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Die Jahresendbilanz 2021

2022 steht vor der Tür – somit gibt es hier am vorletzten Tag des Jahres einen kleinen Rückblick auf mein persönliches Jahr in der Buch-Haltung. Die Jahresend-Bilanz steht an.

Zuerst gilt es Dank zu sagen an alle Mitlesenden. Sogar eine Handvoll Rückmeldungen trudelten das Jahr über ein, worüber ich mich sehr freute! Sie belohnen für die stille Arbeit, die zumeist doch recht reaktionslos in den digitalen Weiten verpufft.. Ruft die ein oder andere Besprechung doch eine Rückmeldung oder Meinung hervor, dann freut mich das besonders.

Rein objektiv hat konnte der Blog wieder zulegen, im Vergleich zu den letzten Jahr steigerte sich der Zugriff abermals, sodass der Blog und dessen Beiträge insgesamt über 65.000 mal aufgerufen wurde. Im Vergleich zu größeren Blogs und bekannten Namen sicherlich eine geringe Zahl, ich freue mich aber dennoch über das zunehmende Interesse. Auch die Zahl der Abonnent*innen stieg 2021 erneugt, zwar nicht stark, aber auch stetig, sodass fast 550 Leserinnen und Leser diesen Blog abonniert haben. Jeweils am ersten Tag des Monats gibt es in der Früh von mir eine Mail, die alle im vergangenen Monat erschienen Beiträge bündelt und vorstellt. Der Newsletter ist kostenfrei und kann ganz einfach hier auf der rechten Seite der Homepage abonniert werden.

Die Top 10 der Beiträge

Besonders großes Interesse herrscht bei mir am Jahresende, was die Blogstatistik angeht. Welche Beiträge wurde häufig aufgerufen, welche Rezensionen interessierten nicht so sehr? Insgesamt erschienen auch dieses Jahr wieder über 100 Besprechungen, sodass reichlich Auswahl vorhanden war.

Hier meine Top 10 der am häufigsten nachgefragten Beiträge (bereinigt um alle nicht in diesem Jahr erschienen Besprechungen):

Noch spannender finde ich neben der Frage meiner persönlichen Highlights des Buchjahres (die hier beantwortet wurde) ja die Frage, welche Beiträge auf das geringste Interesse stießen. Die rote Laterne in Sachen Blog hatten dieses drei Blogbeiträge inne.

Quo vadis, Blogwelt?

Subjektiv gesprochen würde ich durchaus die Feststellung treffen, dass die Blogwelt etwas verkümmert. Dies stellte ich fest, als ich meine Abo-Empfehlungen für andere Blogs diesen Herbst überarbeitete und feststellte, auf wie vielen Blogs sich nichts oder kaum mehr etwas tut. Nicht einmal die rituelle Debatte von Blogs vs. Feuilleton wurde in diesem Jahr verhandelt. Die Frequenz der Beiträge nimmt ab, der Fokus der Blogs verändert sich und abseits von ein paar großen Namen bleibt die Sichtbarkeit der Literaturblogs und Schreibenden dahinter gering. Das kann durchaus etwas frustrieren, verschlingt die Blogarbeit doch viele Zeit- und Kraftressourcen, die man im Alltag erst einmal aufbringen muss.

Umso schöner, wenn es dann digital und real zu Begegnungen rund um das Buch kommt. Hierzu zählen für mich vor allem die Literarischen Soireen in der Stadtbücherei Augsburg, bei denen ich als Diskutant mitwirken darf und bei denen über die Frage von guter Literatur und spannender Neuerscheinungen diskutiert wird. Auch ist es schön, andere Blogger*innen wie etwa Pascal Matheus vom Blog Aufklappen zu treffen – diesen besuchte ich in der Buchhandlung Zum Wetzstein in Freiburg. Und auch wenn für mich wegen der Abordnung ins Gesundheitsamt die Buchmesse in Frankfurt ausfiel, hoffe ich auf Leipzig oder Frankfurt im kommenden Jahr.

