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Verstorben – Umberto Eco

Umberto Eco Copyright: Das Blaue Sofa / Club Bertelsmann

Umberto Eco
Copyright: Das Blaue Sofa / Club Bertelsmann

 

 

Der italienische Schriftsteller Umberto Eco ist im Alter von 89 Jahren in Italien verstorben. Der Schriftsteller zählte zu den bekanntesten italienschen Autoren überhaupt und erlangte durch das Buch Der Name der Rose Weltruhm, wobei sicherlich auch die Verfilmung durch Jean-Jacques Annaud aus dem Jahre 1986 einen erheblichen Teil dazu beigetragen haben dürfte.

Ich selbst habe bislang nur zwei Titel des Autoren gelesen, eben jenen Namen der Rose und Ecos letztes auf Deutsch erschienenes Buch Nullnummer. Mit beiden Büchern wurde ich nicht so richtig warm, die Nullnummer entpuppte sich für mich genau als jene; auch beim Literarischen Salon im Theater Augsburg verriss ich jenes Buch (zu hanebüchen, redundant, langweilig, platt, etc.).  Besser gefiel mir da schon Der Name der Rose, auch wenn ich mit meinen damals 15 Jahren wohl noch etwas jung für den Titel war (viele philosophische Betrachtungen, lateinische Einschübe, etc.).

Auch wenn ich mit den beiden Titeln meine liebe Not hatte, so muss man doch konstatieren, dass die Originalität stets eine Triebfeder Ecos war. Schon lange vor den gerade so beliebten Serienkiller-Thrillern ersann er Motive, derer sich die Schriftsteller heute noch bedienen. Auch Verschwörungstheorien brachte Eco gekonnt in die Literatur ein und leistete damit für Kollegen wichtige Vorarbeiten.

Gerade diese traurige Nachricht vom Verscheiden des Semiotik-Professors wäre nun wohl mal wieder ein Grund, sich mit seinem literarischen Opus zu beschäftigen, hinterlässt er doch zahlreiche weitere große Werke, wie etwa Das Focaultsche PendelBaudolino oder Der Friedhof von Prag. Jener steht auch in meinen Regalen und  wird nun dank dieses traurigen Impulses wohl bald gelesen werden.

 

 

 

Sandrone Dazieri – In der Finsternis

Dunkle Geheimnisse

Der italienische Drehbuchautor Sandrone Dazieri entführt die Leser seines ersten Romans gleich einmal in klaustrophobische Gefilde. Das gelungen gestaltete Cover führt den Leser tatsächlich in Finsternis, so auch der Titel des Thrillers.

Auf den Spuren des Vaters

Inhaltlich dreht sich der Roman um den Profiler Dante Torre, der als Kind ein grausiges Schicksal erleiden musste. Von Peinigern in ein dunkles Verlies gesperrt, musste er dem sogenannten „Vater“ zu Diensten sein, ein sadistischer Quäler, der jegliches Fehlverhalten bestrafte. Ihm gelang die Flucht, die seelischen Narben hat Torre jedoch behalten. Er kann kaum seine eigenen vier Wände verlassen – ein großes Problem als er nun von der Ermittlerin Colomba Caselli aufgesucht wird. Denn entgegen der offiziellen Version, dass der „Vater“ nach Torres Flucht Selbstmord begangen hat, scheint der „Vater“ weiterhin aktiv zu sein. Gegen alle Widerstände beschließen Caselli, von Torre liebevoll CC genannt, und Torre die Ermittlungen fortzuführen.

Sie stoßen auf ein geheimes Programm und Spuren, die ins Militär und den Machtapparat führen. Doch schon bald werden aus den Jägern Gejagte und Torre und Caselli müssen vor den Behörden fliehen, um den klandestinen Spuren zu folgen.

 Ein talentierter Autor

(c) Mario Tirelli

Sandrone Dazieris Hintergrund als Drehbuchautor merkt man „In der Finsternis“ auf jeden Fall an. Filmreif weiß er seinen Plot zu inszenieren, stets schlägt die Handlung wieder einen Haken oder springt zum nächsten Erzählstrang. Inspiriert von Fällen wie dem aufsehenerregenden Kampusch-Fall aus Österreich und ähnlichen Begebenheiten vermittelt der italienische Autor dem Leser glaubhaft ein Gefühl, was es heißt in der Finsternis gefangen zu sein.

