Category Archives: Literatur

Christian Kracht – AIR

Läuft bei Christian Kracht. Gerade wurde sein vorheriger Roman Eurotrash in der Übersetzung von Daniel Bowles für den International Booker Prize nominiert. Und sein neuer Roman AIR hat es noch vor Erscheinen gleich auf die Nominierungsliste des Preises der Leipziger Buchmesse geschafft. Bleibt nur die Frage – was kann das Buch?


Wenn man Christian Kracht auf etwas festlegen kann, dann wohl die Tatsache, dass man nie so richtig weiß, was einen im nächsten Buch erwartet. Eine wiedererkennbare Sprache, ein über mehrere Bücher hinweg behandeltes Thema, es gibt es kaum.

Stattdessen begründete er mit seinem Debüt Faserland Mitte der 90er Jahre die Popliteratur, schrieb einen historischen Roman über den Nudisten und Kokosnussverehrer August Engelhardt, erzählte in Die Toten von Filmbegeisterung zur Zeit der Weimarer Republik oder griff in seinem letzten Roman das Roadmotiv seines Debüts noch einmal auf, um einen mit den Mitteln der Autofiktion spielenden Text über einen Autor und seine Mutter auf ihrer Reise durch die Schweiz zu erzählen.

Zurück in die Vergangenheit – oder die Zukunft?

Mit AIR begibt sich Kracht nun weit zurück in die Zukunft – oder je nach Lesart zurück in die Vergangenheit. Es sind fast Fantasy-Gefilde, in denen ein Großteil seiner neuen Geschichte spielt, wobei der Text zugleich reichlich antiquiert wirkt. Dabei beginnt alles wie in einem Manufactum-Katalog.

Da ist ein Mann, der fast wie ein moderner Eremit auf einer der Orkney-Inseln lebt. Dort auf der abgelegenen Insel hat er sich in einem Leben eingerichtet, das gut zu den Menschen passt, die dort teuer verkauftes Salz gewinnen, wie man es in einem Manufactum-Katalog finden könnte.

Das Blackthorn Salz wurde durch einen sogenannten Dornenturm gefiltert. Junge Leute hatten eine alte Salzgewinnungsanlage gekauft, die schon nach dem Zweiten Weltkrieg niemand mehr hatte betreiben wollen, sie hatten beruhigende Fotos gemacht von Kelpsträngen, die auf flache Steine drapiert worden waren, und diese auf Instagram hochgeladen. Dann Schlehdornbüsche in das hohe hölzerne Bauwerk hineingehängt und das Gradierwerk wieder in Betrieb genommen. Das Salz das aus dem Dornenturm unten herausrieselte, wurde in ansprechende schwarze Papierverpackungen gefüllt und in alle Welt verschickt.

Christian Kracht – AIR, S. 21

Der Mann selbst lebt als Inneneinrichter, wird international gebucht für seine Neuinterpretation von Räumen, die sich durch die Radikalität, Exklusivität und den minimalistischen Anspruch seiner Gestaltung auszeichnen. Er radelt unter großen Anstrengungen mit seinem ganglosen Fahrrad aus Schweizer Militärbeständen zur Bäckerei, die einige wenige Sorten Sauerteigbrot und Zimtschnecken im Sortiment führt. Abonniert hat er dort in der Einsamkeit der schottischen Insel das Dekorationsmagazin Kūki, das den Ästhetizismus zur Daseinsform erhoben hat. Eine Anfrage der Kūki-Redaktion führt ihn dabei in ein Abenteuer, das derweil schon im zweiten Erzählstrang des Buchs begonnen hat.

Zwischen den Orkney Inseln und den Ringen der Macht

Christian Kracht - AIR (Cover)

Darin erzählt Kracht eine archaische Geschichte der Bogenschützin Ildr, die aus Versehen einen namenlosen Mann mit ihrem Pfeil verwundet. Ein Herzog dort im kahlen Land hat zur Jagd auf den Mann geblasen und so stolpern die beiden in ein Abenteuer, das sich schließlich mit Pauls Geschichte verbinden wird, ohne zu viel von dieser Geschichte preisgeben zu wollen.

Was Kracht in seinem neuen Buch präsentiert, ist ebenso rätselhaft wie die Außengestaltung und der Titel seines Romans. Die wahlweise an Alice im Wunderland oder den Plot einer modernen Fantasyserie der Marke Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht erinnernde Geschichte entzieht sich einer klaren Lesart. Elemente der Gegenwart wie 3D-Druckerzeugnisse verbinden sich mit der archaischen Geschichte um den Überlebenskampf der Bogenschützin und des namenloses Mannes, der plötzlich im Wald auftauchte. Auch gebraucht Krachts Text selbst fantastische Bezüge; Merlin und Lanzelot sind ein an mehreren Stellen auftauchendes Motiv. Als Schlüssel für die Geschichte funktionieren sie für mich aber auch nicht wirklich, sodass ich etwas ratlos über eine mögliche vertiefende Aussage von AIR grübele,

Der Wagen führt aus der Stadt hinaus auf eine Autobahn und dann hintereinander über mehrere Fjordbrücken, die Paul meinte, aus irgendeinem Film wiederzuerkennen. Es war überhaupt alles wie in der Erinnerung oder wie im Film oder wie in einem Traum.

