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James Kestrel – Fünf Winter

Dass es mal etwas länger dauern kann, mit einem Vorhaben, das kennt man aus dem eigenen Leben. Es kommt einem etwas dazwischen, die Bearbeitung des Sachverhalts dauert – und am Ende fragt man sich, waru es jetzt so lange gedauert hat. So krass wie im Falle von James Kestrels Krimi dürfte es aber kaum jemandem gehen. Denn bei der Aufklärung eines Doppelmordes auf Honolulu grätscht Detective Joe McGrady der Ausbruch des Zweiten Weltkrieg in seiner ganzen Härte dazwischen. Es wird Fünf Winter dauern, bis McGrady die Überführung des Täters gelingt. Dabei fordert die Mördersuche einen hohen Preis von McGrady ein. Aber in Sachen Unbeirrbarkeit macht diesem Ermittler wirklich niemand etwas vor.


Wenn Joe McGrady in letzter Konsequenz gewusst hätte, was jener Telefonanruf auslöst, den er trotz Dienstschluss noch abnimmt, er hätte es sich vielleicht doppelt überlegt. Aber so beginnt alles in James Kestrels Roman eigentlich ganz typisch an einem tropischen Tag Ende November des Jahres 1941.

Auf Bitte seines Vorgesetzten soll McGrady nach Dienstschluss noch die nächtliche Begehung eines Tatorts in der Nähe der Kahana Bay vornehmen. Dort in den Bergen Honolulus wurde ein Leichenfunde gemeldet, qualifiziertes Personal ist aber nicht in greifbarer Nähe. Und so schickt sein Chef Joe McGrady los.

Von Honolulu bis nach Yokohama

Der ehemalige Army-Angehörige ist irgendwann auf Honolulu gestrandet und steht jetzt im Dienst des HPD, des Honolulu Police Department. Wirkliche Erfahrungen als Mordermittler hat er keine, lediglich als Streifenpolizist war ein paar Mal mit Morden befasst.

James Kestrel - Fünf Winter (cover)

Als er nun nach einer kurvenreiche Fahrt in die Berge der hawaiianischen Insel am Tatort ankommt, merkt er schnell, dass es sich um keinen gewöhnlichen Mord handelt. Denn der junge Mann, der kopfüber in einem Stall aufgehängt wurde, wurde auch brutal ausgeweidet. Und dann stößt McGrady auch noch auf eine zweite Leiche einer jungen japanischstämmigen Frau, die ebenfalls brutal misshandelt wurde.

Als er Unterstützung anfordert, kommt es zu einem Schusswechsel mit einem Mann, der offenbar am Tatort aufräumen wollte. Trotz Restriktionen durch seinen Vorgesetzten beschließt der Detective, den spärlichen Spuren nachzugehen und stößt damit die Tür zu einem Fall weit auf, der ihm fast alles in seinem Leben kosten wird.

Denn nach dem nächtlichen Schusswechsel bekommt McGrady Wind von einem ähnlichen Mordfall auf einer benachbarten Insel. Er beschließt, den Spuren auch dort nachzugehen, handelt es sich doch allem Anschein nach um einen Täter, der ebenso brutal wie effizient vorgeht.

Als er auf der Suche nach dem Täter nach Hongkong weiterreist, wird er dort in der britischen Kronkolonie in Kowloon verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Zeitgleich kommt es zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auch dort vor Ort, als die Japaner Pearl Harbor bombardieren und Joe McGrady in japanische Kriegsgefangenschaft gerät. Damit bricht eine lange Zeit mit vier Wintern an, die den Ermittler allerdings nie von seinem Ziel abbringen, den brutalen Mörder zu überführen.

Eine wirkliche Odyssee

Es ist wirklich eine Odyssee, die James Kestrel seinem Helden Joe McGrady in Fünf Winter zumutet. Kestrel, der unter seinem wirklichen Namen Jonathan Moore ebenfalls im von Thomas Wörtche herausgegebenen Krimisegment bei Suhrkamp vertreten ist (und hüben wie drüben von Stefan Lux übersetzt wird), hat sich einen großen Handlungsbogen vorgenommen.

