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Richard Russo – Mohawk

Der Vermesser der amerikanischen Kleinstadt ist zurück. Wer aber glaubt, dass Mohawk ein neuer Roman aus der Feder Richard Russos ist, der sieht sich schnell getäuscht. Denn der Dumont-Verlag kümmert sich weiter um die Backlist des Amerikaners und veröffentlicht nach Mittelalte Männer aus dem Jahr 1997 nun erstmals den Debütroman Russos in der deutschen Übersetzung von Monika Köpfer. Ein Werk, dass seinen Charakter eines Debüts nicht ganz verhehlen kann.


So erschien Mohawk ursprünglich 1986, bevor es nun knappe 40 Jahre später erstmals auf Deutsch übersetzt vorliegt. Das evoziert natürlich vor allem eine Frage – hat es eine Berechtigung, dass das Buch nun nachgeschoben veröffentlicht wird oder hätte man lieber auf einen neuen Titel Russos gewartet?

Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, schlagen hier zwei Herzen in meiner Brust. So zählt Russo zu einem meiner persönlich favorisierten Autoren, was die Kunst des Kleinstadtromans und der warmherzigen Schilderung ganz durchschnittlicher und fehlbarer Charaktere betrifft. Großartig sein Blick etwa auf den (Anti)Helden Donald „Sully“ Sullivan, der in den Romanen Ein grundzufriedener Mann und Ein Mann der Tat auftreten lässt. Kaputtgearbeitet, mit einem großen Talent für Fettnäpfchen und Bauernschläue ist er eine Figur, die man in Abwandlung im Kosmos Richard Russos immer wieder antrifft.

Es sind Menschen, die wissen, dass Glanz und Glamour für sie nicht vorgesehen ist, die gerade in ihrer Alltäglichkeit so besonders sind. Darin besteht in meinen Augen die Kunst des Menschenzeichners Russo, der solche Figuren unnachahmlich nachvollziehbar und plastisch zeichnet.

Die erzählerische Entwicklung Richard Russos

Wie hat sich dieses Talent entwickelt – und wie hat Russo zu seiner Erzählform gefunden? Das lässt sich nun dank des nachgereichten Debüt ganz genau betrachten. Denn der erzählerische Fortschritt, den der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Autor innerhalb von fast vier Dekaden gemacht hat, wird dank dieser Erstübersetzung nun transparent.

Richard Russo - Mohawk (Cover)

Was dabei als Erstes auffällt, ist die Tatsache, dass Russo schon bei seinem Debüt – das laut John Irving zu gut für ein Debüt sei, so der Blurb auf dem Klappentext – eine Erzählform wählt, auf die er auch in den späteren Romanen immer wieder zurückgreifen wird. Es ist die Form des amerikanischen Kleinstadtromans. Ähnlich wie Kent Haruf oder später auch Joel Dicker erschafft Richard Russo in seinen Romanen immer wieder ein kleines, durchschnittliches Städtchen, das man als jeweiliges Amerika en miniature lesen könnte.

Mögen die Kleinstädte auch mal den Namen North Bath oder Empire Falls tragen – im Kern sind sie alle gleich. Es sind stets nordamerikanische Kleinstädte, in denen die Bewohner*innen vor sich hinleben und mal größere und mal kleinere Einsichten erfahren. Im Großen und Ganzen sind es aber Städte, die für eine beständige Ordnung stehen, obgleich diese Städte auch meist im Niedergang inbegriffen sind.

Bei Mohawk ist das nicht anders, das sich hier als Prototyp all jener Erzählkulissen entpuppt, die in den kommenden Büchern folgen sollten.

Eine Russo-typische Kleinstadt namens Mohawk

Das an der Ostküste in der Nähe von New York angesiedelte Städtchen hat schon einmal bessere Zeiten gesehen. Die ansässige Lederindustrie befindet sich im Niedergang. Das Einzige, für das die Industrie noch zuverlässig sorgt, sind die chemischen Rückstände der Gerbereien, die den Fluss verunreinigen. Das Einzige, das noch zuverlässig funktioniert, ist die schaukelnde Ampel, die auch in der Nacht auf den menschenleeren Straßen zuverlässig den Takt vorgibt.

Zentrum des Kaffs ist das Diner Mohawk Grill, das von Harry betrieben wird und in dem Glücksspieler und hungrige Stadtbewohner zusammenkommen. Darum herum gruppiert Russo die Familien Grouse und Wood, die durch die Verwandtschaft der beiden Großmütter und das Schicksal der pflegenden Cousinen miteinander verbunden sind. Ein Officer, ein stadtbekannter Sonderling, im zweiten Teil des Buchs dann auch die jüngere Generation, die ihren Auftritt hat. Viel mehr an Personal benötigt Richard Russo nicht, um die kleineren und größeren Dramen des Lebens zu schildern.

