Category Archives: Kriminalroman

Melanie Raabe – Die Falle

In der Falle

Eine Schriftstellerin, die über eine Schriftstellerin schreibt. Die eine hat großen Erfolg, ist arriviert, traut sich aber nicht aus dem Haus. Die andere heißt Melanie Raabe und hat einen Psychothriller über die fiktive Autorin Linda Conrads geschrieben.

Eingesperrt im eigenen Zuhause

 

Linda Conrads leidet unter Agoraphobie, das heißt sie traut sich nicht mehr aus ihren eigenen vier Wänden heraus. Als erfolgreiche Schriftstellerin umgibt sie so der Nimbus des exzentrischen Genies, tatsächlich liegen die Gründe für ihren Rückzug allerdings tiefer. Nachdem ihre Schwester ermordet wurde, zog sich die Autorin immer mehr von der Außenwelt zurück und verschanzte sich schlussendlich in ihrer Prachtvilla am Starnberger See. Zusammen mit ihrem Hund verbringt sie dort die Tage und wird von ihrem Personal mit den Dingen des täglichen Lebens versorgt.
Mit einer beeindruckenden Regelmäßigkeit legt sie jedes Jahr einen neuen Roman vor und hat sich mit der Vergangenheit versöhnt, bis eines Abends das Unheil in ihre Villa einbricht.
Im Fernsehen meint sie nämlich den Mörder ihrer Schwester erblickt zu haben. Dieser arbeitet als Fernsehjournalist und wahrt eine biedere Fassade, hinter der Linda Conrads den Mörder ihrer Schwester ausgemacht haben will

Ein Psychoduell

Völlig aus der Bahn geworfen beschließt Linda Conrads, den Journalisten in eine Falle zu locken. Sie schreibt – völlig atypisch für ihr bisheriges Schaffen – einen Thriller, der die Ereignisse der Nacht, als ihre Schwester ermordet wurde, verarbeitet. So will sie den Journalisten aus der Reserve locken – und dieser beißt prompt an. Für ein Exklusivinterview sucht der potentielle Mörder ihrer Schwester die Autorin in ihrem Haus auf – und ab da entspannt sich ein Psychoduell zwischen den beiden Protagonisten, bei dem nichts ist, wie es zu sein scheint. Ist der Journalist wirklich der Mörder von Lindas Schwester oder was hat sich in der fraglichen Nacht damals wirklich zugetragen?

Unblutig und trotzdem spannend

Wo Sebastian Fitzek inzwischen Psychothriller mit Schlächter- und Metzelorgien verwechselt und sich auch andere Autoren unter dem Label des psychologischen Spannungsromans immer detaillierter in der Beschreibung von Gewaltszenen suhlen, besinnt sich Melanie Raabe zurück auf die Wurzeln des Psychothrillers.
In der Tradition von Großmeistern wie Hitchcock oder Patricia Highsmith erzählt Melanie Raabe ein wendungsreiches Duell, das keine spritzende Blutfontänen braucht, um den Leser zu fesseln. Das Grauen kommt bei der Kölner Autorin auf leisen Pfoten – und wer glaubt dass der Plot nach 100 Seiten schon auserzählt ist, der sieht sich schnell getäuscht.

Wer auf spannende Psychothriller steht, die ohne Blut- und Metzelorgien auskommen, dem sei das Debüt der sehr sympathischen Autorin wärmstens ans Herz gelegt!
Diesen Beitrag teilen