Die Reise, auf die sich McGrady begibt, um dem Täter Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen, führt ihn von Honolulu über Hongkong nach Yokohama und schließlich zurück. Er wird fast alles verlieren, bleiben werden ihm doch zwei Gewissheiten, die zur Richtschnur seines Handelns werden.

Da ist zum Einen natürlich die Suche nach dem Täter, die er trotz Inhaftierung und zwangsweisem Aufenthalt in Japan nie aus den Augen verliert. Zum Anderen ist da aber auch Molly, mit der er auf Honolulu liiert ist und die er aufgrund der Mördersuche über Nacht verlassen muss. Diese Liebe lässt ihn aber auch in der Ferne nicht los, womit er natürlich etwas an Homers Helden Odysseus erinnert.

Dabei gelingt es James Kestrel die Schwüle des tropischen Honolulu ebenso einzufangen wie die beklemmende Atmosphäre des Bombardements der amerikanischen Truppen auf Tokyo.

Mit Fünf Winter beleuchtet James Kestrel das Thema des Zweiten Weltkriegs aus einer hochinteressanten Perspektive, ist die Kriegsgefangenschaft McGradys und dessen gleichzeitiger Verbindung zur japanischen Zivilgesellschaft doch ein Konflikt, der ihn die Auswirkungen des Kriegs mit den sprichwörtlichen zwei Herzen in der Brust erleben lässt. Wie er die Gräuel jener Zeit auf beiden Seiten einfängt, das beeindruckt.

Die Mördersuche selbst besticht eher durch Unbeirrbarkeit denn durch Raffinesse – aber wie es James Kestrel gelingt, seinen Bogen zu spannen, Krimi und Zeitgeschichte sowie die verschiedenen Stationen dieses Romans miteinander zu verbinden und dabei durchaus spannend zu erzählen, das ist wirklich gut gelungen und lässt auch die Auszeichnung mit dem Edgar Award 2022 folgerichtig erscheinen.

Fazit

Was der Suhrkamp-Verlag als gewaltiges Epos im Cinemascope-Format bewirbt ist in der Realität tatsächlich ein beeindruckender Bilderbogen, der durch seine exotischen Schauplätze, eindringliche Schilderungen der Kriegsgräuel und einen unbeirrbaren Helden Homer’schen Prägung besticht. Ein starkes Buch!


  • James Kestrel – Fünf Winter
  • Aus dem Englischen von Stefan Lux
  • Herausgegeben von Thomas Wörtche
  • ISBN 978-3-518-47317-7 (Suhrkamp)
  • 498 Seiten. Preis: 20,00 €
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Länderspecial Japan

Immer wieder bilden sich in meinem Lesen Muster, seien sie thematisch oder äußerlich bedingt. Ein solches Muster hat sich bei mir in den vergangenen Monaten mit japanischer Literatur herauskristallisiert. Begann das Ganze mit der Lektüre und Rezension von Haruki Murakamis neuem gehälfteten Roman Die Ermordung des Commendatore, setzte sich der sprichwörtliche japanisch-rote Faden mit der Lektüre weiterer Titel fort. Auf diese soll nun in diesem kleinen Special näher eingegangen werden:

 

Sayaka Murata – Die Ladenhüterin

Das muss man erst einmal schaffen – im Text auf jegliche besondern Stilmittel verzichten, um dann einen Roman von solcher Tiefe und Vielschichtigkeit zu erzeugen. Die Autorin, der das gelungen ist hört auf den Namen Sayaka Murata und hat einen Roman mit dem Titel Die Ladenhüterin beziehungsweise im japanischen Original Konbini Ningen geschrieben. Die Übersetzung hat die Murakami-Expertin Ursula Gräfe besorgt.