Nicht verwirklichte Liebe, Fehden zwischen Jugendlichen und unterschiedlichen Familien, Antriebslosigkeit, dazu auch Themen wie der Tod und die Chancenlosigkeit, der eigenen Herkunft zu entkommen. Das sind Themen, die Russo in Mohawk anschneidet, aber nicht wirklich tiefergehend behandelt. Das Leben ist hier ein langer, ruhiger Fluss, der von ein paar unvorhergesehenen Schnellen doch eben recht unberührt vor sich hinfließt. Zeithistorische Wegmarken wie der Vietnamkrieg und die damit verbundenen Einberufungen spielen hier zwar im zweiten Teil eine Nebenrolle, insgesamt ist es aber doch eher das private Drama denn die Weltgeschichte, die Richard Russo schon in seinem Debüt vorrangig interessieren.

Seine Kleinstadtdramen und das Erzählen des Durchschnittlichen über eine hohe Lauflänge ist schon in Mohawk auffallend und zeigt, dass Russo dieses narrative Konzept verbunden mit dem Handlungskosmos der Kleinstadt schon ab Buch eins verfolgt und im Folgenden dann verfeinert und verbessert hat. Wobei die Verbesserung in den weiteren Titeln mit einer deutlichen Ausdehnung des Umfangs seiner Bücher einherging. Mit knapp 500 Seiten ist dieses Buch an der unteren Grenze in Sachen Seitenzahl angesiedelt. Spätere Werke sollten diese Marke locker mit bis zu fast 300 Seiten mehr überschreiten.

Noch nicht die Klasse späterer Werke

Warum aber konnten mich spätere Werke Russos eher überzeugen? Hier kommt nun das zweite Herz ins Spiel, das diesbezüglich in meiner Brust schlägt.

In meinen Augen ist die Figurenführung hier noch nicht so stark, wie man es eigentlich von Russo gewohnt ist. Und auch sein erzählerischer Kosmos ist hier noch nicht so ausbalanciert, wie es Russo in Büchern wie Ein Mann der Tat oder Diese gottverdammten Träume gelungen ist. So fehlt den meisten Figuren hier noch etwas an Tiefe und Profil, das sie zu starken Figuren machen würde, die die Geschichte über die Länge tragen. Alles ist hier noch nicht so scharfgestellt, wie man es eigentlich von Russo kennt. Auch die Komik ist noch zaghafter eingesetzt, als man es eigentlich von ihm gewohnt ist.

Zwischen alten Familienfehden, einem haltlosen Officer, dem Geheimnis hinter dem Sonderling, den Motivationen seiner Figuren, plötzlichen Todesfällen und den Sprüngen zwischen erzählter Gegenwart und Rückblenden verliert Richard Russo bisweilen etwas die Orientierung, sodass das Buch nicht immer wirklich stringent wirkt.

Der Eindruck, der sich bei mir nach nun sechs gelesenen Romanen einstellte, war der Eindruck der Übersättigung, da Themen und Setting doch über die Bücher hinweg wenig Entwicklung erkennen lassen. Natürlich ist diese Kritik ein Stück weit unstatthaft, trifft dieser Vorwurf hier eigentlich das falsche Buch, das es ja eigentlich am Anfang von Russos Erzählkarriere steht und nur hierzulande aufgrund der deutschen Publikationspolitik erst nach all den anderen Werken erschien.

Fazit

Und doch ist Mohawk auch in chronologisch sortierten Überblick eines der schwächeren Werke, das zeigt, dass Russo über die Jahre erst zu der bestechenden Form in Sachen Figurenführung und Erzählansatz finden musste, die seine letzten Werken auszeichneten.

Will man die Entwicklung Russos nachvollziehen, ist das Buch natürlich großartig, lassen sich Motive, Themen und narrative Strategien von Beginn dieses Erzähldebüts aus wunderbar analysieren und miteinander in Vergleich setzen. Für alle, die aber einfach Unterhaltung suchen und sich (wieder einmal) in den Kleinstadtkosmos von Richard Russo versenken möchte, wären die schon erwähnten Romane Ein grundzufriedener Mann, Ein Mann der Tat oder auch das ebenfalls nachgereichte Werk Mittelalte Männer über einen Universitätsprofessor in meinen Augen nach wie vor die erste Wahl.

Beileibe kein schlechtes Buch – und im Vergleich mit Versuchen aus deutscher Feder immer noch eine Klasse für sich. Aber Russos Formkurve zeigte mit der fortschrittlichen Schriftstellerkarriere nach oben – das beweist das Debüt Mohawk dann leider doch.


