Category Archives: Kriminalroman

Oliver Harris – London Underground

Im Londoner Untergrund

Man muss Nick Belsey nicht mögen, um seinen Spaß an London Underground zu haben. Der Ermittler säuft im Dienst, ist korrupt, steht eigentlich mit mehr als zwei Beinen im Knast und hat ein grandioses Gespür für Fettnäpfchen. Dennoch ist er ein brillanter Ermittler und leistet sich in im neuen Roman von Oliver Harris sein Kabinettstückchen.

Oliver Harris - London Underground (Cover)

Bei der Verfolgung eines Verdächtigen stößt Belsey auf den Zugang zu einem alten Tunnelsystem unter einem ehemaligen Bunker. Er wittert die Möglichkeit für ein besonderes Date mit einer jungen Frau, die beim nächtlichen Tête-a-tête natürlich prompt entführt wird. Belsey muss sich – herausgefordert von einem Geiselnehmer, der Belsey auf ein Geheimnis stoßen will – in das verzweigte Tunnelgeäst aufmachen und dabei seine nächtliche Eskapade vor den Kollegen vertuschen. Ein Tanz auf dem Vulkan beginnt.
Mit jeder Menge Lokalkolorit ausgestattet geht es auf und unter den Straßen Londons und Umgebung rund. Belsey mag zwar ein Dreckskerl sein, seinen Job erledigt er in London Underground aber mehr als nur fabelhaft. Er kombiniert und trickst sich durch den Plot und der Leser bleibt atemlos an den Ermittlungen dran.

Gut. Man mag dem Thriller vorhalten, dass er überkonstruiert ist und sich von Unwahrscheinlichkeit zu Unwahrscheinlichkeit hangelt. Auch einige Logiklöcher ließen sich nicht vermeiden – aber das machen das Timing, die Spannung und das Tempo mehr als nur wett. Der Plot, der sich zwischen Kaltem Krieg, Architektur, Schnitzeljagd und Tunneln bewegt, ist insgesamt mehr als nur gelungen und zählt zu den Spannungshighlights des Herbstes 2014.

Von den beiden Fällen, die Belsey in London zu lösen hatte, ist „London Underground“ klar der bessere Fall, der den Leser genauso wie den Cop in sich hinein saugt und erst nach 450 Seiten wieder ans Tageslicht entlässt.

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Walter Lucius – Schmetterling im Sturm

In den Fängen der Macht

Die Niederlande sind kriminalliterarisch auf der Landkarte ja nicht besonders überproportional vertreten. Dem Suhrkamp-Verlag ist es nun zu verdanken, dass er uns einen Blick ins Nachbarland ermöglicht und zeigt, welch großartige Kriminalliteratur dort geschrieben wird.
Im vorliegenden Fall stammt Schmetterling im Sturm aus der Feder des niederländischen Drehbuchautors Walter Goverde, der sich für seinen Debütthriller das Pseudonym Walter Lucius zugelegt hat.
Mit seinem Erstling ist es ihm gelungen, einen niederländischen Literaturpreis für das beste Thrillerdebüt des Jahres 2013 zu gewinnen. Und nun dürfen sich die deutschen Leser ein Jahr später auch einen Eindruck von diesem Thriller machen.Ausgehend vom Beinahe-Unfalltod eines kleines afghanischen Jungen auf einer Landstraße, der als Mädchen verkleidet war, entspinnt Lucius ein mörderisches Geflecht aus Macht und Politik. Die unangepasste Journalistin Farah Hafez, die selbst afghanische Wurzeln besitzt, verbeißt sich auf der Stelle in den Fall. Des Weiteren führt der Drehbuchautor noch eine Vielzahl anderer Figuren ein, die den Plot immer wieder vorantreiben und einen guten Eindruck der globalen Geschichte geben. Moskau und Johannesburg sind nur zwei der weiteren Stationen, an denen der sich verästelnde Plot die Figuren führt und am dem sie auf der Suche nach der Wahrheit gegen alle Widerstände kämpfen müssen.