Christian Kracht – AIR, S. 102

Dass Kracht zu schreiben vermag, das steht außer Frage. Egal ob die actionreiche Überlebensfabel im Niemandsland oder die im manierierten Tonfall dargebrachte Geschichte Pauls auf den Orkney-Insel. AIR hat Drive, der von Kracht vorgebrachte Bogen funktioniert. Die aus dem großzügig gesetzten Text herausgenommenen Dialoge mit Spiegelstrichen, die alte Rechtschreibung, die hier angewandt wird. Alles ist von gestern und modern zugleich. Aber doch bleibt die Frage – hat diese Geschichte über ihren Unterhaltungswert hinaus etwas zu bieten? Ist es Erinnerung, Film oder Traum?

Blickt man über die eigene Lesart des Buchs auf die der Expert*innen in den professionellen Feuilletons, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch bei ihnen eine gewisse Ratlosigkeit vorherrscht.

Knut Cordsen findet den Roman in seiner Besprechung für den Bayerischen Rundfunk „airratisch“, Carsten Otte sieht Bezüge zu Game of Thrones und empfiehlt die Lektüre anstelle von Netflix-Konsum und Adam Soboczynski reiste gar drei Tage mit Christian Kracht durch Indien, um das Geheimnis seines neuen Romans zu ergründen. Im Podcast der Zeitschrift diskutieren Ijoma Mangold und Lars Weisbrod eine Stunde lang über das Buch und fassen das Fazit so in Worte: Air ist ein großer Roman, weil er, wie so oft bei Kracht, am Ende eben auch ein rätselhafter, mystischer Roman ist – und ein gegenwärtiger.

Fazit

Macht das Rätselhafte, Mystische Krachts Buch zu einem großen Roman oder ist das alles viel Luft um Nichts? Ich bin mir da nicht sicher.

Um die eingangs aufgeworfene Frage nach der Qualität des neuen Buchs auf persönliche Art zu beantworten: Auf alle Fälle kann man in AIR Absage an den Realitätsfetisch der Gegenwartsliteratur erkennen, ein lustvolles Austoben in Fantasy-Gefilden konzedieren und gar den Versuch der Überführung dieser Genre-Literatur in die Hochliteratur ausmachen. Aber genügt das für einen großen Roman? Es ist und bleibt ein Rätsel.


  • Christian Kracht – AIR
  • ISBN 978-3-462-00457-1 (Kiepenheuer & Witsch)
  • 224 Seiten. PReis: 25,00 €
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Christine Wunnicke – Wachs

In ihrem neuen Roman Wachs begibt sich Christine Wunnicke in die Zeit kurz nach der französischen Revolution, als Köpfe rollten, aber auch mit neuem Wissen gefüllt wurden. Wieder einmal gelingt der Autorin ein eigenwilliger historischer Roman, der von zwei außergewöhnlichem Frauen und ihrem Forschungsdrang erzählt.


Zu wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält, es war im Jahr 1808 nicht nur der Drang von Goethes Faust, der nach mehr Wissen strebte. Generell kennzeichnet die Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert ein neu erwachender Wissensdurst, der unter anderem auch in der berühmten Encyclopedie von Denis Diderot als Urform des Lexikons einen Ausdruck fand. Das in Zusammenarbeit mit Jean Baptiste le Rond D’Alembert 1780 vollendete Werk sollte, beeinflusst von der im 18. Jahrhundert einsetzenden Aufklärung, das gesamte verfügbare Weltwissen zusammenführen und verfügbar machen.

Insgesamt 142 Enzyklopädisten wirkten an diesem 35 Bände umfassenden Mammutwerk mit – und auch Christine Wunnickes Protagonistin Marie Biheron hätte sich als Autorin der Enzyklopädie gut gemacht, hätte man die Weitsicht besessen, die Erkenntnisse von Frauen allerhöchstens anonym in diesem Werk zu zitieren. Bekannt war sie schließlich mit dem höchst unsteten und wissensdurstigen Denis Diderot, den sie immer wieder mit Gedanken fütterte, wie es Christine Wunnicke in ihrem Roman beschreibt.

Weiblicher Forscherdrang und männliche Vorherrschaft

„Corticalis, medullaris, falciformis, pinealis, corticis“, zählte Monsieur Diderot ordentlich her. Man schrieb das Jahr 1754. Er hatte die Haken und Bänder am Kopf der großen Puppe geöffnet und ihren Schädel aufgeklappt. Das wollte er immer selbst tun, am Anfang jeder Lektion. „Arachnoidea!“ Er steckte den Finger zwischen Dura und Pia und versuchte herauszuzupfen, was sich dazwischen befand.