In einem klaren, nüchternen und völlig frei von prätentiösem Stilwillen gehaltenen Ton erzählt Sayaka Murata dabei eine ungewöhnliche Geschichte. In einem sogenannten Konbini, einem 24-Stunden Supermarkt, arbeitet die Verkäuferin Keiko. Sie leidet unter völliger Gefühlsblindheit und imitiert die Verhaltensweise ihrer Kolleginnen. Ein perfektes Chamäleon, dem es an Herzensbildung mangelt. Im streng geregelten Umfeld des Supermarkts mit seinen zahlreichen Verhaltenscodes und Vorschriften geht sie völlig auf, im zwischenmenschlichen Umgang versagt sie und fällt aus den gesellschaftlichen Normen heraus. Die Arbeit ist ihr Ein und Alles und verleiht ihrem Leben Struktur. Acht Filialchefs des Konbini hat sie dabei schon kommen und gehen sehen. Doch eines Tages bekommt sie in ihrem Kombini einen neuen Mitarbeiter, der so ganz anders ist als alles, was Keiko Fukura so kennt.

Sayaka Muraka hat einen Roman über eine Frau geschrieben, die nicht arbeitet, um zu leben, sondern den umgekehrten Weg lebt. Ein Roman über die Frage der gesellschaftlichen Anpassung und der Herausforderungen, die die Gesellschaft an den einzelnen stellt. In Japan verkaufte sich dieses Buch über 650.000 Mal. Das ist mehr als beachtlich und nach der Lektüre kann man konstatieren, dass dieses Buch schon etwas hat, auch wenn es bei allem Verzicht auf schriftstellerische Finesse so schwer zu benennen ist. Außergewöhnlich!

 

 

Fuminori Nakamura – Die Maske

Kann aus einem schlechten Menschen ein guter werden? Oder verläuft unser Leben vorherbestimmt? Diese Frage steht am Anfang von Fuminori Nakamuras neuem Roman Die Maske, in der um den jungen Fumihiro kreist. Dieser wird von seinem Vater mit dem Ziel in die Welt gesetzt, ein Geschwür zu werden. Er soll für das Böse in der Welt sorgen und so das Erbe seiner Familie weitertragen. Doch Fumihiro will dieser Prädestination entgehen, gerade auch da er sich frisch in Miko verliebt hat. Das junge Mädchen weckt in ihm eine starke Anziehung und Liebe – für das Böse und dessen Ausprägungen ist da kein Platz. Doch so leicht entgeht man seiner Vorbestimmung nicht. Mit einem neuen Gesicht und einer neuen Identität will Fumihiro dem Schicksal entgehen – doch kann das wirklich klappen?

Fuminori Nakamura legt nach Der Taschendieb einen weiteren verrätselten Krimi vor, der den Leser oft zweifeln lässt. Der Japaner springt dabei zwischen der Vergangenheit und Gegenwart hin und her und webt ein Gespinst aus Anziehung, Täuschung und Niedertracht. Ein Buch zum Abschalten ist Die Maske nicht, auch wenn uns Nakamura erst scheinbar ganz einfach in seine Welt hineinlockt. Doch nachdem die erzählerische Tür hinter dem Leser zugefallen ist, sollte man sich besser vorsehen!

 

Hideo Yokoyama – 64

Ein hochspannender Roman – auch wunderbar gestaltet: Das ist der Thriller 64 des Japaners Hideo Yokoyama. Er erzählt in diesem Buch, an dem er 10 Jahre arbeitete, vom Pressedirektor Mikami. Dieser versieht im Pressebüro der Polizeibehörde in der Pröfektur D seinen Dienst. Er steht als Bindeglied zwischen der Presse und der Polizeibehörde, wird aber von beiden Seiten schikaniert und ausgegrenzt. Nicht leichter wird sein Job dadurch, dass seine Tochter verschwunden ist.

Und dann soll er auch noch alles für den Besuch eines ranghohen Polizeibeamten vorbereiten, der sich in Sachen 64 umtun will. Jener Fall treibt bis heute die Ermittler um, erinnert er sie doch an ihr größtes Versagen. 1989 wurde ein junges Mädchen entführt, der Erpresser entkam mit der Beute und ermordete das Mädchen. Die Angehörigen sind verzweifelt und der Polizei gelang es nicht, Ermittlungserfolge zu erzielen. Nun bringt die Nachricht der Polizeibehörde alles durcheinander – und plötzlich ist abermals ein Mädchen verschwunden. Mikami ermittelt zwischen den Fronten selbst und droht dabei zerrieben zu werden.

