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Gabrielle Zevin – Morgen, morgen und wieder morgen

Vor vier Jahren sorgte die Nachricht der damals frischberufenen Leiterin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar für Aufsehen, als diese verkündete, man wolle künftig auch Computerspiele sammeln und bewahren. Eine überfällige Entscheidung, wie es die SZ nannte, sind Computerspiele doch längst Kulturgut, die in unserer Gegenwart eine größere Breitenwirkung entfalten als so manches Buch. Dass nicht nur die Computerspiele selbst Geschichten zu erzählen haben, sondern auch die dahinterstehenden Entwickler*innen, das zeigt Gabrielle Zevin in ihrem neuen Roman Morgen, morgen und wieder morgen. Dieser erzählt von der Entstehung eines Spieleentwicklerstudios und den kreativen Köpfen dahinter, deren Verhältnis sich sehr komplex gestaltet.


Alles beginnt mit einem ikonischen Videospiel, nämlich Super Mario Brothers. Dieses Spiel zockt der junge Sam Masur in einem Krankenhaus in Los Angeles, als er dort auf Sadie Green trifft, deren Schwester dort ebenfalls im Krankenhaus zur Behandlung ist. Beide Kinder freunden sich über das Videospiel an, da sich Sam als Virtuose an den Controllern erweist. Ihm gelingt es, seine Super Mario-Figur auf der Spitze der Fahnenstange landen zu lassen. Ein Trick, den Sadie bislang noch nirgends beobachtet hat – und der zum Ausgangspunkt der Beziehung der beiden wird.

Sam befindet sich aufgrund eines schweren Autounfalls im Krankenhaus. In den Hügeln Hollywoods kam es zu diesem Unglück, bei dem seine Mutter starb und Sam eine schwere Verletzung am Fuß davontrug. Verletzungen, die ihn zeit seines Lebens zeichnen und belasten werden.

Pflegerinnen und Ärzte fanden bislang kaum Zugang zu ihm – doch im gemeinsamen Spiel mit Sadie kann sich Sam öffnen. Und auch Sadie profitiert, bekommt sie doch für die gemeinsame Zeit mit Sam für ihr soziales Engagement im Rahmen ihrer Bat Mizwat Punkte gutgeschrieben.

Komplexe Dynamiken

Gabrielle Zevin - Morgen, morgen und wieder morgen (Cover)

Doch schon in dieser Frühphase der beiden Kinder an der Schwelle zum Erwachsenenwerden zeigen sich komplexe Dynamiken. Denn nachdem Sam herausfindet, dass das gemeinsame Videospielen Sadie auch zur Auffüllung ihres Punktekontos für die Bat Mizwat diente, erleidet das Verhältnis der beiden einen Riss und wird erst später wieder vom anfänglichen Vertrauen geprägt sein.

Auch das Verhältnis Sadies mit einem verheirateten Dozenten im Rahmen ihres Studiums der Spieleentwicklung in Harvard ist nicht dazu angetan, das Zusammenwirken der beiden jungen Menschen zu vereinfachen, im Gegenteil. Von ihrem Geliebten kommt die junge Studentin auch im Folgenden nicht wirklich los. Spätestens, als die beiden im Rahmen der Entwicklung ihres ersten gemeinsamen Computerspiels Ichigo diesen als Entwickler und Zulieferer für ihre Grafikengine einbinden, entsteht hier eine komplexe Gemengelage, in der im Folgenden auch noch Marx mitmischen wird, der vom verständnisvollen Mitbewohner Sams zum Unterstützer und Manager des Entwicklerduos werden wird.

Während Sam und Sadie Spiele entwickeln, sich stets um die künstlerische Ausrichtung streiten ist es im Folgenden Marx, der die beiden zusammenhält und als Produzent Unfair Games, so der Name der Spieleschmiede, für das Funktionieren des komplexen Trios sorgt, bis ein Zwischenfall das bisher gekannte Miteinander völlig auf den Kopf stellt.

Ein Roman aus der Welt der Entwicklerstudios

Gabrielle Zevin, die bislang in Deutschland eher mit Jugendbüchern und (zumindest in der deutschen Aufmachung) recht kitschig aufgemachten Romanen in Erscheinung trat, gelingt hier ein spannendes Buch, das sowohl in der beschriebenen Thematik als auch in seinem Personal durchaus überzeugen kann.

So gibt es Romane über Videospiele inzwischen häufig – aber ein Roman, der die Welt der Entwicklerstudios spielt und die Arbeit des Spieleerfindens und die Realisation der digitalen Welten beschreibt, das ist doch (zumindest für mich) neu.

Zevin zeigt, wie sich seit den Anfangstagen die Spiele fortentwickeln, die Grafiken, Spielmechaniken und Ansprüche der Spiele ausgefeilter werden, Gewissensentscheidungen und komplexe Abwägungen in die Titel hineinfinden – was sich auch im Verhältnis von Sadie, Sam und Marx spiegelt, das im Lauf des Buchs in dem Maße an Wucht und Dramatik gewinnt, wie auch ihre entwickelten Spiele ambitionierter und populärer werden.