„Hier ist ausnahmsweise alles verklebt.“ Marie lächelte. „Und was Sie mir hersagen, befindet sich alles ganz richtig darin, doch ist es, wenn es so plätschert, nichts als ein Wortbrei und führt zu keinem System. Wie zeigen wir die Archnoidea an der Leiche?“

„Wir blasen drauf, und sie bläht sich! Warum ist Ihr Wachs so hart? Wie härten Sie es? Was ist darin? Wie färben Sie es? Ich muss das wissen!“

„Das müssen Sie nicht. Nehmen Sie das Kleinhirn heraus und erklären die Schenkel.“

Christine Wunnicke – Wachs, S. 128

Dass sich weiblicher Forschungsdrang mit den damaligen Zeitumständen schwer vertrug, aber essenziell für die Forschung und das wissenschaftliche Vorankommen war, davon erzählt Christine Wunnicke in Wachs. Damit steht sie selbst in der aufklärerischen Tradition jener Zeit, holt ihr Roman doch mit Marie Biheron eine heute fast unbekannte Figur der Geschichte zurück ans Tageslicht und erzählt von ihrem erkenntnisreichen Wissensdrang. Vor dem Hintergrund der französischen Revolution war sie es, die auch das Verständnis von Anatomie revolutionierte.

Eine Revolutionärin der Anatomie

Christine Wunnicke - Wachs (Cover)

Der Forschungsdrang von Marie Biheron nahm schon in der Kindheit seinen Anfang, wie Wunnicke zeigt. Auf den ersten Seiten des Romans huscht da ein kleines Mädchen unerschrocken durch das nachtdunkle Paris und fordert in einer Kaserne vor Offizieren eine Leiche, die sie gerne kaufen möchte. Am besten gleich mehrere im Subskriptionsmodell den ganzen Herbst und Winter hindurch, der Forschung in Sachen Anatomie wegen, so die Tochter des Apothekers Biheron.

Hier zeigen sich schon jener Drang nach Wissen und weiblicher Selbstbestimmung, die das Leben von Marie Biheron im Folgenden prägen werden. Denn die unangepasste Frau wird später nicht nur mit der älteren Planzenmalerin Madeleine Basseporte eine Beziehung führen (auch sie eine dieser Figuren, die Wunnicke dem Vergessen entreißt), mit der älteren Frau zusammenleben und sogar einen Affen pflegen: vor allem wird sie mit ihren Wachsabdrücken von Organen des menschlichen Körpers die Kunde von der Anatomie revolutionieren und das Wissen darüber weiter voranbringen, während die Jakobiner nach der Revolution die Guillotine vor Notre Dame in Akkordarbeit bemühen und damit für jenen Leichen sorgen, deren Innenleben Marie so interessiert.

Das Ziel der jungen Frau ist klar, wie sie ihrer Partnerin Madeleine Basseport selbstbewusst offenbart. Sie will der beste Anatom von Paris werden. Gendern nicht nötig, da Frauen – siehe Enzyklopädistin – ja sowieso vom wissenschaftlichen Forschen und Diskurs ausgeschlossen waren. Da kann man dann gleich Anatom werden anstelle einer Anatomin.

Die unerschrockene Marie Biheron

Sowieso lässt sich Marie von den Standesregeln des 18. Jahrhunderts nicht schrecken. Beharrlich blickt sie ins Innerste, das den Menschen zusammenhält. Immer weiter perfektioniert sie die Kunst der Wachsabdrücke, forscht an Leichen und vervollkommnet ihre Fertigkeiten, bis hin zur Illusion, mit ihrer Kunst ganz neue Menschen zu schaffen oder Krankheiten bei der Anfertigung der Wachsabdrücke zu beseitigen. Kurzzeitig muss sie nach England ausweichen, da sie in Frankreich als Frau keine Anatomie lehren darf, ein Salär als Forscherin gibt es sowieso nicht. So muss sie sich mit dem Verkauf ihrer Modelle über Wasser halten und findet im dänischen König und der russischen Kaiserin prominente Abnehmer ihrer Kunst.

„Meine Frau macht neuerdings Menschen“, wird Maries Frau Madeleine Basseport an den Naturforscher Linné schreiben – womit sich Marie als eine Seelenverwandte einer anderen Mary erweist, nämlich Mary Shelley. Die ersann ebenfalls an jener Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert die Erzählung vom revolutionären Leichenformer und modernen Prometheus Viktor Frankenstein, der neues Leben schuf.