Die Buch-Haltung im Podcast

Auch ich habe mich auf ein Feld gewagt, dass ich angesichts der Omnipräsenz und nicht immer überzeugenden Qualität der Inhalte und Darreichungsformen meiden wollte – die Rede ist von Podcasts. Als mich eine Anfrage der Augsburger Allgemeinen erreicht, ob ich nicht von meinem Beruf und meinem Hobby erzählen wollte, warf ich die Vorsätze allerdings über Bord und sprach mit Axel Hechelmann mehr als eine Stunde über Buchanfänge, besondere Kundenanfragen in Bibliotheken und die Frage, wie ich dieses Hobby hier finanziere oder ob ich davon leben könnte (Spoiler: schön wäre es…). Der Podcast findet sich unter folgendem Link:

Für die Treue und das stille Mitlesen sage ich herzlichen Dank. Und mit einem weihnachtlichen Song des amerikanischen Musikers Finneas O’Connell verabschiede ich mich an dieser Stelle, wünsche allen Mitlesenden einen guten Rutsch in ein hoffentlich ruhigeres und sorgenfreies 2022 mit viel guter Lektüre!

But here we are tonight | Drunk by the firelight | The future could be bright | Though no one’s sure about it | And if the ending’s sad | At least these times we’ve had | The good outweighs the bad | You wouldn’t know without it

Finneas O’Connell – Another year
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Meine besten Bücher 2021

Ja ist denn schon wieder Weihnachten? Noch nicht ganz, aber bald. Und da nichts so schön funkelt unter dem Weihnachtsbaum wie ein gutes Buch, habe ich mich entschlossen, meine Rückschau auf die besten Bücher des Jahres schon etwas vorzuziehen. So sollte man alle unten aufgeführten Titel trotz Lieferengpässen und Papierknappheit noch rechtzeitig vor dem Fest bekommen – das erspart Stress und sicher gute Lektüre über das Ende des Jahres hinaus. Und größenwahnsinnige Milliardäre mit Weltraumspleen muss man dabei nicht unterstützen – jede Buchhandlung liefert genauso schnell für den gleichen Preis – und man unterstützt auch den lokalen Handel. Ich wollte es nur gesagt haben.

Hier also meine Highlights, die ich in diesem Jahr besonders gerne gelesen habe und die mir im Kopf verhaftet bleiben (die Cover führen zu meinen ausführlichen Besprechungen, in denen sich auch weiterführende bibliographischen Angaben finden).

Ivy Pochoda – Diese Frauen (ars vivendi)

Serienkillerromane gibt es viele, aber keinen wie diesen. Denn statt für den Täter interessiert sich Ivy Pochoda in Diese Frauen für die Opfer des Täters und die Untätigkeit der Polizei. Sie erzählt vom Leid der Familien, vom Nicht-Ruhen-Lassen-Können und von den dunklen Seiten der sonst so sonnigen Stadt L.A.. Kriminalliteratur, wie ich sie mir wünsche. Gesellschaftlich relevant, anspruchsvoll geschrieben und fernab aller Konventionen und Klischees.

Mathias Enard – Das Jahresbankett der Totengräber (Hanser)

Was für ein opulentes und schier überbordendes Buch. Alles beginnt eigentlich ganz überschaubar mit einem jungen Anthropologen, der in ein kleines französisches Dorf zieht, um dort eine wissenschaftliche Arbeit über das Dorfleben zu schreiben. Doch dann zieht Enard den Vorhang von der Bühne und man blickt auf die ganze Fülle von Jenseits und Diesseits. Es wird getafelt, gestorben, wiedergeboren, dass es eine Freude ist.

Robin Robertson – Wie man langsamer verliert (Hanser)

Ist es ein Roman? Ist es ein Langgedicht? Ganz egal, es ist großartige Literatur, wie man sie so nicht häufig findet (und mindestens auch so großartig von Anne Kristin Mittag übersetzt). Ein Veteran des Zweiten Weltkriegs strandet mittellos in Los Angeles, wo er mit Armut und Elend konfrontiert ist. Der Job bei einer Zeitung verheißt ihm einen Weg aus dem Elend. Dieses Los Angeles hier hat (ähnlich wie bei Ivy Pochoda) wenig mit Hollywoodglanz gemein, ist aber suggestiv stark auf die Buchseiten gebannt.

