Monthly Archives: April 2016

Rolf & Cilla Börjlind – Die Strömung

Bereits zum dritten Mal dürfen die Polizistin Olivia Rönning und der ehemalige Kommissar Tom Stilton in Schweden auf Verbrecherjagd gehen. Das Strickmuster hierbei ist aus den beiden Vorgängerbänden hinlänglich bekannt (Die Springflut und Die dritte Stimme).

Die Stroemung von Cilla Boerjlind

Die Strömung von Cilla Börjlind

Zwei Ereignisse, mit denen sich Olivia und Tom beschäftigen, haben eigentlich auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun, doch verknüpfen sie sich im Lauf des Buchs immer mehr. Diesmal ist es der brutale Mord an einem Kleinkind, dem einfach das Genick gebrochen wurde, während es im Sandkasten einen Moment unbeaufsichtigt war. Während Olivia hier an den Ermittlungen beteiligt ist und möglichen rassistischen Spuren nachgeht, lebt Tom sein zurückgezogenes Leben halb auf der Straße. Per Zufall stößt er auf ein altes Buch, in dem verschiedene Notizen und Zettel zu einem Mord an einer Prostituierten liegen, der schon Jahre zurückliegt. Tom beginnt Nachforschungen über das Buch anzustellen und rollt alte Spuren auf.

Langsam fügen die beiden schwedischen Autoren die Stränge zusammen und lassen das bewährte und grundverschiedene Duo Olivia/Tom einmal mehr ermitteln. Der Krimi folgt dabei dem bekannten Strickmuster und ist solide gemacht. Ein gewisses Maß an Über-Konstruktion kann man dem Krimi sicher nicht absprechen, doch dieses Problem hat das Autorenduo nicht alleine, liest man doch diesen Grundplot immer wieder in zahlreichen Krimis (ein Ereignis aus der Vergangenheit, das plötzlich für alle Beteiligten tödliche Konsequenzen entwickelt). Doch wenn man sich am hinlänglich bekannten Strickmuster nicht stört, bekommt man einen weiteren soliden Schwedenkrimi, der besonders in diesen Tagen durch das im Buch behandelte Thema des Rassismus über das Gros der Schwedenkrimis herausragt. Eine gute Fortsetzung der Reihe, der wahrscheinlich noch einige Titel folgen werden!

[Die Übersetzung hier leistete ebenfalls wie schon im Vorgängertitel routiniert Christel Hildebrandt]

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Hanns-Josef Ortheil – Die Moselreise

Noch vor seiner Berlinreise unternahm Hanns-Josef Ortheil als Junge bereits schon einmal eine Reise mit seinem Vater. Diese Moselreise führte ihn von Koblenz das Moseltal entlang bis nach Trier, völlig entschleunigt im Juli 1963. Die Adenauer-Jahre beherrschten Deutschland und eine heute gar nicht mehr vorstellbare Langsamkeit hüllte die BRD ein. Hanns-Josefs Vater nimmt sich Zeit für sein Kind und wandert mit ihm in kleinen Etappen die Strecke gen Trier, während die Mutter daheim in Köln weilt.

Die Moselreise von Hanns-Josef Ortheil

Die Moselreise von Hanns-Josef Ortheil

Auch wenn die Mutter nicht aktiv an der Reise teilnimmt, so begleitet sie Vater und Sohn doch beständig, die vielen Postkarten und Gedanken, die Ortheil an seine Mutter schickt, sind im Buch durch Einschübe eingefügt. Das Buch ist genau wie die Berlinreise auch wieder eine Collage aus Postkarten, Texten, Betrachtungen und Exkursen, die der junge Hanns-Josef Ortheil im Nachgang der Reise arrangierte und seinen Eltern schenkte, um sie an seinen Erlebnissen teilhaben zu lassen.