Auch wenn Torres Martyrium und seine Fähigkeit, seine Gegenüber zu lesen, einen kleineren Teil einnimmt, als die Inhaltsbeschreibung vermuten lässt, ist das Buch insgesamt ein spannender Thriller geworden, der seine Protagonisten unerbittlich durch Italien jagt. Auch wenn der Leser die ganze Zeit über miträtselt, was die Identität des „Vaters“ angeht, so wurde zumindest ich am Ende des Romans noch einmal überrascht. Dies spricht sehr für das Talent Dazieris, den Leser an der Nase herumzuführen, und lässt mich auf weitere Titel des Schreibers warten. „In der Finsternis“ ist eine Empfehlung für alles Leser von temporeichen und eindrücklichen Thrillern, die eine dunkle Seite Italiens fernab von Dolce Vita kennen lernen wollen!

Christoph Poschenrieder – Das Sandkorn

Eine Ménage-à-trois

Christoph Poschenrieders Talent für Sprache ist bewundernswert. Nach seinem tollen Erstling Die Welt ist im Kopf und dem nicht minder geschickt konstruierten Der Spiegelkasten legt er nun mit Das Sandkorn ein Werk vor, das sich mit den beiden vorhergehenden Monographien mindestens messen lassen kann.

In seinem neuesten Roman erzählt der Münchner Autor von Jacob Tolmeyn, der in Berlin verhaftet wird, als er Sand in den Straßen der Stadt ausstreut. Im Verhör, das als Rahmenhandlung fungiert, erzählt Tolmeyn seine Geschichte, die zurück nach Italien führt. Dort sollte er nämlich zusammen mit seinem Schweizer Kollegen Beat Imboden die Werke der Staufer dokumentieren und kartografieren. Doch der Auftrag wird durch das Auftauchen der Italienerin Letizia, die die beiden Männer vor Ort unterstützen soll, mehr als verkompliziert. Denn ehe sie sich versehen finden sich die drei Charaktere in einem Geflecht aus Anziehung, Begehren und Tabus verfangen. Allmählich entspinnt sich im Verhör das ganze Ausmaß der Beziehungen zwischen den drei Menschen. Die Rollen, die sie im Drama spielen, werden klarer.

Poschenrieder ist ein großartiger Autor, dessen fein ziselierte Sprache wirklich Hochachtung verdient. Er schafft ein eindrückliches Porträt eines jungen Mannes, für den die Liebe grobe Fallstricke bereithält, das er in eine tolle sprachliche Form gießt.

Mit Das Sandkorn ist Christoph Poschenrieder ein in formaler und stilistischer Hinsicht wirklich großartiger Roman gelungen. Eine mediterran-lockere Atmosphäre durchzieht das Buch, welche die Gerüche und Geräusche so kurz vor dem großen europäischen Weltenbrand 1914 vortrefflich einfängt.

Fazit

Ein Leckerbissen für jeden Liebhaber guter Geschichten, die im Gedächtnis bleiben. Und für Liebhaber von ästhetisch ansprechenden Sprache natürlich ebenso!

Arne Dahl – Hass

Finale furioso

Nun ist Arne Dahl also nach dem Ende seiner A-Gruppe auch beim Ende des OPCOP-Quartetts angelangt und bereitet seiner europäischen Supergroup ein Finale – und was für eines: Nach „Gier“, „Zorn“, „Neid“ kommt nun „Hass“, ein Band der die Erzählstränge aus den drei Vorgängerbänden zusammenführt und die Dichte des Plots der wahrlich nicht einfach gestrickten Vorgänger noch einmal toppt. Am Ende des Buchs ist ein Dramatis personae aufgeführt, und gerade wenn man mit diesem Thriller in den Dahl’schen Kosmos einsteigen will, empfiehlt sich die Lektüre dieses Personenverzeichnisses wirklich.

Von Kalabrien bis China

Dahl schickt die OPCOP-Truppe unter der Leitung von Paul Hjelm um den ganzen Globus, um es mit dem internationalen Verbrechen aufzunehmen. Ohne zu viel vom fintenreichen Plot verraten zu wollen. Seine multinationale Gruppe muss sich in Pärchen aufgesplittet unter anderem mit der ‚Ndrangheta in Kalabrien, Chinesischen Forschern in Shanghai und Aufständen in Spanien befassen. Denn es scheint, als seien die Geschehnisse, die in den drei Vorgängerbänden geschahen, nur das Präludium für ein weitaus größeres Verbrechen. Und so haben auch die Charaktere aus diesen Büchern wieder Auftritte genauso wie das gefürchtete Sicherheitsunternehmen Asterion, dessen Rolle sich durch die ganzen Bände wie ein roter Faden zieht.

