Tag Archives: Kind

Mark Billingham – Die Lügen der Anderen

Die Luegen der Anderen von Mark Billingham

Die Lügen der Anderen von Mark Billingham

Drei Pärchen aus England, ein Mord in Florida und einer der sechs Menschen, der nicht ist, was er zu sein scheint. Dies ist die Grundidee hinter dem neuen Roman des britischen Krimischriftstellers Mark Billingham. Dieser schrieb bislang Krimis mit dem Ermittler Tom Thorne, ehe er nun inhaltlich und formal etwas Neues ausprobierte.

Die Lügen der Anderen erzählt von drei durchschnittlichen englischen Mittelstandspärchen, die es sich zwischen Hauskauf, Kindern und täglichem Job bequem eingerichtet haben. In einem Urlaub in Florida lernen sich die drei Pärchen per Zufall kennen und verstehen sich auf Anhieb recht gut. Doch inmitten dieser ganzen Idylle passiert am letzten Tag ihres Aufenthalts in Florida dort ein Mord. Ein behindertes Mädchen verschwindet zunächst und wird dann tot aufgefunden. Schnell wird klar, dass einer der sechs Engländer hinter dem Mord stecken muss, doch die Frage ist nur –  wer? Welcher der britischen Bürger wahrt eine trügerische Fassade, hinter der sich ein kaltblütiger Mörder versteckt? Continue reading

Diesen Beitrag teilen

Michael Köhlmeier – Das Mädchen mit dem Fingerhut

Das wilde Kind 

Köhlmeier_25055_MR2.inddEin kleines Mädchen taucht quasi aus dem Nichts in einer Stadt auf. Von einem Onkel mehr oder weniger ausgesetzt stromert es fortan getrieben wie ein Korken in den Wellen, durch eine Stadt und eine Gesellschaft, die es nicht kennt. Erwachsene Menschen kreuzen seine Wege, doch das Mädchen wirkt getrieben und geht den Erwachsenen aus dem Weg. Einzig beim Wort „Polizei“ schreit das Kind und sträubt sich gegen jede Vereinnahmung.
Konsequent nimmt Köhlmeier in seiner neuen Erzählung die Perspektive eines kleines Kindes ein. Mit leichtem österreichischen Idiom betrachtet er diese wundersame Welt aus den Augen seiner Yiza. Dies gelingt ihm ähnlich gut wenn nicht sogar besser wie in seinem Roman Die Abenteuer des Joel Spazierer. In kurzen, parataktischen Sätzen begleitet er das Wesen und seinen Taumel durch die Welt.

Continue reading

Diesen Beitrag teilen

Jenny Rogneby – Leona – Die Würfel sind gefallen

Widdewiddewitt – ich überfall‘ ne Bank wie es mir gefällt!

Blutüberströmt betritt ein kleines Kind eine Bankfiliale. Auf einem vom Kind mitgeführten CD-Spieler wird die Herausgabe aller Barrerserven verlangt, ansonsten stürbe das Kind. Die Lösegeldübergabe geschieht auch und das kleine Kind verschwindet anschließend ohne Spur und scheint vom Erdboden verschluckt worden zu sein.
Der Vorfall erregt natürlich breites Interesse. Auf die Lösung des Falls wird die Ermittlerin Leona angesetzt, eine ebenso unkonventionelle wie streitbare Polizistin. Ständig eckt sie mit ihren Vorgesetzten an – und – es handelt sich beim Buch ja um einen Schwedenkrimi – hat auch privat mehr als ein Problem. Ihre Ehe ist nur als desaströs zu bezeichnen: ihre Tochter akzeptiert nur den Vater als Familienoberhaupt, ihr Sohn hat Morbus Crohn, Leonas Familie selbst ist versnobt und hält ihr ihre Berufswahl als Polizistin vor. Und Leona selbst ist hochgradig spielsüchtig. Doch nicht nur dieses Geheimnis versucht sie vor anderen zu verbergen. Ein anderes Geheimnis, das Leona in sich trägt, könnte der Schlüssel für die Lösung des Banküberfalls sein …
Man kann über Leona – Die Würfel sind gefallen kaum reden, ohne viel von der Handlung zu verraten. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass bereits nach 100 Seiten ein wichtiger Wendepunkt  auftaucht. Dieser gibt dem ganzen Buch eine ganz neue Wendung und ließ mich zumindest an einigen Stellen eher den Kopf schütteln als atemlos vor Spannung durch die Seiten hetzen.
Auch ohne diesen Twist, der das Distinktionsmerkmal von anderen Schwedenkrimis sein sollte, muss man doch konstatieren, dass die Fantasie mit Jenny Rogneby manchmal etwas durchgegangen ist.
Allein schon die Banküberfälle scheinen mir ein bisschen an den Haaren herbeigezogen: Ein einzelnes kleines Kind, das sieben Millionen Kronen erbeutet, und das ohne Waffe, nur weil es Blut am Körper und einen CD-Player trägt? Knapp 740.00 Euro in bar soll das Kind einfach zur Tür herausschleppen? Aber gut, Schweden hat auch Pippi Langstrumpf hervorgebracht, da ist einiges möglich. 
Leider hat der ganze Roman derartige Logiklöcher, dass diese die Erzählstruktur nachhaltig stören. 
Realistisch ist an Leona – Die Würfel sind gefallen kaum etwas, Auch wenn es sich um ein Werk der Fiktion handelt, habe ich bei diesem Buch, das von einer Polizei-Insiderin geschrieben wurde, etwas mehr erwartet.
Erinnert hat mich das Ganze etwas an eine Mischung aus Jo Nesbos Thriller „Headhunter“ und einem an Jim Thompson geschulten Noir-Versuch, dem allerdings schon nach kurzer Zeit die Luft ausgeht. Leider keine wirkliche Empfehlung – statt eines schnellen Schweden-Thrillers gibt es ein hanebüchenes, überkonstruierter und fernab jeglicher Logik mäanderndes Buch. Kein unbedingter Lektüretipp.
Diesen Beitrag teilen