Wachs erzählt von weiblichem Forscherdrang gegen alle Widerstände, ohne dem der Wissenschaft entscheidende Pulse gefehlt hätten. Neben dem Erinnern an die unerschrockene Marie Biheron ist Wachs das große Panorama jenes unbändigen Forscherdrang, der die Welt zu jener Zeit erfasst hatte. Madeleine und Marie korrespondieren mit Forschern wie Buffon oder Linné, Diderot sucht nach Erkenntnis, ganz Paris ist gleichermaßen von Blutdurst und Wissensdurst erfüllt.

So abgehackt wie die Köpfe auf den öffentlichen Plätzen ist dabei auch so manches Mal das Erzählen von Christine Wunnicke. Sie arbeitet mit Sprüngen im Erzählen, rückt Figuren aus dem Umfeld Maries in den Blick und schildert ihre kurze, aber thematisch vielfältige Erzählung in eine sprachmächtige, historisierende Sprache, die bei der Lektüre Genuss bereitet.

Fazit

Christine Wunnicke ist ein Solitär im deutschen Buchbetrieb, die sich kurzfristigen Moden und Erzähltrends verweigert und stattdessen ihre ganz eigene Nische in Sachen historischem Erzählen gefunden hat. Mit Wachs baut sie nach ihrem letzten Werk Die Dame mit der bemalten Hand diese Nische weiter aus. Sie sensibilisiert für die entscheidenden Impulse, die die Aufklärung und Wissenschaft auch durch Frauen erhielt, und zeigt gleichwohl die Widerstände gegen dieses Forschern und welches Opfer die Frauen für ihre Forschungen bringen mussten. Mit Marie Biheron stellt Wunnicke eine faszinierende Frau ins literarische Scheinwerferlicht ihrer Erzählung, die alles andere als wachsweich ist.


  • Christine Wunnicke – Wachs
  • ISBN 978-3-911327-03-9 (Berenberg)
  • 187 Seiten. Preis: 24,00 €
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Kristine Bilkau – Halbinsel

Wie viele Krisen halten Beziehungen aus? In ihrem angenehm unaufgeregten Roman Halbinsel erkundet die Schriftstellerin Kristine Bilkau genau das. Sie erzählt von einer Bibliothekarin, die nach einem Zwischenfall ihre Beziehung zu ihrer Tochter überdenken und neu betrachten muss. Dabei blickt Bilkau ebenso ins Innere des Beziehungsgefüge zwischen Mutter und Tochter, wie sie auch die Frage nach dem Leben in Zeiten der Klimakatastrophe stellt.


Eigentlich glaubte Annett ihre Tochter Linn schon weit weg von sich. Zum Studium war sie von Annetts Wohnort an der Nordsee nach Berlin gezogen, interessiert sich für Umweltthemen und hat nach Volontariaten im Umweltsektor nun ein Studium in der Hauptstadt begonnen. Doch Linn kehrt überraschend wieder heim zu ihrer Mutter. Auslöser ist ein Zwischenfall auf einer Tagung in einem Hotel. Dort hat Linn einen Schwächeanfall erlitten und ist zusammengebrochen.

Nachdem Annett kurzfristig den Weg nach Berlin angetreten hat, kommt ihre Tochter mit ihr an den Ort, wo sie aufgewachsen ist. Sie zieht wieder in Annetts Haus ein und richtet sich damit an ebenjenem Ort wieder häuslich ein, von dem sie eigentlich aufgebrochen war, um die ersten Schritte in ein eigenes, unabhängiges Leben zu gehen.

Die Tochter kehrt zurück

Kristine Bilkau - Halbinsel (Cover)

Doch nun ist ihre Tochter wieder mit ihr im Haus – und Annett muss erkennen, wie weit sich die Lebenswege der beiden Frauen voneinander entfernt haben, die sich nun so plötzlich wie überraschend wieder annähern. Kristine Bilkau erzählt davon, wie eng einst die familiäre Band war, auch bedingt durch den frühen Tod von Annetts Mann und Linns Vater – und wie verblüfft Annett über ihre Tochter ist, die etwa nach ihrer Rückkehr in die Heimat mit ihrer Mutter erst einmal groß einkaufen möchte, wohingegen Annett stets darauf angewiesen ist, mit ihrem knappen Budgeht zu haushalten, das ihr die Arbeit in der lokalen Stadtbücherei verschafft.

Genau beobachtet, empathisch und feinsinnig geschildert und damit alles andere als effekthascherisch ist das Erzählen, das Kristine Bilkau in diesem Roman zeigt. Ähnlich wie zuletzt auch Daniela Krien blickt sie tief in die Seele ihrer Protagonistin, in der sich Verwunderung, Ärger über und Zuneigung für ihre Tochter mengen. Die unterschiedlichen Generationen, die verschiedenen Lebensweisen, sie dürfen hier nebeneinander stehen – verbunden mit der mütterlichen Sorge, die Annett seit Kindertagen um ihre Tochter kennt.