Das Buch überzeugt mit phasenweiser Hochspannung, mit einer genauen Zeichnung der Polizeibehörde, ihrer Dynamiken und ihrer Abgründe. Daneben gibt das Buch auch tiefe Einblicke in die japanische Mentalität und bringt jede Menge glaubhafter Figuren aufs Tapet.

Der Text wurde im Übrigen nicht aus dem japanischen Original, sondern von der englischen Übersetzung her ins Deutsche übertragen. Getan haben dies Sabine Roth und Nikolaus Stingl. Ohne das Original zu kennen meine ich, dass sie ihren Job sehr gut erledigthaben.

 

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Haruki Murakami – Die Ermordung des Commendatore Bd. 2

Nun geht es also weiter – nach 3 Monaten Wartezeit seit dem Erscheinen von Die Ermordung des Commendatore – Eine Idee erscheint gibt es Nachschub. Dort, wo der erste Teil ganz plötzlich endete, setzt unvermittelt Band Zwei ein. Und gleich ist man wieder drin in der Welt des Porträtmalers, der keinen Namen trägt. Dafür hat der Vorbesitzer seiner Wohnstatt einen höchst berühmten Namen: Tomohiko Adama. Dieser schuf einst bekannte Gemälde und war eine gefeierte Größe im Kunstbetrieb – mittlerweile liebt dieser allerdings geistig umnachtet in einem Altenheim. Der Maler soll das Haus hüten und stößt auf eine Vielzahl an Geheimnissen, die ihm Rätsel aufgeben und einen unerklärlichen Reiz auf ihn ausüben.

So findet sich hinter dem Haus in den Bergen eine mysteriöse Grube, aus der immer wieder zu einer bestimmten Uhrzeit Signale ertönen. Und auf dem Dachboden des Hauses entdeckt Murakamis Held zudem ein unbekanntes Gemälde Adamas, das in keinem Werkverzeichnis des Künstlers auftaucht. Dessen Titel lautet eben Die Ermordung des Commendatore und zeigt eine Szene aus Mozarts Don Giovanni. Und dann ist da auch noch jener Commendatore höchstselbst, der immer wieder als puppengroße Erscheinung auftaucht, wenn keine anderen Menschen in der Nähe sind. Eine Art künstlerisch anspruchsvoller Pumuckl, der den Helden lenkt und ihm Ideen einflüstert.

All diese bereits aus dem ersten Band bekannten Motive und angerissenen Fäden führt Murakami nun fort, indem er den Maler tiefer in die Lebensgeschichte Tomohiko Adamas eintauchen lässt. So werden dessen familiäre Hintergründe erklärt. Und auch der geheimnisvolle Herr Menshiki, der Nachbar vom Haus auf dem Hügel gegenüber, bekommt nun mehr Spielzeit. Von dessen (möglicher) Tochter Marie fertigt der Maler gerade ein Porträt, als diese plötzlich verschwindet. Um sie wiederzufinden, macht sich der Maler auf die Suche und erhält dabei von der Geistererscheinung des Commendatore Anweisungen. Damit beginnt eine Reise, die wieder einmal Murakami-Typisch zwischen Geistern und echter Welt hin- und herpendelt.

Die Ermordung des Commendatore II – eine Metapher wandelt sich zeigt schon mit dem Titel, was den Leser erwartet. Neben den realen Elementen der Geschichte fließt auch viel Geisterspuk und Metaphysisches in die Erzählung ein. So tauchen doppelte und einfache Metaphern auf – genauso wie sich Ideen materialisieren und den Helden beeinflussen. Auch die Verbindung zur bisher unverbunden stehenden gesichtslosen Gestalt aus dem Prolog von Band 1 wird nun hergestellt. Alles rundet sich und findet einen befriedigenden Abschluss. Murakami gelingt es hier erneut, trotz aller möglichen komischen oder abgedrehten Element seiner Erzählung eine ernste und glaubhafte Erzählung abzuliefern. Dies tut er in diesem typisch zurückhaltend-schwebenden Murakami-Sound, der unzählige Leser*innen zu begeistern mag. So auch mich!

