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Robert Menasse – Die Erweiterung

Nach Die Hauptstadt folgt Die Erweiterung. Sechs Jahre nach dem Erscheinen seines gefeierten und mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten EU-Romans wagt sich Robert Menasse nun an die Fortschreibung seiner Version der Europäischen Union. Kann das gelingen?


Sechs Jahre sind eigentlich keine allzu lange Zeit. Blickt man allerdings auf die Europäische Union und ihre Entwicklung seit dem Jahr 2017, als Robert Menasses Die Hauptstadt erschien, so kommt es einemdiese Zeitspanne doch eher wie ein Jahrzehnt oder noch deutlich länger vor.

Endlose Diskussionen rund um den Brexit und das finale Ausscheiden Großbritanniens aus der EU, der Rechtsdrift Polens und Ungarns mitsamt bedenklicher verfassungsrechtlicher Entwicklungen, Diskussionen um illegale Pushbacks an den EU-Außengrenzen, eine EU-Wahl mit zwei Spitzenkandidaten für Vorsitz der EU-Kommission, von denen anschließend keiner gewählt wurde, um lieber in bester Hinterzimmermanier eine deutsche Präsidentin zu installieren, die gar nicht auf dem Wahlzettel stand. Das Erstarken der rechten Kräfte in vielen Ländern, endlose Gipfel mit viel Streit um Themen wie Klimaschutz, Migration und Co. und wenig Ergebnissen sowie fehlende Zukunftsvisionen und Ideen für eine Entwicklung des europäischen Staatenverbundes. Kraftlos angesichts vieler Entwicklungen im Inneren und Äußeren, wenn nicht schon ganz abgehängt, so wirkt die EU dieser Tage.

Umso spannender die Frage, wie Robert Menasse als Verfechter der EU und ihrer Institutionen nun sechs Jahr seit seinem letzten Roman diese Entwicklungen aufgreifen würde und wie sein literarischer Kommentar auf den aktuellen Zustand ausfallen würde.

Albanien in die EU?

Ziemlich lang, überfrachtet und nicht wirklich stringent, so die Erkenntnis nach der Lektüre von Die Erweiterung. Dabei setzt Robert Menasse wie schon im ersten Band seiner EU-Saga auf das Stilmittel des Ensembleromans, um seine Geschichte(n) zu erzählen. Sogar der Auftakt seines neuen Romans kopiert die Monatetechnik des EU-Erstlings. War es damals ein Schwein, das durch Brüssel rannte, so bringt diesmal der Helm des Skanderbeg verschiedene Menschen im Kunsthistorischen Museum in Wien zusammen.

Dieser aus Albanien stammende Kopfschmuck ist es dann auch, der im Folgenden eine zentrale Rolle spielt und der für viel Verwirrung sorgt. Auslöser des Ganzen sind die Pläne der EU, die über Beitrittsgespräche mit Albanien grübelt. Soll man das Land in den europäischen Staatenverbund dazu holen? Keine leichte Frage, über die dann natürlich auch diverse Diplomaten und Technokraten auf verschiedensten EU-Ebenen grübeln müssen und die sich in Gestalt des Diplomaten Karl Auer auch selbst ein Bild der Lage vor Ort machen.

Keine Ahnung. Überhaupt: Tausende Touristen. Das hatte ihn schon in Saranda erstaunt. Wieso war dieses Land so überlaufen, von Touristen aus aller Welt, während es doch das Image hatte, ein schwarzes Loch mitten in Europa zu sein, terra incognita, nach Jahrzehnten der Abschottung völlig unbekannt, und kein Mensch hatte einen Vorstellung, eine Ahnung, und wenn, dann dachte man an Mittelalter oder an Schrullen, wie die Tausenden kleinen Bunker, die ein verrückter Diktator hatte errichten lassen, aber wenn man das erwähnte, galt man schon als Albanien-Spezialist … Es war so rätselhaft wie ermüdend.

Robert Menasse – Die Erweiterung, S. 51

Währenddessen treiben der ehemalige Basketballspieler und jetzige albanische Ministerpräsident Zoti Kryeministër als ZK und sein Einflüsterer, der poetisch veranlagte Fate Vasa, ihre Mission voran. Nach dem Veto Frankreichs gegen EU-Beitrittsverhandlungen wollen sie die EU zu Verhandlungen zwingen. Ihre Idee dahinter – ein potentielles albanisches Großreich als Schreckensvision, das die Verhandlungspartner an den Tisch zwingen soll. Zentrales Machtinstrument in ihrem Plan der Versammlung aller albanischen und albanisch-stämmigen Menschen ist dabei der Helm des Skanderbeg, der seinen Träger als Anführer aller Albanier*innen legitimiert.

Der Helm des Skanderbeg

In der Folge entspinnt sich ein groteskes Verwirrspiel um den Originalhelm und dessen Diebstahl aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, eine von einem Schmied in Tirana angefertigte Kopie des Helms, den Ministerpräsidenten und seinen listigen Einflüsterer auf der einen und die EU-Bürokraten auf der anderen Seite.

