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Haruki Murakami – Die Ermordung des Commendatore Bd. 2

Nun geht es also weiter – nach 3 Monaten Wartezeit seit dem Erscheinen von Die Ermordung des Commendatore – Eine Idee erscheint gibt es Nachschub. Dort, wo der erste Teil ganz plötzlich endete, setzt unvermittelt Band Zwei ein. Und gleich ist man wieder drin in der Welt des Porträtmalers, der keinen Namen trägt. Dafür hat der Vorbesitzer seiner Wohnstatt einen höchst berühmten Namen: Tomohiko Adama. Dieser schuf einst bekannte Gemälde und war eine gefeierte Größe im Kunstbetrieb – mittlerweile liebt dieser allerdings geistig umnachtet in einem Altenheim. Der Maler soll das Haus hüten und stößt auf eine Vielzahl an Geheimnissen, die ihm Rätsel aufgeben und einen unerklärlichen Reiz auf ihn ausüben.

So findet sich hinter dem Haus in den Bergen eine mysteriöse Grube, aus der immer wieder zu einer bestimmten Uhrzeit Signale ertönen. Und auf dem Dachboden des Hauses entdeckt Murakamis Held zudem ein unbekanntes Gemälde Adamas, das in keinem Werkverzeichnis des Künstlers auftaucht. Dessen Titel lautet eben Die Ermordung des Commendatore und zeigt eine Szene aus Mozarts Don Giovanni. Und dann ist da auch noch jener Commendatore höchstselbst, der immer wieder als puppengroße Erscheinung auftaucht, wenn keine anderen Menschen in der Nähe sind. Eine Art künstlerisch anspruchsvoller Pumuckl, der den Helden lenkt und ihm Ideen einflüstert.

All diese bereits aus dem ersten Band bekannten Motive und angerissenen Fäden führt Murakami nun fort, indem er den Maler tiefer in die Lebensgeschichte Tomohiko Adamas eintauchen lässt. So werden dessen familiäre Hintergründe erklärt. Und auch der geheimnisvolle Herr Menshiki, der Nachbar vom Haus auf dem Hügel gegenüber, bekommt nun mehr Spielzeit. Von dessen (möglicher) Tochter Marie fertigt der Maler gerade ein Porträt, als diese plötzlich verschwindet. Um sie wiederzufinden, macht sich der Maler auf die Suche und erhält dabei von der Geistererscheinung des Commendatore Anweisungen. Damit beginnt eine Reise, die wieder einmal Murakami-Typisch zwischen Geistern und echter Welt hin- und herpendelt.

Die Ermordung des Commendatore II – eine Metapher wandelt sich zeigt schon mit dem Titel, was den Leser erwartet. Neben den realen Elementen der Geschichte fließt auch viel Geisterspuk und Metaphysisches in die Erzählung ein. So tauchen doppelte und einfache Metaphern auf – genauso wie sich Ideen materialisieren und den Helden beeinflussen. Auch die Verbindung zur bisher unverbunden stehenden gesichtslosen Gestalt aus dem Prolog von Band 1 wird nun hergestellt. Alles rundet sich und findet einen befriedigenden Abschluss. Murakami gelingt es hier erneut, trotz aller möglichen komischen oder abgedrehten Element seiner Erzählung eine ernste und glaubhafte Erzählung abzuliefern. Dies tut er in diesem typisch zurückhaltend-schwebenden Murakami-Sound, der unzählige Leser*innen zu begeistern mag. So auch mich!

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Anne Reinecke – Leinsee

Vom schwierigen Verhältnis des jungen Karl Stiegenhauers zu seinen Eltern und seiner Suche nach neuer Inspiration erzählt das Debüt der Berliner Autorin Anne Reinecke mit dem Titel Leinsee.

Jener Karl Stiegenhauer feiert mit seinem Konzept der Vakuumkunst Erfolge, stellt in Galerien aus und feiert sich durch ein Jetset-Leben. Seine Ausstellungsstücke publiziert er allerdings unter Pseudonym. Der Grund hierfür bedingt sich durch Karls Herkunft. Er ist nämlich der Sohn des höchst erfolgreichen Künstlerehepaares Karl und Ada Stiegenhauer. Jene dominier(t)en mit ihren Werken die deutsche Kunstwelt und galten als DAS Vorzeigepaar. Nur Karl passte nicht so recht in ihr Konzept, sodass dieser in Internaten groß wurde und stets ein distanziertes Verhältnis zu seinen Eltern pflegte.

Nun ist Karls Vater durch einen Suizid aus dem Leben geschieden und Karls Mutter liegt schwerkrank in einem Krankenhaus. Karl muss notgedrungen wieder in sein Zuhause in Leinsee zurückkehren. Dort trifft er auf die Geister der Vergangenheit – und ein junges Mädchen namens Tanja, die zu Karls neuem Kompass wird, nachdem sein ganzes Leben einmal durcheinander gewirbelt wurde. An ihr richtet sich Karl aus und lernt, sein Leben neu zu betrachten und zu erkennen, was eigentlich wichtig ist, fernab von Vernissagen und Champagnerbrunnen.