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Kurz und Gut

Heute gibt es wieder eine Fuhre von Büchern, die ich in der letzte Zeit gelesen habe. Kurze Besprechungen neuer Titel – los gehts!

Jacqueline Woodson – Ein anderes Brooklyn

Es sind oftmals die kleinen und unscheinbaren Bücher, die aufgrund ihrer Konzentration dann den größten Eindruck hinterlassen. Jacqueline Woodsons Ein anderes Brooklyn zählt zu genau diesen Büchern. Bislang trat Woodson als Autorin von Büchern für Kinder und Jugendliche in Erscheinung – nun also ihr Debüt im Erwachsenengenre. Kurz nachdem das Buch im Deutschen erschienen war (Übersetzt von Brigitte Jakobeit), wurde die Autorin mit dem Astrid-Lindgren-Preis geehrt – nach der Lektüre dieses Buchs weiß man warum. Die Held*innen in Woodsons Buch sind August und Clyde, ein Geschwisterpaar, das mit ihrem Vater aus Tennessee nach Brooklyn gezogen ist. In der flirrenden Atmosphäre der Großstadt im Jahr 1973 sitzen die beiden zunächst noch beständig am Fenster, um das Treiben auf den Straßen zu beobachten. Doch bald öffnet sich die Welt der beiden und sie finden Anschluss auf den Straßen Brooklyns.

Auf nicht einmal 160 Seiten gelingt es Jacqueline Woodson, das komplexe Heranwachsen Augusts in einer schwierigen Umgebung zu skizzieren. Das komplexe Innen- und Außenleben der Held*innen wird von der Autorin gut eingefangen und glaubhaft vermittelt. Ein unglaublich präsentes, klares und unsentimentales Buch über die Kindheit. Auch meine geschätzte Mitbloggerin Birgit Böllinger war sehr angetan.

 

Nicolás Obregón – Schatten der schwarzen Sonne

Von Amerika aus geht es mit dem nächsten Buch auf einen ganz anderen Kontinent, nämlich Asien. Diesen bespielt der Debütautor Nicolás Obregón mit seinem Thriller Schatten der Schwarzen Sonne. Das Buch ist der Autakt zu einer geplanten Reihe um den Ermittler Kosuke Iwata. Dieser wurde zur Mordkommission in Tokio versetzt und bekommt es gleich mit einem gerissenen Täter zu tun. Dieser ermordete eine ganze Familie und hinterließ am Tatort eine gezeichnete Schwarze Sonne. Dieses Symbol wird dem Polizeibeamten noch öfter an Tatorten begegnen und führt ihn bis nach Hongkong. Doch die wahren Hintergründe bereiten Iwata  Kopfzerbrechen. Handelt es sich um Taten der Triaden, gibt es im privaten Umfeld der Ermordeten Motive oder steckt etwas ganz anderes hinter den Taten? Um den Täter zu stellen, muss Iwata ein hohes Tempo an den Tag legen – denn der Täter ist mit so ziemlich allen Wassern gewaschen.

Mit Schatten der Schwarzen Sonne hat Nicolás Obregón einen wirklich multikulturellen Thriller geschrieben. Obrégon selbst hat eine französische Mutter und einen spanischen Vater. Sein Buch hingegen wurde in Englisch verfasst, ins Deutsche von Thomas Stegers übertragen und in spielt in Japan und China. Wäre dieses Buch ein Fluggast, es hätte wohl so einige Bonusmeilen gesammelt. Obregón erfindet zwar das Rad nicht neu, bietet dafür aber einige spannende Lesestunden.

 

Horst Eckert – Der Preis des Todes

Horst Eckert schaut dahin, wo wir unseren Blick lieber abwenden. Mit seinen Kriminalromanen spürt er gesellschaftlichen Entwicklungen nach und bringt auch Themen aufs Tapet, die sonst eher unpopulär sind. Zuletzt untersuchte er in Wolfsspinne die Verflechtungen von NSU und den aktuellen rechten Bewegungen. In Der Preis des Todes richtet er seinen Blick von Deutschland aus nach Afrika. Genauer gesagt spielt eine große Stadt Afrikas im Buch eine tragende Rolle – die offiziell nicht einmal eine Stadt ist. Die Rede ist von Dadaab, einem der größten Flüchtlingslager der Welt. Dorthin führen die Spuren, denen die TV-Talkerin Sarah Wolf nachgeht.