Robert Menasse - Die Erweiterung (Cover)

Jene Bürokraten sehen sich zudem an vielen anderen Fronten gefordert. Adam Prawdower, der als Adviser Western Balkans Strategy bei der EU beschäftig ist, stammt aus Polen und ist über die Entwicklung des Landes unter Führung seines Jugendfreundes und Solidarnosc-Gefährten Mateusz hin zu einem autoritären Staat zunehmend beunruhigt. Karl Auer von der Abteilung D.4 Albanien, Bosnien und Herzegowina verliebt sich in die albanische Diplomatin mit dem sprechenden Namen Baia Muniq. Um diese Personen herum gruppiert Menasse noch österreichische Kommissare, albanische Ex-Journalisten und schlussendlich sticht das gesamte Ensemble auf den letzten hundert Seiten dieses mit 650 Seiten wirklich voluminösen Romans dann auch noch in See, an Bord des Staatsschiffs SS Skanderbeg.

Robert Menasse hat sich viel vorgenommen für seinen Roman. So greift er Entwicklungen aus den letzten Jahren mal mehr und mal weniger deutlich auf. Die schleichende Radikalisierung Polens ist bei ihm ein zentrales Thema, die anderen Themen wie der Brexit tauchen nur als kleiner Running Gag auf, etwa wenn der zum Iren gewordene David Charlton des Öfteren als Brite geschmäht wird, woraufhin er sich mit einem Hinweis auf seine irische Nationalität rechtfertigt.

Die Erweiterung des Kosmos von Robert Menasse

Nicht nur in der Montagetechnik dieses Ensembleromans knüpft Die Erweiterung an Die Hauptstadt an. Auch tauchen immer wieder kleine Verweise in Form von Motiven wie einem Schwein, Senf oder den nicht-funktionalen Kaminen in Brüssel auf. All das ist schön gelöst und steht in Tradition von Menasses erstem EU-Roman.

Und doch leidet das Buch unter einer Unwucht und mangelndem erzählerischen Fokus. Immer wieder verliert sich Menasse in Passagen wie etwa der über ein konsequent fehlerhaft befülltes Kreuzworträtsel oder biographische Exkurse etwa über einen namentlichen Doppelgänger Siegfried Lenzens oder die Frage um den Verbleib der SS-Standarte Skanderberg.

Neben solch kleinen den Lesefluss hemmenden Exkursen ist aber auch der große Plot wenig ausbalanciert. So stellt zwar der Klappentext den Konflikt zwischen Mateusz und Adam über das Schicksal Polens in den Mittelpunkt, tatsächlich spielt der Roman aber zum überwiegenden Teil in Albanien und ist eher auf die Beitrittsverhandlungen und deren strategischen Volten denn den polnischen Rechtsdrift fokussiert.

Eine Einführung in die Landeskunde Albaniens

An vielen Stellen wirkt Die Erweiterung wie eine Einführung in Sachen Landeskunde Albaniens. Dieses Land, das man wohl noch am ehesten für das Wüten des Diktator Enver Hoxhas oder als Herkunftsland von Mutter Teresa kennt, Robert Menasse für in seine wechselvolle Geschichte in aller Tiefe ein und beschert dabei viele neue Erkenntnisse, vom Rohstoffreichtum des Landes bis hin zu seiner muslimischen Prägung.

Aber zwischen EU-Beitrittsverhandlungen, dem schon manchmal an Slapstick erinnernden Hin und Her um den Helm des Skanderbeg und das abschließende Chaos auf der Jungfernfahrt des Staatsschiffs, das entgegen der Buchaufmachung einen deutlich geringeren Teil als angenommen einnimmt, mag sich einfach kein Gefühl eines runden Plots und einer stringenten Erzählentwicklung einstellen.

Zwar ist die Schlusspointe und die Metapher des Schiffs ganz grandios (inklusive eines Schiffsarzt, der natürlich, wie könnte es anders sein, auf den Namen Schumann hört), die vorherige erzählerische Unwucht und überbordende Detailfülle kann das aber leider auch nicht gänzlich retten.

Fazit

So gelingt es Robert Menasse in meinen Augen leider nicht wirklich, an seinen grandiosen ersten EU-Roman Die Hauptstadt anzuknüpfen. Allzu viele Themen mag er in seinem Roman verhandeln. Themen, zwischen denen sich keine rechte Balance findet und die in ihrer Fülle neben zu vielen erzählerischen Exkursen leider ein Gefühl der Unwucht und mangelnden gestalterischen Orientierung ergeben. Schade drum – aber als Einführung in die wechselvolle Geschichte Albaniens immerhin großartig!

Andere Meinungen gibt es unter anderem bei SWR und dem Deutschlandfunk.