Als Linn anderthalb Jahre alt war und laufen gelernt hatte, wollte sie jede Treppe alleine hochklettern. Sie zappelte und schrie, sobald ich sie auf den Arm hob, auch an die Hand durfte ich sie nicht nehmen. So viele Male stand ich mit angehaltenem Atem hinter ihr, während sie wie in Zeitlupe Stufe um Stufe hochstieg und dabei gefährlich ins Wanken geriet. Jeden Moment war ich bereit, meine Tochter aufzufangen. Ich sag das Stolpern und Stürzen in grellen Details. Bei dem Gedanken an das Geräusch, den dumpfen Aufprall, kniff ich unweigerlich die Augen zusammen. Mit dem Kind war mit einem Mal eine neue, intensive Vorstellungskraft da.

Kristine Bilkau – Halbinseln, S. 7

Leben in Zeiten der Klimakrise

Eingewoben in das erzählerische Grundgerüst der zwei Frauengenerationen ist auch die Frage der Vergänglichkeit, die insbesondere an der Nordsee nicht nur die Kultur durchdrungen hat. So beschrieb Detlev von Liliencron einst in seinem Gedicht Trutz, Blanke Hans von 1883 das Verschwinden Rungholts und die unbändigen Kräfte der Natur, die immer wieder Menschenleben fordern.

Nicht nur, dass in Annetts Bücherei diese eingängige Ballade mit ihrer Beschreibung des Vergehens noch immer nachgefragt wird. Auch direkt vor ihrer Haustür ist diese von Liliencron in Verse gegossene Vergänglichkeit zu beobachten. Ob auf den vom Klimawandel bedrohten Halligen oder der Nordsee, die immer wieder in ihren Zyklen von Ebbe und Flut die Spuren der Menschen im Meer auswäscht.

Augenscheinlich ist die menschliche Vergänglichkeit Tag für Tag – und Annett nimmt sie mit feinem Sensorium wahr. Insbesondere, da der Zusammenbruch ihrer Tochter Erinnerungen an den Tod ihres Partners weckt, ist die Verlusterfahrung wieder da, wenn sie denn überhaupt jemals fort war.

Und auch Linns Rückkehr bringt Erinnerungen zurück. Wie verhält sie sich angesichts der omnipräsenten Auswirkungen der Klimakrise? Welche Informationen über die Bedrohung unserer Existenz mutet man einem Kind zu? Ohne aktivistischen Missionseifer oder Zorn beschreibt Bilkau einfach nur, die Fragen, die in ihrer Protagonistin wachwerden und die sie beschäftigen.

Fazit

Die Rede von der Polykrise ist ja kein neues. Halbinsel illustriert den Umgang mit der Gleichzeitigkeit der großen und kleinen Dramen des Lebens aber wirklich lesenswert. Das Nebeneinander der Krisen, das Verhältnis von Müttern zu ihren Töchtern, die Verständigung zwischen zwei Menschen, die sich voneinander entfernt haben und nun plötzlich wieder zusammenfinden: all das macht Kristine Bilkaus Text aus, der unaufgeregt einen steten Lesefluss entwickelt und dem es gelingt, das Leben in all seinen Schattierungen lesenwert zu beschreiben.

Für diese Leistung wurde Kristine Bilkau mit einer Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik honoriert. Die Jury preist Halbinsel einen sensibel gebaute[n] Roman über emotionale Altlasten, über Großzügigkeit und über das Geschäft mit dem Klima-Gewissen – und ich widerspreche nicht.


  • Kristine Bilkau – Halbinsel
  • ISBN 978-3-630-87730-3 (Luchterhand)
  • 224 Seiten. Preis: 24,00 €
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Martin Mittelmeier – Heimweh im Paradies

Fernab der Heimat – und doch die Sorgen um Deutschland stets präsent. In Heimweh im Paradies porträtiert Martin Mittelmeier Thomas Mann während seines Exils in Kaliforniern – und zeichnet nebenbei auch noch ein Bild des exilierten deutschen Geisteslebens, von Adorno bis Schönberg.


Liest man Martin Mittelmeiers erzählendes Sachbuch Heimweh im Paradies, so muss man doch auch unwillkürlich zurückdenken an die Zeiten Anfang des Jahres, als die Waldbrände rund um Los Angeles loderten. Lange sah es so aus, als würden auch die Mann-Villa in Pacific Palisades und die Villa Aurora, in der Lion Feuchtwanger Zuflucht vor den Nazis fand, ein Raub der Flammen. Ein Unglück, das gerade so noch einmal vermieden werden konnte.

Was es bedeutet hätte, wenn diese Häuser mitsamt ihrer bewegten Geschichte in Flammen aufgegangen wären, das führt Mittelmeiers Buch vor Augen. Denn ihm gelingt es, ein Bild der deutschsprachigen Exil-Gemeinde während der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu zeichnen, deren Schicksal eng mit den Häusern verbunden war, die sie in Kalifornien bewohnten.