Elisabeth Herrmann – Der Schneegänger

Sanelas zweiter Einsatz

Der Schneegaenger -Elisabeth Herrmann

Der Schneegänger -Elisabeth Herrmann

Nachdem sie ihren letzten Einsatz im Dorf der Mörder nur knapp überlebt hat, will Sanela Beara eigentlich nichts mehr mit dem Streifendienst zu tun haben. Stattdessen büffelt sie lieber kräftig, um ihr Polizisten-Studium gut über die Bühne zu bringen. Doch trotz aller Ambitionen hat sie nicht die Rechnung mit dem KHK Lutz Gehring gemacht, der bei einem schwierigen Fall auf Sanelas Hilfe angewiesen ist. Ein Jäger hat in einem Waldstück die verscharrte Leiche eines kleinen Jungen gefunden. Eben dieser Junge wurde vor vier Jahren und entführt und trotz aller Ermittlungen konnte die Polizeidamals kein Lebenszeichen des Jungen geschweige denn Informationen über die Entführer ermitteln. Nun bietet sich für Gehring  die Möglichkeit, den Cold Case aufzuklären, indem er auf die Hilfe von Sanela Beara zurückgreift, denn diese verbindet mit dem Jungen die kroatischen Wurzeln.

Gegen den Willen von Gehring beschließt Sanela sich undercover in das Haus einzuschleusen, in dem der Junge mit seiner Mutter wohnte. Denn offensichtlich lauern hinter der Fassade der Prachtvilla dunkle Geheimnisse, die die Familie des Opfers und die Besitzer der Villa lebten. Schon bald gleichen Sanelas Ermittlungen einem Drahtseilakt.

Eine unangepasste Ermittlerin

Mit Sanela Beara hat Elisabeth Herrmann neben ihrem Anwalt Joachim Vernau eine zweite große Figur geschaffen, die die Leser für sich einnimmt. Mit ihrem unangepassten Wesen, mit dem sie nicht nur den Kriminalhauptkommissar Gehring immer wieder auf die Palme bringt, bleibt sie im Gedächtnis der Leser.

Erreicht nicht die Klasse des Vorgängers

Leider muss ich konstatieren, dass Der Schneegänger mitnichten so packend gelungen ist wie Sanelas erster Fall Das Dorf der Mörder. Zwar vermag es Elisabeth Herrmann auch in diesem neuen Buch wieder gekonnt, Atmosphäre zu schaffen, leider trägt der Handlungsbogen nicht über die Dauer des Buches. Einige Längen haben sich in das Buch eingeschlichen – und auch an die Originalität von Das Dorf der Mörder reicht der Fall nicht heran. Stattdessen meinte ich eher des Öfteren eine bräsige Folge von Der Alte oder Der Kommissar zu lesen, als die beiden Polizisten in der Reichen-Villa ermittelten. Die Motive und Charaktere sind für meinen Geschmack leider zu stereotyp geraten (der geheimnisvolle Wolfsforscher, der abgefeimte reiche Villenbesitzer, der verschlagen-manipulatorische Zögling, etc.) und so bleibt mir nur die Hoffnung dass es bei Sanelas drittem Einsatz wieder bergauf geht!
Wer dem Roman (der trotz aller Mängel immer noch besser als die andere kriminelle Dutzendware ist) eine Chance geben möchte, erhält hier noch einen kleinen Teaser: Die Autorin Elisabeth Herrmann schildert höchstselbst den Plot von Der Schneegänger und gibt Einblicke in das Buch.

Viel Spaß beim Schauen und bei der Lektüre des Buches wünsche ich!
Diesen Beitrag teilen

Sandrone Dazieri – In der Finsternis

Dunkle Geheimnisse

Der italienische Drehbuchautor Sandrone Dazieri entführt die Leser seines ersten Romans gleich einmal in klaustrophobische Gefilde. Das gelungen gestaltete Cover führt den Leser tatsächlich in Finsternis, so auch der Titel des Thrillers.

Auf den Spuren des Vaters

Inhaltlich dreht sich der Roman um den Profiler Dante Torre, der als Kind ein grausiges Schicksal erleiden musste. Von Peinigern in ein dunkles Verlies gesperrt, musste er dem sogenannten „Vater“ zu Diensten sein, ein sadistischer Quäler, der jegliches Fehlverhalten bestrafte. Ihm gelang die Flucht, die seelischen Narben hat Torre jedoch behalten. Er kann kaum seine eigenen vier Wände verlassen – ein großes Problem als er nun von der Ermittlerin Colomba Caselli aufgesucht wird. Denn entgegen der offiziellen Version, dass der „Vater“ nach Torres Flucht Selbstmord begangen hat, scheint der „Vater“ weiterhin aktiv zu sein. Gegen alle Widerstände beschließen Caselli, von Torre liebevoll CC genannt, und Torre die Ermittlungen fortzuführen.