  • Robert Menasse – Die Erweiterung
  • ISBN 978-3-518-43080-4 (Suhrkamp)
  • 653 Seiten. Preis: 28,00 €
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Eva Menasse – Dunkelblum

Etwas wächst und wuchert da im Dunkeln. Ist es eine Blume oder doch eher dicht verflochtenes Wurzelwerk, kaum zu durchdringen, tückisch und an der Oberfläche fast nicht sichtbar? Eva Menasse erzählt in Dunkelblum von der Vergangenheit, die doch nicht tot ist, vielleicht noch nicht einmal vergangen. In Dunkelblum, kommen Knochen ans Tageslicht und mit ihnen viele Geschichte, die man in dort im kleinen österreichischen Dorf an der Grenze zu Ungarn doch lieber vergessen hätte.


Eigentlich ist es ein ganz unscheinbares Dorf, dieses Dunkelblum. Gelegen an der österreichisch-ungarischen Grenze im Burgenland wirkt es auf den ersten Blick recht austauschbar. Früher gab es ein wenig Adel, eine Synagoge und als besondere Sehenswürdigkeit eine Pestsäule. Erstere sind verschwunden, die Pestsäule in der Dorfmitte hat Bestand. Dass der Zahn der Zeit allerdings stark an dieser genagt hat, ist nicht nur für die Säule bezeichnend. Das ganze Dorf ist im Niedergang inbegriffen, so ganz weiß man auch nicht, wo man sich hinentwickeln will. Risse durchziehen hier nicht nur Bauwerke, sondern die ganze Gemeinschaft.

Es gibt einen historischen Ortskern und einen neueren Teil, den Bahnhof hat man gleich mehrfach abgerissen und neugebaut (immer schiacher allerdings, wie man dort sagen würde). Man ist sich uneins ob der Schwerpunktsetzung eines geplanten Museums (soll es eher die Geschichte der Grafen Dunkelblums oder handwerkliche Aspekte in den Vordergrund rücken?), man separiert sich in Stammtischbrüder und Auswärtige, der geografisch nicht weit von Dunkelblum entfernte Grenzzaun, er lässt sich in vielen Abwandlungen überall in Dunkelblum finden.

Sauber abgegrenzte Geschichte

Auch die Vergangenheit hat man dort im Burgenland sauber abgegrenzt und hinter sich gelassen. So meint man jedenfalls, bis einige Ereignisse beweisen, dass die Vergangenheit eben nicht tot ist, nicht einmal vergangen. Bei Probegrabungen auf einer Dorfwiese tauchen alte Knochen auf, die unschöne Erinnerungen wecken. Zudem ist es die Tochter einer Dorfbewohnerin, die sich ebenfalls sehr für die Dunkelblum’sche Vergangenheit interessiert. Flocke Malnitz tut sich mit dem Besitzer des Reiseladens zusammen, um die Geschichte ihres Heimatortes zu ergründen.

Das schmeckt nicht jedem in Dunkelblum, die die Vergangenheit lieber ruhen lassen würden. Schließlich gibt es einiges zu verbergen. Da war dieses Fest der Gräfin von Dunkelblum, in dessen Folgen es zu einem Massenmord kam, über den man sich lieber ausschweigt. Dass die jüdischen Mitbewohner aus Dunkelblum auf mal mehr oder weniger subtile Art und Weise einst aus dem Dorf verschwanden, auch das möchte man besser nicht so genau hinterfragen. Die letzten Tage vor dem Einmarsch der Russen, die Endphaseverbrechen, all das hat man recht erfolgreich aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt.

Da passt es jetzt ganz schlecht ins Bild, dass die junge Frau alten Staub aufwirbelt und hartnäckig die Nerven der Dunkelblumer und Dunkelblumerinnen strapaziert. Noch dazu kümmern sich plötzlich junge Menschen um den vergessenen alten jüdischen Friedhof, der doch so pittoresk vor sich hinverfallen ist und. Vom honorigen Alt-Nazi bis zum überforderten Ersatz-Bürgermeister – sie alle sind beunruhigt. Kann man es nicht einfach gut sein lassen mit diesen alten Geschichten?

Von der Kontinuität der Geschichte

Dunkelblum ist ein Roman, der sich mit der Kontinuität von Geschichte sowie der kollektiven Verdrängung beschäftigt. Die große Kunst des ganzen Buchs ist dabei die Tatsache, dass der Kern ihres Buchs ausgespart und nahezu gar nicht berührt wird. Die schier unfasslichen Verbrechen in der Endphase des Kriegs, die ihr historisches Vorbild im Massaker von Rechnitz haben, werden hier nur touchiert, manchmal in Gesprächen angerissen, ansonsten wird das Verbrechen hier gar nicht ausbuchstabiert. Menasse interessiert sich in Dunkelblum mehr für den Umgang mit dieser Schuld, die viele im Dorf auf sich geladen haben. Die Verarbeitung bzw. Verdrängung sind Themen, die die Österreicherin vielschichtig und nuanciert herausarbeitet.