Katia und Thomas Mann sind im Frühjahr 1941 endgültig von Princeton an die Westküste gezogen, zunächst in ein Mietshaus im Ranch Style am Amalfi Drive, ganz in der Nähe von Huxleys Haus.

Im Februar 1942 beziehen sie das Haus, das sie sich nach langem Hin und Her, nach ständigem Zweifel und mehreren Kostensteigerungen selbst bauen haben lassen, eine halbe Stunde zu Fuß von der Wohnung am Amalfi Drive entfernt, wenn man sich vom Meer wegbewegt. Wo man dann aber, weil man auf diesem Weg immer bergauf geht, einen guten Blick auf den Pazifik hat. Die Villa, von deren Arbeitszimmer der Dichter einen weiten Ausblick über den Pazifischen Ozean hat, wird nach einer Gruppe hoher Palmen den Namen „Seven Palms“ führen“, heißt es in der deutsch-jüdischen Exilzeitung „Aufbau“ in einem kurzen Artikel.

Martin Mittelmeier – Heimweg im Paradies, S. 56

Thomas Mann – angetan von der eigenen Bedeutung

Während sich die dank des literarischen Erfolgs seiner Werke auch im Ausland finanziell unabhängigen Manns eine Villa erbauen können, ist Theodor Wiesengrund, genannt Adorno, in keiner solchen luxuriösen Situation. Er muss zusammen mit seiner Frau in einem wesentlich bescheideneren Heim leben, wo ihn Mann besucht. Aber dessen ungeachtet kann man natürlich auch nach Höherem streben, so wie es Mann bei seiner Gönner Agnes E. Meyer tut.

Martin Mittelmeier - Heimweh im Paradies (Cover)

Diese hat ihm zwar eine Stelle als Berater bei der Library of Congress sowie eine Gastprofessur in verschafft, so ganz zufrieden ist Thomas Mann damit aber nicht. Gegenüber seiner Gönnerin merkt Mann an, dass Hermann Hesse im Gegensatz zu ihm seine Zuhause in Kalifornien von seinem Mäzen finanziert bekommen habe. Luxusprobleme in der luxuriösen Umgebung von Pacific Palisades – aber auch eine bezeichnende Anekdote für den Geistesarbeiter Mann, der sich in seiner Rolle als moralisches Gewissen der Deutschen durchaus gefiel.

In Heimweh im Paradies bietet Mittelmeier viele solcher Vignetten auf, die das Bild von Thomas Mann als von der eigenen Bedeutung angetanen Mann zeigen. Als fleißiger Redenschreiber will er mit seinen Schriften von Kalifornien aus demokratiefördernd und fordernd auf die Deutschen einwirken, die derweil den Zweiten Weltkrieg führen.

Neben seiner Arbeit für die Demokratie schielt Mann auch stets mit seinem Schreiben auf die Wirkung seines Werks. Die Auszeichnung als Book of the month wird gerne entgegengenommen, nach der Vollendung seiner Josephs-Tetralogie ist es nun der Doktor Faustus, an dem er arbeitet und bei dem er Unterstützung vom schon erwähnten Theodor Wiesengrund erhält. Der in Musiktheorie wie philosophischem Denkwerk firme Adorno „inspiriert“ Mann zu seiner Arbeit am Roman über Adrian Leverkühn und dessen Pakt mit dem Teufel.

Geistesblüten im kalifornischen Exil

Nicht die einzige Geistesblüte, die die in Kalifornien zusammengewürfelte Notgemeinschaft treibt. Wie schon in seinem 2021 erschienenen Werk Freiheit und Finsternis nimmt Martin Mittelmeier auch hier die Wechselwirkungen der unterschiedlichen Denker im kalifornischen Exil in den Blick.

Zusammen mit Manns direktem Nachbar Max Horkheimer arbeitet Theodor W. Adorno nicht nur im Institut für Sozialforschung zusammen und entwickelt zentrale philosophische Ideen weiter. Adornos Name Wiesengrund floss ebenso wie dessen Analyse von Beethovens Klaviersonate op. 111 wiederum in Manns Doktor Faustus ein. Auch prägen die Begegnungen mit exilierten Komponisten wie Hanns Eisler oder Arnold Schönberg und deren musiktheoretischen Ansätzen wiederum Manns Werk.

Um das Gravitationszentrum Thomas Mann herum entsteht ein Panorama von Geistesgeschichte dort in den Hügeln von Beverly Hills und Kalifornien, das Martin Mittelmeier in eine Sprache kleidet, die auch von ihrem Gegenstand gelernt hat.

Adorno ist von allen dreien am wenigsten an der politischen Sphäre interessiert. Er ist einerseits von allen der größte Revolutionär: Die Welt, so, wie sie ist, muss zersprengt werden. Aber mithilfe der Gedankenfiguren seines Freundes und Lehrers Walter Benjamin arbeitet er am stärksten von allen daran, diese Sprengung rein ins Gedankliche und Ästhetische zu verflüchtigen. Deswegen freut er sich, als Thomas Mann wieder zum Roman zurückkommt und den musiktheoretischen Vortrag des stotternden Organisten Wendell Kretzschmar vorliest mit der neu hinzukommenden Note, die das Tröstlichste der Welt ist.