Sie stoßen auf ein geheimes Programm und Spuren, die ins Militär und den Machtapparat führen. Doch schon bald werden aus den Jägern Gejagte und Torre und Caselli müssen vor den Behörden fliehen, um den klandestinen Spuren zu folgen.

 Ein talentierter Autor

(c) Mario Tirelli

Sandrone Dazieris Hintergrund als Drehbuchautor merkt man „In der Finsternis“ auf jeden Fall an. Filmreif weiß er seinen Plot zu inszenieren, stets schlägt die Handlung wieder einen Haken oder springt zum nächsten Erzählstrang. Inspiriert von Fällen wie dem aufsehenerregenden Kampusch-Fall aus Österreich und ähnlichen Begebenheiten vermittelt der italienische Autor dem Leser glaubhaft ein Gefühl, was es heißt in der Finsternis gefangen zu sein.

Auch wenn Torres Martyrium und seine Fähigkeit, seine Gegenüber zu lesen, einen kleineren Teil einnimmt, als die Inhaltsbeschreibung vermuten lässt, ist das Buch insgesamt ein spannender Thriller geworden, der seine Protagonisten unerbittlich durch Italien jagt. Auch wenn der Leser die ganze Zeit über miträtselt, was die Identität des „Vaters“ angeht, so wurde zumindest ich am Ende des Romans noch einmal überrascht. Dies spricht sehr für das Talent Dazieris, den Leser an der Nase herumzuführen, und lässt mich auf weitere Titel des Schreibers warten. „In der Finsternis“ ist eine Empfehlung für alles Leser von temporeichen und eindrücklichen Thrillern, die eine dunkle Seite Italiens fernab von Dolce Vita kennen lernen wollen!

Diesen Beitrag teilen

Adrian McKinty – Die verlorenen Schwestern

Das Problem des verschlossenen Raums

Mit Die verlorenen Schwestern schickt Adrian McKinty seinen katholischen Bullen Sean Duffy in seinen nunmehr dritten Einsatz – und dieser ist verzwickter als alle Fälle, mit denen er zuvor zu tun hatte. Nach seiner Degradierung aufgrund seines letzten Falles (Die Sirenen von Belfast) muss sich Duffy nun wieder als normaler Streifenbeamter im Pulverfass Nordirland in den 80ern seiner Haut erwehren. Diese Lage ist höchst angespannt, zwischen IRA, Thatcher und Paisley brennt die Luft. Und ausbaden müssen dies Männer wie Sean Duffy.

Auf der Flucht

Doch nicht lange währt sein Streifendienst, er wird vom britischen Geheimdienst schnell wieder zurück in Amt und Würden gesetzt, da ein Problem nationaler Tragweite droht. Duffys ehemaliger Klassenkamerad Dermot McCann ist aus einem Hochsicherheitsgefängnis ausgebrochen. Dort war er inhaftiert, weil er ein gefürchteter Bombenleger der IRA ist und in Libyen in einem Terrorcamp seine Kunst verfeinert hatte. Duffy wird auf den Flüchtigen angesetzt und stochert im Nebel.

Alles wird noch deutlich komplizierter, als es ohnehin schon ist , als plötzlich auch noch die Ex-Schwiegermutter Dermot McCanns auftaucht. Sie verspricht dem katholischen Bullen einen Deal: sie gibt ihm einen Tipp bezüglich des Aufenthaltsortes McCanns, dafür löst Duffy ein lang zurückliegendes Mysterium. Ihre Tochter wurde damals in einem von innen verschlossenen Pub tot aufgefunden – ein Mord wie die Schwiegermutter glaubt. Duffy muss zu allem Überfluss nun auch noch dieses Rätsel lösen, ehe er sich hinter die Fährte Dermot McCanns klemmen kann. So tickt die Uhr unerbittlich, während Duffy an den verschiedenen Fronten seine Ermittlungen führen muss.