Dabei gelingt es der Autorin auch, mit Erzähleinfällen zu überraschen und neue Blickwinkel zu eröffnen.

Ist es zu Beginn der Dozent und Liebhaber von Sadie, der erbarmungslos alle von den Student*innen vorgestellten Titel verreißt und aburteilt, wenn sie ihn nicht überraschen und Neues bieten, so sieht sich das Buch selbst zunächst diesem Vorwurf der linearen Vorhersehbarkeit ausgesetzt.

Aber spätestens ab der Hälfte des Buch gelingt es Gabrielle Zevin dieses Forderungen auch für ihr Buch selbst umzusetzten und die Leser*innen emotional einzubinden (obgleich so manche der vielfach geschilderten Anziehung und Abstoßung, Depressionen und körperliche Pein des Schmerzenmanns Sam und der Schmerzenfrau Sadie dann doch auch etwas an exzessive Prosa Hanya Yanagiharas erinnern).

Bis zur Mitte schnurrt dieser geschmeidig erzählte Roman durchaus vor sich hin, bietet aber wenig Überraschendes oder Neues – was sich dann spätestens ab dem oben erwähnten Zwischenfall ändert. Ab hier kann Gabrielle Zevin mit eigenen Erzähleinfällen überzeugen, wagt ungeahnte Perspektivwechseln und probiert sich am Ende sogar an der Erzählform eines Computerspiels aus, das sie organisch in die Rahmenhandlung einbettet.

Ein bisschen von diesem inszenatorischen Mut der zweiten Hälfte hätte man auch dem ersten Teil von Morgen, morgen und wieder morgen gewünscht.

Aber auch so ist dieser Roman über die erzählten Inhalte hinaus eine gelungene Reflektion über die eigene Vergänglichkeit und die Möglichkeiten, die ein Computerspiel bieten kann und das, was Spiele mit uns machen.

„Was ist ein Spiel“ fragte Marx. „Es ist morgen, morgen, und wieder morgen. Die Möglichkeit einer unendlichen Wiedergeburt und unendlichen Erlösung. Die Vorstellung, dass du, solange du weiterspielst, gewinnen kannst. Kein Verlust ist von Dauer, denn nichts ist von Dauer, niemals.“

Gabrielle Zevin – Morgen, morgen und wieder morgen, S. 471

Denn dass die Endlichkeit schneller auf uns wartet, als es ein Computerspiel mit seiner Illusion der Unsterblichkeit vorgaukelt, dass weiß nicht nur Banquos Geist in Shakespeares Hamlet (dem auch der Buchtitel entlehnt ist). Das weiß auch die Dichterin Emily Dickinson, die zur Inspirationsquelle für Sadie wird und das weiß und zeigt auch Gabrielle Zevin in ihrem Roman mit der Wucht jener großen Welle des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai, die nicht nur das Cover des Buchs ziert, sondern auch Sadie und Sam Anregungen für die Entwicklung ihrer ersten Spiele gibt.

Fazit

Mit Morgen, morgen und wieder morgen gelingt Gabrielle Zevin ein souverän erzählter Roman, der von den Illusionen der Unsterblichkeit, von komplexen Beziehungen und von den Mühen der Spieleentwicklung erzählt. Sie stellt ein komplexes Figurendreieck in den Mittelpunkt ihres Romans und weiß vor allem in der zweiten Hälfte des Romans mit originellen und überraschenden Erzähleinfällen zu punkten, was aus Morgen, morgen und wieder morgen somit eine empfehlenswerte Lektüre macht!


  • Gabrielle Zevin – Morgen, morgen und wieder morgen
  • Aus dem Englischen von Sonia Bonné
  • ISBN 978-3-8479-0129-7 (Eichborn)
  • 560 Seiten. Preis: 25,00 €
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Claire Keegan – Das dritte Licht

Dass man mit kleinen Geschichten maximale Wirkung erzielen kann, das stellt Claire Keegan immer wieder unter Beweis. So gelang ihr mit Kleine Dinge wie diese eine großartige Weihnachtsfabel in Dicken’scher Tradition. Eine Erzählung, die zwar zu einer kalte Zeit in Irland spielt, die aber dennoch einen hell lodernden humanistischen Glutkern besitzt, wie ich in meiner Besprechung zum wenig später für den Booker-Prize nominierten Roman schrieb. Und auch in der ursprünglich 210 beziehungsweise in deutscher Übersetzung 2013 erschienenen Erzählung Das dritte Licht kann man dies mustergültig beobachten.

Nun lässt sich der Text in einer überarbeiteten Version und dementsprechend auch angepassten Übersetzung von Hans-Christian Oeser noch einmal entdecken.