Dabei gibt es zahlreiche Aspekte, die man an Eva Menasses Roman rühmen kann. Die Mühelosigkeit, mit der sie von Vergangenem zu Gegenwärtigem und wieder zurück wechselt. Die Sicherheit, mit der sie diese verschiedenen Zeitebenen verbindet und aus ihnen das Zeitlose destilliert. Die Frage von Schuld und Verdrängung. Die, welchen Preis Aufarbeitung haben kann und die, wie man sich mit dem Bösen arrangiert. Ihr Werk ist in viele Richtungen deutbar, besitzt Anknüpfungspunkte zu vielen Debatten unserer Tage und ist darüber hinaus nie schwer, sondern nur böse, unterhaltsam und von großem Anspruch.

Die Vermessung der österreichischen Seele

Ihr gelingt es hier, die österreichische Seele aus einem Dorfroman herauszudestillieren. Während die DDR-Flüchtlinge am Grenzzaun zu Österreich rütteln und ein leibhaftiger Flüchtling sogar im Dorf auftaucht, ist schon klar, dass mit aller Macht eine neue Zeit heranbricht. Dennoch versucht man in Dunkelblum alles so handzuhaben, wie man es immer schon gemacht hat. Nicht von ungefähr wird hier kurz auf den unseligen Kurt Waldheim und die damit verbundene Waldheim-Affäre angespielt. Erst diese Affäre, immerhin schon Anfang der 90er Jahre, setzte in Österreich einen Prozess der Aufarbeitung der eigenen Geschichte während des Dritten Reichs in Gang. Der falsche Mythos, dass Österreich immer Opfer gewesen sei, er wird auch in Eva Menasses Buch thematisiert und deutlich widerlegt.

Aber die in Berlin lebende Autorin blickt in Dunkelblum nicht nur zurück auf die dunklen Kapitel der Geschichte Österreichs – sie schafft auch Anknüpfungspunkte in die Gegenwart, etwa dann, wenn Nazi-Schmierereien auf dem jüdischen Friedhof auftauchen. Eine „b’soffene G’schicht“ sei das, nicht mehr, so redet der Bürgermeister dieses antisemitische Delikt klein. Jener Ausruf lässt doch dann sehr an H.C. Strache und dessen Verteidigungslinie im Ibiza-Skandal denken, der unlängst die Alpenrepublik erschütterte. Und so gibt es in diesem Buch viele Beispiele von Anknüpfungspunkten aus der Vergangenheit bis hinein in unsere Gegenwart. Das verleiht dem Buch in seiner Offenlegung historischer Kontinuitäten etwas Zeitloses, das ihn zum Klassiker der österreichischen Literatur bzw. Anti-Heimatliteratur machen könnte.

Auch sprachlich überzeugend

Auch auf der sprachlichen Ebene überzeugt ihr Buch vollends. Sie schafft ein gut lesbares österreichisches Kunst-Idiom, das vor wunderbaren Einfällen und (im Appendix erklärten) Austriazismen nur so strotzt. So verkündet etwa ein Nachfahre des Dunkelblumer Adels, dass die lokale Gruft dringend renovierungsbedürftig sei, da „die Vorfahren safteln“. Immer wieder sind es originelle Sprachbilder und Vergleiche, die Eva Menasse für ihre Erzählung findet. Gedanken „sedimentieren“ da bei einer Frau, der Aushilfsbürgermeister erinnert an ein Murmeltier, dass hilflos mit seinen Händchen ringt, der Geruch eines geschälten Eis ist hier „mephistophelisch“. Hier offenbar eine Autorin einen originellen Zugriff auf die Sprache, die ihre Erzählung zu jedem Zeitpunkt unterstützt.

Umso bedauerlicher der Umstand, dass dieses Buch für keinen großen Buchpreis in diesem Jahr nominiert wurde. mit diesem Roman nicht auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat, lässt einen doch verwundert die Augen reiben. Dass dieser Roman dann noch nicht einmal für die Auswahl des Österreichischen Buchpreises beachtet wurde, lässt einen dann gar nicht mehr aus dem Staunen herauskommen. Wie konnten all die Jurys die Qualität verkennen, die diesem Werk innewohnt? Man sollte den Fehler dieser Literaturjurys nicht machen und in diesem Herbst an diesem Buch vorübergehen. Man würde es bereuen.

Fazit

Eigentlich bietet dieses Buch alles, was Literaturjurys hierzulande mögen und was im Trend liegt. Dunkelblum ist die Aufarbeitung von Historie, vom Dritten Reich bis zum Fall des Eisernen Vorhangs. Dunkelblum ist ein Dorfroman, der eine ganze Gesellschaft mithilfe einer Dorfgemeinschaft vor Augen ruft. Dunkelblum ist eine Erzählung von Erinnern und Vergessen, von Verdrängung und Aufdeckung. Ein stilistisch großartiger Roman, der zum besten zählt, das die österreichische Literatur seit Langem hervorgebracht hat. Dass er für die großen Preise in diesem Herbst übergangen wurde, man muss es nicht verstehen.


