Tag Archives: München

#verlagebesuchen am 23.04.2017

Im Rahmen des Welttag des Buches boten in ganz Deutschland Verlage unter dem Motto #verlagebesuchen eine Art Tag der Offenen Tür an. Eingeladen waren interessierte Leser, die einen Blick hinter die Kulissen der Verlagshäuser werfen wollten – meist garniert mit Lesungen oder Führungen durch die Örtlichkeiten. Auch der in München ansässige Piper-Verlag hatte in seine Räume in die Georgenstraße eingeladen – und dieser Einladung kam ich natürlich gerne nach.

Volles Haus im Piper-Konferenzsaal

Das Programm umfasste 3 Stunden im Verlag; nach der Begrüßung durch die Verlegerin Felicitas von Lovenberg ging es dann auch schon los. Im bis auf den letzten Platz besetzten Konferenzsaal stießen die Piper-Autoren Georg M. Oswald, Pierre Jarawan und Su Turhan zur Rund, die sich zusammen mit der Verlegerin und Lektorinnen den Fragen des Publikums stellten. Welche Rolle spielt ein Verlag für einen Autoren? Welche Rolle spielen Literaturagenten im Literaturbetrieb? Welche Kriterien gelten für LektorInnen, anhand derer sie die Güte eines Textes beurteilen? Diese und viel mehr Fragen wurden den Gästen beantwortet ehe nach einer kurzen Pause die drei Autoren dann unisono die ersten Kapitel ihrer Bücher lasen.

Die drei Bücher, die die Autoren vorstellten waren Alle, die du liebst (Georg M. Oswald), Am Ende bleiben die Zedern (Pierre Jarawan) und Getürkt (Su Turhan). Vor allem Su Turhan, dessen Kommissar-Pascha-Krimis jüngst zur Primtime im Fernsehen liefen, erwies sich als unterhaltsamer Erzähler und Entertainer. Im Anschluss stellten sich die drei Autoren den Fragen der Zuhörer und gaben Einblicke in ihre Schreibwerkstätten, ehe alle erworbenen Bücher signiert wurden.

Verschiedene Coverentwürfe für Margaret Atwood und Zia Hader Rahman

Interessant auch die Einblicke in die anderen Abteilungen des Verlags – viele Mitarbeiter aus den Abteilungen Herstellung, Lektorat und Gestaltung standen parat und zeigten ihre Arbeitsfelder, mit denen sie sich täglich befassen. Hierbei fand ich besonders den Blick in die Herstellung erhellend – die MitarbeiterInnen zeigten verschiedene Coverentwürfe für Piper-Bücher. Sehr aufschlussreich, was sich der Verlag und Grafikagenturen für die Cover der jeweiligen Bücher überlegen – und welche dieser Cover es dann schlussendlich schaffen und welche Entwürfe wieder verworfen werden.

Schön auch dass die Kollegin Sabine von Bingereading & More ebenso wie ich den Weg zum Piper-Verlag fand und man sich nach der Leipziger Buchmesse schon wieder über den Weg lief.. Nicht nur die Welt ist ein Dorf – auch die Bloggerwelt ist es.

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Angelika Felenda – Wintergewitter

Bereits einmal ließ Angelika Felenda ihren Kommisär Reitmeyer im krisengeschüttelten München ermitteln, nämlich im Fall Der eiserne Sommer. Damals  dräute der Erste Weltkrieg und in der Landeshauptstadt München brodelte es. Nachdem am Ende des Buchs der Kommisär seinen Einzugsbefehl an die Front erhielt, ist er nun nach sechs Jahren wieder zurück in München. Als Kriegszitterer hat er einige Traumata aus dem Krieg mitgebracht und versucht die Erinnerungen mit Geigenspiel zu verjagen.