Der Steidl-Verlag und der Übersetzer Hans-Christian Oeser haben unzweifelhaft ein Gespür für großartige irische Literatur. So gab es zuletzt von dort die bemerkenswerte Lebensgeschichte Annie Dunnes zu lesen, die Sebastian Barry in seinem Roman erzählt. Dort bekommt es die widerspenstige Annie überraschend mit zwei Kindern zu tun, die sie auf dem gemeinsamen Hof in den irischen Wicklows mit ihrer Cousine beaufsichtigen und hüten muss.

Das dritte Licht von Claire Keegan spielt von dort nur gute hundert Kilometer südlich entfernt und weist eine ähnliche Konstruktion auf, obgleich alles hier noch konzentrierter und noch kondensierter ist.

An einem Sonntagmorgen, nach der Frühmesse in Clonegal, fährt mein Vater, statt mich nach Hause zu bringen, ins tiefste Wexford, zur Küste, wo die Leute meiner Mutter herkommen. Es ist ein heißer Tag, strahlend hell, mit Mustern aus Schatten und jähem grünlichem Licht entlang der Straße. Wir fahren durch das Dorf Shillelagh, wo mein Vater bei einer Partie Forty Five unser rotes Kurzhornrind verloren hat, dann am Viehmarkt von Carnew vorbei, wo der Mann, der die Färse gewonnen hat, sie kurze Zeit später wieder verkaufte. Mein Vater wirft seinen Hut auf den Beifahrersitz, kurbelt das Fenster herunter und raucht. Ich schüttele mir die Zöpfe aus dem Haar, strecke mich auf der Rückbank aus und schaue aus dem Heckfenster.

Claire Keegan – Das dritte Licht, S. 7

So beginnt die Erzählung der namenlosen Heldin, die von ihrem Vater zur Verwandtschaft, den Kinsellas, dort in den Südosten Irlands gebracht wird. Die Mutter daheim erwartet wieder Nachwuchs und ist bestrebt, die Anzahl hungriger Münder zuhause zu reduzieren, während sie kurz vor der Niederkunft steht. Deshalb wird die Erzählerin zur kinderlosen Verwandtschaft gebracht, wo sie dort auf dem Hof von Mr. Kinsella und Mrs. Kinsella betreut und beaufsichtigt werden soll.

Ein Sommer in Wexford

Es ist eine Aufgabe, die alle Beteiligten nach anfänglichen Eingewöhnungsschwierigkeiten gerne annehmen. Mr. Kinsella lässt das Mädchen zum Briefkasten rennen und stoppt die Zeit, Mrs. Kinsella stattet das Kind neu aus und bindet es in die Tätigkeiten im Haushalt und auf dem Hof mit ein, man holt Wasser aus dem Brunnen, besucht eine Totenwache und hält es gut miteinander aus.

Claire Keegan - Das dritte Licht (Cover)

Erst eine übergriffige und allzu neugierige Nachbarin enthüllt der Ich-Erzählerin nach einiger Zeit das Geheimnis der Kinsellas. So haben die beiden ihren Jungen unter tragischen Umständen verloren. Eine Erfahrung, die das Paar bis tief ins Mark erschüttert und eine Leerstelle im Leben hinterlassen hat, die nun durch das Mädchen gefüllt wird. Es ist eine Erkenntnis, die sich dem Mädchen zunächst noch gar nicht wirklich erschließt (eine Erfahrung, die sich auch mit Annie Ernaux verbindet), die dem Text aber auch eine zweite, traurig-melancholische Ebene verleiht, die stets über dem Text schwebt.

So ist der nächtliche Ausflug zum Strand, den das Mädchen zusammen mit Mr. Kinsella unternimmt, mehr als doppeldeutig. Alleine das ungewohnte Händehalten, die Erfahrung der Unbeschwertheit im Spiel mit dem Wellen am und vor allem das metaphorische Bild der zwei Lichter, zu denen sich ein drittes Licht gesellt, sind stark aufgeladen und sind von einer wirklich eindringlichen Qualität, obschon Claire Keegan nur wenige Zeilen braucht, um über die Schilderung des Erlebens auch die Seelenlandschaften ihrer Figuren zu skizzieren.

Wir bleiben noch eine Weile stehen und blicken aufs Wasser hinaus.

„Sie mal, wo vorher nur zwei Lichter waren, sind jetzt drei.“

Ich blicke übers Meer. Dort blinken nach wie vor die beiden Lichter, doch dazwischen leuchtet jetzt auch noch ein anderes Licht.

„Kannst du’s sehen?“ fragt er.

„Ja“, sage ich. „Da drüben.“

Da legt er die Arme um mich und zieht mich zu sich, als wäre ich sein eigenes Kind.

Claire Keegan – Das dritte Licht, S. 72 f.