C. Pam Zhang – Wie viel von diesen Hügeln ist Gold (S. Fischer)

Den amerikanischen Goldrausch? Kennt man. Klondike, Levi-Strauss-Jeans, Zottelbärte, Waschpfannen, Goldnuggets. Dass der Goldrausch eben auch viel mehr war, das zeigt C. Pam Zhang in ihrem Debüt Wie viel von diesen Hügeln ist Gold auf eindrückliche Art und Weise. Sie erzählt von einer chinesischen Familie inmitten des amerikanischen Goldrauschs und allen Zentripetal und -fugalkräfte, die auf sie einwirken. So hat man noch nie vom Goldrausch gelesen.

Eva Menasse – Dunkelblum (KiWi)

Apropos Epos: dieses Buch hat auch das Potential, die schnelllebigen literarischen Verwertungszirkel zu überleben – denn Eva Menasse gelingt in Dunkelblum ein zeitloser Blick auf die Frage von Schuld und Verdrängung. Sie erzählt von einem Massaker im fiktiven Örtchen Dunkelblum, ohne überhaupt von diesem Massaker selbst zu erzählen. Der Umgang mit dem Erinnern und Verdrängen steht im Mittelpunkt dieses Buchs, das bleiben wird!

Steffen Kopetzky – Monschau (Rowohlt)

Ein Buch über eine Seuche in Deutschland? Will man wirklich noch davon lesen? Ja, wenn die Geschichte den Titel Monschau trägt und von Steffen Kopetzky geschrieben wurde. Er erzählt von der letzten Pockenepidemie, die das Eifeldorf Monschau im Fasching 1962 heimsuchte und entdeckt verblüffende Parallelen zu unserer Gegenwart im Schatten von Corona. Ein Buch, das man so manchen Entscheider*innen zur Lektüre während der Krise gewünscht hätte.

Chris Whitaker – Von Hier bis zum Anfang (Piper)

Ein Buch, das ich als Weihnachtsgeschenk unbedingt empfehlen würde, da maximal anschlussfähig. Etwa wie etwa Delia Owens Gesang der Flusskrebse erzählt auch Chris Whitaker die Geschichte eines Mädchens, das viel zu früh Verantwortung übernehmen musste. Nachdem der mutmaßliche Mörder ihrer Mutter freigelassen wird, steht das kleine Städtchen Cape Haven Kopf. Die junge Dutchess versucht, ihren Bruder und sich so gut es geht zu schützen. Aber dem eigenen Schicksal kann man nicht entkommen.

Kristen Arnett – Ziemlich tote Dinge (Ecco)

Eine Mischung, die zugegeben ziemlich verrückt klingt: eine Familie von Taxidermisten, ein suizidierter Vater, eine Mutter, die die ausgestopften Tiere in vulgären Posen arrangiert, eine Erzählerin, die die Frau ihres Bruders liebt, die wiederum verschwunden ist. Das ist das Ensemble, von dem Kristen Arnett in ihrem Debütroman erzählt. Sie tut das auf großartige Art und Weise. Humorvoll und einfühlsam ist dieses Buch, das ganz eigene Wege geht und so ein außergewöhnliches Leseerlebnis plus ein großartiges Cover bietet.

Anthony Doerr – Wolkenkuckucksland (C.H. Beck)

Es scheint der Fluch von Anthony Doerr zu sein, mit seinen Werken in Deutschland sträflich unbeachtet zu bleiben. Bei Alles Licht, das wir nicht sehen war das schon so, bei Wolkenkuckucksland ist das nicht anders. Ein Buch, das von der Belagerung Konstantinopels, einem Anschlag auf eine Kleinstadtbibliothek und einer Weltraummission erzählt – verbunden durch ein apokryphes Werk eines griechischen Dichters. Ein Lobgesang auf Literatur, Bibliotheken und die Kraft der Fantasie.

Taylor Brown – Maybelline (Polar)

Die Krimilandschaft wäre ohne diesen Verlag eine deutlich ärmere: der Polarverlag findet immer wieder neue Erzähltalente für den deutschen Markt, so auch Taylor Brown. Er erzählt in seinem Debüt Maybelline von einem Alkoholschmuggler aus dem Hinterland North Carolinas in den 50er Jahren. Autorennen, Alkoholschmuggel, Verrat, es ist alles drin. Ein üppig erzählter Krimi voller ganz eigener Figuren inmitten rauer Natur.