  • Eva Menasse – Dunkelblum
  • ISBN 978-3-462-04790-5 (KiWi)
  • 528 Seiten. Preis: 25,00 €
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Leander Fischer – Die Forelle

Was für ein Debüt! Knappe 800 Seiten dichtesten Textgewebes umfasst Leander Fischers Debüt Die Forelle. Es sind Seiten voller Sprachmacht, die die Kunst der Abschweifung und der Konzentration auf das Kleine feiern. Dem jungen Österreicher ist ein mehr als außergewöhnliches Buch gelungen. Nicht ohne Fehl und Tadel, aber von einer Gewagtheit und einem geradezu inkommensurablen sprachlichen und stilistischen Willen, der das Buch zu einem der außergewöhnlichsten in der deutschen Sprache macht, das dieses Jahr zu entdecken ist.


Bereits der Sturm und Drang-Dichter Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart wusste um die Tücke, die das Forellenfischen bereithalten kann. In seinem, durch die Vertonung von Franz Schubert später zu Weltruhm gelangten Gedicht Die Forelle heißt es da:

Ein Fischer mit der Ruthe
Wol an dem Ufer stand,
Und sah’s mit kaltem Blute,
Wie sich das Fischlein wand.
So lang dem Wasser Helle,
So dacht’ ich, nicht gebricht,
So fängt er die Forelle
Mit seiner Angel nicht.

Schubart, Christian Friedrich Daniel: Die Forelle, Strophe 2

Die hohe Kunst des Forellenfischens ist es, die auch Ich-Erzähler Siegi Heehrmann in Fischers Buch erlernen möchte. Nachdem er einst im Mozarteum die Erste Geige spielen durfte, so hat es ihn nun mitsamt seiner Frau Lena und den beiden Kindern in die Provinz des Salzkammerguts verschlagen. Dort verdingt er sich mehr schlecht als Musiklehrer für die Saiteninstrumente. Die Dörfler schicken ihre Kinder zu ihm, damit sie das Spielen der Instrumente erlernen.

Siegi selbst möchte auch etwas erlernen, nämlich die Kunst des Fliegenfischens. Dort im Salzkammergut gibt es jede Menge fischreiche Seen und Flüsse, allen voran die Traun, die das Gebiet durchzieht. Und am wichtigsten: dort im Salzkammergut wohnt Ernstl, ein Nestor des Fliegenfischens. Menschen aus aller Welt suchten seine Nähe, um sich von ihm in diese hohe Kunst einführen zu lassen. Nun fristet Ernstl seinen Lebensabend dort im Salzkammergut und Siegi wird zu seinem Meisterschüler.

Die hohe Kunst des Fliegenfischens

In der Traun und ihren zahlreichen Nebenflüssen tummeln sich die Forellen, die aber ein äußert gerissener Gegner sind. Um sie zu überlisten, braucht es einen kunstvoll gebundenen Köder. Langsam lernt Siegi die Kunst der perfekten Fliege. Egal ob Ritz D, Red Tac oder Charly Fly – will man die Forellen in den Flüssen erlegen, muss man sich der Kunst des Fliegebindens widmen. Und Siegi ist gewillt, sich ganz dieser Kunst hinzugeben. Wenn es ihn auch von allen anderen Dorfbewohnern, den schlagenden Mitgliedern des Fischereivereins oder von seiner eigenen Frau entfremdet. Die Jagd nach der Forelle erfordert völlige Hingabe – und Siegi Heehrmann ist bereit, diese Hingabe zu erbringen.

Wo fängt man bei der Besprechung eines solchen Kalibers von Buch an, wo hört man auf? Am besten mit einer Eingrenzung der Zielgruppe, die dieses Buch goutieren dürfte. Und damit verbunden auch mit einer Ausgrenzung.

Denn ziemlich klar ist, für wen sich dieses Buch nicht eignet. Menschen, die gerne auf den Punkt kommen, es kurz und bündig mögen, die Struktur und klar verfolgbare Erzählstränge schätzen. All sie sollten an dieser Stelle lieber die Lektüre dieser Rezension abbrechen und den soeben geöffneten Tab besser schließen. Denn an Die Forelle dürften sie keine Freude finden.

Dieses Buch ist nicht nur aufgrund seiner Laufzeit von knapp 800 Seiten geradezu maßlos. Barock, überbordend, vor Einfällen und stilistischen Inventionen sprudelnd ist die Prosa Fischers. Einen klaren Handlungsbogen konnte ich, von einigen wenigen äußeren Begebenheiten abgesehen nicht erkennen. Zwar tragen seine Kapitel sprechende Überschriften wie Siegi findet sich langsam mit dem Attentat auf sein Auto ab oder Nina findet sich in der ernstllosen Zeit gut zurecht. Damit ist dann aber auch oftmals der wirklichen Handlung Genüge getan und Fischer verfolgt unbeirrt sein abschweifendes Erzählen, das eines der Hauptmerkmale des Buchs ist.