Fazit

Hier schreibt eine Autorin, die es schafft, mit wenigen Zeilen und Szenen ganze Lebensdramen in packende und eindringliche Bilder zu kreieren. Das dritte Licht fügt sich ein in ein schriftstellerisches Oeuvre, das von der Schönheit zwischenmenschlichen Begegnungen, dem Sieg des Herzens über die Ratio und von einfachen Menschen in schwierigen Zeiten erzählt.

Wie sich Claire Keegan ihren Themen nähert, wie sie alles Überflüssige reduziert, wie sie ihre Geschichten allesamt mit einer Botschaft der Empathie auch in schlechten Zeiten versieht, das ist beeindruckend. Auch wenn Keegans Erzählungen zeitlich jeweils grob verortet sind (hier geben die unter der irischen Landbevölkerung diskutierten Butterberge und die EWG eine ungefähre zeitliche Orientierung), so wohnt doch allen Geschichten etwas Zeitloses inne, das dieses literarische Werk auch über unsere Gegenwart hinaus lesens- und entdeckenswert machen.

Schön, dass der Steidl-Verlag dieser Autorin ein Zuhause gibt – und schön auch, dass Keegans Schaffen nach der Nominierung für den Booker Prize im vergangenen Jahr nun auch vielleicht durch die oscarnominierte Adaption ihres Buchs unter dem Titel An Cailín Ciúin bzw. The Quiet Girl noch etwas mehr Aufmerksamkeit erhält. Es wäre ihr zu gönnen!


  • Claire Keegan – Das dritte Licht
  • Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
  • ISBN 978-3-96999-199-2 (Steidl)
  • 104 Seiten. Preis: 20,00 €
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Gabriele Riedle – In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg

Zum Abschied die Erinnerungen. Gabriele Riedle lässt in In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg nach dem Tod eines befreundeten Kriegsfotografen die Gedanken ihrer Erzählerin schweifen. Gedankensplitter und Eindrücke aus dem Alltag einer Kriegsreporterin in Libyen, Lagos, Afghanistan, stets auf der Suche nach dem Weltgeist.


Das Vorurteil, dass es der deutschen Literatur an Welthaltigkeit gebricht, im Falle von Gabriele Riedle lässt sich das nicht bestätigen. Fast im Alleingang nimmt sie die Leser*innen in diesem Buch von an so viele Schauplätze mit, dass es eigentlich für zehn Romane reichen würde, auch wenn es sich hierbei laut Untertitel nur um eine Art Abenteuerroman handelt.

Tod in Misrata

Auslöser dieser Art Abenteuerroman ist der Tod eines befreundeten Kriegsfotografen namens Tim, von dem die namenlose Erzählerin in Berlin im Radio hört. Diese Todesnachricht wirft sie völlig aus der Bahn und löst vielfältige Erinnerungskaskaden aus.

So rauchten und scherzten wir eine ganze Weile, beziehungsweise war es natürlich so, dass nur die Serben rauchten, und sowohl Tim als auch ich begnügten uns inzwischen aus gesundheitlichen Gründen mit billigen Sprüchen, wobei es natürlich besser gewesen wäre, wenn Tim wenigstens erst zehn oder zwanzig Jahre später, aber dann trotzdem noch lange vor der Zeit, beispielsweise an Lungenkrebs verstorben wäre, anstatt schon kurz darauf in Misrata zerfetzt zu werden von der Granate eines schwachsinnigen Gaddafi-Getreuen, eines minderbemittelten Milizionärs oder eines dämlichen Dschihadisten, ich weiß ja bis heute nicht, wer es war, der damals auf Tim feuerte, denn sie hatten aus allen Richtungen geschossen.

Gabriele Riedle – In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg, S. 235

Der Job des Kriegsreporters, er ist einer, der unter ständiger Gefahr stattfindet und bei dem auch der Tod eines permanenter Begleiter ist. Fälle wie der der deutschen Kriegsfotografin Anja Niedringhaus in Afghanistan oder der von Marie Colvin in Syrien zeigen das immer wieder auf bestürzende Art und Weise. Und auch Gabriele Riedle selbst ist Kriegsreporterin, die viele Krisenherde selbst bereiste und für ihre Reportagen aus Saudi-Arabien, Libyen oder Tschetschenien mehrfach ausgezeichnet wurde.

Von Lagos bis Liberia

Gabriele Riedle - In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg. (Cover)

In ihrem Buch zeigt sich die Gefahr auch ständig, auch wenn die Schauplätze des Buchs wechseln mögen. So erinnert sich die namenlose Erzählerin an ihre Einsätze, die sie mit den Taliban-Kriegerin in Afghanistan in Kontakt brachten, erzählt von Reportagen aus den Dschungeln von Papua-Neuguinea oder abtrünnigen Provinzen wie der in Iguschetien. Von Lagos bis Liberia durchmisst die Erzählerin geradezu atemlos die eigenen Erinnerungen.