  • Richard Russo – Mohawk
  • Aus dem Englischen von Monika Köpfer
  • ISBN 978-3-8321-8228-1 (Dumont)
  • 496 Seiten. Preis: 26,00 €
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Eduardo Lago – Brooklyn soll mein Name sein

Fahrgeschäfte auf Coney Island, der Suizid von Mark Rothko, ein Seemann im Bann einer Femme fatale, die Geschichte des legendären Chelsea-Hotels, Brigadisten, die ein fremdes Kind aufziehen, eine Liebesgeschichte mit Spionagecharakter. Was sich wie eine Ideensammlung für Kurzgeschichten oder Teile eines Sachbuchs anhört, sind in Wahrheit nur ein paar wenige Puzzleteilchen, aus denen Eduardo Lago sein Gesamtkunstwerk namens Brooklyn soll mein Name sein zusammensetzt. Ein wild assoziative Lektüreerfahrung, die durch den steten New York-Bezug zusammengehalten wird.


Die letzte Ruhestätte! Soll ich dir die letzte Ruhestätte zeigen, Ness?

Ich verstand nicht, Ohne meine Reaktion abzuwarten, hast du eine Leiter geholt und mich gedrängt:

Geh rauf!

Du hast darauf bestanden, dass ich die Türen zur letzten Ruhestätte öffnete, und in dem Augenblick, da ich es tat, kamen sie mir vor wie zwei Grabtafeln.

Schau genau hin! Siehst du, was da ist? Vor ein paar Monaten, als ich gerade dabei war, ein Manuskript herauszusuchen, fühlte ich mich plötzlich wie ein Totengräber, der dabei ist, ein Grab zu öffnen, um die Überreste umzubetten. Genau da habe ich sie so getauft. Schau mal rein, schau rein, dann wirst du es selbst sehen!

Eduardo Lago – Brooklyn soll mein Name sein, S. 23 f.

Die letzte Ruhestätte, so nennt Gal Ackerman den Manuskriptfriedhof, in dem er all die Schreibentwürfe aufbewahrt, die ihm durch Freunde und Fremde in die Hände geraten sind. Dort oben im Schrank verstauben und verblassen diese Buchfragmente – und niemand wird sie je lesen.

Das unvollendete Romanprojekt Brooklyn

Dieses Schicksal könnte auch Gal Ackerman selbst beschieden sein, der zeitlebens an verschiedenen Entwürfen und literarischen Skizzen arbeitete, diese aber doch nie zu einem Roman fügen konnte. Und nun ist er tot und mit ihm die Chance, sein Werk namens Brooklyn jemals zu lesen. Doch damit will sich Ackermans Bekannter Néstor Oliver Chapman nicht begnügen.

Er beschließt, die Papiere seines Freundes zu sichten, um das Brooklyn-Dokument doch noch zu einem Ende zu bringen. Immer tiefer gräbt er sich in die Schriften und damit die Seele von Gal Ackerman ein – und stößt auf die Spuren einer großen Liebe zu einer Frau. Und einer großen Liebe zu New York und insbesondere Brooklyn, die Ackerman vor allem in Form der Bar Oakland immer Heimstatt war.

Am Abschluss seiner Geschichten stand stets ein feierlicher Sinnspruch. Hier ist mein Lieblingsspruch: „Nun, jeder Bezirk hat seine eigene Welt, und Brooklyn ist ihr Universum.“

Eduardo Lago – Brooklyn soll mein Name sein, S. 230 f.

So formulierte es Ackermans Großvater David Ackerman, der in einer Kolumne für den Brooklyn Eagle die Faszination und Besonderheiten Brooklyns erfasste und beschrieb. Und auch Eduardo Lago versucht das in seinem Buch – schafft dabei aber ein komplexes und bisweilen kompliziertes Universum aus Figuren, Orten und Schicksalen, die allesamt mit Gal Ackerman und Néstor Chapman verwoben sind.

Ein Buch wie ein Manuskripteberg

Eduardo Lago - Brooklyn soll mein Name sein (Cover)

So beginnt alles mit dem Tod von Gal Ackerman und dessen Begräbnis am Fenners Point, einem fiktiven Friedhof an der Ostküste. Von dort aus steigt Ackerman tief hinab in die Manuskripte Gals, richtet sich in seiner Ansprache an den toten Freund, um dann zu Ackerman als Erzähler zu wechseln. So erzählt uns Lago dann von der besonderen Liebe zu Nadja Orlov, die Ackerman zunächst beschattete und beschatten ließ, ehe sich ihre Liebesgeschichte entspann. Seine Herkunft, die in den spanischen Befreiungskampf zurückführte, das Schicksal eines alten Seemanns, der schon mehr oder minder zum Inventar der Bar Oakland zählt, all das ist nur der Anfang.

So gibt es Hefte, in denen Kriminalfälle erzählt werden, literarische Entwürfe zum Suizid von Mark Rothko, Erinnerungen an die Kolumnen und Ausflüge mit Gals Großvater David durch das Universum von Brooklyn. Man fühlt sich so manches Mal, als wühle man sich persönlich durch Gal Ackermans Manuskript-Ruhestätte und verliere sich ein einem Irrgarten aus Ebenen, Bezügen und Geschichten.