Magischer Realismus im Salzkammergut

Leander Fischer beherrscht die hohe Kunst der Abschweifung virtuos. Da kann es schon einmal sein, dass Siegi beim Fischen mit einem Freund von einer Forelle unter Wasser gezogen wird und dann seitenweise durch das Wasser geschleift wird. Der kleine Wassermann trifft auf die Gewässer der Traun.

Oder Fischer verfolgt sprachmächtig den Flug eines Schleimklumpens, der beim Sprechen invertiert wird und in der Folge durch die Luft fliegt. Er erzählt von Fischern, Ködern, Schlachtern und Fischereiaufsichtsorganen und verliert sich dabei immer wieder in seinen Schilderungen.

Aus der normalen Handlung heraus verkettet er verschiedene Ereignisse, die er hingebungsvoll verfolgt und so seine eigentliche Geschichte immer mehr ad absurdum führt. Der 1992 geborene Österreicher kommt so erzählerisch vom Hölzchen aufs Stöckchen. Bestes Beispiel ist eine wilde Räuberpistole, die Siegi von einem fischenden Grafen erzählt wird.

Dieser befindet sich in Kanada auf einer Angeltour, als ihm ein Lachs vor die Angel schwimmt. Dieser Lachs wird dann allerdings von einem hungrigen Bären verspeist, ehe der Graf den Salmoniden für sich in Anspruch nehmen kann. Und so jagt der Graf dann den Bären, der den Lachs im Magen hat, der wiederum die Fliege des Grafen zwischen den Kiemen hat. Eine aberwitzige Geschichte, die sinnbildlich für das Erzählen Fischers steht.

Wer Freude an solchen barocken Fantastereien und Abschweifungen hat, der ist mit diesem Buch gut beraten. An vielen Stellen findet auch magischer Realismus in die Erzählung, etwa wenn die Perspektiven zwischen Fischer und Fisch verschwimmen. Auch springt Leander Fischer immer wieder in seiner erzählten Zeit (die nur an wenig Stellen wirklich konkret und klar wird) zurück bis in die Zeit des Nationalsozialismus. Die Verflechtungen der Vergangenheit mit der Gegenwart werden an vielen Stellen von Die Forelle herausgearbeitet.

Ein Heimatroman 2.0

So erschafft Fischer ein Werk, das ich als Heimatroman 2.0 bezeichnen würde. Er stellt sich den Abgründen der Vergangenheit und erzählt auch von den weniger pittoresken Seiten des Salzkammerguts. Innovativ bricht er tradierte Formen der Heimaterzählung auf, bedient diese dann an anderen Stellen aber auch wieder ungebrochen.

Ergebnis ist ein Buch, das sich einer klaren thematischen Einordnung ebenso bewusst entzieht wie einer genauen zeitlichen Einordnung oder einer Genrezuteilung. Dieser Text zieht gerade aus seiner Wandelbarkeit, seinem Verwischen der verschiedenen Srachen- und Handlungsbenen seinen Reiz. Ein Merkmal, das auch die Jury des Bachmannpreises 2019 beschäftigte, der Fischer einen Auszug aus dem Anfang seines Romans präsentierte und damit auch den Publikumspreis beim Wettlesen gewann.

Sprachmächtig fabuliert Fischer, zeigt sich unglaublich wenig und benennungsstark, weiß von Ködern wie Ritz D oder Red Tac, Vorfach, fängigen Stellen, Gumpen und Katarakten zu erzählen. Die Varianz, die seine Prosa besitzt, ist mehr als bewundernswert und zählt zu dem Beeindruckendsten, das ich dieses Jahr lesen durfte. Von endlosen Bandwurmsätzen über reine Monologe oder Austriazismen bis hin zu Ein-Wort-Sätzen, Neologismen und Passagen, die eine ganz eigene Syntax und Orthografie entwickeln – es ist alles drin in dieser Forelle.

Ein unangepasstes und unberechenbares Buch

Das ist äußerst beeindruckend, manchmal auch etwas manieriert und zu viel des Guten. Manchmal wäre zweifelsohne etwas weniger mehr gewesen. Weniger Abschweifung, weniger Sprachfuchserei, mehr Orientierungspunkte, Straffungen, klarere Personenzeichnungen oder gar Handlung. Perfekt ist das alles sicherlich noch nicht. Aber vor seiner ganzen Ambition, dem zur Schau gestellten Talent, der Unangepasstheit und der rauschenden Sprachmacht muss man doch den Hut ziehen. Diese Forelle ist ein wirkliches Meisterstück. Hier betritt ein Autor nicht zaghaft die literarische Bühne, nein, er tritt eine Tür mit lautem Getöse ein.