Besonders letzteres Land unter der damaligen Führung des inzwischen als Kriegsverbrecher verurteilten Charles Taylor hat sich bei ihr tief eingebrannt, verbrachte sie doch Zeit zusammen mit Tim, der sie bei einem jener von den Chefredaktionen in Hamburg oder Manhattan beautragten Einsätzen als Fotograf begleitete. Von diesen Erinnerungen berichtet die Erzählerin genauso wie von den Schwierigkeiten, zuhause zuhause zu sein.

Dann musste man natürlich auch wissen, wie man wieder zu Hause ankommt, wo und was auch immer das war, wohin gehen wir denn?, immer nach Hause, von wegen!, Novalis!, oder Hardenberg!, oder Ofterdingen!, oder wie immer du heißt auf deiner Reise von Eisenach nach Augsburg, heimzukehren war fast das schwierigste aller Unterfangen, viel schwieriger, als sagen wir, eine Expedition zum heiligen Berg Kailash, nach Afghanistan oder ins Innere von Papua-Neuguinea , außer man flog in einem Militärtransportflugzeug in einem Sarg aus Zink, dann wenigstens ging alles wie von selbst, sie luden einen ein und dann luden sie einen wieder aus, und falls sie wussten, was sich gehörte, salutierten sie sogar, die Hand an der Mützer oder wo auch immer, wobei sich das Salutieren und die Hand an der Mütze nach unserem Geschmack durchaus sparen konnten, denn ebenso wenig wie an das deutsche Reinheitsgebot glaubten wir an das Militär (…)

Gabriele Riedle – In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg, S. 130

Atemlose Satzkaskaden

In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg ist ein eigenwilliges Buch mit einer ganz eigenen Sprache, die hohe Konzentration und keinerlei Ablenkung einfordert. Punkte sind die Sache Gabriele Riedles nicht, wie schon die zwei obigen Zitate zeigen. Ihr genügen zwei, allerhöchstens drei Satzpunkte auf jeder Seite, um ihre Satz- und Erinnerungskaskaden vorzubringen und zu strukturieren.

Dabei springt sie an viele Handlungsorte und lässt jede Menge Anspielungen und Assoziation einfließen, wie etwa im obigen Textbeispiel Novalis‘ berühmtes Zitat. Aber auch der gerade vieldiskutierte Karl May, Hegel und dessen Weltgeist oder Operetten-Anspielungen finden sich immer wieder im Text, bei dem das Zuhause der Erzählerin in der Goethestraße in Berlin zwar kein wirkliches Zuhause ist, ihr auf den Namen West-Östlicher Diwan getauftes Sitzmöbel aber ein schönes Bild für die Pole im Wesen und Arbeiten der Erzählerin darstellt, die stets dem Weltgeist hinterherspürt.

So bringt In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg die weite Welt mit all ihren Konfliktherden ins eigene Lesezimmer. Gerade, da unsere Aufmerksamkeit selten über die tagesaktuellen Nachrichten und ein paar Schlaglichter auf internationale Krisen hinausreicht, bringt Riedles Buch all die globalen Missstände gebündelt aufs Tapet und verschafft einen Eindruck, wie groß die Welt außerhalb des eigenen, westlich zentrierten Blicks doch ist und welche Krisen wir so alles verdrängen.

Fazit

Auf In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg muss man sich einlassen – besonders auf die eigenwillige Prosa Gabriele Riedles. Tut man dies, bekommt man aber ein anspielungsreiches Werk geboten, das das Handwerk des Kriegsreporters aus nächster Nähe schildert und das viele dauerbrodelnde Konfliktherde von Afghanistan bis Libyen in den Blick rückt. Auch ist die Ausstattung dieses Buchs natürlich eine Pracht, wie man es von der Anderen Bibliothek gewohnt ist. Nur muss man jetzt noch zwei Wochen warten, ehe der kostengünstige Extradruck erscheint, der im Vergleich zum bereits vergriffenen Original mit 24 Euro dann doch erschwinglicher ist als die Originalausgabe. Oder man hat eine gut sortierte Bibliothek im Einzugsbereich, die das Buch bereits im Bestand hat.

Schön auf alle Fälle, dass die Jury des Deutschen Buchpreises mit ihrer Nominierung den Fokus auf bereits im Februar erschienene Werk gelegt hat – mir wäre sonst ein stilistisch eigenwillig und thematisch notwendiges und relevantes Buch entgangen!


  • Gabriele Riedle – In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg
  • ISBN 978-3-8477-2050-8 (Die andere Bibliothek)
  • 264 Seiten. Preis: 24,00 Euro, der Originalpreis beträgt 44,00 Euro
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Jackie Polzin – Brüten

Manchmal treibt der Buchmarkt schon kuriose Blüten. Da erscheinen innerhalb weniger Wochen zwei Bücher von Debütantinnen auf dem deutschen Buchmarkt, beide aus Nordamerika und beide mit dem gleichen, recht spezifischen Thema. Beide erzählen von der Hühnerzucht und dem Schicksal von weiblichen Figuren, die sich mit der Aufzucht und Hege von Hühnern beschäftigen müssen. Doch wo Deb Olin Unferth von den Abgründen der industriellen Hühnerzucht erzählt, konzentriert sich Jackie Polzin ganz auf das Private.