Die jetzige Ausgabe dieser Moselreise ist umgeben von einem Vor- und Nachwort, das das kindliche Reisetagebuch in Ortheils Werdegang als Schriftsteller einordnet. Beeindruckend hierbei ist die Klarsichtigkeit des Autors, der reflektiert das mit seinem Vater Erlebte in seiner Biografie einordnet. Auch rührt die Schilderung der zum zweiten Mal erlebten Moselreise an, die Ortheil noch im Nachwort anfügt. Als sein Vater gestorben war, unternahm der Schriftsteller die identische Reise einmal mehr, auch um sich seines Vaters zu erinnern. Der geschilderte Übergang von Erleben zu Erlebtem und Erinnern ist eindrücklich gelungen. Man liest und staunt über die Präzision und Ortheils und sein schriftstellerisches Geschick, das schon als Kind in ihm angelegt ist.

Ein kindlich, unschuldiges Buch, das die Lust nach einer ebensolch entschleunigten Reise zu wecken vermag!

 

 

 

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Juli Zeh – Unterleuten

„Unterleuten ist ein Gefängnis“ (Kathrin Kron-Hübschke)

„Unterleuten bedeutet Freiheit“ (Gerhard Fließ)

Zwischen diesen zwei Zitaten von Bewohnern des fiktiven Örtchens Unterleuten spielt sich im neuen Buch von Juli Zeh alles ab. Unterleuten liegt irgendwo in Brandenburg, eine Autostunde aber auch eine ganze Welt von Berlin entfernt. Das Dorf ist eigentlich recht pittoresk und wirkt aus der Zeit gefallen (keine Gehsteige, kein gemeinsames Abwassersystem, Lohn und Brot durch die Agrarwirtschaft) – doch wehe man blickt hinter die Fassade.

Unterleuten von Juli Zeh

Unterleuten von Juli Zeh

Der doppeldeutige Titel Unterleuten gibt in diesem Buch eindeutig die Schlagrichtung vor. Juli Zeh lässt vor den Augen des Lesers ein Dorf mit einem Personaltableau entstehen, das so disparat wie funktional ist. Jedes Kapitel wird aus der Sicht eines anderen Dorfbewohners erzählt und so beobachtet man das wunderliche Geschehen, dass sich sukzessive durch immer wieder neue Augen betrachtet ergibt, mit einer Mischung aus Befremden und Faszination,

Das auslösende Momentum für alle Dynamiken, die sich auf über 640 Seiten im Dorf entfalten werden, ist der geplante Bau einer Windkraftanlage. Die Heidelandschaft rund um Unterleuten wurde als Bebauungsgebiet ausgewiesen – diese Pläne lassen nun das ganze Dorf förmlich explodieren. Während die einen um die aus der DDR hinübergerettete Agrargemeinschaft fürchten, sieht ein Vogelschützer die ornithologische Vielfalt in Unterleuten bedroht. Dabei könnte das Geld, das der Bau der Windräder staatlich subventioniert einbrächte, das ganze Dorf auf Vordermann bringen.

Mit großer Lust stößt Juli Zeh den ersten Dominostein in diesem Roman um, dem viele weitere Steine folgen werden. Sie lässt die unterschiedlichen Lebensmodelle aufeinander prallen, lässt Westler an Ostler geraten, lässt Resignierende auf Veränderer stoßen und beobachtet aus den wechselnden Perspektiven, wie sich die ganzen kleinen schlummernden Glutnester langsam zu einem Großfeuer entzünden. Sie arbeitet hierbei auch stark mit den Mitteln der Komödie, denn immer wieder reden die Unterleutner Bewohner aneinander vorbei, wittern Konflikte, wo eigentlich nur Missverständnisse herrschen und manövrieren sich in Situationen, die eigentlich niemand wollte.

Ihr Figuren legt Juli Zeh dabei auch mit einer ordentlichen Lust an der Karikatur an. Im Haus der Vogelschützers (der eigentlich ein gescheiterter Berliner Soziologieprofessor ist) gibt es Hirseauflauf, der Großgrundbesitzer ist feist und versteht es seine Pfründe zu bewahren. Dies ist zwar nicht allzu subtil, macht aber Freude zu lesen. Dieses Dorf könnte man sich auch in einer Serienverfilmung gut vorstellen – hinziehen möchte man aber auf keinen Fall!