Die Entscheidung, bei der wörtlichen Rede die Anführungszeichen wegzulassen, immer wieder mithilfe von Briefen und Tagebucheinträgen den Erzählfluss zu brechen und und sowohl in Erzählformen als auch in Handlungssträngen wild hin und herzuhüpfen macht die Sache dabei nicht einfacher.

Kurzum: es braucht viel Durchhaltevermögen und leserische Orientierung, um hier nicht Schiffbruch zu erleiden. Auch ich stand so manches Mal knapp vor einem Lektüreabbruch, wenn mir die Übersicht über den aktuellen Erzähler oder den Kontext der aktuellen Episode so gar nicht gelingen wollte. Doch am Ende rundet sich tatsächlich Vieles. Ein Zeitstrang neben einem Dramatis Personae erleichtert die Orientierung und die Übersicht über die Handlung (was mir bei der Einordnung des soeben Gelesenen dann doch noch einmal sehr hilfreich war).

Fazit

Brooklyn soll mein Name sein ist ein mehr als verschachteltes und herausforderndes Leseerlebnis, das dem Lesenden einiges abverlangt. Am Ende wird man aber mit einer komplexen Geschichte belohnt, die tatsächlich eine erneute Lektüre reizvoll macht, wie es auch die Pressestimme der Le Monde auf dem Buchrücken preist. Besonders für anspruchsvolle Lektüreliebhaber*innen mit Schwäche für Metaebenen und New York ist Eduardo Lagos Buch ein trickreiches Leseerlebnis, das am Ende für die Mühen tatsächlich doch noch belohnt und dessen Erzähllabyrinth doch einem Plan folgte, wie man in der Rückschau feststellen wird.

Schön, dass sich der Kröner-Verlag 16 Jahre nach dem ursprünglichen Erscheinen dran gemacht hat, in der Übersetzung von Guillermo Aparicio und unter Mitwirkung von Carlos Singer dieses Buch uns deutschen Leser*innen auch in Lagos verwinkeltes Brooklyn zu locken!


  • Eduardo Lago – Brooklyn soll mein Name sein
  • Aus dem Spanischen von Guillermo Aparicio. In Zusammenarbeit von Carlos Singer
  • ISBN 978-3-520-62401-7 (Kröner)
  • 464 Seiten. Preis: 25,00 €
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Anthony Doerr – Wolkenkuckucksland

Bei manchen Büchern grübelt man auch noch nach der Lektüre: war das Buch jetzt gut oder hat es wenig überzeugt? Warum hat das nicht funktioniert und man keinen Zugang zum Buch gefunden? Sind die eigenen Kriterien falsch, weil der eigene Leseeindruck so gar nicht zum Rest der öffentlichen Wahrnehmung eines Titels passen will? Viele Fragen für Bücher, die es einem manchmal ganz schön schwer machen. Und dann kommt da ein Buch wie Anthony Doerrs neuer Roman Wolkenkuckucksland daher, der es einem dann so leicht macht: ein großartiger Schmöker von Anfang bis Ende, clever konstruiert und mitreißend erzählt. So leicht kann das Leserurteil dann auch manchmal ausfallen.

Tatsächlich wählt Doerr eine komplexe Erzählweise, die an David Mitchells modernen Klassiker Der Wolkenatlas erinnert. Drei ganz unterschiedliche Erzählungen in verschiedenen Zeiten und verschiedenen Milieus, die doch allesamt miteinander verbunden sind. Das Bindeglied ist hier das fiktive Epos vom Wolkenkuckucksland, das einst der Poet Antonio Diogenes ersann. Es handelt von Aethon und dessen Abenteuer, die er in einem fantastischen Reich erlebt. So wird jener Aethon in einen Esel verwandelt, gepiesackt und darf das an das himmlische Jerusalem gemahnende Wolkenkuckucksland schauen. Eine Odyssee-Variation, die Geschichte untrennbar mit den drei Handlungssträngen verbunden ist. Jedem neuen Kapitel ist ein kleiner Auszug aus Diogenes‘ Epos vorangestellt, das so im Lauf des Buchs die vierte Erzählung ergibt.

Schicksale quer durch Raum und Zeit

Anthony Doerr - Wolkenkuckucksland (Cover)

Die drei Hauptstränge bestehen aus einer im Mittelalter, einer in der Gegenwart und einer in der Zukunft angesiedelten Erzählung. Die im Mittelalter spielende Geschichte erinnert von ihrer ganzen Konstruktionsweise an Doerrs Megaseller Alles Licht, das wir nicht sehen. Abermals bewegen sich die Schicksale zweier junger Menschen unablässig aufeinander zu, diesmal ist es eine junge Weberin in der Stadt Konstantinopel sowie der durch eine Scharte entstellte Ochsenhirte Omeir aus den Rhodopen. Im Zuge der Belagerung Konstantinopels 1453 verbinden sich die Schicksale der beiden jungen Menschen miteinander.