Diese moderiert eigentlich im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen eine Talkshow. Privat ist sie mit einem parlamentarischen Staatssekretär liiert, was beide zu einem Versteckspiel zwingt. Dramatisch wird es, als ihr Geliebter tot in seiner Berliner Wohnung aufgefunden wird. Sarah zweifelt am offiziellen Tathergang und beschließt, auf eigene Faust die Hintergründe des Todes aufzuklären. Schließlich versteht sie sich ja qua Job aufs kritisches Nachhaken und Analysen. Und so führen sie die Spuren schon bald ins Flüchtlingslager nach Dadaab, wo sie einem Skandal auf die Spur kommt.

Im Gewand des Kriminalromans bietet Horst Eckert eine ungewohnte und betrachtenswerte Perspektive auf die internationalen Fluchtbewegungen. Ist hierzulande die Debatte über Flüchtlinge durch starre Lagerbildung, Meinungskämpfe und viel Geschrei aufgeladen, so bietet dieser Krimi die Gelegenheit, noch einmal einen Schritt zurückzutreten. Eckert bietet Einblicke in das Geschäft mit der Flucht, Lobbyismus und das Treiben hinter den Kulissen einer Talkshow. Relevant und auf Höhe der Zeit!

 

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Christian Kracht – Die Toten

Ein neues Buch von Christian Kracht ist immer ein Ereignis – der Rummel um seinen letzten Roman Imperium war immens und die Wogen der Debatten schlugen (in meinen Augen völlig ohne Grund) hoch. Nun hat Kracht seinen nächsten Titel Die Toten veröffentlicht – was kann das Buch?

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Nach der wahren und höchst kuriosen Lebensgeschichte des Kokovaren August Engelhardt, der mithilfe seiner Kokosnuss-Sekte die Welt retten wollte, taucht Kracht nun ein in die fiebrige Welt der Weimarer Republik und in die des japanischen Kaiserreichs.

Er erzählt vom Schweizer Filmregisseur Emil Nägeli, der von Alfred Hugenberg, dem mächtigen Chef der UFA in Berlin, in einen wilden Plan eingespannt wird. Nägeli soll einen Film drehen – am besten mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle – der eine filmische Achse zwischen Deutschland und dem Japanischen Kaiserreich herstellen soll. Denn Hugenberg ist gewillt, den Streifen aus Hollywood die Stirn zu bieten – und Nägeli soll die Sache schaukeln …

Das Filmgeschäft in Berlin

Lotte Eisner, Charlie Chaplin, Siegfried Kracauer, Alfred Hugenberg – die Namen die Kracht in seinem neuen Roman auffährt, sind mehr als groß. Er führt direkt hinein ins damals boomende Filmgeschäft in Berlin, das Hollywood der Hauptkonkurrent war. Regisseure wie Fritz Lang sorgten für eine kreative Blüte in der Landes – und auch Kracht scheint diese Epoche beflügelt zu haben.

Die Sprache des Autors funkelt und blitzt – es ist ein Genuss dieses Geschichte zu lesen. Doch abseits von der kunstvollen Prosa bietet Die Toten eigentlich nicht viel außer jeder Menge Budenzauber. Nach der Beendigung der Lektüre überriss ich noch einmal die Handlung und hatte dabei das Gefühl, ein kunstvolles literarisches Baiser verzehrt zu haben, das recht schnell in sich zusammenfiel.

Die Rahmenhandlung des Romans ist für meinen Geschmack dann doch etwas zu banal (und auch etwas zu konstruiert), als dass das Buch länger im Gedächtnis bliebe oder in einen Literaturkanon aufgenommen werden müsste. Ein wunderbar geschriebenes Buch für Zwischendurch, aber große Kunst geht dann doch leider anders (und tiefer).

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