Sie erzählt von einer Frau in einem Vorort Minnesotas und ihrem Kampf um die vier Hühner im eigenen Garten. Dabei kombiniert sie die tierische mit menschlicher Nachwuchsplanung und betrachtet das Brüten, das Vögeln und Menschen verbindet. Kühn, aber in meinen Augen durchaus gelungen.


Sie heißen Hennepin County, Darkness oder Gam Gam und sind der ganze Stolz der namenlosen Ich-Erzählerin. Zusammen mit ihrem Mann Percy, einem Akademiker auf Jobsuche, lebt sie in einem Vorort von Minnesota und teilt sich ihr Zuhause mit vier Hennen. Die Hege und Pflege der vier Hühner widmet sich die Erzählerin mit viel Hingabe. Beginnend im Winter bei großen Minustemperaturen, denen nur mit einer Wärmelampe beizukommen ist bis hinein in den Sommer, in denen Habichte und Waschbären den Hühnern zusetzen, erleben wir chronologisch ein Menschen- und Hühnerjahr.

Zu den Schilderungen der Pflege der Hühner gesellen sich zunächst nur spärlich hingetupfte Informationen über die Erzählerin und ihren Mann. Die Nachbarn, ihre Mutter, Percys langwierige Berufungsverfahren als Lehrender – all das wird nur in kurzen, wohldosierten Informationen eingestreut. Erst langsam schält sich aus den Impressionen der Grund heraus, warum sich die Erzählerin so auf die Aufzucht der Hühner und ihr Brutverhalten fokussiert. Dabei ist der Titel Brüten angenehm vieldeutig und lässt sich auf das menschliche Verhalten übertragen, wenngleich das Huhn auf dem Cover eine Verengung des Themas signalisiert, die dem Buch selbst völlig fernliegt.

Menschliche Hühner und tierische Menschen

Jackie Polzin - Brüten (Cover)

Was verbindet uns in der Aufzucht von Nachwuchs? Wie bauen wir uns ein Nest und wie gehen wir mit Verlusten um? Indem die Erzählerin ganz genau auf die Hühner blickt, erzählt sie uns auch ganz viel von sich selbst. Zudem vermag es Jackie Polzin genau und eindringlich zu erzählen, sodass der Besuch eines Waschbären am Hühnerstall hier zu einer existenzerschütternden Erfahrung wird, die neben dem Huhn auch die Erzählerin und ihren Mann völlig aus der Bahn wirft.

Angesichts der Tatsache, dass es schon einen großartigen Roman über Hühner in diesem Frühjahr gibt, stellt sich natürlich aber auch die Frage, ob es dann einen zweiten Roman mit einer ähnlichen Thematik braucht. Diese Frage würde ich auf alle Fälle bejahen, eröffnen sich doch auch ganz reizvolle Perspektiven und Betrachtungen, wenn man die beiden Bücher in ihrer Themensetzung und Ausgestaltung miteinander vergleicht.

Hühner als literarisches Trendthema

So wählt Deb Olin Unferth den Ansatz, von der Mikroebene eines einzelnen freilaufenden Huhns auf die ganze Fülle von Legebatterien zu zoomen. Jackie Polzin geht den genau umgekehrten Weg. Während sie ihr Jahr mit vier Hühnern beginnt, werden es im Lauf des Jahres durch äußere Einflüsse immer weniger Hennen, was eine immer stärkere Bindung der Erzählerin an die Tiere hervorruft.

Während bei Deb Olin Unferth die industrielle Hühner- und Eierzucht und deren Kritik im Mittelpunkt steht, ist es bei Jackie Polzin das Privateste überhaupt, auf das sie sich fokussiert und von dem sie mithilfe der Hühner als Projektionsfläche erzählt. Sie benötigt keine Tierrettungsaktionen, große Figurenensembles oder Breitwandaction, um von Tier- und Menschenliebe zu erzählen. Stattdessen dominieren hier kurze Kapitel, eine minimale Personenanzahl und vier Hühner, mit deren Hilfe sie ihre Geschichte erzählt.