Sebastian Barry – Annie Dunne (Steidl)

Der Steidl-Verlag macht sich um die Autorenpflege von Sebastian Barry verdient – was uneingeschränkten Applaus verdient, schließlich ist Barry einer der besten zeitgenössischen Autoren aus Irland. Dass Barry schon früh begonnen hat, sich diesen Ruhm zu erschreiben, lässt sich nun in Annie Dunne nachlesen. Das Buch ist das Debüt von Barry aus dem Jahr 2002 und ist das eindringlich und bewundernswert plastisch geschilderte Porträt einer widerständigen Frau, die einen Hof im irischen Hinterland bewirtschaftet. Dass das Buch ein bibliophiles Kleinod ist, muss man bei diesem Verlag eigentlich gar nicht extra erwähnen. Ich tue es trotzdem.

Sophie Hardcastle – Unter Deck (Kein&Aber)

Es ist kein leichtes Thema, das sich Sophie Hardcastle für ihren Roman Unter Deck ausgesucht hat. Sie erzählt von einer Vergewaltigung, die sich während einer Schiffsüberführung ereignet. Ihr gelingt es aber, bravourös von diesem Erlebnis und dem anschließenden Kampf der Verarbeitung des Ganzen zu erzählen. Ein unglaublich sinnliches Buch in maritimen Kontext, das ein oft tabuisiertes Thema aufbricht und überzeugend gestaltet. Literatur, die sich nicht wegduckt.

Merle Kröger – Die Experten (Suhrkamp)

Was für ein Wurf. Man musste einige Zeit auf Merle Krögers Roman Die Experten warten – nun ist er aber da – und die Wartezeit hat sich mehr als rentiert. Plastisch und mitreißend erzählt Merle Kröger von abgeworbenen deutschen Raketenwissenschaftlern, die aus den Trümmern des Dritten Reichs in Nassers Ägypten wechselten, um die Raketenträume des Herrschers wahrwerden zu lassen. Ein Roman, wie man ihn in Deutschland nur selten findet. Ein Solitär!

Freya Sampson – Die letzte Bibliothek der Welt (Dumont)

Nicht nur die Initiative „Fairlesen“ hat es gezeigt – vielen Neoliberalen sind Bibliotheken ein Dorn im Auge. Bringen keinen Umsatz, ermöglichen allen Menschen nahezu kostenlos den Zugang zu Literatur und Bildung und kosten den öffentlichen Trägern Unterhalt. Warum Bibliotheken aber unverzichtbar sind und was sie alles bewirken, das zeigt Freya Sampson in ihrer großartigen englischen Komödie eindringlich. Ihr Roman ist genauso wie Bibliotheken selbst: Unterhaltsam und gesellschaftlich relevant.

Ann Petry – Country Place (Nagel&Kimche)

Die Wiederentdeckung von Ann Petry geht weiter – gut so! Country Place ist der zweite Roman, den Nagel&Kimche in der Neuübersetzung von Pieke Biermann auf den Markt bringt. Darin erzählt die afroamerikanische Autorin von einer Kleinstadt, die durch die Rückkehr eines Kriegsheimkehrers ordentlich durcheinandergewirbelt wird. Doppelmoral, Antisemitismus, üble Nachrede – all das seziert Petry rasiermesserscharf in diesem Buch, das ursprünglich 1947 erschien.

María José Ferrada – Kramp

Ein kleines Büchlein, das ganz bei sich bleibt und eben dadurch überzeugt. María Ferrada erzählt aus der Perspektive eines kleines Mädchens, das mit ihrem Vater, einem Handelsvertreter, auf Verkaufstouren geht. Er veräußert Eisenwaren der Marke Kramp und bereist ganz Chile – was nicht sonderlich bemerkenswert wäre, schriebe man nicht die Jahre der Chile-Militärdiktatur. Ein bibliophiles Kleinod, das stimmig die kindliche Perspektive einnimmt und von Geborgenheit und Schrecken erzählt

Das waren sie – meine besten Büchern 2021. Gibt es Titel, die euch besonders im Gedächtnis geblieben sind, und die ihr zu euren Lieblingstiteln des Jahres zählt?

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Meine besten Bücher 2020

Das war es auch schon wieder, dieses verrückte Jahr 2020. Eines, das mal quälend langsam verging, dann aber auch wieder raste.