Leinsee ist wieder ein typischer Vertreter der Gattung Flutschbuch. In einer angenehmen, keinesfalls zu fordernden Sprache, berichtet Anne Reinecke von ein paar Rückblenden abgesehen chronologisch aus Karls Leben. Sie zeigt einen Künstler auf der Suche nach Inspiration, etabliert mit Tanja ein niedliches Element und verfolgt von der Bruchlinie des Verlusts aus über viele Jahre Karls Leben. Leider ist Leinsee für meine Begriffe zu glatt und besitzt zu wenig Widerhaken, um wirklich nachdrücklich im Gedächtnis haften zu bleiben. Für die Kunstwelt und Karls Schaffen fallen Reinecke leider nicht allzuviel originelle Bilder ein. Stattdessen empfand ich die Schilderungen über weite Strecken etwas abgegriffen.

Bestes Beispiel ist für mich die Szene, als Karl in das von Paparazzi belagerte herrschaftliche Anwesen seiner Eltern in Leinsee zurückkehrt. Um die Pressemeute zu vertreiben, greift er zur alten Schrotflinte seines Vaters und schießt in die Luft, um die Reporter zu vertreiben. Der Plan gelingt und Karl hat seine Ruhe. Diese Schilderungen lesen sich wie schon in dieser Form oft dagewesen, das Trauernde und Karls Misanthropie und nehme ich Reinecke dabei leider nicht wirklich ab.

Auch ist die Grundidee, dass ein junges und unkonventionelles Mädchen einem arrivierten und in Sackgassen steckenden Maler neue Inspiration und Lebensmut verleiht, für mich unoriginell. Andere Werke wie etwa Nick Hornbys About a boy oder der Film 500 Days of summer scheinen immer wieder im Lauf des Buchs durch.

Dabei ist Leinsee beileibe kein schlechtes Buch, das sollte an dieser Stelle auch festgehalten sein. Reinecke serviert dem Leser auf 368 Seiten eine Geschichte, die in ein fremdes Leben eintauchen lässt und gut unterhält. Eben ein wirkliches Flutschbuch. Ich persönlich hätte mit nur ein wenig mehr Originalität und Reibungsfläche erhofft. So bleibt mir die Hoffnung, dass Anne Reinecke in ihrem nächsten Buch noch etwas mehr zu sagen hat und sich von etwas abgegriffenen Motiven freischwimmt.

 

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Noah Hawley – Vor dem Fall

Netflix-Afficionados könnte der Name dieses Autors schon bekannt vorkommen – denn als Headautor ist Noah Hawley für die grandiosen beiden Staffeln der Serie Fargo verantwortlich, die lose auf dem legendären Film der Coen-Brüder basiert. Auch für die Serie Bones-Die Knochenjägerin steuerte der amerikanische Drehbuchschreiber Skripte bei. Nun liefert Hawley als Autor auf dem deutschen Buchmarkt sein zweites Buch ab- Vor dem Fall heißt der Titel.

Vor dem Fall von Noah Hawley

Vor dem Fall von Noah Hawley

Darin erzählt er von einem Flugzeugabsturz, dessen Vorgeschichte und dessen Konsequenzen. Ein Privatjet mit einem Newsmogul und dessen Familie sowie weiteren illustren Gästen an Bord, stürzt auf dem Weg von Martha’s Vineyard nach New York ab. Den Absturz haben nur der per Zufall an Bord befindliche Maler Scott Burroughs und der Sohn des Newsmoguls überlebt, den Scott in einem Akt übermenschlicher Anstrengung stundenlang durch das Wasser zieht und damit rettet. Die Medien stürzen sich schon bald auf Scott und den Jungen und beleuchten den Hintergrund des Malers und ergehen sich in dubiosen Spekulationen.

Währenddessen bedrängen Scott auch die Ermittlungsbehörden, die erfahren wollen, was an Bord der Maschine wirklich geschah. Doch die Erinnerungen von Scott sind durch den Unfall wie ausgelöscht. Erst allmählich drängen diese Erinnerungen den Wrackteilen des Flugzeugs gleich an die Oberfläche.

Mit Vor dem Fall ist Noah Hawley ein toll komponierter Roman gelungen, der durch seine geschickte Montage die Spannung über die 446 Seiten zu tragen weiß. Stück für Stück enthüllt der Autor die Wahrheit, auch indem jede der an dem Flug beteiligten Personen eine eigene Rückblende erhält, wie z.B. die Stewardess oder der Leibwächter des Newsmoguls. Immer neue Facetten treten so zutage und machen das Bild des Absturzes immer runder. Daneben flechtet Hawley auch noch Bildbetrachtungen von Werken ein, die Scott Burroughs gemacht hat und erzählt in Rückblenden von dessen Leben. Dies ist handwerklich mehr als sauber gelungen – man merkt dem Buch deutlich Hawleys Herkunft vom Film an. Durch diese außergewöhnliche Montage und die filmische Erzählweise wird Vor dem Fall zu etwas besonderem und verdient eine Lektüre!

 

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