 

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Paul Mendelson – Die Unschuld stirbt, das Böse lebt

Die toten Jungen von Kapstadt

Der Tatort, zu dem Vaughn de Vries nahe Kapstadt gerufen wird, ist ein bedrückender Schauplatz eines Verbrechens:  In einem Abfallcontainer wurden die Leichen zweier Jungen entsorgt. Die anämischen Körper zeigen, dass die Jungen lange kein Licht mehr gesehen haben. Zudem ergibt die gerichtsmedizinische Auswertung, dass die beiden Opfer vor ihrem Tod missbraucht wurden. All das katapultiert den Ermittler de Vries in Erinnerungen sieben Jahre zurück. Damals verschwanden drei Jungen in Südafrika und blieben verschwunden. Zwei der Toten sind nun tatsächlich die Entführungsopfer aus dem Jahr 2007 – und de Vries wird mit seinem damaligen Versagen konfrontiert.

978-3-499-27072-7Umso verbissener macht er sich deshalb natürlich an die aktuellen Ermittlungen, um damit auch den Entführern der Jungen sieben Jahre zuvor auf die Spur zu kommen. Wo wurden die Jungen so lange gefangen gehalten und wer hat bei diesem Verbrechen seine Finger im Spiel? Erschwert wird seine Suche nach der Wahrheit dabei von einem Polizeiapparat, der de Vries zahlreiche Knüppel zwischen die Beine wirft, um ihn scheitern zu sehen. Interne Ermittler haben es genauso auf de Vries abgesehen wie die Leitung der Polizeibehörde – und so muss dieser an zwei Fronten kämpfen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.

 

 

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Jochen Distelmeyer in der Kantine

Songs from the Bottom, Vol. 1

 

Hey Folks, der old Nobody Jochen Distelmeyer (Blumfeld) gibt sich in meiner Stadt Augsburg die Ehre. Zur Info für alle Nachgeborenen: Der Chefmelancholiker vom Dienst war mal mit Blumfeld die Spitze der Hamburger Schule und schenkte der deutschen Indieszene großartige Hits wie etwa Tausend Tränen tief vom Album L’etat et moi. Nun hat sich Distelmeyer daran gemacht, zeitgenössische und durchaus schon abgenudelte Songs in seinem Album Songs from the bottom, Vol 1 zu covern und damit den Liedern neues Leben zu geben. Ein durchaus gelungenes Album, auch wenn die Musikauswahl erst einmal stutzen lässt. Al Green neben Avicii, Britney Spears neben Radiohead? Was komisch klingt, funktioniert auf dem Tonträger hervorragend, zusammengehalten durch Distelmeyers prägnant-sehnsuchtsvolle Stimme und die doch recht schmalen und minimalistischen Orchestrierungen.

U1_978-3-498-01203-8.inddGrundlage für dieses Album war Distelmeyers Lesereise zu seinem Roman Otis (leider von mir noch nicht gelesen), der von einem Mann und seinem irrlichternden Taum durch Berlin berichtet. Bei den Lesungen zum Roman packte Distelmeyer des Öfteren die Gitarre aus, um Songs zu covern, die ihn begleitet haben und die bei ihm geblieben sind. Und nun ist daraus das erste Album entstanden, dem noch weitere folgen dürften, wenn man der Titel nicht trügt.

 

KantineUnd nun zum großen Highlight. Jochen Distelmeyer kommt in die Kantine Augsburg zum Konzert und zum Erzählen, und im Gepäck hat er die Gitarre und Lust auf einen tollen Abend. Und das noch größere Highlight kommt jetzt – ihr könnt hier bei mir zwei Gästelistenplätze gewinnen für diesen Abend. Wie funktioniert das? Einfach einen Kommentar hier hinterlassen oder mir direkt über das Kontaktformular schreiben, warum ihr gerne Kollege Distelmeyer lauschen würdet. Und schon seid ihr im Topf und könntet am Eingang der Kantine ohne zu bezahlen passieren. Wäre das was? Dann schnell die Feder gespitzt und losgeschrieben. Viel Erfolg!

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