Eine Sprache zwischen Poesie und sprachlicher Genauigkeit

Die Sprache, mit der sie das tut, ist dabei doch manchmal erstaunlich hochspezifisch und dann doch wieder sehr poetisch (Übersetzung durch Nikolaus Stingl). So finden sich Adjetive wie intrikat oder Passagen wie die folgende:

Wenn Hühner Angst haben, suchen sie Deckung zwischen dem Haus und der Treppe, in den Spieren. Jedes Frühjahr bildet das Gesträuch eine weiße Wolke von Blüten, ansonsten jedoch ein Gewirr von Zweigen, teils Nest, teils Käfig. Die vorbeifahrenden Züge erschrecken die Hühner nicht, doch wenn auf dem Betriebshof anderthalb Kilometer entfernt gerade ein zweiter Zug anfährt, dann lässt dieser Anfahrvorgang – seine schiere chthonische Wucht – die Hühner wie angewurzelt stehen bleiben. Die Füße reglos, das Gefieder still, jeder fleischige Muskel erstarrt, ausgenommen ihre wild schlagenden Herzen und umherhuschenden Augen. Auf die gleiche Weise dringt der Zug nachts in meinen Schlaf ein, seine Geschwindigkeit vom Traum in eine hohe Wasserwand oder einen bodenlosen Abgrund verwandelt.

Jackie Polzin – Brüten, S. 144

Fazit

Man kann das Engführen von tierischem und menschlichem Verhalten und Bedürfnissen, von Eiausbrütung und Urtrieben natürlich für geschmacklos halten, möchten wir uns doch gerne über vermeintlich einfachere Tiere wie Hühner erheben. Dass wir diesen aber doch näher sind, als wir uns gemeinhin einreden, das zeigt Brüten auf literarisch anspruchsvolle wie gelungene Weise.

Jackie Polzin gelingt hier ein beachtliches Debüt, das auf verknappte Art und Weise von Tierischem und Menschlichen und dessen Überschneidungspunkten erzählt. Ihre genauen Betrachtungen eines Jahres voller Hühner, Träume und Verlust zeigt, dass auch ein vermeintlich einfaches Thema wie die Hühnerzucht viele Aspekte bereithält, die sich literarisch wunderbar aufbereiten lassen und damit auch wieder etwas über uns Menschen selbst erzählen.


  • Jackie Polzin – Brüten
  • Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
  • ISBN 978-3-423-29011-1 (dtv)
  • 208 Seiten. Preis: 20,00 €
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Percival Everett – Erschütterung

Was macht es mit einem, wenn dem eigenen Kind die Diagnose einer tödlichen Krankheit gestellt wird? Percival Everett hat darüber in Erschütterung geschrieben – und ein echtes Highlight in diesem jungen Bücherjahr geschaffen.


Im Mittelpunkt seines Romans steht der Geologieprofessor Zach Wells. Dieser arbeitet am Lehrstuhl seiner Universität und hat sich dem Spezialgebiet der Geologie-Paläobiologie verschrieben. So hält er (nach eigener Einschätzung) im wahrsten Sinne des Wortes knochentrockene Vorlesungen über Sedimentablaberungen und Funde von ausgestorbenen Lebewesen und unternimmt Exkursionen mit seinen Studierenden.

Ich wusste wahnsinnig viel über eine spezielle Höhle namens Naught’s Cave im Grand Canyon und die Vogelwelt, die darin heimisch war. Wie obskur ist das? Nun ja, ich wusste mehr als die meisten Leute. Der Vollständigkeit halber sollte ich darauf hinweisen, dass die meisten Leute über fast alle anderen Dinge mehr wussten als ich.

Percival Everett – Erschütterung, S. 10

Eine Erschütterung des eigenen Lebens

Percival Everett - Erschütterung (Cover)

Privat ist es vordergründig eine Bilderbuchexistenz, die Zach Wells führt. Mit seiner Frau Meg und Tochter Sarah lebt er in Altadena ind Kalifornien, hat sein gesichertes Auskommen und eigentlich keine größeren Sorgen. Zwar ist die Liebe zu seiner Frau längst einer tolerierenden Ko-Existenz gewichen und der große Sinn im Leben fehlt, doch wirkliche Probleme fühlen sich anders an.

Wie, das muss Wells nach einigen beunruhigenden Zwischenfällen erfahren. So übersieht seine junge Tochter im gemeinsamen Schachspiel eine Figur, die deutlich vor ihr steht. Gravierendere Ereignisse folgen. Die Tochter wirkt wie abwesend und hat zwischendurch Anfälle, die sich weder Zach noch seine Frau erklären können. Eine Konsultation bei Ärzten bringt die niederschmetternde Erkenntnis, dass ihre Tochter am Batten-Syndrom leidet. Hierbei handelt es sich um eine unheilbare Krankheit, die mit Erblindung, Verlust von intellektuellen und motorischen Fähigkeiten und Krampfanfällen einhergeht.