Lyndsay Faye – Der Teufel von New York

 Der Polizist von New York

Ein junger Polizist inmitten des Big Apple – und das im Jahre 1845: Immigranten drängen in die schmutzige Metropole und ein Mörder geht um, der seine Opfer unter den Kindern in Bordellen sucht. 
Nachdem sein Laden nach einer Explosion im Big Apple nicht mehr ist, ist Timothy Wilde gezwungen sich eine neue Verdienstmöglichkeit zu suchen. Seinem Bruder kommt da die neugegründete Polizeibehörde New Yorks recht, in die er Timothy steckt. Und prompt fällt diesem natürlich auch sein erster Fall im wahrsten Sinne vor die Füße, als er über ein blutbesudeltes Mädchen stolpert.
In der Folge ermittelt sich Timothy gegen alle Widerstände einmal quer durch ein New York, das brodelt, dampft und mörderische Abgründe offenbart …



Continue reading

Diesen Beitrag teilen

Ian McEwan – Kindeswohl

Down by the salley gardens …

Der britische Schriftsteller Ian McEwan legt mit Kindeswohl ein Buch vor, das zwischen Juristerei, Liebe, Musik und Verantwortung oszilliert. Sein neuer Roman ist zwar äußerlich nicht umfangreich (gerade einmal 220 Seiten zählt das von Werner Schmitz übersetzte Buch), dafür aber sehr gehaltvoll. McEwan erzählt von Fiona Maye, einer circa 60-jährigen Richterin, die am High Court als Familienrichterin ihren Dienst mehr als korrekt versieht. Von Kollegen für ihr brillant formulierten Urteile geschätzt, hat sie nicht nur in ihrem Gerichtssaal alles unter Kontrolle, bis sie sich eines Tages auf das Minenfeld der Liebe begeben muss. Ihr Mann beklagt das eingeschlafene Eheleben des Paares, weshalb er von Fiona das Eingeständnis einfordert, sich eine Geliebte nehmen zu dürfen. Zudem ist Fiona beruflich auch noch mit einem hochdiffizilen Fall eines siebzehnjährigen Zeugen Jehovas konfrontiert, der eigentlich einer Bluttransfusion bedürfte, diese aus Glaubensgründen jedoch ablehnt. Die geordneten Verhältnisse Fionas geraten zunehmend außer Kontrolle …

Komplizierte Frauengestalten sind ja die Spezialität Ian McEwans – und in Kindeswohl zeigt er seine Meisterschaft im Entwerfen solcher Figuren erneut. Seine Richterin Fiona Maye ist eine ambivalente Figur, der man gerne durch die Gerichts- und Gedankengänge folgt und die auch nach der Lektüre noch im Gedächtnis des Lesers bleibt. Dem britischen Großautoren ist es auch hoch anzurechnen, dass in seinen fachkundigen Händen die Juristerei zu einer wunderbar zu goutierenden Prosa gerät. Ebenso wie die Gesetzgebung durchzieht die Musik den Roman unaufdringlich und verwebt so die akustischen, philosophischen, juristischen und amourösen Gedanken der Protagonisten zu einem dichten Netz, das auch allen Nicht-Juristin gerne empfohlen werden kann. Ein wunderbar geschriebener Roman mit einem nicht alltäglichen Thema, das durch die Schreibe Ian McEwans zu großer Literatur wird und den Leser grübelnd ob dem Gelesenen zurücklässt.

Mittlerweile gibt es auch eine Verfilmung mit Emma Thompson in der Rolle von Richterin Fiona Maye. Hier ein Trailer für einen Eindruck der Leinwandadaption:

Diesen Beitrag teilen