Daneben gibt es einen in der Gegenwart angesiedelten Erzählstrang, der in der Bibliothek des kleinen Städtchens Lakeport spielt. Während eine Gruppe von Schulkindern unter der Leitung von Zeno Ninis für die Aufführung von Wolkenkuckucksland probt, droht ein jugendlicher Attentäter die gesamte Stadtbücherei in die Luft zu sprengen. Das Schicksal dieses jungen Mannes sowie das von Zeno Ninis sind Themen in diesem Strang, der bis in die Zeit des Koreakriegs der 50er zurückreicht.

Und dann gibt es noch die Geschichte von Konstance, die sich an Bord der Argos befindet. Dieses Raumschiff ist unterwegs zu einem Exoplaneten, auf dem es noch Hoffnung für die Menschheit gibt, die die Erde aufgebraucht und zerstört hat. Bei ihrer Reise spendet Konstance die Erzählung ihres Vaters Trost, der von einem ebenso rätselhaften wie faszinierenden Reich namens Wolkenkuckucksland erzählt.

Alles ist miteinander verbunden

Obwohl sie zunächst sehr unverbunden erscheinen, fügen sich die drei Erzählungen Stück für Stück in den Gesamtkontext des Buchs ein. Doerr gelingt dabei das Kunststück, die Zusammenhänge klar und nachvollziehbar zu enthüllen. Genauso gelingt es ihm aber auch, alle unterschiedlichen Milieus und Erzählungen glaubhaft auszugestalten, von der antiken griechischen Komödie in all ihren Partikeln bis hin zur Science-Fiction-Erzählung im Raumschiff, in dem Konstance die meiste Zeit der Handlung völlig allein ist. Zu keinem Zeitpunkt kommt in diesem über 530 Seiten starken Buch ein Gefühl von Langeweile auf. Doerr springt von Cliffhanger zu Cliffhanger, vom unter Beschuss stehenden Konstantinopel bis hin zu jenem 20. Februar 2020, an dem die Bibliothek von Lakeport in die Luft gesprengt zu werden droht.

Doerr beherrscht sein Erzählhandwerk traumhaft sicher. Egal ob historischer Roman oder Echtzeit-Thriller in der amerikanischen Kleinstadt – alle Figuren und Orte werden von ihm glaubhaft ausgestaltet und erhalten ein unverwechselbares Profil. Dieser Roman stellt die herausragende Rolle Anthony Doerrs in der amerikanischen Gegenwartsliteratur einmal mehr unter Beweis und zeigt, wie kreatives und überbordendes Erzählen gelingen kann.

Fazit

Großartig erzählt und komponiert ist Wolkenkuckucksland einer der großen Schmöker dieses Bücherherbstes. Von den bulgarischen Rhodopen bis an Bord eines Raumschiffs – Anthony Doerr fühlt sich in seine Milieus gekonnt ein und erschafft so einen clever komponierten und wunderbar unterhaltsamen Roman – der ausnehmend schön gestaltet ist und einmal mehr von Werner Löcher-Lawrence ins Deutsche übertragen wurde.

Und nicht zuletzt ist es auch das Vorwort dieses Romans, das mich ungemein für Wolkenkuckucksland einnimmt:

„Für alle Bibliothekare, damals, heute und in den Jahren, die da kommen werden“

Anthony Doerr – Wolkenkuckucksland, Vorwort

  • Anthony Doerr – Wolkenkuckucksland
  • Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence
  • ISBN 978-3-406-77431-7 (C. H. Beck)
  • 532 Seiten. Preis: 25,00 €
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Maaza Mengiste – Der Schattenkönig

Er kann sich aber nicht vorstellen, was die Italiener den Menschen antun, seinem Volk, seinen Untertanen, den Kindern einer Generation, die geboren wurden, um sein Land aufzubauen. Bald werden die Kaiserin, seine Kinder und seine Berater sich um dieses Radio versammeln, sich zu den Nachrichten neigen und ihnen lauschen, als könnten sie jedes knisternde Detail mit dem Körper aufnehmen. Er hingegen, der Kaiser, Jan Hoy, Haile Selassie, Terefi Mekonnen, hat nur den Wunsch, aufzustehen und einen anderen Raum zu betreten, um den Ozean zu überqueren, in seinen Hafen einzulaufen und sich in das Hochland zu schleichen, um seinem Volk zu verkünden, dass er für den Kampf heimgekehrt ist. Stattdessen ist er hier, wo es keine Sonne gibt, wo alles, was atmet, im Schatten überlebt.

Maaza Mengiste – Der Schattenkönig, S. 363

Ein hierzulande reichlich unbekanntes Kapitel äthiopisch-italienischer Geschichte bringt die 1971 in Addis Abeba geborene Autorin Maaza Mengiste aufs Tapet. Sie schildert in Der Schattenkönig den Abessinienkrieg 1935 und den Kampf der Äthiopier*innen gegen die Besatzer. Fordernde Lektüre.