Die Routine, die Walter Lucius im Entwerfen von Spannungsbögen und verzwickten Plots hat, merkt man diesem Buch unbedingt an. Gerade die Szene einer Massenkarambolage auf der niederländischen Autobahn zum Ende des Buches hin zeigt das Talent des Autoren, die vielen Erzählstränge in der Hand und den Leser immer bei der Stange zu halten.
Schmetterling im Sturm ist ein spannender Politthriller mit vielen kantigen Figuren und einem tollen Plot, bei dem das Beste ist, dass es sich um den Auftakt zur sogenannten Heartland-Trilogie handelt, d.h. es sind noch zwei weitere Thriller dieses Kalibers zu erwarten – gute Aussichten!

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Joe R. Lansdale – Das Dickicht

Im Dickicht

Joe R. Landale - Das Dickicht

Joe R. Landale – Das Dickicht

Schon der Titel von Joe R. Lansdales neuem, bei Tropen erschienenen Roman macht deutlich, dass es finster wird in dem Buch. Wie in den meisten seiner Bücher wird auch diese neue Geschichte aus den Augen eines Kindes erzählt, das im Laufe des Buches Bewährungsproben bestehen muss und heranreift. Der Erzähler von „Das Dickicht“ ist der junge Jack Parker, dem im Laufe des Buches fast alles genommen wird. Verliert er zunächst infolge einer Pocken-Epidemie seine Eltern, muss er dann auch noch mitansehen, wie bei einer Flussüberquerung sein Großvater erschossen und seine liebreizende Schwester Luna von Halunken entführt wird.
Doch Jack wäre kein Lansdale-Charakter, wenn er sein Schicksal nicht in die eigenen Hände nehmen würde. Kurzerhand klemmt er sich hinter die Spur der Entführer und bekommt im Lauf seiner Reise immer mehr (meist skurrile) Unterstützung – dazu zählen ein ausgewachsener Eber, ein farbiger Kopfgeldjäger und ein Lilliputaner.

Was sich auf dem Papier nach einer allzu hanebüchenen Mischung anhören mag, funktioniert bei Joe R. Lansdale wieder ausgezeichnet – auf 330 Seiten erzählt er eine spannende und sehr düstere Geschichte, die insgesamt zu den heftigeren Erzählungen aus Lansdales Feder zählt. Stellenweise liest sich „Im Dickicht“, als hätten sich Quentin Tarantino und Mark Twain zusammengetan, gerade wenn die Kopfgeldjäger wieder auf Opfer der Entführer von Jacks Schwester stoßen, geizt der texanische Autor nicht mit Details. Wer sich an diesen Einsprengseln nicht stört, bekommt wieder eine ganz typische Lansdale-Erzählung mit Spannung, Humor und tollen Szenen aus einem vergangenen Texas sowie einen Entwicklungsroman der etwas anderen Art.

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Deon Meyer – Cobra

Tödliches Südafrika

Südafrika ist ja schon länger ein echter Tipp, wenn es um Spannungsliteratur geht. Autoren wie Roger Smith, Malla Nunn, Mike Nicol oder eben auch Deon Meyer haben das Land an der Südspitze Afrikas auf der Krimilandkarte bekannt gemacht.
Gerade letzterer ist ein Garant für starke Charaktere und Plots, was er mit Cobra nun wieder eindrucksvoll unter Beweis stellt. Der neue Fall für Bennie Griessel, den trockenen Alkoholiker vom Kap, ist ein verzwickter, wendungsreicher und unheimlich schneller und mitreißender Thriller, der jedem Fan von Spannungsliteratur wärmstens ans Herz gelegt gehört.
Diesmal bekommt es Bennie Griessel mit einem unüberschaubaren Interessen- und Parteiengeflecht zu tun, dem er mit seinen loyalen Mitstreitern gegenübertreten muss. Auf einem südafrikanischen Weingut wurden zwei bestens ausgebildete Wachleute getötet und eine Person ist verschwunden. Die Identität des Verschwunden bleibt genauso mysteriös wie die des Schützen. Die einzige Spur Griessels sind die Patronenhülsen mit Cobra-Signatur, die am Tatort zurückgeblieben sind. Bei seinen Aufklärungen wird er vom Staatsschutz überwacht und in immer schneller werdenden Tempo nehmen die Ereignisse zu, sodass Griessel alles aufbieten muss, um den Fall zu lösen.

