft zu sein.

Hell-Go-Land wandelt auf altbekannten, von Sebastian Fitzek und Co ausgetretenen Wegen, ohne allzu viel Neues zu bieten. Der nach Schema F strukturierte Plot hat keine besondere Sprache oder Eigenheiten, weiß aber abgesehen davon gut für einige Stunden zu unterhalten. Eine spannender Snack ohne viel Langzeitwirkung, ideal für den Strand oder das Freibad …

 

Nicholas Petrie – Drifter

DrifterPeter Ash ist Veteran aus den Kriegen im Irak und Afghanistan. Als Remineszenz an diese Zeit ist ihm das sogenannte Weiße Rauschen geblieben, dass ihm einen Aufenthalt in engen Räumen so gut wie unmäglich macht. Stattdessen verbringt er seine Zeit lieber im Freien und schlägt sich durch. Doch nach dem Selbstmord eines Veteranenkollegen, beschließt er, der Witwe seines Freundes unter die Arme zu greifen und deren Haus zu renovieren. Dabei stößt er auf einen Koffer mit viel Bargeld und Sprengstoff, dass ihn direkt in einen geplanten Anschlag hineinzieht. Während er das Geheimnis des Koffers zu ergründen sucht, tickt irgendwo da draußen schon der Countdown zu einem geplanten Anschlag herunter.

Auch wenn Drifter sprachlich keine große Kunst ist, weiß Nicholas Petrie in seinem Debüt doch schon, wie man an Spannungsschrauben dreht und den Plot vorantreibt. Sein Buch ist ein größtenteils im Veteranen-Milieu spielender amerikanischer Thriller, der zwar auch das Rad nicht neu erfindet, dafür aber den Leser durch die 400 Seiten jagt und dabei wirklich gut unterhält. Von den drei hier besprochenen Bücher ist dieses meiner Meinung nach das Beste!

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