Verfolgt man nicht gerade ganz genau die aktuelle Nachrichtenlage oder liest beste italienische Literatur, dann kommt einem das Thema Äthiopien und das des Abessinienkriegs heute nicht mehr häufig unter. Das Bestreben Benito Mussolinis nach Expansion, die Überrumpelung des Gegners und der Einsatz von Massenvernichtungswaffen sind hier in Deutschland ein Kapitel, das wir auch eingedenk der eigenen Geschichte, nicht wirklich präsent haben. Maaza Mengiste holt dieses Kapitel mit voller Wucht wieder hervor und macht den Krieg und das damit verbundene Leid wieder erfahrbar.

Hirut und Ettore

Hierzu stellt sie zwei Figuren in den Mittelpunkt: Hirut, die im Haus von Aster und deren Mann Kidane als eine Art Leibeigene lebt. Und später wird dann noch Ettore Navarra in den Fokus rücken. Er ist ein venezianischer Soldat, der unter seinem Befehlshaber Fucelli das Land Hiruts besetzt.

Maaza Mengiste - Der Schattenkönig (Cover)

Doch zunächst lernen wir Hirut kennen, der einzig ein wuijgara von ihren Eltern geblieben ist. Dieses Gewehr soll sie nur in höchster Not abfeuern, so brachte es ihr Vater bei. Doch nun behält es Kidane ein. Er ist der Abkömmling großer Krieger und sieht sich in der Verantwortung, nach der Besatzung seines Landes durch die faschistischen Italiener Gegenwehr zu leisten. Er schart eine Gruppe lokaler Bauern um sich, um den Truppen Mussolinis (oder Mussolonis, wie er in Äthiopien geheißen wird) Paroli zu bieten. Seine Frau Aster und Hirut werden trotz eines mehr als komplizierten Verhältnisses zueinander zu Unterstützerinnen in diesem Kampf.

Derweil ficht Ettore seinen ganz eigenen Kampf aus. Er hadert ebenfalls mit seiner Herkunft, auch sein Verhältnis zu seinen Eltern ist nicht einfach. Diese Herkunft erweist sich zudem als Gefahr für ihn, da er, wenngleich nicht praktizierend, Jude qua Abstammung, ist. Und Mussolini treibt die antisemitischen Säuberungen im Militär voran, sodass Navarra permanent unter Beobachtung steht. Für seinen brutalen Vorgesetzten Fucelli dokumentiert er derweil mit der Kamera den Eroberungsfeldzug und die unglaublichen Gräuel, die die Schwarzhemden vor Ort verursachen.

Die Herkunft beziehungsweise die Aufgabe der beiden Charaktere formen auch über die beiden Erzählstränge hinweg die Struktur des Buchs. Denn immer wieder unterbrechen Fotobeschreibungen und Chor-Einschübe die Handlung und rhythmisieren so das Ganze. Und zu guter Letzt flicht Maaza Mengiste auch immer wieder Passagen ein, in denen sie sich in den Kaiser Haile Selassie einfühlt, wie etwa im Eingangszitat. Der Herrscher, der ins Exil nach England flieht und mit seinen eigenen Entscheidungen hadert, bildet so etwas wie die dritte Hauptfigur.

Die Grausamkeiten des Abessinienkriegs

Durch diese drei Figuren entsteht ein Panorama des Abessinienkriegs, das von Leid, Unterdrückung und unfassbarer Gewalt erzählt. So schildert Mengiste plastisch den Tod, den Mussolinis Schwarzhemden über die Menschen bringen. Sie setzten Gas gegen die lokale Bevölkerung ein. Navarras Vorgesetzter Fucelli errichtet im Hochland ein Lager, in das er Gefangene interniert und hundertfach in den Tod schickt. Während Ettore Navarra mit der Kamera das Geschehen dokumentiert, lässt Fucelli die Äthiopier über Klippen in der Nähe des Lagers in den Tod springen.

Hier wird der Krieg mit seiner ganzen Härte erfahrbar. Aber auch Hiruts Kampf und Verzweiflung zeichnet Maaza Mengiste plastisch nach. Zusammen mit Aster wird sie zur Leibgarde des Schattenkönigs, einer Finte ihres Mannes Kidane. Dieser macht einen Musiker zum Wiedergänger des geflohenen Präsidenten, der langsam in seine Rolle als Schattenkönig hineinfindet und die Äthiopier zum Durchhalten motiviert und unter den Italienern für Ablenkung sorgt.

So zoomt die Autorin auf die persönlichen Erfahrungen und stellt den Kampf in seiner ganzen Unmittelbarkeit dar. In dieser erzählerischen Mikroebene bleibt Maaza Mengiste ganz eng an ihren Figuren, Empfindungen, Gedanken und Reflexionen überwiegen. Persönlich hätte ich mir angesichts des hochspannenden und komplexen Themas noch etwas mehr Makroebene gegenüber der dominierenden Introspektive gewünscht. Der geschichtliche Rahmen, der politische Überblick und die Einordnung des Ganzen bleiben hinter dem subjektiven Blick zurück und fehlten mir persönlich. Viele Informationen zum Geschehen musste ich mir über Sekundärliteratur verschaffen.