Der Verlust von Sicherheit

Die Diagnose erschüttert die zuvor so sicher geglaubte Lebenswelt des Professors und löst ebenjene titelgebende Erschütterung seiner Existenz aus. So überlegt er während einer gemeinsamen Wanderung in den den nahen Bergen:

Wie schon zuvor betrachtete ich meine Tochter von hinten, studierte ihre schreckliche Schönheit, widmete mich meiner schrecklichen Liebe. (…) Ich erinnerte mich an den Augenblick, in dem das geschehen war. Sarah war drei Monate alt, und obwohl ich bei allen mit dem Vatersein verbundenen Ängsten glücklich war, war mir meine Liebe zu meiner Tochter bis zu diesem Tag abstrakt, amorph, distanziert vorgekommen. Ich wischte mir gerade ihren sauren Speichel vom Hemd, als ich in ihr ziemlich ausdrucksloses kleines Gesicht sah, und es war um mich geschehen. Restlos. Vollständig. Unverzeihlich.

Und nun war ich hier auf diesem öden Berg, in diesen Wäldern,und ging ihr hinterher. Falls ein Bär oder ein Puma aus dem Unterholz käme, würde ich ihn mit bloßen Händen töten, um sie zu beschützen. Meine einzige Aufgabe im Leben bestand darin, dieses kleine Tier am Leben zu halten, und das konnte ich nicht. Hinter ihr auf diesem Pfad überlegte ich nicht, dass ich ein guter Vater, ein liebevoller Vater sein, sondern, dass ich weiterhin Vater bleiben wollte.

Percival Everett – Erschütterung, S. 128

Die Rettung in Form einer Jacke

Inmitten dieser Grenzerfahrung findet Zach Wells eher zufällig Ablenkung und neuen Sinn. In einer auf Ebay bestellten Secondhand-Jacke versteckt sich ein kleiner Zettel mit einem spanischsprachigen Hilferuf. Dieser setzt ihn auf die Fährte amerikanischer Nazis, die auf ihren Anteil am Verschwinden junger Frauen im kalifornisch-mexikanischen Grenzland haben. In diesem Hilferuf findet Wells Sinn und Ablenkung und erfährt damit auch einen neuen Weg aus seiner in Routine und Angst erstarrten Welt.

Erschütterung ist das Psychogramm eines mittelalten Akademikers, dessen sicher geglaubte Existenz gehörig ins Wanken gerät. Und während Richard Russo aus dieser Ausgangslage jüngst ein ironisch-heiteres Porträt zauberte, ist die Registerwahl von Percial Everett eine ganz andere.

Eindringlich und literarisch überzeugend

Zwar kann man Erschütterung auch als Campusroman lesen – es sind alle Zutaten vorhanden, inklusive Unibesetzung mitsamt aktueller Rassismus-Debatte. Aber es ist das Privatleben und die Bindung zu seiner Tochter, die in diesem Roman den größten Raum einnimmt. Everett konzentriert sich ganz unmittelbar auf Zach Wells, der als Ich-Erzähler aus seiner kleinen, abgeschlossenen Welt erzählt. Und dennoch findet sich hier bei allem Kokettieren mit der eigenen Belanglosigkeit Tiefe und Wucht, da es Everett hervorragend gelingt, die seelischen Erschütterungen seines Protagonisten zu vermitteln und fühlbar zu machen. Das Ringen mit den eigenen Gefühlen, Tochterliebe, eheliche Erstarrung – all das schildert Percival eindringlich und literarisch überzeugend.

Immer wieder zerteilen kleine Schnipsel wie etwa Schachstellungen oder wissenschaftliche Kurzbeschreibungen die Gedanken und Schilderungen von Zach Wells. Er erzählt von seinem universitären Alltag, den Verlockungen und der Suche nach der Wahrheit hinter dem Hilferuf. All das ist bestechend komponiert und entwickelt wirklich einen Sog, der erst mit der letzten Seite abreißt. Hier ist nichts zuviel, keine Belanglosigkeit oder Geschwätzigkeit. Erschütterung ist das Proträt eines Mannes, der sämtliche Gewissheiten verliert und der dennoch das Richtige tun will. Everett vermisst die Seele seines Helden, die Landschaft im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet und erzählt daneben auch en passant einen Krimi, der neben der Vielzahl von anderen Romanen mit gleichem Schauplatz bestehen kann.

Fazit

Erschütterung ist ein starker Roman, der von Nikolaus Stingl übersetzt nun bei Hanser erschienen ist. Percival Everett gelingt das eindringliche Bild eines Akademikers, dem seine Gewissheit abhandenkommt und der sich mit einem drohenden Verlust abfinden muss, obwohl er sich doch so bequem in seinem Leben eingerichtet hat. Bestechend erzählt und schon jetzt einer dieser Frühjahrstitel, die man unbedingt auf dem Schirm haben sollte.

Und nicht zuletzt ist dieses Buch auch der rare Fall eines Romans, dessen deutscher Titel deutlich treffender als das amerikanische Original namens Telephone ist.

  • Percival Everett – Erschütterung
  • Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
  • ISBN 978-3-446-27266-8 (Hanser)
  • 288 Seiten. Preis: 23,00 €
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