Martin Mittelmeier – Heimweg im Paradies, S. 115

Das ist nicht immer ganz einfach zu lesen, schließlich steigt Martin Mittelmeier auch tief in das Denken seiner Geistesarbeiter ein und konzentriert sich nicht nur auf die Literatur, sondern eben auch in großem Maße auf die Philosophie, deren zentralen in Kalifornien entstandenen Gedanken und Ideen das Buch nachspürt.

Das macht Heimweh im Paradies nicht nur für literaturgeschichtlich interessierte Leser der Werke von Volker Weidermann oder Uwe Wittstocks interessant, sondern ist auch für Anhänger von biographisch grundierter Philosophiegeschichte ein Gewinn, wie sie gegenwärtig etwa Wolfram Eilenberger verfasst.

Fazit

Auch wenn der Untertitel von Heimweh im Paradies allein Thomas Mann in den Mittelpunkt stellt, so ist Martin Mittelmeiers Buch doch mehr. Dokumentation der Wechselwirkungen, die die Denkerinnen und Denker in ihrem Exil in Kalifornien erzeugten, Einstieg die Werkgeschichte Manns ebenso wie in die Entstehung der Frankfurter Schule, theoriegesättigter Sprachprunk, der dabei doch auch leichtfüßig und erkenntnisreich ist. Das alles vermag Martin Mittelmeiers Buch zu leisten.


  • Martin Mittelmeier – Heimweh in Paradies
  • ISBN 978-3-7558-0033-0 (Dumont)
  • 192 Seiten. Preis: 22,00 €
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Elisa Hoven – Dunkle Momente

Mit Dunkle Momente veröffentlicht der S. Fischer Verlag das literarische Debüt einer echten juristischen Koryphäe. Denn nicht nur, dass Elisa Hoven Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof ist. Sie lehrt auch als Professorin für Strafrecht an der Universität Leipzig und arbeitete in Harvard, erhielt Preise für ihre Dissertation wie auch für ihre Habilitation. Dass sie sich nun in ihrem literarischen Debüt ebenfalls auf dem Gebiet des Rechts und des Unrechts umtut, das überrascht wenig.


Es war im Jahr 2009, da Ferdinand von Schirach seinen ersten Erzählband unter dem Titel Verbrechen veröffentlichte. Der vielbeachtete Bestseller löste eine ganze Welle an weiteren Fallgeschichten aus, wurde verfilmt und hat sicherlich auch einen Anteil am aktuell grassierenden Boom der True Crime-Podcasts und Bücher über wahre Verbrechen. Auch von Schirach selbst befeuerte den Trend und veröffentlichte schon ein Jahr später unter dem Titel Schuld fünfzehn weitere Erzählungen, die allesamt um Verbrechen und deren teilweise Aufklärung kreisen.

Nun betritt die Juraprofessorin und Verwaltungsrichterin Elisa Hoven den Boden, den Ferdinand von Schirach mit seinen Werken bereitet hat. Denn auch Dunkle Momente bietet Kriminalfälle beziehungsweise juristische Strafverfahren auf, mit denen sich Hovens Strafverteidigerin Eva Herbergen in ihrem beruflichen Leben beschäftigt hat. Eine Rückschau auf besondere Fälle soll es werden, was die Leser*innen im Folgenden erwartet, so suggeriert es der Prolog.

Dabei bilden die neun Fälle einen Querschnitt der Themen ab, mit denen sich die Autorin Elisa Hoven beruflich beschäftigt. Vom Feld des Sexualstrafrechts im Fall einer Gruppenvergewaltigung (Siebter Fall: Vergewaltigung – was starke Erinnerungen an Ferdinand von Schirachs Auftakterzählung Volksfest aus dem Band Verbrechen weckt, nur dass hier statt einer Blaskapelle ein Junggesellenabschied im Mittelpunkt steht), bis hin zum neunten Fall Stefan Heinrich, der in seiner Themensetzung an Hovens Habilitationsthema erinnert, die sich ebenfalls mit dem Thema der Strafverfolgung von Auslandsbestechung beschäftigte, ist in diesem Buch alles dabei.

Der Bruch des Vorhersehbaren

Elisa Hoven - Dunkle Momente (Cover)

Die neun Fälle, die die Strafverteidigerin Eva Herbergen hier noch einmal nachzeichnet, kreisen allesamt um einen Bruch des Vorhersehbaren, die titelgebenden Dunkle Momente. In diesen Momenten kippt das Leben, mal ist das Verbrechen der dunkle Momente, manchmal auch eine Enthüllung im Nachgang des Verbrechens, der durch die juristische Aufarbeitung freigelegt wird.