Ein Jahr, an dessen Ende ich noch einmal kurz zurückblicken möchte. Schließlich war das vergangene Jahr in vielerlei Hinsicht besonders. Zweimal musste ich meine Bücherei zusperren, Buchhändler*innen wurden zu Versandspezialisten. Zwei Buchmessen fielen ersatzlos aus, ebenso waren Lesungen in diesem Jahr wirkliche Mangelware.

Hier in Augsburg hatten wir Glück, durften wir zwei literarische Soireen in Zusammenarbeit mit der Augsburger Allgemeine durchführen, gerade, als es die Infektionslage zuließ. Kurz vor dem ersten Lockdown war im März Ingo Schulze zu Gast, im Herbst vor dem neuerlichen Lockdown begrüßten wir Olga Grjasnowa zu Gast. Im Anschluss debattierten wir wieder über die Bücher der jeweiligen Saison und ich freute mich, einem großen Publikum die Werke Robinsons Tochter von Jane Gardam und Long Bright River von Liz Moore ans Herz legen zu dürfen. Zwei meiner absoluten Lesehighlights in diesem Jahr.

Eine weitere Lesung, die mir im Gedächtnis bleiben wird, war die Augsburger Premiere von Thomas Hettches bestrickendem Roman Herzfaden, in dem er die Geschichte der Augsburger Puppenkiste und die ihrer Gründer*innen erzählt. Ein hervorragendes Buch, ganz zurecht auch für den Deutschen Buchpreis im Herbst nominiert.

Buchpreis, Blogbuster und Aufreger

Doch nicht nur den Deutschen Buchpreis habe ich in diesem Jahr wieder begleitet. Auch durfte ich Teil der Jury des Blogbusterpreises sein. Hier waren vielen Manuskripte zu sichten, aus denen ich mich schlussendlich für Yannick Dresens Romanentwurf entschied.

Auch bin ich froh, dass das Jahr nicht ganz so düster endete, wie es sich noch im Frühjahr angedeutet hatte. Zwar gab es für mich einen ganz klaren Aufreger zum Jahresende (der dann zum mit Abstand meistgeklickten Beitrag des Jahres avancierte), generell verlief das Jahr aber dann doch besser als gedacht.

Sieht man von Ärgernissen wie etwa der Cancel-Culture-Phantomdebatte in diesem Jahr ab, bei der man die Aufmerksamkeit und Energie besser für alle die untergegangen Bücher im Frühjahr aufgewendet hätte (zum Beispiel dieses oder dieses hier), war doch auch vieles ganz in Ordnung.

So erzielte der Buchhandel trotz allen Widerfahrnissen mehr erfreuliche Ergebnisse. So gewann mit Helga Schubert gewann so eine Autorin den Bachmannpreis, die durch die digitale Durchführung des Preises ihr Zuhause nicht verlassen musste, in dem sie ihren Mann pflegt.

Besprechungen, Klicks und weiter so?

Auch ich durfte an ein paar digitalen Treffen teilnehmen. So war ich bei Kai Wielands Lesungen zu Zeit der Wildschweine dabei oder traf im Rahmen der Messe Verlagsmitarbeitende und Blogger*innen digital. Kein gleichwertiger Ersatz für all das Ausgefallene, aber wenigstens eine Alternative mit Charme.

Meist gleicht das Schreiben hier einer Arbeit im luftleeren Raum, ohne Echo oder Widerspruch. Dennoch bleibt die Arbeit beglückend, nicht zuletzt durch solche Aktionen oder eine nette Mail, die mich ab und an mal erreicht, und die zu Weitermachen animiert.

Apropos Weitermachen. Auch wenn andere Blogger aufgeben oder das Ende der Blogs gekommen sehen, so kann ich dieses Urteil nicht bestätigen. Die Zugriffszahlen und die Abonnements steigen weiterhin an, wenngleich die Interaktion weiter abnimmt. Im Lauf des Jahres erschienen hier in der buch-Haltung 115 besprochene Bücher (69 davon von Autoren, 45 von Autorinnen für Statistikfüchse).

Enttäuschungen waren erfreulich wenige darunter, Mittelmaß einiges, aber deutlich mehr Highlights. Bücher, die mich durch ihre Sprache, Form, ihren Plot oder ihre Originalität (im besten Falle alles zusammen) überzeugten gab es 2020 reichlich.