Freilich: auf dem Buchmarkt mit seinen Konventionen und passgenau zugeschnittenen Angeboten für die Zielgruppen dürfte es dieses unberechenbare Buch schwer haben. Umso schöner allerdings, dass auch die Jury des Österreichischen Buchpreises die Qualität dieses außergewöhnlichen Buchs erkannt hat und Leander Fischer den Preis für das beste Debüt des Jahres zugesprochen hat. Das ist mehr als verdient. Und wer den Mut aufbringt, in diesen wilden Erzählstrudel hineinzutauchen, der kann auch nicht anders als der Jury zuzustimmen.

Weitere Meinungen zu Fischers Debüt gibt es bei Neues Deutschland, dem Standard und der FAZ.


  • Leander Fischer – Die Forelle
  • ISBN 978-3-8353-3730-5 (Wallstein)
  • 782 Seiten. Preis: 28,00 €

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Sandra Gugić – Zorn und Stille

Blickt man auf die Veröffentlichungen der Verlage in diesem Herbst und achtet auf Themencluster, ist die Fülle an Büchern, die sich mit der Geschichte Jugoslawiens beschäftigen, frappant. So hat David Grossman mit Was Nina wusste einen Familienroman über drei Generationen verfasst, der im Tito-Regime und einer während dieser Zeit gefällten Entscheidung wurzelt. Ebenfalls (leider nicht so gelungen) thematisiert Zora del Buono diese Zeit in ihrem Buch Die Marschallin. Sie kreist in ihrem Buch um die Figur ihrer eigenen Großmutter, die im Lauf ihres Lebens fünf Pässe besaß und sich in den Partisanenkriegen und im Tito-Regime engagierte.

Und nun liegt auch von Sandra Gugić ein Roman vor, der sich der wechselvollen Geschichte Serbiens widmet und der die Auswirkungen der Geschichte im Privaten untersucht.


1976 in Wien geboren verfügt Sandra Gugić selbst über serbische Wurzeln. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie in Berlin. Seit ihrem Debüt Astronauten im Jahr 2015 hat sie sowohl Prosa als auch Lyrik vorgelegt. Zorn und Stille ist nun der zweite Roman von ihr, der sich mit einer in Wien lebende Migrantenfamilie beschäftigt.

Eine Familiengeschichte aus drei Perspektiven

Die Erzählung setzt im September 2016 ein. Die Ich-Erzählerin Billy Bana erzählt ihre Geschichte. Eigentlich trägt sie den Namen Biljana Banadovic. Sie hat allerdings beschlossen, sich von ihrer Herkunft ebenso wie von ihrem Namen zu emanzipieren. Als Billy Bana ist sie als Fotografin tätig und hat die Flucht von Zuhause angetreten.

Sandra Gugic -Zorn und Stille (Cover)

Eine Nachricht reißt sie aus dem Leben, das sie sich aufgebaut hat. Ihr Vater ist tot. Folglich fliegt sie in die Heimat ihres Vaters, aus der er und seine Frau damals aufbrachen, um nach Wien zu gehen. Die Lebensgeschichten der beiden ist dann Thema der beiden anderen Teile, die Gugić zunächst aus Sicht von Billys Mutter im Juli 2008 erzählt, ehe dann ihr Vater Sima im Jahr 1999 Thema ist.

Aus diesen Teilen ergibt sich das Bild einer zerrissenen Familie. Eine, in der sich die Geschichte und die Verwerfungen des Balkans abbildet. Ein verschwundener Sohn, viele Kompromisse, nicht Ausgesprochenes und Verdrängtes. Dazu ständig die Unsicherheit, in einem Land zu leben, das einen nicht wirklich wollte:

Zuhause war damals die Vorstadt von Wien, dieses Zuhause mit seinen strengen Regeln holte uns jedes Jahr nach den Ferien zuverlässig wieder ein. Das oberste Gebot meiner Eltern war das aller braven Migranten: um keinen Preis auffallen oder Aufsehen erregen, unsichtbar und unangreifbar sein vor den Blicken und dem Urteil der Anderen. Sie waren Gastarbeiter, ihr Bleiben war nicht vorgesehen. Wir lebten in einem Häuserkomplex aus roten Backsteinen, in einer Substandardwohnung im zweiten Stock, die aus einem Zimmer und einer Küche bestand.

Gugić, Sandra: Zorn und Stille, S. 25

Drei Perspektiven, aber ähnlicher Sound

Gugić erzählt ihre Geschichte in einem schlichten Ton, der – und das wäre mein einziger Kritikpunkt an diesem Buch – bei allen drei Erzähler*innen relativ gleich bleibt. Zwar ändert sich die Erzählperspektive von Billy hin zu ihren Eltern. Klingen tun sie allerdings recht ähnlich, was sich aber durch einen Hinweis auf die Familienbande auch ein Stück weit erklären ließe. Abgesehen vom gleichen Sound ist Zorn und Stille ein konzentriertes Buch, das Einblick in das Seelenleben einer „Gastarbeiterfamilie“ gewährt. Das zeigt, wie die Konflikte des Balkan in der Familie fortwirken. Und das innerfamiliäre Konflikte aus mehreren Perspektiven beleuchtet. Das lässt sich nicht viel meckern.