So erzählt sie unter anderem von einem alten Millionär, dem sie unbeabsichtigt bei der Vermeidung einer Verurteilung in einer Mordsache half. Ein Mandat erweist sich als deutlich gewiefter und intrigant als angenommen. In Form der Verteidigung eines Kindersoldaten findet sogar das Internationale Strafrecht ins Buch.

Für alle Fans von True Crime Erzählungen und den lakonischen Erzählungen Ferdinand von Schirachs dürfte das eine lockende Lektüre sein. Leider fehlt Hovens Erzählen im Vergleich mit dem Bestsellerautoren und Juristen aus München dabei die Prägnanz und Tiefe, die die Werke Schirachs so vielgelesen machen.

Literarisch eher schmale Kost

Denn literarisch gesehen ist Dunkle Momente eher schmale Kost. Dies beginnt schon bei der Bezeichnung eines Romans. Zwar gibt es durch den vorangesetzten Prolog so etwas wie eine Rahmenhandlung, sie fällt allerdings mehr als knapp aus. Eigentlich besteht Hovens Buch nur aus den neun Fällen, auf die zwar in einigen Passagen untereinander Bezug genommen wird. Im Ganzen hat dieses Buch aber eher einen episodalen Charakter.

Daran wäre ja eigentlich nichts auszusetzen, wenn Hoven ihr Erzählen variieren würde. Leider sind aber alle neun Fälle nach dem gleichen Strickmuster erzählt. Eine Exposition des Falles, ein Einstieg der Strafverteidigerin, der Beginn des Prozesses und eine überraschende Wendung, die die von Eva Herbergen verteidigten Mandant*innen in neuem Licht erscheinen lässt. Die Vielfalt der Fälle von Kannibalen bis zu Mordvertuschung, sie spiegelt sich in der Vielfalt des Erzählens leider nicht wieder. Schnell setzt ein gewisser Ermüdungseffekt angesichts der immer gleich gebauten neun Fälle ein.

Und auch sprachlich ist Dunkle Momente eher einfache Kost und fällt nicht unbedingt mit viel Stilwillen auf.

Peters Laune verbesserte sich, als ich ihm sagte, dass Thomas Webers Name auf dem Display stand. Die Webers wohnten damals in derselben Straße wie wir, nur einige Häuser weiter. Eine ruhige Gegend in Berlin-Zehlendorf, grün, Wälder und zwei Seen in der Nähe.

Wir hatten uns kurz nach ihrem Einzug auf einer Nachbarschaftsfeier kennengelernt. Larissa Weber war eine bekannte Frau, aber in Peters Welt war sie mehr als das, sie war ein Star. Wir beide hatten ihre Bücher gelesen, und Peter, der sonst einen Generalverdacht gegen alles hegte, was auf den Bestsellerlisten steht, war begeistert. Ich war nie ganz warm geworden mit ihren Romanen, sie waren unbestreitbar tiefsinnig, aber auch anstrengend und verworren. Anspruchsvoll und komplex, sagte Peter dann. Und schließlich ist er Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und nicht ich.

Elisa Hoven – Dunkle Momente, S. 47 f.

Anstrengend und verworren, das lässt sich über Dunkle Momente nun wirklich nicht sagen. Sehr deskriptiv und verwaltend, klar in der Struktur, aber auch wenig anschaulich und ins Innere der Figuren vordingend ist der Erzählstil, dem etwas mehr Raffinement gutgetan hätte. Eva Herbergen bleibt trotz eingestreuter Infos fast genauso blass wie die übrigen Figuren in ihren Geschichten. Und das ist schade, denn die Fälle hätten durchaus Potential, auch über ihren jeweiligen Bezugsrahmen hinauszuweisen.

Fazit

So ist Dunkle Momente eine Fallsammlung juristischer Mandate, die zeigt, dass Menschen und Schicksale nicht immer das sind, was sie scheinen. Das legt Elisa Hovens Verteidigerin Eva Herbergen in den Erinnerungen an ihre Fälle deutlich dar. Hätte Hoven sprachlich und strukturell die gleiche Vielfalt walten lassen, die die geschilderten Fälle kennzeichnet, hätte das Buch an Prägnanz und literarischem Gehalt gewonnen, so ist das Buch eine weitere Sammlung literarisierter Fallbeispiele, die im Zuge des Booms an True Crime sicherlich Absatz finden dürfte. Es bleibt zu wünschen, dass Elisa Hoven in ihrem zweiten Werk zu einer überzeugenderen Erzählstimme und Figurenanlage findet, denn ihre Schilderungen zeigen Potential.

Ebenfalls einen kritischen Blick wirft Timothy Sonderhüsken in seinem Blog Rabumm auf Elisa Hovens Debüt.


  • Elisa Hoven – Dunkle Momente
  • ISBN 978-3-10-397669-4 (S. Fischer)
  • 336 Seiten. Preis: 22,00 €
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