Hier der Übersichtlichkeit halber noch einmal eine Grafik einiger meiner Highlights. Alle unten aufgeführten Bücher finden sich mit ausführlichen Besprechungen auf dem Blog.

Und wie soll es nun weitergehen? Was bringt 2021? Wird es wieder Buchmessen geben? Läuft Instagram den Buchblogs endgültig den Rang ab? Wird Sebastian Fitzek zum vierten Mal in Folge das meistverkaufte Buch des Jahres vorlegen? Ist es an der Zeit, dass Simone Buchholz mal für den Deutschen Buchpreis nominiert wird?

Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, was ich mir wünschen würde für das Literaturjahr 2021. Das hat mich nämlich die Redaktion des A3-Kulturjournals gefragt. Meine Antwort darauf soll diesen kleinen Rückblick beschließen. Was wünscht ihr euch fürs neue Jahr?

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Mercè Rodoreda – Der Garten über dem Meer

Sie gilt als DIE Dame der katalanischen Literatur: Mercè Rodoreda. 1908 geboren und 1983 verstorben, durchlebte sie ein Leben voller Höhen und Tiefen. Den Impuls zum Schreiben gab ihre unglückliche Ehe, in der sie die Literatur als Mittel der Weltflucht entdeckte.

Nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs floh Rodoreda ins Exil. Zunächst lebte sie in Spanien, ehe sie dann in die Schweiz übersiedelte. Erst in den siebziger Jahren kehrte sie dann in ihre katalanische Heimat zurück.

Von diesen wechselvollen Zeiten und dem turbulenten Leben merkt man ihrem im Schweizer Exil entstandenen und 1967 veröffentlichten Roman Der Garten über dem Meer allerdings überhaupt nichts an. Im Gegenteil. Ruhe, Melancholie und Zurückhaltung kennzeichnen diesen Roman, der neben Auf der Plaça del Diamant zu den wohl bekanntesten Werken Rodoredas zählt.

2014 gab Roger Willemsen dieses Buch im Rahmen der mare-Klassiker-Reihe heraus. Kirsten Brandt besorgte die erstmalige Übersetzung aus dem Katalanischen, Willemsen selbst verfasste das Nachwort. Noch nie war das Buch zuvor im Deutschen zu lesen. So konnte man über dreißig Jahre nach dem Tod Rodoredas eine wirkliche Neuentdeckung machen.

Eine Entdeckung, für die man Willemsen wirklich dankbar sein muss. Denn Der Garten über dem Meer ist ein literarisches Kleinod, eines das von der Vergänglichkeit des Sommers und zugleich von der Vergänglichkeit von Beziehungen erzählt

Von der Vergänglichkeit

Ausgangspunkt sind die Erinnerungen eines namenlosen Gärtners, der sich zurückerinnert an sechs Sommer, in denen er ein Herrenhaus betreute. In sechs Kapiteln erzählt er von seiner Rückschau auf jene Sommer, die von ganz unterschiedlichen Erlebnissen, Affären, Feiern, Unglück und Begegnungen geprägt waren.

Mercè Rodoreda - Der Garten über dem Meer (Cover)

Die Frau des Gärtners ist bereits verstorben, sodass er alleine in seiner kleinen Hütte auf dem Gelände des Herrenhauses lebt, als seine Schilderungen einsetzen. Er erzählt vom jungen Paar Francesc und Rosamaria, das mitsamt seiner Freundesclique die Sommer in ihrem Herrenhaus am Meer verbringen. Dort feiern sie rauschende Feste und Bälle, reiten aus, fahren Wasserski und genießen das dolce vita.

Doch was sich zunächst paradiesisch anhört, offenbart auch seine Schattenseiten, von denen der Gärtner erzählt. Eifersüchteleien, Affären, am Ende erbaut sich gar ein neuer Nachbar in bester Gatsby-Manier ein neues und noch prunkvolleres Haus neben dem des jungen Paares.

Lakonisch und mit einem genauen Gespür für die Risse im Gefüge der Clique betrachtet der Gärtner das Geschehen dort hoch oben über dem Meer. Durch seine soziale Außenseiterrolle kann er alles ungefiltert erzählen und legt so die Verwerfungen in der Clique und auch die dunklen Seiten der Sommertage offen. Während er sich um die Ordnung im Garten müht, driften die jungen Leute während der Sommer immer weiter auseinander.