Auch wäre mir eine etwas stärkere erzählerische Ausbalancierung zwischen den Figuren zupassgekommen. So bleibt Ettore zunächst blass und kaum greifbar, während Hirut stark im Vordergrund steht. Eine besser getaktete Engführung zwischen diesen beiden Figuren hätte mir persönlich gefallen.

Wie sie aber von ihnen erzählt, für Hirut, Ettore und Selassie eine eigene Sprache findet, das beeindruckt doch und rechtfertigt auch die Berufung in die finale Auswahl des Booker Prizes 2020. Zudem kommt hier mit Hirut eine Figur zu Wort, die in den herkömmlichen Chroniken sicher vergessen worden wäre. Sie steht symbolisch für den Krieg aus weiblicher Perspektive. Ihre Erfahrungen, ihr Kampf mit eigenen Mitteln und ihre Verarbeitung des Kriegs stehen als Sinnbild für viele tausende andere Abessinier*innen, die sonst nicht einmal als Fußnote in der Geschichtsschreibung auftauchen.

Fazit

In Der Schattenkönig beschwört Maaza Mengiste ein hierzulande wenig bekanntes Kapitel italienisch-äthiopischer Geschichte herauf. Das Buch nur als Schilderung des Abessinienkriegs aus einer sonst eher marginalisierten Perspektive auszugeben, würde Mengistes Buch allerdings Unrecht tun. Die Erfahrungen, die der Krieg bedeutete, das unmittelbare Leid und der parallele Blick auf Unterdrücker und Unterdrückte machen aus diesem Buch eine eindringliche Lektüre, die zu weitergehenden Beschäftigung mit dieser Materie einlädt. Übersetzt von Patricia Klobusiczky und Brigitte Jakobeit.


  • Maaza Mengiste – Der Schattenkönig
  • Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit und Patricia Klobusiczky
  • ISBN 978-3-423-28292-5 (dtv Literatur)
  • 576 Seiten. Preis: 25,00 €
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Johannes Schweikle – Grobe Nähte

Wenn der Buchtitel zum erzählerischen Konzept wird: Johannes Schweikle über München im Sommer 2015. Und über die Risse, die Gesellschaftsschichten und Milieus durchziehen.

Es ist ein warmer Tag im Sommer 2015, an dem ein Mann durch die Innenstadt Münchens radelt. Auf seinem Rücken ein Sousaphon, sein Ziel ein Auftritt mit seiner HipHop-Band am Flaucher. Derweil machen sich auch Eva Moser, ihre Kinder und ihr Mann auf den Weg zur Isar. Jugendstilwohnung und Cargobike, es fehlt sich an nichts. Eine Familie wie aus dem Manufactum-Katalog. Und dann ist da noch Victor Akbunike, auf dem im Fußballstadion alle Hoffnungen ruhen. Sein Transfer wurde zum Glücksfall für den FC Bavaria München, auf seine Tore zählen Trainer und Fans – und Victor liefert.

Menschen in München im Sommer 2015

So führt Johannes Schweikle seine Figuren in Grobe Nähte ein. Ein Musiker, der die Richtigkeit des Allgemeinplatzes der Musik als recht brotlose Kunst unter Beweis stellt. Eine Mutter, die die richtige Auswahl des Kindergartens und der dort offerierten Speisen vor Grundsatzentscheidungen stellt. Ihr Ehemann, der als leitender Kopf aus seinem Büro über den Dächern Münchens heraus für analytische Schärfe bei der einflussreichsten Zeitung sorgt Bayerns. Und ein Stürmer aus Afrika, aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, der im Trikot des FC Bavaria München zur deutschen Antwort auf Cristiano Ronaldo avanciert. Sie sind die Figuren, die im Mittelpunkt von Schweikles Roman stehen. Verbindendes Element sind die Ereignisse, die im Sommer 2015 ihren Anfang nahmen und bis heute die Gesellschaft beschäftigen.

Johannes Schweikle - Grobe Nähte (Cover)

Die Rede ist von jenem Sommer, in dem Flüchtlingsströme per Bahn von Ungarn aus nach Deutschland einsetzten. Jener Sommer, in dem durch das Verhalten der Münchner*innen und anderswo der Begriff der „Willkommenskultur“ entstand. Klatschende Menschen in der Bahnhofshalle von München, Offenheit und Hilfsbereitschaft prägten jene Stimmung, die dann spätestens nach den Ereignissen der Silversternacht von Köln kippte. Besonders Korbinian Moser und der Musiker Benedikt erleben die Veränderung am eigenen Leib. Korbinias intellektuell-liberale Haltung stellen die Entwicklungen genauso auf eine Probe wie die von Benedikt. Dieser merkt, dass seine Ansichten plötzlich alles andere als kompatibel zu denen seiner Freundin geworden sind.