Schnell, schneller, „Cobra“

Selten habe ich in den letzten Monaten einen Roman gelesen, der mich so gefesselt und förmlich durch die Seiten geprügelt hat, wie Cobra von Deon Meyer. Das Tempo, das der südafrikanische Autor in seinem neuen Thriller vorlegt, ist im wahrsten Sinne des Wortes atemraubend. Er hetzt seine Protagonisten, allen voran Bennie Griessel und den farbigen Taschendieb Tyrone von Schauplatz zu Schauplatz, gejagt beziehungsweise verfolgt vom mysteriösen Killer mit der Cobra-Signatur. Bei allem Tempo schafft es Meyer, seine Protagonisten mit einer Wärme und Menschlichkeit zu zeichnen, die im zeitgenössischen Krimi ihresgleichen sucht.
So besticht Cobra mit Tempo, einem Plot, der immer unvorhergesehen plötzlich eine 90°-Kurve beschreibt und Protagonisten, die man so schnell nicht vergisst. Insgesamt ein Buch, das man gerne auf seinen Wunschzettel packen darf, wenn man gute Bücher mag.

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Carl-Johan Vallgrén – Schattenjunge

Die Schatten der Vergangenheit

Carl-Johan Vallgrens erster Krimi erschien in Schweden zunächst einmal unter Pseudonym, da er bisher überwiegend als Autor von anderen belletristischen Werken in Erscheinung trat. Nun hat er sich dem Genre des Kriminalromans zugewandt und macht seine Sache gut!

schattenjungeVor vierzig Jahren verschwand der Enkel des schwedischen Großunternehmers Pontus Klingberg an einer Stockholmer U-Bahn-Station. Der Junge tauchte nie wieder auf.
2012 verschwindet nun der andere Enkel Pontus Klingbergs spurlos. Die verzweifelte Ehefrau des Verschwundenen wendet sich an Danny Katz, einen Privatermittler, der völlig am Boden darnieder liegt. Eine Freundschaft verbindet ihn und den Verschwundenen, weswegen Katz nicht lange zögert, um sich hinter das Verschwinden zu klemmen. Was er in der Familiengeschichte der Klingbergs entdeckt, hätte er so nicht erwartet und droht ihn in einen tödlichen Strudel zu reißen.

Bei seinem ersten Kriminalroman folgt Vallgren überwiegend den Konventionen des skandinavischen Krimis: Ein kaputter Ermittler (Erinnerungen an Jo Nesbos Harry Hole werden wach), ein dunkles Geheimnis, ehrbare Männer der Gesellschaft, die keineswegs unbescholten sind – all diese Zutaten mixt der Schwede zu einem schnellen Krimi. Die Geschichte liest sich eingedenk der großen Schriftgröße und des hohen Schreibtempos schnell weg. Man verzeiht dem Autor auch einige Griffe in die Klischeekiste und gerade im letzten Drittel einige nicht unbedingt sonderlich plausible Wendungen (besonders was den zweiten Erzählstrang einer alten Freundin von Danny angeht). Aber dafür ist der Roman spannend und dies ist schließlich was zählt. Carl-Johan Vallgren beherrscht auf jeden Fall sein Handwerk und unterhält den Leser gekonnt.
Weiter Fälle für Danny Katz dürfen nicht ausgeschlossen werden, wenn man die letzten Seiten des „Schattenjungen“ liest – von mir aus sehr gerne!

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