Kuba, Miami und Mexiko sind die Schauplätze von Gabriela Garcias Roman Von Frauen und Salz. Aber vielmehr als die einzelnen Schauplätze ist es das Dazwischen, das die junge Autorin interessiert und von dem sie eindrucksvoll zu erzählen weiß, indem sie ganz unterschiedliche Figuren im Laufe der anachronologisch erzählten Geschichte in ihrer ganzen Zerrissenheit und Sehnsucht nach dem Unerreichbaren schildert.
Im Kern ist Von Frauen und Salz eine feministische Familiensaga, wie es sie insbesondere seit Isabel Allendes Das Geisterhaus dutzendfach auf dem Markt gibt. Frauen aus verschiedenen Generationen stehen im Mittelpunkt solcher Romane und werden bei ihren Kämpfen für weibliche Selbstbestimmung und gegen herrschendes Unrecht und Gewalt inszeniert. Intergenerationalen Traumata und Widerstände, gegen die sie sich die Frauen erwehren müssen, sind dabei stets Thema und werden in solchen Sagas mal gelungener und mal weniger gelungen herausgearbeitet.
Das ist bei Gabriela Garcia nicht anders, wobei ihr Debüt in die Kategorie der gelungenen Bearbeitungen fällt, um dieses Urteil gleich vorwegzunehmen.
Ihr Roman setzt mit einem kurzen Kapitel ein, das Carmen im Jahr 201 in Miami zeigt. Nach wenigen Seiten springt Garcia dann eineinhalb Jahrhunderte zurück in der Zeit, nämlich ins Jahr 1866. Dort lernen wir María Isabel kennen, die als Tabakrollerin ihr Auskommen auf der Insel Kuba bestreitet.
Sie lebt in Camagüey und behauptet sich als einzige Tabakrollerin unter einer ganzen Menge Männern. Während die spanischen Besatzungstruppen den revolutionären Umtrieben der Kubaner*innen ein Ende setzen wollen, erwartet María Isabel ein Kind, das sie mit einem jener kubanischen Revolutionäre gezeugt hat.
Von dieser Episode geht es wieder zurück nach Miami ins Jahr 2014, wo nun Jeanette im Mittelpunkt steht. Sie lebt in prekären Verhältnissen und beobachtet die Razzia der Einwanderungsbehörde bei ihrer Nachbarin. Diese wird von den Behörden festgenommen und weggebracht. An ihr Kind hat allerdings niemand gedacht. Und so nimmt Jeanette das Kind unter ihre Fittiche, um es wenig später dann doch den Einwanderungsbehörden zu melden und zu übergeben.
Eine anachronologische Familiensaga
Das sind die ersten drei kurzen Episoden in diesem Roman, die zeigen, dass Gabriela Garcia aus der klassischen Form der weiblichen Familiensaga hier etwas Eigenes macht. Denn statt auf einen linear erzählten Erzählfluss setzt sie lieber auf das Erzählen in Schlaglichtern, die mit der Chronologie brechen. Schlaglichter, die erst im Zusammenhang mit dem ganzen Buch eine logische Abfolge ergeben und die Beziehung der Frauen untereinander herausarbeiten.
Dabei sind die Hauptschauplätze von Von Frauen und Salz die Insel Kuba und Miami sowie das mexikanische Grenzland. An diesen Schauplätzen leben Garcias Frauen, denen aber immer ein permanentes Gefühl des Dazwischen und der Zerrissenheit eingeschrieben ist.
So sehnt sich die in Miami aufgewachsene Enkelin nach dem Kuba ihrer Großmutter oder die Tochter einer Migrantin aus El Salvador nach Amerika, wo sie aufgewachsen ist. Dessentwegen begbit sie sich in die Hände von Schleusern, um mit diesen über den Grenzfluss wieder nach Amerika zu gelangen und so die Sehnsucht nach einem besseren oder zumindest anderen Leben zu stillen.
Erzählen durch Schlaglichter
Fortführen lässt sich dieses Motiv der Zerrissenheit und Dissoziation über das geographische und psychische Spannungsfeld der Figuren hinein bis in die Umbrüche der Geschichte selbst. Dabei bildet die wechselvolle kubanische Geschichte den Schwerpunkt von Gabriela Garcias Erzählung.
Wie die spanischen Kolonialherren in den 1860 Jahren mit blutiger Macht regieren und trotzdem nicht vor den revolutionären Umbrüchen gefeit sind, das beschreibt sie ebenso wie die alte Ordnung unter dem kubanischen Präsidenten Fulgencio Batista, die knapp hundert Jahre später durch die Revolutionäre um Fidel Castro abgelöst wurde.
Auch hier setzt Garcia wie in der gesamten Komposition ihres Buch nicht auf umfassende Darstellung der Hintergründe der jeweiligen Umschwünge, sondern verdichtet diese Momente der Zeitgeschichte auf Schlaglichter, die ihr zur Schilderung der wechselvollen Geschichte genügen.
Fünf Frauen, 150 Jahre Geschichte
Dabei ist das Schöne an Von Frauen und Salz, dass dieses erzählerische Gesamtkonzept bei aller Knappheit aufgeht. Fünf Frauenschicksale und 150 Jahre amerikanisch-kubanischer Geschichte auf gerade einmal etwas mehr als 300 Seiten, das ist eigentlich deutlich zu knapp bemessen. Dass es trotzdem funktioniert, ist der klugen Auswahl entscheidender Kipppunkte im Leben der Frauen und der Geschichte insbesondere in Bezug auf Kuba zu verdanken.
Zwar hätte die ein oder anderen Figur noch etwas mehr Profil vertragen, auch geht es manchmal doch etwas arg schnell mit den anachronologischen Sprüngen, aber doch entwickelt Garcias Geschichte Drive und eine große emotionale Wucht, wenn die Frauen mit ihren Entbehrungen und Leidensgeschichten von gewalttätigen Ehemännern bis zur Drogensucht gezeigt werden. Auch vermittelt die junge Autorin in Von Frauen und Salz gelungen, welche Bedeutung Literatur in ganz unterschiedlicher Ausprägung für Menschen haben kann. So ist es hier Victor Hugos Roman Die Elenden bzw. Les Misérables, der über Generationen weitergereicht wird und der immer wieder Hoffnung und Sinn spenden kann.
Fazit
So ist Von Frauen und Salz ein geradezu prototypischer feministischer Generationenroman, der vom Kampf gegen die Unterdrückung und das Patriarchat durch die Jahrzehnte hinweg erzählt. Durch die anachronologische Erzählweise und die Verdichtung des Materials auf entscheidende Kipppunkte hin bekommt die Prosa von Gabriela Garcia eine eigene Note und stellt die weibliche Widerstandskraft in den Mittelpunkt ihres Erzählens. Prosa mit feministischem und zeitgeschichtlichem Schlag, wie sie gerade im Trend liegt. Prosa, die aber auch unabhängig von aktuellen Moden durch die Themen und Erzählweise überzeugt.
- Gabriela Garcia – Von Frauen und Salz
- Aus dem Englischen von Anette Grube
- ISBN 978-3-546-10011-3 (Claassen)
- 304 Seiten. Preis: 22,00 €