wintergewitterDoch auch zwei Jahre nach Kriegsende kommt die Landeshauptstadt nicht zur Ruhe. Bürgerwehren patrouillieren auf den Straßen, die rechten und das linken Lager tragen blutig ihre Fehden aus und der verlorene Weltkrieg hängt wie ein Damoklesschwert über dem Land. Sehr angespannte Zustände also, in denen sich München befindet. Der neue Fall für den Ermittler Reitmeyer nimmt sich allerdings erst einmal ganz unpolitisch aus. Eine junge Kellnerin namens Cilly Ortlieb wurde tot im Keller eines Gasthauses aufgefunden. Recht schnell steht der Tathergang fest. Das Mädchen wurde mit einer Heroinspritze ermordet. Das alleine würde kaum Aufsehen erregen, doch schon bald wird eine weitere junge Frau tot auf einer Parkbank sitzend aufgefunden. Der Modus Operandi des Täters ist identisch. Was ist das Motiv des Täters? Die Suche nach Erkenntnis führt den Kommisär in die Palais von Adeligen, bringt ihn mit der rechten Einwohnerwehr in Kontakt und wird schließlich zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Continue reading

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Joachim Meyerhoff – Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

Lücken des Lebens

Meyerhoff No. 3

Meyerhoff No. 3

Mit Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke stellt Joachim Meyerhoff sein Faible für ungewöhnliche und sperrige Buchtitel nun bereits zum dritten Mal unter Beweis. Dieser dritte Teil seines autobiographischen Romanzyklus‘ Alle Toten fliegen hoch verhandelt nun nach dem seinem Schüleraustausch in Amerika und seiner Kindheit auf dem Gelände einer Psychiatrie in Norddeutschland (Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war) seinen Werdegang als Schauspieler.

Im Alter von 19 Jahren beschließt Meyerhoff aus seiner norddeutschen Existenz auszubrechen und sein Glück am anderen Ende der Bundesrepublik zu suchen. Nachdem er an der Otto-Falckenberg-Schauspielschule seine Aufnahmeprüfung besteht, zieht er bei seinen Großeltern in deren Villa in Nymphenburg ein. Fortan ist sein Leben bestimmt vom Drill der Schauspielerausbildung und den präzisen alkoholischen Ritualen bei seinen Großeltern – oder wie Meyerhoff es formuliert:

„Alkohol spielte im Leben meiner mondänen Großeltern eine wichtige, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle.“ (S. 98)

Genau getaktet sprechen seine Großeltern dem Hochprozentigen zu, während der junge Joachim derweil versucht, in die Fußstapfen seiner schauspielerisch begabten Großmutter zu steigen.

Lücken, wohin man blickt

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Friedrich Ani – Der namenlose Tag

Der Todesbote

Faulheit kann man Friedrich Ani wirklich nicht vorwerfen: über 100 Bücher weist die Deutsche Nationalbibliothek in ihren Katalogen nach, die Ani geschrieben bzw. an denen er mitgewirkt hat. Nun startet der produktive Münchner Krimiautor im Suhrkamp-Verlag eine neue Reihe, die den Ermittler Jakob Franck einführt.

Jakob Franck ist ein pensionierter Kriminalbeamter, der sich im Münchner Polizeipräsidium als Überbringer von schlechten Nachrichten einen Ruf geschaffen hat. Stets überbrachte er den Hinterbliebenen Todesmeldungen und andere Hiobsbotschaften und half ihnen, den Schmerz zu lindern. Geblieben ist ihm eine kaputte Ehe und die Geister der Toten, die ihn immer mal wieder besuchen kommen.
Ein besonderer Fall ruft ihn nun im Ruhestand. Vor zwanzig Jahren erhängte sich in einem Park ein junges Mädchen. Kurz darauf brachte sich ihre Mutter um – und der Witwer Ludwig Winther kann mit dem Verlust auch nach 20 Jahren nicht abschließen. Er ist zutiefst davon überzeugt, dass seine Tochter umgebracht wurde. Seine letzte Hoffnung heißt Jakob Franck. Und dieser hat auch eine persönliche Bindung zu dem Fall – er überbrachte der Mutter des Opfers damals die schlechte Nachricht. Wenig später erhängte sich die Mutter ebenfalls. Franck beginnt den kalten Spuren noch einmal nachzugehen.