Eine Verbeugung vor dem Locked-Room-Mystery

„Die verlorenen Schwestern“ ist ein verschachtelter Krimi, der diesmal mit zwei unterschiedlichen Fällen aufwartet und zugleich eine Verbeugung vor dem „Locked Room Mystery“, also dem Problem des verschlossenen Raums ist. Dieses Topos faszinierte Krimiautoren wie John Dickson Carr, Edgar Allen Poe oder Edmund Crispin schon vor Jahrzehnten – und eben Adrian McKinty auch noch heute. In seinem Blog und auch in „Die verlorenen Schwestern“ wirft er einen Blick zurück auf diesen Krimizweig und schafft einen ganz eigenen faszinierenden Fall, der sich dann aber vollkommen rational aufklärt.
Auch der dritte Fall von Sean Duffy ist wieder sensationell gut geschrieben, voller popliterarischer und geschichtlicher Bezüge und schafft es, ein eindrückliches Bild vom Nordirland-Konflikt zu zeichnen. „Die verlorenen Schwestern“ ist hohe Krimikunst – wie bei McKinty nicht anders zu erwarten – und darüber hinaus auch geschichtlich höchst interessant. Der Leser sollte ein gewisses Maß an Interesse und Hintergrundwissen für die irische Problematik der 80er Jahre mitbringen, wenn man den Roman in seiner Tiefe genießen will. So oder so ist dieser Roman ein wirkliches Highlight in der Krimilandschaft und sollte auf jeden Fall gelesen werden.

Unglückliche Formatentscheidung

Der einzige Kritikpunkt, der aber auch nicht auf den Inhalt gerichtet ist, ist die Gestaltung des Buches durch Suhrkamp. Warum mitten in der Reihe nun bei der Gestaltung vom Hardcover auf das Paperback-Format umgestiegen wurde, ist für mich nicht ersichtlich. Im Regal macht sich diese hervorragende Reihe nun etwas merkwürdig mit diesem Formatwechsel. Dieses Problem (wenn man es so nennen will) ist wohl eher etwas für Buchsammler, aus ästhetischer Sicht finde ich die Gestaltung aber nicht ganz gelungen. Inhaltlich aber ganz große Krimikunst!
Wer jetzt neugierig auf das Buch geworden ist, der darf einfach gerne diesem Link hier folgen! Dort gibt es noch mehr Informationen über diesen Top-Titel.

Die Sean-Duffy-Reihenfolge

Wie man meiner Rezension unschwer entnehmen kann, haben mich die Bücher Adrian McKintys vollkommen überzeugt und bisher noch nie enttäuscht. Wer die Entwicklung (und Rückschläge) Sean Duffys chronologisch nachverfolgen möchte (was an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen sei), der findet hier die Listung der bisherigen Titel und meiner Besprechungen:
Diesen Beitrag teilen

Lyndsay Faye – Der Teufel von New York

 Der Polizist von New York

Ein junger Polizist inmitten des Big Apple – und das im Jahre 1845: Immigranten drängen in die schmutzige Metropole und ein Mörder geht um, der seine Opfer unter den Kindern in Bordellen sucht. 
Nachdem sein Laden nach einer Explosion im Big Apple nicht mehr ist, ist Timothy Wilde gezwungen sich eine neue Verdienstmöglichkeit zu suchen. Seinem Bruder kommt da die neugegründete Polizeibehörde New Yorks recht, in die er Timothy steckt. Und prompt fällt diesem natürlich auch sein erster Fall im wahrsten Sinne vor die Füße, als er über ein blutbesudeltes Mädchen stolpert.
In der Folge ermittelt sich Timothy gegen alle Widerstände einmal quer durch ein New York, das brodelt, dampft und mörderische Abgründe offenbart …



Continue reading

Diesen Beitrag teilen