Besondere Erwähnung muss an dieser Stelle natürlich auch das Cover finden. Ein echter Eyecatcher, der auch tatsächlich auf das Buchgeschehen anspielt. Da greift man gerne zu.

  • Sandra Gugić – Zorn und Stille
  • ISBN 978-3-455-00976-7 (Hoffmann und Campe)
  • 240 Seiten. Preis: 24,00 €

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David Schalko – Schwere Knochen

Gibt es einen österreichischen Sound in der Literatur? Und wenn ja, wie sieht der aus?

Ich würde sagen – auf alle Fälle ja! Mein sprachliches Bild der Alpennation wurde durch eigensinnige und genau deswegen so gute Autoren wie Thomas Bernhard oder im Speziellen Wolf Haas geprägt, Begeisterung quasi Hilfsbegriff. Die Sprache ist im Österreichischen immer blumiger, origineller und näher am gesprochenen Wort als im Deutschen. So zumindest meine Überlegungen in Bezug auf die Dichtomie von deutscher und österreichischer Sprache.

Wie aber komme ich nun auf ebenjene Fragen? Eigentlich ist es ganz einfach, denn ich war keine zwei Seiten weit im Roman Schwere Knochen von David Schalko fortgeschritten, da wusste ich – hier lese ich das Buch eines Österreichers. Auch ohne den Namen und den biographischen Klappentext des Buches (den ich freilich vorab kannte) war für mich von Anfang an klar: hier schreibt ein Österreicher. Der Sound ist unverwechselbar – was im vorliegenden Fall vor allem durch die Schwäche Schalkos für Eigennamen mit Artikeln erzeugt wird.

So dreht sich das Buch um den Krutzler, genauer gesagt Ferdinand Krutzler, auch der Nothilfe-Krutzler genannt. Mit Freunden bildet er ein im Wien der 30er Jahre eine Bande, die sogenannte Erdberger Spedition. Die Jungen sind Außenseiter und rutschen recht schnell von der halblegalen in die illegale Welt ab. Der Höhepunkt ihrer kriminellen Eskapaden trägt sich dabei just am Tag des Anschlusses von Österreich ans Deutsche Reich zu. Während sich die Alpennation auf dem Heldenplatz sammelt, räumen die Jungs die Wohnung eines Nazi-Kaders komplett aus. Ein echter Husarenstreich der Erdberger Spedition, der die jungen Männer um den Krutzler ins KZ bringt.

Dort tut sich vor allem der Krutzer als wendiger Überlebenskünstler hervor und traktiert und paktiert. Sowohl mit Aufsehern kann der Krutzler, als auch mit den Gefangen, die er auf Linie bringt. Doch das war nur der Anfang, denn nach dem Krieg wird in Wien aufgeräumt, als der Krutzler und seine Erdberger Spedition wieder auf freiem Fuß sind. Schon bald kennt die ganze Wiener Unterwelt den Namen von dem Krutzler – und fürchtet diesen zurecht.

Schwere Knochen ist ein wirkliches Epos. Ein Gangsterroman, ein Wien-Gemälde und ein nachtschwarzer Blick in die österreiche Halbwelt. Das Buch bildet den Abschluss einer Trilogie über die Gier; die beiden vorherigen Stücke sind die TV-Serien Altes Geld und Braunschlag. Dass der Abschluss dieser Trilogie nun als Buch statt als Serie vorliegt hat einen profanen Grund: die Kosten. Die Umsetzung dieses Buchs in einen Film wäre doch kostensprengend. Schließlich zeichnet Schalko über dreißig Jahre österreichische Geschichte nach,  blickt ins KZ und verschiedene Wiener Kneipen und schafft eine Art opulenten Wiener Paten.

Dies tut er mit einem bitterbösen Blick und einem Humor, der manchmal schon schwer an der Grenze des Erträglichen ist. Besonders hart neben der omnipräsenten Gewalt und den fragil-explosiven Figuren nehmen sich die Szenen im KZ aus. Wie hier über das Leid und das Morden geschrieben wird, das ist harter Tobak. Kaum erträglich, wenn man von Zebras liest und Schalko seinen Protagonisten nicht einmal ihre Würde lässt. Hier steht die Literatur der Realität in nichts nach – besonders erschütternd in Zeiten, in den österreichische Innenminister wieder davon sprechen, Flüchtlinge „konzentriert unterbringen“ zu wollen.

 

Schwere Knochen ist ein im Besten Sinne „österreichisches“ Buch. Grotesk, nachtschwarz, manchmal kaum erträglich und hinterfotzig.

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