Heiterkeit und Wehmut

Durch den Rückblick bekommt Rodoredas Erzählungen einen melancholischen, distanzierten, klaren und doch auch nostalgischen Ton. Das Wissen um die unmittelbar vergangenen Sommer schwingt im Buch mit und schlägt so den Bogen von sommerlicher Heiterkeit bis hin zum Wehmut. Das ist toll gemacht und zeigt eine Autorin, die zurecht für ihr Schreiben gerühmt und gepriesen wird. Hier ist eine Backlist-Perle zu entdecken. Eine große Empfehlung meinerseits!

Mit Der Garten über dem Meer bekommt man Sommererinnerungen ohne Falschheit. Ein Rückblick mit Wehmut und zugleich mit einem unbestechlichen Blick. Und Rodoreda gelingt ein präzises Bild einer spanischen Jeunesse dorée, das auch nach über 60 Jahren seit seinem Erscheinen nichts von seiner Klasse eingebüßt hat.


  • Mercè Rodoreda – Der Garten über dem Meer
  • Aus dem Spanischen von Kirsten Brandt
  • Mit einem Nachwort von Roger Willemsen
  • ISBN 978-3-8333-1054-6 (Berlin-Verlag)
  • 240 Seiten. Preis: 11,00 €
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Mein Literaturblogjahr 2019

Nun, wenige Tage vor Ende dieser Dekade möchte ich auch die Gelegenheit zur Rückschau nutzen, nachdem bereits an dieser Stelle geschätzte Buchmenschen ihre Empfehlung für das beste Buch des Jahres abgegeben haben. Was hat sich auf dem Blog getan? Was waren meine Highlights? Und was sind meine besten Bücher des Jahres? Vorhang auf zur Rückschau auf mein Literaturblogjahr!


Am Anfang des Jahres standen zwei Vorsätze aus dem letzten Jahr. Zum Einen wollte ich mehr Frauen lesen, zum anderen mehr Bücher aus Indie-Verlagen besprechen. Ist es mir gelungen?

Da ist zunächst die Relation weiblicher zu männlichen Autor*innen: in diesem Jahr kann ich vermelden, dass 43 Büchern von Männern 40 von Frauen gegenüberstehen. Fast ist mir hier die Parität gelungen, nimmt man noch meinen Beitrag zum Autorinnenschuber dazu, kann man einen Gleichstand gelten lassen.

Und auch den Anteil an unabhängigen Verlagen konnte ich ausbauen (dass damit auch viele Indie-Titel unter meiner Top10 gelandet sind, ist eine erfreuliche Begleiterscheinung). So schlagen exakt 30 besprochene Bücher aus unabhängigen Verlagen zu Buche. Das macht immerhin eine Indie-Quote von knapp 40 Prozent auf dem Blog aus. Auch damit bin ich wirklich zufrieden.

So, nach den Hausaufgaben aus dem vorigen Jahr nun die Fragen: was waren meine Highlights des Jahres?

Meine Highlights

Da ist natürlich der Besuch der Leipziger und der Frankfurter Buchmesse zu nennen. Tolle Begegnungen mit anderen Blogger*innen, Gespräche mit Verlagen, Lesungen, etc. Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse hatte ich unter dem Titel #norwegenerlesen ein kleines Norwegen-Spezial gestartet und vermehrt Bücher aus dem Hohen Norden besprochen.

Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse wird ja auch traditionell der Deutsche Buchpreis verliehen. Ich durfte als Bloggerpate ein Buch der Longlist näher vorstellen, nämlich Lola Randls Der große Garten. Was hat mich dieses Buch genervt. Dafür habe ich jede Menge anderer toller Bücher im Rahmen des Deutschen Buchpreises entdeckt. Unter dem Schlagwort #buchpreisbloggen finden sich diese hier auf dem Blog.

Etwas stolz bin ich auch auf meine prophetischen Fähigkeiten. So erwies sich mein Buchpreis-Lotto in diesem Jahr als ungewöhnlich treffsicher. Und auch den Sieg Sasa Stanisics und seine Reaktion auf den Gewinn habe ich komplett richtig vorhergesagt. Vielleicht sollte ich es doch noch einmal mit Glücksspiel probieren.