Bereits das Cover macht Lust auf den geheimnisvollen Krimi. Was hat sich in der Familie von Ludwig Winther zugetragen? Kann es sein dass Winthers Tochter damals wirklich ermordet wurde und der Mörder mit seiner Tat bis heute davongekommen ist? Geschickt legt Ani seine Spuren, die zwanzig Jahre zurückführen.

Dass Ani schreiben kann, davon zeugte nicht zuletzt die Auszeichnung mit dem Deutschen Krimipreis, den der Müncher mit seinem letzten Tabo-Süden-Krimi errang.Gerade die lebensnahen Dialoge sind eine große Stärke von Der namenlose Tag. Wie Franck in alten Wunden bohrt und in Gesprächen versucht Widersprüche aufzudecken, das liest man so in der deutschen Krimiliteratur selten. Die Realitätsnähe macht den Fall für Jakob Franck aus, sucht man doch gewiefte Serienkiller oder übermenschliche Ermittler vergeblich. Vielmehr kämpft der ehemalige Todesbote mit seinen inneren Dämonen und versucht etwas Frieden zu finden.
Mit seinen knapp 300 Seiten hat der Krimi genau die richtige Länge, bevor ins Langweilige kippen könnte. So ist der Reihenauftakt eine spannende Spurensuche in längst Vergangenem geworden, die bis zu ihrer Auflösung den Leser in Neugierde zu versetzen weiß.

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Angelika Felenda – Der eiserne Sommer

Münchner Morde

sperMünchen, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Das Pulverfass in Serbien brodelt – und auch in München dreht sich der Mahlstrom der Zeit unerbittlich. Unruhige Zeiten, in die eigentlich ein Mord gar nicht passen will. Dennoch geschieht genau das – ein zwielichtiger Münchner wird ermordet an der Isar aufgefunden. Die Hintergründe der Tat sind äußert nebulös und so darf sich der junge Münchner Kommisär Sebastian Reithmeyer um die Angelegenheit kümmern. Darüber hinaus ist er noch in Ermittlungen gegen einen Hochstapler eingespannt und wird dauernd von seinen Vorgesetzten mit neuen Aufgaben betraut.

Bei seinen Ermittlungen im aufgeheizten München stößt er schon bald mit dem omnipräsenten Militär zusammen. Es hat nämlich den Anschein, als seien hochrangige Militärs in den Tod des Mannes an der Isar verwickelt. Doch bei seinen Ermittlungen sind Reitmeyer die Hände gebunden, darf er doch nicht gegen das Militär als Kommisär ermitteln.
Aus dieser Zwickmühle zieht der Krimi „Der eiserne Sommer“ von Angelika Felenda auch seinen besonderen Reiz. Gekonnt schafft es die Autorin, die unterschiedlichen Milieus und Stimmungen im Vorkriegs-München einzufangen. Man bekommt ein Gefühl für die damaligen Zustände und fühlt sich während der Lektüre glatt um einhundert Jahre zurückversetzt.

Der Fall, den Felenda immer weiter aufblättert, hat es wirklich in sich. Kommisär Reithmeyer muss sich mit allen Schichten der Landeshautptstadt auseinandersetzen und bekommt andauernd Knüppel zwischen die Beine geworfen. Dies erfordert vom Leser doch an der ein oder anderen Stelle etwas Übersicht und die Fähigkeit zum Merken des Plots, dafür wird man aber mit einer tollen Geschichte belohnt. Wenn die Charaktere mit dem Fortschreiten der Serie noch etwas Tiefgang und Profil gewinnen, kann hier eine großartige historische Krimi-Serie entstehen.

Wer an den Krimis von Robert Hültner oder Volker Kutscher seine Freude hatte, der dürfte auch hier fündig werden!

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