Arne Dahl - Hass (Cover)

Dahl schickt die OPCOP-Truppe unter der Leitung von Paul Hjelm um den ganzen Globus, um es mit dem internationalen Verbrechen aufzunehmen. Ohne zu viel vom fintenreichen Plot verraten zu wollen. Seine multinationale Gruppe muss sich in Pärchen aufgesplittet unter anderem mit der ‚Ndrangheta in Kalabrien, Chinesischen Forschern in Shanghai und Aufständen in Spanien befassen. Denn es scheint, als seien die Geschehnisse, die in den drei Vorgängerbänden geschahen, nur das Präludium für ein weitaus größeres Verbrechen. Und so haben auch die Charaktere aus diesen Büchern wieder Auftritte genauso wie das gefürchtete Sicherheitsunternehmen Asterion, dessen Rolle sich durch die ganzen Bände wie ein roter Faden zieht.

Für den optimalen Genuss von „Hass“ empfiehlt es sich meiner Meinung nach, die drei Vorgängerbände zu kennen. Zwar erklärt Dahl in Rückblenden immer wieder essenzielle Geschehnisse, besser für das Verständnis des komplexen Plots ist es allerdings, die Bücher selber gelesen zu haben (und außerdem sind diese ja auch wirklich starke Krimilektüre, die man sich nicht entgehen lassen sollte). Ein packendes Finale furioso und der Schlusspunkt eines Krimiquartetts, das seinesgleichen sucht!

Zur Übersicht für alle Interessierten hier noch einmal die Reihenfolge des OPCOP-Quartetts:

Paolo Roversi – Milano Criminale

Milano Criminale stammt vom jungen Mailänder Krimiautoren Paolo Roversi, von dem bislang zwei Krimis um den gewieften Hacker Enrico Radeschi im List-Verlag veröffentlicht wurden (Die linke Hand des Teufels und Tödliches Requiem). Nett zu lesen waren beide Krimis, doch nun entschied sich der Ullstein-Verlag, ein anderes Werk des Italieners zu publizieren

Die rote Stadt

Milano Criminale ist die Lebensgeschichte zweier Rivalen und ein Bild der chaotischen 68-Jahre in Mailand, die als Ligera in die Annalen der Geschichte eingehen werden. Antonio und Roberto sind Weggefährten im Mailand der 60er Jahre, aufgewachsen in den Straßen und Gassen der Arbeiterstadt – doch schon bald bewegen sich ihre Viten diametral auseinander.
Während sich Roberto der Unterwelt Mailands andient beschließt Antonio sein Leben in den Dienst der Verbrechensbekämpfung zu stellen. Er wird Mitglieder Polizei Mailands und macht fortan Jagd auf die Verbrecher der Stadt – und schon bald wird sich sein Lebensweg wieder mit dem von Roberto kreuzen …

Es ist eine klassische Ausgangslage, die Paolo Roversi in Milano Criminale zum Aufhänger seines Buches benutzt. Zwei Männer auf den gegenüberliegenden Seiten des Gesetzes. Das wäre so eine klassische Idee, doch das Buch gewinnt seinen Reiz aus der Tatsache, dass der Kampf der beiden Charaktere Teil eines noch viel größeren Plots ist.

Roversi erzählt von verschiedenen Verbrechern und Polizisten, von Studentenprotesten, die den deutschen 68er-Revolten gar nicht so unähnlich sind, und vom Weg in den zielgerichteten Terror, der den Studentenaufständen erwuchs. Dies packt der italienische Autor in 460 kurz getaktete Kapitel, die durch das verwendete Präsens vorwärtspreschen und dem Leser ein umfassendes Bild der chaotischen Jahre in der roten Stadt Mailand vermitteln.

Leser, die an dem Film Carlos – der Schakal oder den Büchern James Ellroys Gefallen gefunden haben, dürfte auch Milano Criminale zusagen.

Ein starkes Stück Kriminalliteratur, dass sein Finale auch wirklich erst auf den letzten Seiten erlebt und das den Leser teilhaben lässt an den tödlichen Geschehnissen in der roten Stadt Mailand – sehr lesenswert!