Gottschalk liest? und ein Eklat

Neben dem Deutschen Buchpreis durfte ich dieses Jahr auch wieder beim Bayerischen Buchpreis dabeisein. Jener Abend geriet heuer dank Eklat auf offener Bühne zu einem wirklich denkwürdigen Ereignis.

Im Februar war ich live vor Ort, als mit Gottschalk liest? die Pilotaufzeichnung der Literatursendung des BR aufgenommen wurde. Thomas Gottschalk wollte die Lust auf Literatur und Lesen wecken. Eine durchaus lobenswerte Idee mit äußerst kurzer Haltbarkeit. Die Sendung wurde inzwischen schon wieder eingestellt.

Ansonsten bin ich mit der Entwicklung, die der Blog nimmt, sehr zufrieden. Jedes Jahr steigen die Zugriffszahlen, die Literaturauswahl ist ebenso subjektiv wie bunt gemischt, und immer wieder ergeben sich schöne Kooperationen.

Die Liste meiner meistgeklickten Beiträge hat mich dieses Jahr überrascht. Die mit Abstand am besten laufenden Besprechung ist eigentlich ein Verriss, nämlich Daniel Masons Der Wintersoldat. Von Monat zu Monat wird diese Besprechung zu meiner Überraschung mehr gelesen. Ansonsten waren noch echte Tops meine Umfrage unter Literaturmenschen zum besten Buch des Jahres sowie mein Beitrag über die mögliche Zukunft des Lesens und von Bibliotheken.

Was nicht funktioniert hat

Was dagegen offensichtlich niemanden interessiert hat, das waren meine Besprechungen zu Zinzi Clemmons Was verloren geht, Whitney Scharers Die Zeit des Lichts und Burkhard Spinnens Rückwind (alle nicht einmal 30 mal aufgerufen). Generell funktionieren Besprechungen deutlich schlechter als alles andere auf dem Blog. Für mich natürlich kein Grund, damit nicht weiter zu machen.

Was ebenfalls kaum geht, ist das Kommentieren. Gesammelt auf dem Blog waren es nicht einmal drei Kommentare, die meine Beiträge hier hervorgerufen haben. Dennoch gibt es immer mal wieder schöne Rückmeldungen, die die Motivation dieses Literaturbloggers hochhalten.

Doch genug der Worte – jetzt gilt es. welche Bücher haben mich dieses Jahr begeistert? Welche werden auch künftige Regalrevisionen überstehen (es wäre ja utopisch zu glauben, alle 200 dieses Jahr gelesenen Bücher seien literarische Perlen gewesen)? Welche Bücher sind die besten des Jahres?

Meine besten zehn Bücher des Jahres

Wollte man alles auf eine Top 10 eindampfen, dann wären auf alle Fälle diese Bücher in meiner Liste vertreten:

Alle diese zehn Titel wurden auf dem Blog besprochen und finden sich unter folgenden Links: Obige Reihe: Emanuel Maeß Gelenke des Lichts (erschienen bei Wallstein). Valeria LuiselliArchiv der verlorenen Kinder (übersetzt von Brigitte Jakobeit, erschienen bei Kunstmann). Petina GappahAus der Dunkelheit strahlendes Licht (übersetzt von Anette Grube, erschienen bei S. Fischer). Ruth LillegravenSichel (übersetzt von Klaus Anders, erschienen bei Edition Rugerup). A. G. LombardoGraffiti Palast (übersetzt von Jan Schönherr, erschienen bei Kunstmann).

Untere Reihe. Nora BossongSchutzzone (erschienen bei Suhrkamp). Davide EniaSchiffbruch vor Lampedusa (übersetzt von Susanne Van Volxem und Olaf Matthias Roth, erschienen bei Wallstein). Ulrike DraesnerKanalschwimmer (erschienen bei mare). Norbert ScheuerWinterbienen (erschienen bei C.H. Beck). Jean-Baptiste del AmoTierreich (übersetzt von Karin Uttendörfer, erschienen bei Matthes&Seitz)


Das war mein Literaturblogjahr 2019. Was waren eure Bücher des Jahres? Welche Ereignisse haben euch begeistert oder verärgert (Handkedebatte etc.)? Ich bin auf eure Meinungen gespannt!

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