Die Ankunft der Geflüchteten, sie veränderte München und sie veränderte die Menschen. Das zeichnet Johannes Schweikle auf interessante Art und Weise nach. Brüche und Grobe Nähte lassen sich überall in diesem Buch entdecken. Das beginnt bei den Straßenzüge, die reiche Stadtviertel ganz unvermindert von armen Quartieren trennen, setzt sich in der Patchworkfamilie von Eva und Korbinian Moser fort und endet bei auseinanderdriftenden Weltanschauungen, die Freundschaften erschweren.

Etwas disparat und unverbunden

Dieses Gefühl des Nebeneinanderstehens und Nicht-Mehr-Zusammenpassens setzt sich für mich leider auch in der Struktur und Erzählweise des Romans fort. Man kann das als gelungenen Kniff feiern, das Motiv bis in den Plot hineinzuziehen, mich hat es leider nicht wirklich überzeugt. Zu unverbunden und disparat sind für mich viele Teile und Erzählelemente des Buchs. So wechselt Schweikle beispielsweise die Erzählperspektive Benedikts, den er am Anfang und Ende des Buchs in der 3. Person beschreibt, um dann im Binnenteil des Buchs in die Ich-Perspektve zu schlüpfen. Schlüssig motiviert und gelöst hat sich dieser Kniff für mich nicht wirklich. Weiter geht es mit dem Gefühl, eine ganze Materialsammlung von Ideen oder essayistischen Ansatzpunkten zu lesen.

Von der ausführlichen Blattkritik eines Autors im Hause der Zeitung, die sich zur Grundbetrachtung der Rolle der Medien in der Krise auswächst, über den Berufswechsel einer jungen Frau von der Altenpflegerin zur SM-Sexarbeiterin bis zur Beschreibung eines Blechbläser-Adventskonzerts in der Kirche reicht die Fülle an Themen, die Schweikle verhandelt. All diese Ansätze sind nicht schlecht und lesen sich für sich alleine spannend – in ihrer Gesamtheit blitzen dann aber doch das ein ums andere Mal etwas zu deutlich die groben Nähte im Plot hervor. Bis auf einige wenige Berührungspunkte stehen die drei Geschichten um den Fußballstürmer, Sousaphonisten und den Zeitungsmacher recht unverbunden nebeneinander und haben für mich auch nicht alle eine gleichwertige Qualität.

Vielleicht wäre ich etwas gnädiger, wenn Schweikle nicht auch ein ums andere Mal etwas zu stark überzeichnet oder sich mit Allgemeinplätzen begnügte. Das Luxusleben eines Fußballers, der sich in einem Formtief mit Doping behilft oder die karikatureske Übermutter, die um die Frage von Gummibärchen ärger streitet als manche Partei bei Koalitionsverhandlungen. All das wirkte auf mich etwas too much.

Auch blieb für mich rätselhaft, warum Schweikle manches verfremdete, anderes wieder klar benannte. So spricht er von der CDU, allerdings von den Echten Patrioten anstelle der AfD. taz und Welt werden benannt, Korbinian Mosers Zeitung (für die auch Schweikle selbst einst schrieb) dabei nicht. Der FC Bayern, Uli Hoeness oder der insolvenzgeplagte Alfons Schuhbeck sind klar erkennbar, trotzdem bekommen sie Fantasienamen. Andere Figuren hingegen werden wieder mit Klarnamen bedacht. Benedikts Band gleicht der HipHop-Brassband Moop Mama bis ins letzte Details und gibt Liedtexte von dieser zum besten, dennoch heißt die Kapelle im Buch BrassXpress. Das mag zwar marginal sein, aber auch hier setzte sich für mich der Eindruck fort, dass hier nicht alles zusammenpasst.

Feinere Nähte wären wünschenswert

Auch läuft das Ende für mich etwas ins Leere, sodass ich von keinem wirklich runden und vollumfänglich überzeugenden Leseerlebnis sprechen kann. Das ist schade, denn Schweikles Buch hat wirklich Potenzial. Sozialanalytischer Schärfe blitzt auf, die große Bögen sind angedeutet und Schweikle verfügt über profunde Kenntnisse Münchens. Darüber hinaus hat der Autor hat ein wirkliches Talent zum Erzählen und könnte mit ein bisschen mehr Überarbeitung und klareren Ideen in die Sphären von Gesellschaftsanalyst*innen wie Juli Zeh, Francesca Melandri oder Karine Tuil vorstoßen. Es wäre ein wirklich großer München-Roman geworden, hätte dieses Buch doch nur etwas feinere Nähte.


  • Johannes Schweikle – Grobe Nähte
  • ISBN 978-3-520-75401-1 (Edition Klöpfer)
  • 240 Seiten. Preis: 22,00 €

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